Im thüringischen Themar wurden Tausende Neonazis zu einem großen Rechtsrock-Festival erwartet. Polizei und Bürger verdarben den braunen Besuchern ihren Spaß.
Von Henrik Merker
Für das Jahr 2019 hatte sich die rechtsextreme Szene eigentlich viel vorgenommen: Tausende Neonazis waren Ende Juni zum Rechtsrockfestival im sächsischen Ostritz erwartet worden – tatsächlich wurden es rund 700. An diesem Wochenende stieg ein ähnliches Event im thüringischen Themar, die Tage der nationalen Bewegung. Der Erfolg: ähnlich bescheiden.
2017 waren hier noch 6.000 Rechtsextreme aus ganz Europa angereist und hatten Adolf Hitler bejubelt. Es war eines der größten Events Deutschlands. In diesem Jahr herrschte vor allem Mangel: an Platz, an Besuchern, an Bier.
Am Sonnabend sollten nach dem Willen der NPD 800 Neonazis ins thüringische Eichsfeld kommen. Es kamen 130. Die Stimmung war mies – nicht zuletzt wegen Alkoholverbots, technischer Probleme und mehrerer Anzeigen.
Der „Eichsfeldtag“ der NPD in Leinefelde wird von Jahr zu Jahr kleiner und unbedeutender. Waren es 2017 noch rund 500 Gäste, kamen in diesem Jahr zum Abschluss des NPD-Europawahlkampfs nur noch 130 Neonazis auf die umzäunte Wiese in Nordthüringen. Selbst 2011, im ersten Jahr des Events, waren es mehr gewesen als in diesem Jahr. Es mag auch daran liegen, dass die Veranstaltungen sich dabei von Jahr zu Jahr gleichen. Weiter„NPD verliert Rückhalt in der Szene“
Am Tag der Arbeit tarnt die AfD Polemik gegen Einwanderer als Sozialpolitik. Doch eine Machtdemonstration ist die Maikundgebung mit Björn Höcke nicht.
Von Martín Steinhagen
„Höcke, Höcke“, rufen seine Anhänger in Erfurt dem Thüringer AfD-Vorsitzenden zur Begrüßung entgegen. Der 1. Mai hätte ein Heimspiel werden können für Björn Höcke und seine Getreuen. In der Landeshauptstadt entstand 2015 die „Erfurter Resolution“ der völkisch-nationalistischen AfD-Strömung namens Flügel. Die Partei ging hier zeitweise wöchentlich auf die Straße. Aber an diesem Mittwoch kommen weniger Menschen als erwartet: Mit 2.000 Teilnehmern hatte die Polizei am Vortag noch gerechnet, etwa 800 zählt sie später. Eine Machtdemonstration ist die Maikundgebung mit dem Motto „Blauer Frühling“ jedenfalls nicht.
Rechtsrock hat Konjunktur: In Thüringen stiegen im vergangenen Jahr über 70 Neonazikonzerte – weit mehr als in früheren Jahren. Rechtsextreme kaufen Immobilien, um ungestört zu feiern.
Rechtsrockkonzerte ziehen immer wieder Hunderte Neonazis an. Auf größeren Festivals kommen sie alle zusammen: Musikliebhaber, Holocaustleugner, Vertreter rechtsextremer Parteien. Im Schatten der Bühne, wo die Hasslieder gesungen werden, vernetzen sich die Rechtsextremen – und spülen Geld in die Taschen der Veranstalter.
Die Veranstaltungen scheinen sich zu lohnen, wie das Beispiel Thüringen belegt: Fanden dort 2014 noch 27 Konzerte statt, waren es 2018 schon mehr als 70. Das geht aus der jährlichen Statistik zu Rechtsrockveranstaltungen hervor, die die Thüringer Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Mobit am Freitag vorgelegt hat.
Wegen enger Kontakte zu Rechtsextremen muss die AfD eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz fürchten. ZEIT-ONLINE-Recherchen zeigen weitere Verstrickungen in das Milieu.
Von Henrik Merker
Ende Januar 2019 gelangte ein geheimes Gutachten an die Öffentlichkeit, verfasst im Auftrag des Bundesverfassungsschutzes. Auf 436 Seiten werden darin verfassungsfeindliche Umtriebe in der AfD beleuchtet: Von Holocaustleugnung und Kontakten hoher Funktionäre in die rechtsextreme Szene ist die Rede. Der Partei droht eine Beobachtung durch den Geheimdienst.
Offiziell grenzt sie sich deshalb von rechtsextremen Gruppen ab. Doch die Zusammenarbeit mit der neu-rechten Identitären Bewegung und früheren Mitgliedern der NPD-Jugend ist ungebrochen. ZEIT ONLINE hat zwei weitere Verbindungen in Brandenburg und Thüringen aufgedeckt.
Acht verletzte Polizisten, Steinwürfe, Pfefferspray: Thüringen ist am Wochenende zum Kampfplatz von Neonazis geworden. Mit einem misslungenen Rechtsrockfestival hat sich die Szene blamiert.
Von Henrik Merker
Über dem Marktplatz der kleinen Thüringer Stadt Apolda wabert der Geruch von Pfefferspray, selbst in einigen Metern Entfernung brennen noch die Augen vom Reizgas. Hunderte kaputte Glasflaschen, Unmengen Müll und mehrere Pflastersteine liegen am Sonntagmorgen noch herum. Die Spuren eines gewalttätigen Kampfes: Neonazis gegen Polizisten. Und die Rechtsextremen haben verloren.
Kurz nach dem Urteil im NSU-Prozess ließ sich Terrorhelfer André Eminger wieder unter Rechtsextremen blicken: Er ging auf ein Szenekonzert in Thüringen. Unter Gleichgesinnten gilt er als „Heldenfigur“.
Der verurteilte NSU-Unterstützer André Eminger ist nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft offenbar wieder in der Neonaziszene unterwegs. Wie MDR Thüringen am Montag berichtete, besuchte er Anfang August ein rechtes Konzert in Kirchheim bei Erfurt. Bei der Veranstaltung handelte es sich demnach um ein “Abschiedskonzert” für zwei Neonazimusiker, die demnächst wegen eines Angriffs auf eine Kirmesfeier in Thüringen im Jahr 2014 mehrjährige Haftstrafen antreten mussten.
Es braucht nicht „Reconquista Internet“, um gegen Rechtsextremismus im Netz vorzugehen. In der Thüringer Provinz führt eine kleine Gruppe den Kampf gegen pöbelnde Trolle.
Ein Gastbeitrag von Susanne Blau
Am Anfang war eine Meldung über die Neueröffnung eines kleinen pakistanischen Streetfood-Lokals. In der Innenstadt von Nordhausen, unserer Heimatstadt im Norden Thüringens, hatte sich eine Gastronomin selbstständig gemacht. Die Tatsache, dass eine Pakistanerin diesen Schritt wagt, führte auf einem kleinen regionalen Nachrichtenportal zu einem Shitstorm aus fremdenfeindlichen Leserkommentaren.
In einem Verband von Holocaustleugnern sammelten sich Rechtsextreme aus ganz Europa. Die Verbindungen reichen bis zu einem mutmaßlichen Polizistenmörder – und nach Deutschland.
Von Kai Budler
Die Durchsuchung des Anwesens eines bekannten Neonazis in Ungarn endete für den Polizisten Peter Palvölgyi im Oktober 2016 tödlich. Mehrere Schüsse aus einer Maschinenpistole trafen ihn in den Kopf, er verstarb noch am selben Tag im Krankenhaus. Ein weiterer Beamter wurde durch Schüsse in die Magengrube verletzt.
Die Tage der nationalen Bewegung in der Rechtsrockzentrum Themar sollten eine Politveranstaltung der NPD sein. 2.200 Neonazis kamen aber vor allem, um Spaß zu haben – der Gegenprotest blieb klein.