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Ein Techtelmechtel mit Zschäpe – Das Medienlog vom Donnerstag, 3. April 2014

Der Zeuge Thomas S. trat in den Zeugenstand – und ging gleich wieder. Weil gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft, berief er sich wie andere Zeugen aus der Szene auf sein Schweigerecht. Er soll dem NSU-Trio Sprengstoff besorgt und die drei nach ihrem Untertauchen bei sich wohnen lassen haben. Zudem arbeitete er als V-Mann für das Berliner Landeskriminalamt. Statt S. sprach am 101. Prozesstag ein Ermittler, der den Zeugen beim Bundeskriminalamt vernommen hatte. Die Aussage demonstrierte das Solidaritätsverständnis in der rechten Szene: „Für Thomas [S.] war es offenbar selbstverständlich, den drei ‚Kameraden‘ aus Jena behilflich zu sein“, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel.

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102. Prozesstag – Mutter von Uwe Mundlos sagt aus

Die Mutter des NSU-Mitglieds Uwe Mundlos, Illona Mundlos, sagt am Donnerstag in München aus. Mithilfe der Angaben von Eltern versucht das Gericht, Entwicklung und politische Einstellung der mutmaßlichen Terroristen nachzuvollziehen. Die vergangenen Vernehmungen waren allerdings stets an der Grenze zum Eklat – Siegfried Mundlos, der Vater, hatte in seiner Aussage anderen die Schuld an den Taten seines Sohnes gegeben und den Richter beleidigt.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Eine Zusammenfassung des Prozesstages veröffentlichen wir am Abend auf diesem Blog. Weitere Berichte fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

In der Psyche von Tino Brandt – Das Medienlog vom Mittwoch, 2. April 2014

„Verräterkomplex“ ist in der 100. Sitzung des NSU-Prozesses das Wort des Tages: Ein früherer Thüringer Verfassungsschützer gab Einblicke in die Zusammenarbeit mit dem V-Mann Tino Brandt, unter dessen Anleitung sich das NSU-Trio radikalisiert haben soll. Brandt habe sowohl der rechten Szene als auch dem Staat gedient – ein Widerspruch, den die Geheimdienstler bei ihrem V-Mann mit Geld gelindert hätten, sagte der Zeuge. „Selten bekommt man so hübsche Einblicke in die Arbeit von V-Mann und Verfassungsschutz“, kommentiert Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung die Vernehmung. Sie habe Erkenntnisse über die „Psyche des Neonazis“ gebracht.

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101. Prozesstag – Thomas S., mutmaßlicher Sprengstofflieferant

Thomas S. gilt als Unterstützer des mutmaßlichen Terrortrios, gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren. Am Mittwoch ist er zur Vernehmung nach München geladen. Ende 1996, als die NSU-Mitglieder Bomben bauten und in Jena abstellten, lieferte er ihnen laut Anklage zwei Kilo TNT-Gemisch. Den Sprengstoff fanden Ermittler auch in Rohrbomben, die sie bei einer Razzia Anfang 1998 in Beate Zschäpes Garage sicherstellten. Als die drei daraufhin untertauchten, soll S. ihnen zwei Wohnungen bei Bekannten vermittelt haben.

Wegen der Ermittlungen gegen ihn wird S. wahrscheinlich die Aussage verweigern. Im Anschluss ist ein Beamter des Bundeskriminalamts geladen, der den Zeugen kurz nach Auffliegen des NSU vernommen hatte. Dabei hatte S. umfangreiche Angaben gemacht.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

100 Tage NSU-Prozess: Streit statt Aufklärung

Streit vor den Augen von Zeugen, ständiges Gerangel um Anträge: 100 Tage nach dem Start des NSU-Prozesses prägt ein Kampf zwischen Opfervertretern und Anklage das Geschehen im Saal. Dadurch könnte sogar das Urteil gefährdet werden.

Der Mann in der roten Robe ahnte nicht, wie weit er daneben lag. „Wir sind hier nicht vor dem Jüngsten Gericht!“, schimpfte Bundesanwalt Herbert Diemer, ein Vertreter der Anklage, vor knapp zwei Wochen. Am Tisch vor der Richterbank saß Carsten R., der den drei Mitgliedern der Zwickauer Terrorgruppe nach deren Flucht im Jahr 1998 Unterschlupf gewährt haben soll. Er erklärte, ihm sei „egal gewesen, ob sie einen Schokoriegel geklaut oder jemanden umgebracht haben.“ Nebenklageanwältin Gül Pinar fragte daraufhin nach R.s Gedanken, als bekannt geworden war, dass seine Gäste zwischenzeitlich zehn Menschen ermordet haben sollen.

Es war der Moment, als die Verhandlung außer Kontrolle geriet. Bundesanwalt Diemer polterte mit seiner Bemerkung zum Jüngsten Gericht dazwischen. Der Zeuge solle sich nicht für seine damaligen Einstellungen rechtfertigen, sagte er. Die Nebenkläger, Vertreter von Opfern und Hinterbliebenen, fühlten sich in ihrem Fragerecht beschnitten. Demonstrativ stellten sie keine weiteren Fragen, sondern begannen zu diskutieren – mit den Anklägern und dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Es wurde laut, alle redeten durcheinander.

Nicht beim Jüngsten Gericht? Der Verhandlungstag war die Apokalypse für die Würde des Gerichts. An einem Nachmittag spitzten sich Zwistigkeiten, Misstrauen und schlechte Laune derart zu, dass sich die Prozessbeteiligten ungeniert vor den Augen des Zeugen stritten. Für eine Vernehmung katastrophal.

Tiefer Graben zwischen Anwaltschaft und Nebenklage

Wie konnte es dazu kommen? Dieser Dienstag ist der 100. Verhandlungstag im Terrorprozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Ein Meilenstein. Seit bald einem Jahr taucht der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts immer tiefer in eine Welt aus Hass und rechtsextremen Seilschaften ein. Am Ende sollen die zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Überfälle aufgeklärt sein, die dem NSU zugerechnet werden. Was macht die lange Zeit mit denen, die an dem gigantischen Verfahren beteiligt sind?

Wenn Menschen beständig auf engem Raum arbeiten, stellen sie sich aufeinander ein, fühlen sich zusammengehörig. Normalerweise. Das Gegenteil ist der Fall im Münchner Verfahren: Ein tiefer Graben verläuft zwischen Bundesanwaltschaft und den Nebenklagevertretern. „Das Verhältnis ist gestört“, sagt der Berliner Anwalt Sebastian Scharmer. Anders war das, als der Prozess im vergangenen Jahr anlief: „Zu Beginn sind wir von Transparenz und Kooperation ausgegangen – das ist lange vorbei.“

Ähnlich sieht es die Anwältin Seda Basay aus Frankfurt. Das Verhältnis zwischen Nebenklage und Anklage sei „ganz schlecht“. Beide Parteien haben zwar nie behauptet, dasselbe Ziel zu verfolgen. Der Nebenklage geht es nach eigenen Angaben um eine möglichst genaue Aufklärung der Hintergründe und des Netzwerks. Die Ankläger aus Karlsruhe müssen, wie es im Juristendeutsch heißt, die „Straf- und Schuldfrage“ klären – nicht mehr und nicht weniger. Doch schien es anfangs, als seien beide Seiten geeint, weil sie das Gegengewicht zu den fünf Angeklagten und ihren elf Verteidigern bilden. Ein Trugschluss.

Wackeliges Urteil befürchtet

Stetiger Garant für Streit sind die Anträge der Nebenkläger, Ermittlungsakten aus Karlsruhe nach München zu schaffen, um sie im Prozess einzuführen – insbesondere Dokumente über den Verfassungsschützer Andreas T., der beim Mord an Halit Yozgat 2006 am Tatort war, jedoch nichts von den tödlichen Schüssen mitbekommen haben will. T.s Fall gibt bis heute Rätsel auf, steht ständig im Misstrauen der Anwälte. Die vier Anklagevertreter im Saal weisen die Anträge jedoch regelmäßig zurück und verweisen auf T.s Privatsphäre. Götzl gab ihnen meistens Recht.

Basay befürchtet, dass dadurch ein wackliges Urteil zustande kommt. Denn die Verteidiger der Angeklagten könnten sich auf die aktenkundigen Ablehnungsbescheide berufen, um das Urteil anzugreifen: Können sie den Bundesgerichtshof überzeugen, dass das Oberlandesgericht entscheidenden Hinweisen nicht nachgegangen ist, könnten sie eine Revision erzwingen. Eine schier unfassbare Vorstellung: Womöglich zwei Jahre Terrorprozess – hinfällig, weil ein paar Aktenordner fehlen.

„Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Bundesanwaltschaft sagt, T. hat ja nichts gesehen und ist deshalb nicht relevant. Das greift zu kurz“, sagt auch der Hamburger Anwalt Alexander Kienzle, der den Vater von Ismail Yozgat vertritt. Wie seine Kollegen hält auch er den schweren Streit vor den Augen des Zeugen Carsten R. für schädlich: „Wenn man auch nur einen Schritt weiterkommen will, muss man die Motivation der Zeugen untersuchen“ – doch Fragen nach R.s Meinung hatte sich die Bundesanwaltschaft deutlich verbeten.

Am Tag nach der Vernehmung gaben 27 Nebenklageanwälte eine Erklärung ab, in der sie den Anklägern vorwarfen, mit ihrer ablehnenden Haltung die Strafprozessordnung gebrochen zu haben. Bundesanwalt Diemer wollte sich das nicht gefallen lassen: „Die Unterstellung, dass ich nicht an der Aufklärung der Wahrheit interessiert wäre, weise ich als böswillige Unterstellung auf das Schärfste zurück.“ Gegenüber ZEIT ONLINE teilt die Behörde mit, sie lasse sich in Sachen Fragerecht „von einem denkbar großzügigen Maßstab leiten.“ Das Verhalten der Nebenklage will sie nicht kommentieren.

Prozess bis 2015?

Einen milderen Ton anzuschlagen, dazu sind weder Nebenkläger noch Ankläger bereit. „Es gibt keine Kommunikation mehr“, sagt Anwältin Basay. Die Bundesanwaltschaft wolle zügig die Anklage abhandeln und „kein anderes Fass aufmachen“. In der Nebenklage glaubt niemand mehr, das Gerangel im Saal sei ein reiner Autoritätskampf – sondern eher das Ergebnis von Weisungen aus dem Bundesjustizministerium, wie Anwalt Scharmer sagt: „Ich gehe davon aus, dass dieses Verhalten in der Behörde abgesprochen und auch abgesegnet ist.“

Vor wenigen Tagen hatte das Oberlandesgericht angekündigt, der Prozess werde wahrscheinlich bis ins Jahr 2015 dauern. Bislang deutet nichts darauf hin, dass bis dahin Frieden einkehrt.

 

100 schmerzhafte Tage – Das Medienlog vom Dienstag, 1. April 2014

Heute geht der Prozess in den 100. Verhandlungstag. Diese Wegmarke nutzen insbesondere Regionalzeitungen, um das bisherige Verhandlungsgeschehen einzuordnen. Die Bilanz fällt durchwachsen aus: Knatsch zwischen Anklage und Opfervertretern, schweigende Zeugen und leidende Hinterbliebene prägen nach Ansicht der meisten Kommentatoren das Verfahren. Für die Nebenkläger sei es „fast unerträglich, Zschäpe lächelnd, aber stumm zu erleben“, schreibt Mirko Weber in der Stuttgarter Zeitung. Zudem werde der Prozess die Motivation der Täter nicht aufklären können – das könnte lediglich Beate Zschäpe.

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100. Prozesstag – V-Mann-Führer und NSU-Helfer geladen

Zwei Zeugen vernimmt das Gericht am Dienstag, dem 100. Tag im NSU-Prozess. Die erste Aussage macht der Verfassungsschützer Reiner Bode. Er war zeitweise V-Mann-Führer des Thüringer Neonazis Tino Brandt, der bis zu seiner Enttarnung 2001 sieben Jahre lang an das Landesamt für Verfassungsschutz berichtet hatte. Brandt ist der Gründer des Thüringer Heimatschutzes, zu dessen Treffen auch Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kamen.

Im Anschluss tritt der Chemnitzer Thomas R. in den Zeugenstand. Er gehört zu den Kameraden aus dem NSU-Umfeld, die dem Trio nach dessen Abtauchen im Jahr 1998 einen Unterschlupf boten. In R.s Wohnung kamen die drei laut Anklage direkt nach ihrer Flucht unter und blieben zwei Wochen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Der NSU-Prozess dauert noch bis 2015 – Das Medienlog vom Montag, 31. März 2014

Am 1. April findet vor dem Oberlandesgericht München der 100. Verhandlungstag im NSU-Prozess statt. Die Medien ziehen daher dieser Tage ein Fazit – oder geben einen Ausblick auf die Zukunft des Verfahrens: Der Focus berichtet, dass der Prozess sich wahrscheinlich bis ins Jahr 2015 ziehen wird. Gerichtssprecherin Andrea Titz sagte dem Magazin, es sei überhaupt nicht absehbar, ob die bislang festgelegten Termine bis Dezember 2014 reichen würden.

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Zwei Spitzel an einem Tag? – Das Medienlog vom Freitag, 28. März 2014

Am Donnerstag haben im NSU-Prozess die Ex-Freundin von Ralf-Wohlleben, Juliane W., und zwei Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes ausgesagt. Das Thema war in allen Vernehmungen dasselbe, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven: die V-Mann-Tätigkeiten des Geheimdienstes in Thüringen. Die Prozessbeteiligten erkundigten sich sowohl nach nachrichtendienstlichen Befragungen bei W. als auch nach der Arbeit des V-Manns Tino Brandt. Dessen ehemaliger V-Mann-Führer Norbert Wießner „lobte den 1994 von ihm angeworbenen Spitzel in höchsten Tönen“, berichtet Frank Jansen im Tagesspiegel.

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Der Nazi, der auspackte

In der rechten Szene trommelte er die Kameraden zusammen, nebenbei plauderte er mit Geheimdienstlern: Über den früheren V-Mann Tino Brandt hat ein Verfassungsschützer im NSU-Prozess ausgesagt.

Wenn Norbert Wießner heute von seinem früheren V-Mann Tino Brandt spricht, kommt er regelrecht ins Schwärmen. Kooperativ und ehrlich sei Brandt gewesen, er habe „umfangreich und wahrheitsgemäß“ Bericht erstattet. Brandt war eine Quelle aus der rechten Szene, wie man sie sich als Verfassungsschützer nur wünschen konnte: Er gründete den berüchtigten Thüringer Heimatschutz, ein Sammelbecken für Rechte aus dem ganzen Bundesland – auch für Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Er verfügte über beste Kontakte in die Szene und wusste, was die Kameraden planten.

Brandt geriet im Jahr 1994 auf den Schirm von Wießner, der beim Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) für die Anwerbung von Spitzeln zuständig war. Er warb Brandt als V-Mann mit dem Tarnnamen Otto an und schmiedete ein Vertrauensverhältnis, das sieben Jahre lang dauerte – bis der Informant 2001 enttarnt wurde. Vor Gericht hat Wießner nun von der gemeinsamen Arbeit mit Brandt berichtet.

Der 67-jährige Zeuge ist mittlerweile in Pension, doch sein ehemaliger V-Mann ist ihm immer noch bestens in Erinnerung. Brandt überragte andere Szenekenner bei Weitem: „Tino Brandt war die wichtigste Quelle des Amts.“ Ohne seine Hilfe wäre es kaum möglich gewesen, Auskünfte über die rechte Szene weiterzugeben.

Nach der Anwerbung wurde Wießners Kollege Reiner Bode zum V-Mann-Führer. In dieser Zeit schrieb dieser die Berichte über die heimlichen Treffen, bei denen Brandt über die Szene auspackte. Als die Behörde 1998 umstrukturiert wurde, war die Betreuung des Informanten wieder Wießners Job. Persönlichen Kontakt gab es einmal wöchentlich „und telefonisch rund um die Uhr“, erinnert er sich. Treffen waren immer vormittags am Donnerstag, kurz bevor ein Sicherheitsausschuss im Innenministerium die Einsätze fürs Wochenende plante.

Über den NSU sagt keiner was

In den Gesprächen ging es um den Thüringer Heimatschutz, aber auch um die NPD, in deren Kreisen sich Brandt ebenfalls bewegte. Anfang 1998 kam ein weiteres Thema dazu: Die Suche nach Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, die nach einer Razzia untergetaucht waren. Brandt bekam den Auftrag, sich bei dem heute Angeklagten Ralf Wohlleben und dem dubiosen Zeugen André K. umzuhören. Doch in diesem Fall versagte die sonst so brillante Quelle: „Es hieß immer wieder: Keiner weiß was, keiner sagt was“, beschreibt Wießner die Situation. Schließlich mussten die Verfassungsschützer einsehen, dass sie Brandt bei den Kameraden in Verdacht gebracht hätten, wenn sie ihn immer wieder mit Nachfragen beauftragt hätten.

Über die Motivation ihres Kontakts machten sich die Verfassungsschützer indes keine Illusionen: „Das entscheidende Führungsmittel war Geld“, sagt Wießner. Für Bares „hätte er vermutlich 24 Stunden Dienst gemacht“. Zwischen 1998 und 2001 erhielt Brandt laut Wießner 1.200 bis 1.500 Mark im Monat. Damit dürfte Brandt einer der bestbezahlten V-Männer auf der Gehaltsliste des LfV gewesen sein. Er selber sagt, er habe insgesamt 200.000 Mark erhalten.

Gehorsamsverweigerung für den besten Informanten

V-Mann-Führer Wießner war von seinem Informanten so überzeugt, dass er sogar den Gehorsam verweigerte, um Brandt zu schützen. Denn im Sommer 2000 entschied Amtsleiter Helmut Roewer, Brandt „abzuschalten“.

Der Spitzel hatte sich bei den Beamten unbeliebt gemacht, weil er einen Posten als stellvertretender Landesvorsitzender der NPD angenommen hatte. Führungskräfte in rechten Parteien wollte das Amt nicht in seiner Informantenkartei. Wießner sagt, er habe das ergiebige Verhältnis nicht „Knall auf Fall“ beenden wollen. Weil er sich weigerte, musste der frühere V-Mann-Führer Bode die Nachricht an Brandt überbringen.

Die Trennung war jedoch nicht von Dauer: Schon ein Vierteljahr später griff das Thüringer Innenministerium ein und ließ Brandt zurückbeordern. Der Informant war einfach zu wertvoll. Brandt bekam eine neue Akte und wurde unter dem Decknamen Oskar geführt. Erst, nachdem Roewer als Verfassungsschutzpräsident abgelöst worden war, kam das endgültige Aus für die Zusammenarbeit. Im Januar 2001 schaltete Wießner Brandt ab, vereinbarte jedoch sogenannte Nachsorgetreffen, um gelegentlich noch auf dessen Wissen zugreifen zu können.

Das letzte der sechs Treffen war aus Sicht der Verfassungsschützer eines zu viel: Am 1. Mai 2001 plante die NPD in Frankfurt am Main einen Aufmarsch, an dem auch eine Busladung Rechter aus Thüringen teilnehmen sollte. Brandts Informationen waren gefragt. Doch das passte einigen Mitarbeitern des LfV nicht. „Dieser Treff ist vom Amt verraten worden“, sagt Wießner. Der Leiter des Referats für Rechtsextremismus habe einige Mitarbeiter zur Observation des Treffens abgestellt – „das war total unüblich“, sagt Wießner vor Gericht hörbar erregt.

Das Gespräch wurde an die örtliche Zeitung durchgestochen, deren Redakteure Brandt und Wießner beim vermeintlich vertraulichen Austausch beobachteten. Kurz darauf war Brandt öffentlich enttarnt. Wießner ließ sich nach der Indiskretion zum Landeskriminalamt versetzen. Beim Verfassungsschutz war er gemeinsam mit seiner Quelle untergegangen.