Es lohnt sich, wegzuschauen: Die DVD „Festival 2005“ ist ein Zusammenschnitt der Festival-Auftritte von The Cure im vorvergangenen Sommer. Was sich ausgesprochen gut anhört, sieht leider fürchterlich aus.
Sicher zwanzig Mal haben sich The Cure aufgelöst. Um sich bisher jedes Mal ein, zwei Jahre drauf reumütig wieder zu vereinen. Mal in gleicher Besetzung, mal mit neuen Musikern. In der langen Geschichte der Band seit ihrer ersten Single Killing An Arab im Jahr 1978 ist Sänger Robert Smith die einzige Konstante. Es heißt, er sei unausstehlich und regiere die Geschicke der Band alleine, immer wieder schieden Musiker im Streit aus.
Zum letzten Mal hatte Smith The Cure nach dem Album Bloodflowers im Jahr 2000 für aufgelöst erklärt. Geglaubt hat ihm das natürlich fast niemand. Wenig verwunderlich, dass vier Jahre nach dem vermeintlichen Ende wieder ein Album erschien, es trug den simplen Titel The Cure. Da rumpelte und dröhnte es mehr als je zuvor, von den leichten Melodien zum Mitsummen, wie man sie aus den Achtzigern kannte, hatten sie sich weit entfernt.
Ähnlich oft wie die Auflösung seiner Band gab Smith in den letzten Jahren bekannt, nicht mehr live aufzutreten. Es war also keine wirkliche Überraschung, dass The Cure in wiederum veränderter Besetzung – minus zwei, plus eins – im Jahr 2005 durch die Welt tourten und Konzerte gaben. Konzerte, von denen alle Beteiligten – Musiker wie Besucher – offenbar so begeistert waren, dass das ganze nun, beinahe anderthalb Jahre danach, auf DVD verwurstet wird.
Festival 2005 ist ein Zusammenschnitt von mehr als zweieinhalb Stunden Material von den neun großen Festival-Auftritten der Band im vorvergangenen Sommer. Die Auswahl der Stücke ist fantastisch, aus allen Teilen der bewegten Karriere ist etwas dabei. Sie schmiegen sich aneinander, Alt.End vom letzten Album passt perfekt zwischen Fascination Street von 1989 und The Blood von 1985, es grummelt und drängt. Die zwanzig Jahre zwischen Shake Dog Shake und Us Or Them sind auf der Bühne beinahe nicht zu hören. Kraftvoll, dynamisch und hymnisch geht es zu, alles stimmt. Nun ja, fast alles:
Was sich nämlich ausgesprochen gut anhört, sieht leider schrecklich aus. User generated content nennt man so etwas wohl heutzutage: Die Bilder wurden aufgenommen von Fans und Mitarbeitern, die man mit DV-Kameras ausstattete. Manchmal wird gewackelt und gezoomt, was das Zeug hält, dann wieder sieht man minutenlang das Bild einer statischen Kamera, die Musiker in gehöriger Entfernung, dafür viele Hinterköpfe zwischen hier und dort. Die einzigen wirklich bewegten Bilder stammen von den langarmigen Kameras, die unnatürliche Flüge für die Videoleinwände neben der Bühne aufnehmen – in glatter MTV-Ästhetik. Die Farben sind mal ausgewaschen, mal hyperrealistisch, mal fehlen die Kontraste beinahe ganz, mal ist nichts mehr zu erkennen vor lauter Kontrast. Und meist passiert das alles in einem Stück.
Die Qualität ist gruselig, künstlerisch wie technisch. Zu allem Überfluss wurden einige der Stücke (nachträglich?) mit Effekten belegt, die schon zu Tagen von Beat-Club und Formel Eins für Netzhautablösung sorgten. Bei The Drowning Man vibriert das Bild im Rhythmus der Basstrommel, Signal To Noise nervt mit Doppelbild- und Reliefeffekten. Das wunderbare Schlussstück Faith ist theatralisch in Schwarzweiß gehalten und von Solarisationen durchzogen, A Strange Day versaut dieser 3D-Effekt aus den Achtzigern. Uargh.
Man hätte was draus machen können, sicher. Die Gemäuer des Teatro Greco im sizilianischen Taormina oder die Berliner Wuhlheide sind alleine schon stimmungsvoll genug. Ohne die vielen Effekte und übermäßige Experimentierfreude wären dort sicher feine Filmchen entstanden. 1988 dokumentierte der Kinofilm The Cure In Orange einen Auftritt der Band im beinahe 2000 Jahre alten Théâtre Romain der provencalischen Stadt Orange. Ganz ohne fangenerierte Inhalte und ambitionierte Amateurfilmerei. Wundervoll war das. Festival 2005 sollte man auf die altbewährte Art genießen: Augen zu und durch!
„Festival 2005“ von The Cure ist als DVD erschienen bei Geffen/Universal
Sehen Sie hier „Never Enough“
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