Beim großen Sommertheater im Thalia-Zelt am Elbufer schlüpfen Frauen in die Rolle der Abenteurer, ohne daraus verkopftes Gender-Theater zu machen.
Das Doofe an Abenteuerromanen ist ja meistens, dass es reine Jungsgeschichten sind, in denen Frauen maximal die zweifelhafte Ehre zuteil wird, sich aus irgendwelchen Türmen befreien zu lassen. Das fand Peter Jordan, Ex-Thalia-Ensemblemitglied und Ex-Tatort-Kommissar, wohl ziemlich ungerecht und er inszeniert zusammen mit Leonhard Koppelmann Alexandre Dumas‘ Mantel- und Degenroman Die drei Musketiere mit umgedrehten Geschlechterrollen. So darf Victoria Trauttmannsdorff die Rolle des bösen Kardinals Richelieu übernehmen, und Tilo Werner hat einen Auftritt als Königin. Aber keine Sorge, verkopftes Gendertheater ist im Thalia-Zelt, das nach fast vier Jahren wieder in der HafenCity aufgeschlagen wird, nicht zu erwarten: Es wird gesungen, getanzt und ausgiebig mit dem Degen gefochten. Das ist spektakuläres Sommertheater am Elbufer. En garde!
Der Single von heute ist gläsern – und ist das auch gut so? Im 73 diskutiert man den Effekt von digitalen Tools auf Partnerschaft und Dating.
Wo sucht ein Single in Hamburg die Liebe seines Lebens, eine Bekanntschaft, eine Affäre, einen One-Night-Stand? Setzt man sich in der Schanze in eine Bar und zwinkert durch den Raum? Geht man ins Stadion und hofft auf einen Herzmenschen mit gleichem Interesse? Lässt man sich von Freunden bei einem Abendessen verkuppeln? Oder ist dieser ganze Real-Live-Kram überholt und Suchende schauen sich online um – sortieren nach Profilbild und Matching-Quotienten potentielle Partner in ihrer Umgebung schon mal vor. Den Effekt von Dating-Apps auf unser Verabredungsverhalten und auf Partnerschaften hat das Hamburger Trendforschungsinstitut trendquest untersucht und lädt im 73 zur Diskussion der rasanten Entwicklung von Liebe und Beziehung in Zeiten von Online- und Mobile-Dating. Oder entwickelt sich da gar nichts? Wer mitreden möchte, sollte sich vorab Tinder aufs Smartphone laden – eine mobile Dating-App, die „ihren Benutzern das Kennenlernen von Menschen in näherer Umgebung erleichtert“. Auch ein Klick auf den szenigen Single-Blog imgegenteil.de verschafft vorab einen Eindruck.
Das Album Trouble Will Find Me der New Yorker Rockband zeigte The National im vergangenen Jahr in gewohnt tadelloser Form: melancholisch, wortgewandt, sorgfältig produziert. Es ist der Sound einer Band, die alles richtig macht, und das weiß – da wird nicht mehr groß experimentiert. Umso schöner, dass das Quintett live einen gemäßigten Kontrollverlust zulässt. Oder sagen wir, Frontmann Matt Berninger lässt ihn zu: Der trinkt sich die Bühnenangst mit Rotwein weg, schreit sich bei älteren Songs wie Abel die Seele aus dem Leib und wandert bei der Zugabe von Mr. November mit extralangem Mikrofonkabel singend durchs Publikum. Seit dem Ende der neunziger Jahre haben The National in über sechs Alben ihren Sound geschärft und verbessert, von etwas unschlüssigem Alternative-Country zum ausdifferenzierten Leise-Rock der jüngeren Jahre. Rhythmussektion und Gitarren werden jeweils von Brüderpaaren übernommen, so intuitiv und wasserdicht klingen auch die Kompositionen. Berningers Bruder Tom ist nicht Teil der Band, war aber auf der vergangenen Tour als Roadie und Dokumentarist dabei – mehr als Beschäftigungstherapie denn aus künstlerischen Gründen. Der daraus entstandene Film Mistaken For Strangers kommt nächsten Monat in die Kinos: Ein tragikomischer, untypischer Musikfilm, in dem es nicht um Musik geht. Und ein geglücktes Experiment.
Text: Michael Weiland
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Statt traurig durch den Park zu laufen oder auf den Fernseher zu starren, gibt es in Hamburg zwei neue Möglichkeiten, auf unkomplizierte Weise Bekanntschaften zu schließen. Das junge Start-up Session Line bietet online oder über Handy-App eine Plattform, auf der man sich kostenlos über gemeinsame Interessen finden kann. Schon jetzt haben Nutzer einige Freizeitaktivitäten gepostet. So wünscht sich Patrick ein paar Mitfahrer bei der Critical Mass, während Marcel in Begleitung durchs Alte Land skaten möchte. Eine weitere neue Möglichkeit bietet das Freizeit Netzwerk Hamburg FNH, das sich an Stadtbewohner ab 30 richtet. Die Mitgliedschaft im Netzwerk ist kostenfrei. Wer sich registriert hat, kann sich bei verschiedenen Events und Gruppen für Kinobesuche, zum Joggen, Kanufahren oder Kochen anmelden. An Kursen teilnehmen kann, wer die „Freizeit-Flatrate“ für 29,90 Euro im Monat nutzt. Zum Beispiel beim Argentinischen Tango, beim Koch- oder Fotografiekurs. Immer mittwochs findet im Elbwerk auf St. Pauli ein offener Stammtisch für Neu-Hamburger statt.
Das ist mal eine steile These: Paradise Lost von John Milton sei die Formel aller modernen Mythen wie zum Beispiel Star Wars, meint die Musiktheatergruppe Kommando Himmelfahrt, der die Utopie ihr liebstes Thema ist. In seinem 1667 veröffentlichten Werk behandelt der britische Dichter und politische Denker den Höllensturz, Adam und Evas Versuchung und sonstige Vergehen gegen die göttliche Ordnung. Aus der luziferischen Rebellion gegen den biblischen Schöpfer speist sich demnach das Zeichenmaterial von Gegenkultur und Aufbegehren, ob es dabei um Punk geht oder darum, den Todesstern des bösen Imperiums in Fetzen zu schießen. Aus Miltons epischem Gedicht zaubert Kommando Himmelfahrt mit der Schauspielerin Sarah Sandeh, Band, Chor und einem Video eine Rock’n’Roll-Performance, die den Geist des Widerstandes beschwört.
Sie sind seit gut 30 Jahren aktiv und haben so ziemlich alles erreicht, was man als Hard-&-Heavy-Musiker so erreichen kann – nämlich nicht mehr nur als Metal-Band betrachtet zu werden, sondern in den Mainstream eingegangen zu sein (für das Mainstream-Stichwort würden Hetfield, Ulrich & Co. einem wahrscheinlich an den Hals gehen). Nun laden Metallica zum Wunschkonzert. Und man kann sich denken, welche Songs auf der Liste stehen: jede Menge Underground-Hits der ersten vier stil- und ganze Generationen-prägenden Alben aus den 1980er-Jahren sowie der einzige echte Hit, den die Band jemals hatte, nämlich Enter Sandman von 1991. Neben diesen üblichen Verdächtigen kann man darauf gespannt sein, welche Tracks es sonst noch auf die Setliste geschafft haben. Als wäre ein Metallica-Wunschkonzert nicht schon genug der Sensation, hat sich die Band auch noch prominente Unterstützung dazu gebucht: Im Vorprogramm spielen Ghost, Mastodon und – nach wie vor unverwüstlich – Slayer.
Text: Michele Avantario
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Perfektes Pingpong – und das bereits zum vierten Mal: im Frise und der HFBK in der Reihe Floating Volumes #4 – Layering DiverCity, die zum Glück nicht so verschwurbelt wie ihr Titel ist. Darin wird die Stadt als Gefüge aus Zeichen und Codes, Geschichten und Geschichte, Privatraum und kollektivem Ort beleuchtet – und erforscht, wie man mit ihr umgehen, sie sich aneignen, sie herausfordern, umdeuten, entblättern kann. In enger Verknüpfung von Theorie und Kunst führen Vorträge und Panels von Wüstenstädten zu ästhetischen Lehren sowie zu Performances und einer Schau. Im Frise sind unter anderem Arbeiten von Peter Boué zu sehen, der mit dem Fettstift Orte bis auf ihr Skelett reduziert, Installationen von Jan Köchermann, der sich seit 1996 mit Schächten beschäftigt, während das Gartenstudio den Aufbruch in die Grünzone fordert. In Diskussionen geht es um Kunstorte in Slowenien, Graffiti in Ägypten, Urban Gardening und das Recht auf Stadt. Besonders interessant: wenn die Fotografin Eva Leitolf über ihre Postcards from Europe spricht, in denen sie sich mit den Grenzen und Ausgrenzungen der EU beschäftigt und Harun Farocki seinen Film Ein neues Produkt präsentiert, für den er eine Quickborner Unternehmensberatung begleitete.
Eigentlich brauchen Hendrik von Bültzingslöwen und Ole Zeisler keine Steilvorlage um zu verwandeln – aber eine WM ist ja wohl der beste Anlass, die Talkrunde zum Thema Fußball mal wieder einzuberufen. Beim Copacabana Spezial im Knust kann das Duo schon einmal die Gruppenphase des Turniers in Brasilien fachgerecht auseinandernehmen – was soll man an einem spielfreien Tag auch sonst tun als über Fußball zu reden? Das geschieht gewohnt unterhaltsam, mit Musik, Einspielern und Gästen. Investigationsjournalistisch wird über Tischtennis im WM-Quartier berichtet und sachverständig der böse WM-Grüßonkel Sepp Blatter hinterfragt. Das wird ein launiger Abend auch für Leute, die Abseits nicht von Absinth unterscheiden können. Ach so, Mojito und Caipirinha gibt’s auch. Unser WM-Tipp: Hier spielen sich unglaubliche Szenen ab.
Text: Michael Weiland
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Entenhausen ist ein seltsamer Ort, nicht bloß der anthropomorphen Tiere wegen, die zweibeinig durchs Kleinstadtidyll staksen. Zum Beispiel wohnt dort der reichste Mann der Welt, der sein gesamtes Vermögen als Münzgeld in einer riesigen Spardose hortet und ab und zu darin badet. Wie sich die Bewohner fortpflanzen, ist zudem ganz und gar schleierhaft: Es gibt Onkel und Tanten, aber keine Eltern mit Kindern. Patrick Bahners arbeitet für die FAZ als Kulturkorrespondent in New York, war bis 2012 deren Feuilleton-Chef und ist zudem einer der führenden Donaldisten Deutschlands. Das sind Leute, die Entenhausen nicht bloß lieben – das sind die, die es begriffen haben. Im Comicladen Strips & Stories stellt er sein Buch Entenhausen. Die ganze Wahrheit vor. Wer sich je fragte, ob das Disney-Dorf eine Demokratie ist und wie die Duck’schen Beiträge zu Genforschung und Raumfahrt aussehen: Bahners hat auf alles eine Antwort. Und der Eintritt kostet keinen Kreuzer.
Oh ja, das tut gut: Die Hysterics spielen klassischen Hardcore-Punk, der einen mit aller Konsequenz zurück wirft ins Jahr 1982. Das Quartett braucht nicht mehr als ein paar Takte, um zur Sache zu kommen. Und es versteht sich von selbst, dass die Songs nicht länger als zwei Minuten sind. Das Angenehmste an den Hysterics: Es handelt sich hier nicht um die in diesem Genre üblichen, muskulösen, nackenrasierten, tätowierten, testosteron-geschwängerten Einzelkämpfer-Survival-Typen, die hier ihren Frust herausbrüllen, sondern um vier junge Frauen aus dem Nordwesten der USA, die eine ganze Menge Adrenalin im Blut und echte Anliegen in der Birne haben – gender politics ist nur eines davon. Wovon die restlichen Songs so handeln, kann man am Montag im Hafenklang erfahren. Hoffentlich zieht die Sängerin auch wieder ihre Papst-Robe zur Show an.
Text: Michele Avantario
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