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Kommt die Krise zurück?

Aktien runter, Spreads rauf – der Mittwoch dieser Woche war kein guter Tag an den Finanzmärkten. Das könnte auch die Strategie der Bundesregierung durchkreuzen. In Berlin hat man sich darauf eingestellt, auf der Draghi-Welle zu surfen. Die Ankündigung von Anleihekäufen beruhigt die Märkte, so die Hoffnung, und deshalb kann sich die Politik zurücklehnen. Konkret bedeutet das: Weiter„Kommt die Krise zurück?“

 

Private Vorsorge fürs Alter – ein Irrweg

Bei der Allianz werden die Sektkorken knallen. Die Bundeskanzlerin hat ein Konzept zur Bekämpfung der Altersarmut angekündigt – und setzt dabei auf die private Vorsorge.

In ihrem Konzept werde die Regierung nicht an die Rentenbeiträge oder die Renteneinnahmen herangehen. Vielmehr gehe es um Anreize, sich privat zu versichern, und Anreize, damit die gesetzliche Rentenversicherung nicht ihre Akzeptanz verliere.

Frank Lübberding hat neulich an die Machenroth-These erinnert, die im Grunde für eine geschlossene Volkswirtschaft kein seriöser Ökonom bestreitet (für eine kritische Betrachtung von konservativer Seite, die aber auch keinen grundsätzlichen Zweifel anmeldet, siehe Clemens Fuest hier).

Zur Erinnerung: Weiter„Private Vorsorge fürs Alter – ein Irrweg“

 

Was wären wir ohne die Inflation

Die Wirtschaftswoche zur neuen Hebel-Idee:

Mittelfristig wird die von der EZB ausgelöste Geldschwemme zu mehr Inflation führen. Die Anleger wissen das. Statt Haircuts droht ihnen die Enteignung durch Inflation und negative Realzinsen. Daher dürften sie wenig geneigt sein, mehr Geld in ESM-gehebelte Staatsanleihen der Südländer zu investieren.

Inwieweit die Politik der EZB dazu beigetragen hat, die Zinsen in den südeuropäischen Ländern zu drücken und neue Investoren anzulocken, ist in der Tat umstritten. Dass aber die Maßnahmen der EZB die Anleger verschreckt, ist mir zumindest neu. Vielleicht ist es so, dann müsste es einen Anstieg in den Renditen langfristiger Anleihen geben. Bislang sehe ich das nicht.

Ich halte auch nicht so viel vom Hebel, aber manchmal frage ich, was Deutschlands Ökonomen wohl noch zu debattieren hätten, wenn man ihnen die Inflationsangst nehmen würde.

 

Alter Wein in neuen Schläuchen

Es soll also wieder gehebelt werden. Über eine Teilabsicherung von Staatsanleihen will die EU das Ausleihvolumen des Rettungsfonds auf 2.000 Milliarden Euro anheben.

Kennern wird das bekannt vorkommen. Genau diese Debatte wurde vor ein paar Monaten beim EFSF länglich geführt. Die Idee geht auf Paul Achleitner zurück, damals bei der Allianz und heute bei der Deutschen Bank – und sie war bislang ein riesengroßer Flop. Weiter„Alter Wein in neuen Schläuchen“

 

Die Fallstricke des ESM-Urteils

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM ist an den Finanzmärkten weithin mit Erleichterung aufgenommen worden und wird von der Bundesregierung als Bestätigung ihres Kurses gewertet. Es enthält aber eine Passage, die noch eine Menge Ärger bereiten könnte.  Denn das Gericht hat entschieden, sich auch mit den Aktionen der EZB zu beschäftigen.

Soweit die Antragsteller zu II. gegen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank zur Eurorettung, insbesondere den Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt, einwenden, diese seien ausbrechende Rechtsakte, ist ihr entsprechender Feststellungsantrag bei verständiger Auslegung nicht von dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mitumfasst und bleibt damit einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Karlsruher Richter werden sich also eine Meinung über die Politik der EZB bilden. Und einen ersten Einblick in ihrer Vorgehensweise gewähren sie bereits.

Denn ein Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank, der auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zielte, ist als Umgehung des Verbotes monetärer Haushaltsfinanzierung ebenfalls untersagt.

So ist die Frage also, ob die Maßnahmen der EZB der Haushaltsfinanzierung dienen oder nicht. Die EZB selbst würde das nicht so sehen, weil das Anleiheprogramm aus ihrer Sicht Funktionsstörungen der Märkte beheben soll. Die Bundesbank wäre da wohl anderer Meinung. Nun ist die EZB unabhängig und kann von nationalen Gerichten nicht belangt werden. Das Verfassungsgericht müsste das Urteil also – um direkte Rechtsfolgen zu haben – streng genommen wohl an den Europäischen Gerichtshof weiterleiten und der sieht die Dinge nicht so eng.

Nach meinem Verständnis kann das Gericht aber dennoch zu einem Urteil kommen und zum Beispiel die Bundesregierung auffordern, die EZB vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Auch wenn diese Klage abgewiesen würde, wäre das Anleiheprogramm in Deutschland politisch kaum noch haltbar, wenn es vom höchsten Gericht als rechtswidrig qualifiziert würde.

Seit die EZB entschieden hat, unbegrenzt Anleihen zu kaufen, hat der ESM an Bedeutung verloren. Man braucht ihn noch als Hülle um Konditionalität zu erzwingen, aber das Geld kommt von der EZB. Wenn das Gericht die EZB stoppen würde, dann ist das daher viel dramatischer als die rote Ampel für den ESM.

Ich bin mir nicht sicher, dass sich alle dessen bewusst sind.

 

 

Weidmann winkt Draghis Anleiheplan durch…

… so werden die Zeitungen morgen sicher nicht titeln. Vielmehr werden sie schreiben, dass Weidmann den Konflikt mit Draghi anheizt durch seine Äußerungen im Spiegel diese Woche. Das ist die saftigere Variante der Geschichte. Aber ist es auch die richtige?  André Kühnlenz hat bereits darauf hingewiesen – sehen wir uns die Aussagen im Interview an:

Auf die Frage, ob Draghi das Mandat der Notenbank überschreitet sagt er

Ich möchte jedenfalls vermeiden, dass die Geldpolitik unter die Dominanz der Fiskalpolitik gerät.

Auf die Frage, wie er zu Zinsobergrenzen steht heißt es

Zinssätze für Staatsanleihen im EZB-Rat festzulegen wäre für mich jedenfalls eine heikle Vorstellung.

Auf den Einwand, damit stehe er alleine sagt er

Ich glaube nicht, dass sich der Einzige bin, der dabei Bauchschmerzen bekommt. 

Und auf die Frage, was er generell vom Ankauf von Staatsanleihen hält, sagt er

Eine solche Politik ist für mich zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenbank.

„Zu nah“, „Bauchschmerzen“, „heikel“, „möchte jedenfalls vermeiden“ – das sind keine Begriffe, die Widerstand bis aufs letzte Messer nahelegen, sondern ein sich Fügen in das Schicksal. Die Bundesbank wird ihren Unmut äußern, aber sie wird nichts tun. Sie wird nicht klagen, sie wird sich dem Programm nicht entziehen, Weidmann wird auch nicht zurücktreten. Der Aufstand findet nicht statt.

Das kann man je nach ideologischer Haltung gut oder schlecht finden, aber wenn ich Investor wäre, wäre das keine uninteressante Botschaft.

 

Draghi, die Bild und die Pickelhaube

Mario Draghi lernt den deutschen Boulevard von seinen schönsten Seiten kennen. „Kein deutsches Geld mehr für Pleitestaaten,  Herr Draghi“, droht nun die Bild. Sonst wolle man „die Pickelhaube zurück“. Eine solche Haube hatten die Springer-Leute dem Notenbankchef vor einigen Monaten geschenkt, damit sie ihn an „preußische Disziplin“ erinnere.

Ich habe es damals schon als respektlos empfunden, wie da mit einem der höchsten europäischen Beamten umgesprungen wird – und man weiß genau: Wer mit Bild nach oben fährt, der fährt wenn es schlecht läuft mit Bild auch wieder nach unten. Draghi hätte die Pickelhaube also damals den beiden Herren wieder mit nach Hause geben sollen, sie hätten sie ja in der Redaktion aufstellen können.

Gut, dafür ist es nun zu spät. Aber er kann sie immer noch an Springer zurückschicken, für das Begleitschreiben hätte ich einen Vorschlag:

Sehr geehrte Redaktion der Bild,

anbei erhalten Sie die Pickelhaube zurück, die Sie bei Ihrem Besuch in meinem Büro mitgebracht hatten. Ich war damals von der Aktion überrumpelt, sonst hätte ich sie gar nicht erst angenommen.  Oder wie würde das aussehen wenn ich, falls Sie mich nach Berlin einladen würden, ihrem Vorstandsvorsitzenden ein Exemplar der Europäischen Menschenrechtskonvention mitbrächte, damit es ihn an die Grundsätze der journalistischen Ethik ermahne?

Nun da Sie sie mir ihre Haube aber wegnehmen wollen, schicke ich Sie ihnen freiwillig. Wie Sie wissen ist es der Auftrag der Europäischen Zentralbank, für Preisstabilität im Euro-Raum zu sorgen. Eine Voraussetzung dafür ist die angemessene Übertragung geldpolitischer Impulse in die Mitgliedsländer. Wie eine kompetente Wirtschaftsredaktion wie die Ihre sicher bemerkt hat, ist diese Übertragung gestört, deshalb greifen wir zu außergewöhnlichen Maßnahmen. 

Ob das nun zu „preußischen“ Traditionen passt oder nicht ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Ich leite die Europäische Zentralbank und nicht die Preußische Zentralbank und ich bin froh, dass es letztere nicht mehr gibt. 

Vielleicht wollen Sie mit solchen Aktion aber auch nur ihre Auflage steigern – das ist ihr gutes Recht, ich bin wie Sie wissen ein Anhänger der freien Marktwirtschaft. Ich bin aber nicht für die Bilanzen irgendwelcher Verlagshäuser zuständig, sondern für das Gemeinwohl. 

Mit freundlichen Grüßen,

Mario Draghi

 

 

Die EZB und der Zinsdeckel – Versuch einer Klärung (with English language update)

Die Meldung, wonach die EZB plane, einen Zinsdeckel für südeuropäische Staatsanleihen einzuführen, hat eine beachtliche Rallye an den Märkten ausgelöst. Das legt die Frage nahe, was bei der nächsten Sitzung des Zentralbankrats wohl entschieden werden wird – und es dürfte eine Enttäuschung geben. Weiter„Die EZB und der Zinsdeckel – Versuch einer Klärung (with English language update)“

 

Schulden-Inflations-Transferunion

Das Ende ist nah. Holger Steltzner heute in der FAZ:

Wenn Angela Merkel aus dem Sommerurlaub zurückkehrt, weichen die naiv-romantischen Träume der Linken wieder realer Machtpolitik. Sonst hätten Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück schon längst Eurobonds eingeführt, um aus der Währungsunion möglichst schnell eine Schulden-Inflations-Transferunion zu machen.

Eine Schulden-Inflations-Transferunion – die führen aber wirklich böses im Schilde da drüben in Brüssel. Da muss mal dringend jemand genauer hinsehen. Vielleicht wollen sie auch noch das Privateigentum abschaffen, die Bundeswehr entsorgen und Freibier für alle. Vielleicht wollen die eine Schulden-Inflations-Transfer-Sozialismus-Pazifismus-Freibierunion. Bürger, auf die Barrikaden!

 

Brüsseler Schnapsidee

Wenn es stimmt, was die SZ heute schreibt, dann muss die Verzweiflung in Brüssel wirklich groß sein.

Der EFSF soll also am Sekundärmarkt aktiv werden und spanische Staatsanleihen kaufen, um so deren Renditen zu senken.

Das wäre pure Geldverschwendung, bei der sich die Anleihebesitzer auf Kosten der Steuerzahler gesundstoßen.

Der EFSF verfügt noch über freie Kapazitäten von 148 Milliarden Euro. Wie Christian Schulz von der Berenberg Bank vorrechnet: Wenn der Fonds wie die EZB auf dem Höhepunkt ihres Anleiheprogramms 20 Milliarden pro Woche ausgibt, ist er in sieben Wochen leer.

Wahrscheinlich würden die Investoren sogar die Gelegenheit nutzen, ihre Anleihen möglichst schnell loszuwerden, weil sie wissen, dass die Ressourcen begrenzt sind. Das Ganze wäre also möglicherweise sogar kontraproduktiv.

Eine Intervention hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn sie massiv ist. Frei nach Colin Powell: Wenn man rein geht, dann mit überwältigender Kraft. Das bedeutet hohe, idealerweise unbegrenzte Feuerkraft. Dazu muss der EFSF mit einer Banklizenz ausgestattet werden, so dass er sich bei der EZB refinanzieren kann.

Wenn man das nicht will, sollte man es bleiben lassen.