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119. Prozesstag – Welche Qualen durchlitt Familie M.?

Der Anschlag, den der NSU im Januar 2001 auf ein Geschäft in der Probsteigasse verübt haben soll, traf eine ganze Familie. Mashia M. wurde durch eine Bombe schwer verletzt. Die Recherchen der Polizei waren – wie in fast allen NSU-Fällen – eine schwere Belastung für ihre Eltern und die drei Geschwister. Am Donnerstag äußern sich die Betroffenen vor Gericht, nachdem am Tag zuvor bereits Mashia M. ausgesagt hatte.

Geladen sind ihre Mutter Soheila A., ihr Vater Djavad M. und eine ihrer Schwestern. Zu erwarten ist, dass die Nebenklageanwälte bei den Vernehmungen ausführlich auf die Ermittlungen eingehen werden. Schon in den vorigen Prozesstagen war deutlich geworden, dass die Kölner Polizisten mit Nachdruck untersucht hatten, ob die aus dem Iran eingewanderte Familie politische Feinde hatte oder in die organisierter Kriminalität verwickelt war.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Mashia M. hat nicht verloren

Der erste Sprengstoffanschlag des NSU von 2001 sollte ein Fanal gegen Migranten in Deutschland sein. Doch Mashia M., das Opfer, hat sich ihr Leben zurückerobert.

Erst kam die Bombe. Dann kam der Kampf. Dann kamen die Fragen.

Die Bombe explodiert am 19. Januar 2001, als die 19-jährige Mashia M. im Lebensmittelgeschäft ihres Vaters eine Christstollendose öffnet. Ein Unbekannter hatte sie in einem Weidenkorb im Laden hinterlassen, etwa einen Monat zuvor. In der Dose ist Schwarzpulver, verbunden mit einem Zündmechanismus am Deckel. Die Explosion in der Kölner Probsteigasse verletzt Mashia M. schwer und bringt sie in Lebensgefahr.

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Ein unerklärliches Motiv? – Das Medienlog vom Mittwoch, 4. Juni 2014

Das Gericht in München hat mit der Untersuchung des Bombenanschlags von 2001 begonnen, bei dem die 19-jährige Deutsch-Iranerin Mashia M. in einem Geschäft in der Kölner Probsteigasse schwer verletzt wurde. Sie hatte eine Christstollendose geöffnet, die laut Anklage Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt dort platziert hatte. Die Einführung des Falls in den Prozess ruft ein entsprechend großes Medienecho hervor. „Der Anschlag in der Probsteigasse ist gekennzeichnet von mehreren Merkwürdigkeiten“, kommentiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Gemeint ist, dass die Täter das unscheinbare Geschäft in einer normalen Kölner Gegend als Anschlagsziel fanden – und die Polizei später kaum in Richtung einer rechtsextremen Tat ermittelte.

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118. Prozesstag – Anschlagsopfer Mashia M. sagt aus

Der 19. Januar 2001 war ein Schicksalstag für die damals 19-jährige Mashia M.: Im Lebensmittelgeschäft ihres Vaters in Köln öffnete sie eine Christstollendose, in der eine Bombe versteckt war. Der Sprengstoff explodierte und fügte M. schwere Verletzungen zu. Bis heute leidet sie unter der Tat, die dem NSU zugeschrieben wird. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen die Dose zuvor in dem Laden hinterlassen haben.

Am Mittwoch äußert sich das Opfer vor Gericht zu der Tat: M. ist als Zeugin nach München geladen. Dabei wird sie schildern, welche Folgen der Anschlag für sie und ihre Familie hatte.

Ebenfalls geladen sind drei Polizisten, die mit Ermittlungen betraut waren, zudem vier Ärzte, die M. behandelt hatten. Ob tatsächlich alle Zeugen zur Aussage kommen, ist angesichts der begrenzten Zeit unklar.

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Hass aus der Stollendose

Im NSU-Prozess untersucht das Gericht den ersten Anschlag der Gruppe, bei dem 2001 eine Deutsch-Iranerin verletzt wurde. Für ein politisches Motiv interessierten sich die Ermittler damals nur am Rande.

Der Knall der Explosion zerreißt die Stille, die um sieben Uhr morgens in der Kölner Probsteigasse herrscht. Die Fensterscheiben im Erdgeschoss zerbersten, messerscharfe Fetzen einer Blechdose fliegen durch den Raum. Die Dose lag in einem weißen Flechtkorb, dessen Splitter sich in die Jackenärmel von Mashia M. graben. Gesicht und Hand der 19-Jährigen verbrennen, Bruchstücke zerschlitzen ihre Haut.

Nach dem schrecklichen Ereignis am 19. Januar 2001 liegt M. über Wochen in einer Klinik für Brandopfer, muss mehrmals operiert werden. Polizisten untersuchen den Ort der Explosion – den Lebensmittelladen von M.s Vater, einem iranischen Einwanderer. Noch während das Opfer um sein Leben kämpft, wird klar, dass dort eine Bombe detoniert ist. Doch wer dafür verantwortlich ist, das kann lange Zeit niemand erklären. Bis mehr als zehn Jahre später die rechtsterroristische Gruppe NSU auffliegt und sich in einem hämischen Video zu der Tat bekennt.

Zwei Sprengstoffanschläge in Köln werden dem NSU zugeschrieben, neben dem Fall von 2001 eine Explosion in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004, bei der 22 Menschen verletzt wurden. Am 117. Prozesstag beginnt das Münchner Oberlandesgericht mit der Untersuchung der ersten Bombentat, geladen sind drei Polizisten.

Unter den ersten Ermittlern am Tatort war der Kommissar Martin M., der in der Probsteigasse die Schäden aufnahm. Später fuhr er ins Krankenhaus, um dort Mashia M. zu vernehmen. „Sie sah schon ziemlich schlimm aus“, erinnert sich der Polizist, habe leise und langsam gesprochen. Es sei offensichtlich gewesen, dass das Opfer „nach der langen Zeit noch sehr geschockt“ war.

Experten des Landeskriminalamts bestätigten schließlich die Theorie einer Bombe. Das Kölner Polizeipräsidium rekonstruiert die Tat. Demnach kommt zwei bis drei Tage vor Weihnachten im Jahr 2000 ein Mann in den Laden, daran erinnerte sich Mashias Vater Djavad. Es handelt sich mutmaßlich um Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt. Der Kunde kommt mit dem weißen Flechtkorb, in dem eine Tüte Erdnussflips und eine Christstollendose liegen. Er nimmt eine Flasche Whiskey und eine Packung Kekse aus dem Regal. Als er bezahlen will, sagt er, er habe sein Geld zu Hause vergessen. Er wolle schnell sein Portemonnaie holen. Den Korb lässt er auf dem Tresen stehen.

Der Mann kommt nie wieder. Am Tag darauf stellt Mashias Mutter Soheila A. den Korb nach hinten – ohne zu ahnen, was darin liegt. Die Bombe ist verbaut in der roten Christstollendose mit den weißen Sternen, etwa 40 Zentimeter lang und 15 Zentimeter breit. Die Täter hatten eine Gaskartusche mit Schwarzpulver gefüllt und hineingelegt. Gezündet werden sollte der Sprengstoff mit sechs Batterien, die über eine Art Schalter mit der Kartusche verbunden waren. Der Schalter löste aus, wenn der Deckel der Stollendose geöffnet wurde.

Bis das passiert, dauert es einen Monat. Vielleicht hatten die Täter gehofft, noch in der Weihnachtszeit mit einem Anschlag Furcht zu stiften. Doch erst am 19. Januar entschließt sich Mashia M., den Inhalt des zurückgelassenen Korbs zu untersuchen. Sie hebt den Deckel der Dose an, sieht darin die Gaskartusche und schließt ihn wieder. Da zündet das Schwarzpulver.

Im Anschluss beginnt das Raten der Ermittler: Wer hatte etwas gegen den Laden, in dem morgens Schüler ihre Brötchen kauften? Welche Feinde hatte die Familie mit vier Kindern, die zehn Jahre vor dem Anschlag aus Teheran nach Deutschland gekommen war? „Wir konnten uns nicht erklären, wo das Motiv für diese Tat ist“, sagt der damalige Leiter der Ermittlungsgruppe, Edgar Mittler. Der 65-Jährige ist mittlerweile im Ruhestand.

Seine Aussage erweckt allerdings den Anschein, dass die Kölner durchaus Theorien hatten – aber keine große Lust, sie mit Nachdruck zu verfolgen. Alle Möglichkeiten einer politisch motivierten Tat ließen sie vom Staatsschutzdezernat der Polizei prüfen, das sich mit dem Verfassungsschutz in Verbindung setzen sollte. Eine Antwort von dort kam offenbar nicht. Damit gaben sich die Polizisten zufrieden. Als alle Recherchen im Sand verliefen, wurden 2006 die Asservate aus der Probsteigasse vernichtet.

Die Nebenklageanwältinnen Edith Lunnebach und Christina Clemm wollen ergründen, welche Gedanken sich Mittler und seine Leute gemacht hatten. „Der Mann war Ausländer, das hätte von rechts kommen können. In Köln sind aber auch die Linken sehr aktiv, das hätte von links kommen können“, sagt er. „Links gegen Ausländer ist für mich ein bisschen merkwürdig“, antwortet Lunnebach. Mittler entgegnet, dass schließlich die meisten Sprengstoffanschläge in Köln von Linken verübt worden seien.

Dass die Nationalität der Familie eine Rolle spielte, zogen die Ermittler jedenfalls in Betracht – auch eine „iranische Organisation“ oder das organisierte Verbrechen standen auf der Liste der Motive.

Zudem prüften sie, ob die Täter möglicherweise einen griechischen Kulturverein treffen wollten, der dieselbe Adresse wie das Geschäft hatte. „An welches Täterprofil haben Sie da gedacht?“, fragt Lunnebach noch einmal. Mittler antwortet: „Ich glaube, wir haben da gar nicht gedacht.“

 

Ankläger müssen auf Hamburger Spitzel verzichten – Das Medienlog vom Dienstag, 3. Juni 2014

Eine DVD auf dem Dachboden, Geheimniskrämerei beim Verfassungsschutz und ein Rechter, der ein Phantom bleiben wird: Dieser Tage gibt es eine Fortsetzung im Fall des verstorbenen V-Manns Corelli, der Ende März tot aufgefunden worden war. Wie der Spiegel berichtet, verschweigt der Hamburger Verfassungsschutz die Identität eines seiner eigenen V-Männer, der von Corelli eine DVD mit der Aufschrift „NSU/NSDAP“ erhalten haben soll. Die Bundesanwaltschaft hätte den Mann jedoch gerne zur Vernehmung geladen. „Die Quelle ist ein wichtiger Zeuge“, schreibt Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung.

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117. Prozesstag – Gericht beginnt mit Aufarbeitung des ersten Kölner Anschlags

Die Tat ist der erste Anschlag, den der NSU nach Erkenntnis der Anklage begangen hat: Am 19. Januar 2001 explodierte in einem Lebensmittelgeschäft in der Kölner Probsteigasse eine Bombe und verletzte die 19-jährige Mashia M. schwer. Den Sprengsatz sollen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Jahr zuvor in dem Laden hinterlassen haben. M. ist die Tochter des damaligen Inhabers, eines Deutsch-Iraners.

Am Dienstag beginnt das Oberlandesgericht München mit der Auswertung des Attentats. Als Zeugen sagen drei Kölner Polizisten aus, die am Tatort ermittelten und Spuren sicherten. Zudem sind während der ganzen Prozesswoche der Gerichtsmediziner Oliver Peschel und der Gutachter Rüdiger Mölle im Saal.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Montag, 2. Juni, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 3. Juni 2014.

 

Immer in Kontakt mit dem NSU – Das Medienlog vom Donnerstag, 29. Mai 2014

„Ich fahr‘ grad Lisl und Geri wo hin“ – solche SMS schrieben sich die Eheleute André und Susann E. André E. ist heute Angeklagter im NSU-Prozess. Gemeint waren mit „Lisl“ und „Gerri“ offenbar Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt, Mitglieder des NSU. Die E.s und das Trio standen bis zum Auffliegen der Gruppe am 4. November 2011 in engem Kontakt. Belege dafür präsentierten am Mittwoch vier Ermittler, die Handys und Mobilfunkdaten des Paares ausgewertet hatten. Ausgerechnet ab dem 4. November fanden sich keine SMS mehr auf den Mobiltelefonen. „Das Ehepaar E. hat vermutlich fleißig gelöscht“, folgert Frank Jansen im Tagesspiegel aus den Untersuchungsergebnissen.

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Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Mittwoch, 28. Mai, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 29. Mai 2014.