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Wir haften immer

Wie ich an dieser Stelle bereits vor einer Woche geschrieben habe, erwägt die EZB, ihr geplantes Anleiheprogramm über die nationalen Notenbanken zu organisieren. Dabei handelt es sich um ein Zugeständnis an die Deutschen. Wenn die EZB Anleihen kauft, findet automatisch eine Vergemeinschaftung von Risiken statt, da im Fall eines Zahlungsausfalls die Mitgliedsstaaten über ihre nationalen Notenbanken die Haftung für etwaige Verluste übernehmen.
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Krieg der Richter

Man kann die heutige Stellungnahme des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Anleiheprogramm auf einen einfachen Nenner bringen: Ein solches Programm sei rechtens, wenn es von der Europäischen Zentralbank (EZB) gut begründet und verhältnismäßig sei – und das sei der Fall. Das ist ein klarer Sieg für die EZB und eine Niederlage für das Bundesverfassungsgericht und die Kläger. Oder wie es der Gerichtshof selbst in seiner Pressemitteilung formuliert:

Nach Auffassung des Generalanwalts Cruz Villalón ist das Programm der EZB für geldpolitische Outright-Geschäfte grundsätzlich mit dem AEUV vereinbar.

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Wie QE aussehen könnte

Am 22. Januar wird die EZB den Einstieg in ein Staatsanleiheprogramm verkünden. Alles andere wäre eine riesige Überraschung und ist nicht wahrscheinlich. Die entscheidende Frage – für den Markt und für die Politik – lautet: Wie wird QE aussehen? Derzeit werden in der EZB viele Modelle diskutiert, die sich im wesentlichen durch den Grad der Risikovergemeinschaftung unterscheiden.
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Die EZB macht sich ein Bilanzziel

Ich habe vor einem Monat an dieser Stelle auf den Unterschied zwischen einer normativen und einer positiven Aussage in Bezug auf die EZB hingewiesen. Dieser Donnerstag hat gezeigt, wie wichtig dieser Hinweis war.

Mario Draghi hat den Nachmittag genutzt, um eine positive Aussage teilweise in eine normative zu verwandeln – und er hat dabei wichtige Verbündete verloren. Wie ich höre hat der Zentralbankrat einen großen Teil seiner Sitzung darauf verwendet, über das Verb in der entsprechende Passage im Eingangsstatement zu verhandeln.

Taken together, our measures will have a sizeable impact on our balance sheet, which is intended to move towards the dimensions it had at the beginning of 2012.

Während im Vormonat nur davon die Rede war, die EZB habe die Erwartung (expect), dass sich die Bilanz in diese Richtung bewege, so heißt es nun, sie beabsichtige (intend), diese Größe zu erreichen. Nach meinen Informationen haben allein aus dem Direktorium der EZB Yves Mersch, Sabine Lautenschläger und Benoit Coeure gegen diese Formulierung gestimmt.

Es wird also einsamer um Mario Draghi – und für mich ist die entscheidende Botschaft des heutigen Tages, dass er dennoch entschlossen ist, die Sache durchzuziehen, wenn sich die ökonomischen Daten entsprechend entwickeln. Ich glaube auch, dass er es politisch riskieren kann.

Denn ein moderates QE-Programm wird zwar bei der FAZ, der Welt und der Bild für große Aufregung sorgen, aber ansonsten dürften die Reaktionen in Deutschland durchaus kontrollierbar bleiben – vor allem wenn Jens Weidmann darauf verzichtet, den Konflikt zu eskalieren (dass er dagegen ist, ist eingepreist). In diesem Fall wird auch die Bundesregierung sich ruhig verhalten und wahrscheinlich auf eine Verurteilung des Programms verzichten – was medial als eine indirekte Tolerierung interpretiert werden würde.

Vor einem Monat überschrieb ich meinen Beitrag mit dem Satz Warum die EZB immer noch kein Bilanzziel hat. Jeztz ist sie einem solchen Ziel einen ganzen Schritt näher gekommen.

Entscheidend werden nun also die Daten sein. Es ist gut möglich, dass QE noch vermieden wird, wenn der Ölpreis und die Abwertung des Euro sich früh genug darin niederschlagen. Wenn nicht, wird ein Ankaufprogramm kommen.

 

„Mehr Vertrauen in Marktprozesse“

Das ist der Titel, den die fünf Sachverständigen ihrem neuen Gutachten gegeben haben. Haben sie schon vergessen, dass die große Rezession der vergangenen Jahre dadurch ausgelöst wurde, dass den Marktprozessen bei Immobilien und Banken freier Lauf gewährt wurde? Wir haben gelernt, dass Vertrauen gut ist, dass es ohne Kontrolle aber nicht geht, jedenfalls da, wo es kreditgetrieben zu Fehlallokationen, Vermögensblasen und Crashs kommen kann, die die ganze Volkswirtschaft in einen Abwärtsstrudel ziehen. Klar, in vielen Bereichen wäre mehr Markt wünschenswert, etwa in der Landwirtschaft, bei den freien Berufen (Notaren, Maklern, Architekten, Taxifahrern, Rechtsanwälten), auch bei der Energiewende, aber lakonisch zu erklären, dass wir mehr Vertrauen in die Marktprozesse haben sollten, kann ja wohl nicht ernst gemeint sein. Märkte übertreiben oft in die eine oder andere Richtung und produzieren nicht immer einen Zustand, in dem gleichzeitig Vollbeschäftigung und stabile Preise herrschen. Weiter„„Mehr Vertrauen in Marktprozesse““

 

Warum die EZB immer noch kein Bilanzziel hat

In der formalen Logik unterscheidet man zwischen einer positiven und einer normativen Aussage. Eine positive Aussage beschreibt einen Vorgang, eine normative bewertet ihn. Aus meiner Sicht berührt diese Unterscheidung den Kern der heutigen Sitzung der EZB.

Im zweiten Absatz des Einführungsstatements steht der folgende Satz:

Together with the series of targeted longer-term refinancing operations to be conducted until June 2016, these asset purchases will have a sizeable impact on our balance sheet, which is expected to move towards the dimensions it had at the beginning of 2012.

Draghi hat betont, dass der gesamte Governing Council hinter dieser Aussage steht. Die meisten Marktteilnehmer haben daraus abgeleitet, dass der GC ein Bilanzziel für die EZB abgesegnet hat. Das wäre ein großer Erfolg für Draghi und es würde bedeuteten, dass es mit einem gewissen Automatismus zu Quantitative Easing kommt, wenn das Ziel – wie wiederum der Markt erwartet – nicht erreicht wird mit den bisherigen Maßnahmen.

Ich halte diese Interpretation für nicht korrekt. Der Satz gibt lediglich wieder, die allgemeine Erwartung sei, dass sich die Bilanz der EZB in der entsprechenden Weise entwickle. Er sagt nicht, was passieren wird, wenn diese Erwartung sich nicht erfüllt. Konkret: Wenn die Bilanz die Zielgröße nicht erreicht.

Zwar heißt es an anderer Stelle:

Should it become necessary to further address risks of too prolonged a period of low inflation, the Governing Council is unanimous in its commitment to using additional unconventional instruments within its mandate.

Aber zwischen dieser Aussage und dem Bilanzziel gibt es keine klare Verbindung: Es ist keineswegs klar, dass eine Verfehlung des Bilanzziels schon eine hinreichende Voraussetzung für neue Maßnahmen ist.

Mit anderen Worten: Die Aussage, Draghi habe den GC auf ein Bilanzziel eingeschworen, erscheint mit falsch. Ich denke, die Formulierung versucht zu kaschieren, dass es eben keine Einigkeit gibt, wie man mit der Bilanz umgeht. Das ist unter Kommunikationsgesichtspunkten nicht unklug, aber ich denke wenn sich die ersten nationalen Gouverneure äußern, wird die Fassade zerbröseln.

 

Hans-Werner Sinn will mehr Inflation

Wir kennen Hans-Werner Sinn als Großkritiker jeder Form einer expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die wahlweise die Sparer enteignet oder den deutschen Steuerzahler schröpft.

Nun bin dank Makrointelligenz auf ein sehr interessantes Papier von Sinn aus dem Jahr 2000 gestoßen. Darin plädiert er auf Basis einer Balassa-Samuelson-Analyse dafür, dass die EZB eine Inflationsrate von mindestens 2,5 Prozent anpeilen sollte, um Deflation zu verhindern. Weiter„Hans-Werner Sinn will mehr Inflation“

 

Wer soll die Banken beaufsichtigen?

Ich war heute auf einer sehr interessanten Konferenz des Financial Risk and Stability Networks zur Bankenunion in Berlin. Es ging dort unter anderem um die Frage möglicher Interessenkonflikte zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht und der institutionellen Konsequenzen daraus.

Die Existenz von Zielkonflikten wurde von niemandem geleugnet – aber was das Institutionelle angeht hat Jeromin Zettelmeyer aus dem Wirtschaftsministerium einen wichtigen und mir neuen Punkt gemacht. Weiter„Wer soll die Banken beaufsichtigen?“

 

Frankreich spart eben doch

Frankreich spart doch gar nicht – diese Einschätzung ist in Deutschland weit verbreitet und findet sich in fast jedem Artikel über die Franzosen. Schließlich wird das Land erneut die europäischen Defizitregeln reißen, und außerdem ist der Staathaushalt nach wie vor Jahr für Jahr im Minus und die Schuldenquote steigt.

Dieser Analyse basiert jedoch auf einem problematischen – um nicht zu sagen mangelhaftem – Verständnis des Sparvorgangs auf der Ebene eines Staates. Denn Sparen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Staat Maßnahmen ergreift, die den Haushalt entlasten. Das können Einnahmeerhöhungen sein oder Ausgabekürzungen.

Was passiert nun mit dem Etatdefizit? Es kommt darauf an. Es kann sich verringern, weil der Staat ja weniger ausgibt. Es kann sich aber auch erhöhen, nämlich wenn die Ausgabekürzung die Konjunktur einbrechen lässt. Denn dann können die durch das schwächere Wachstum bedingten zusätzlichen Ausgaben (etwa Arbeitslosenhilfe) oder geringeren Einnahmen (zum Beispiel bei den Steuern) den ursprünglichen Sparimpuls mehr als wettmachen und das Defizit insgesamt sogar steigen lassen.

Wie der Etat am Ende reagiert hängt von verschiedenen Faktoren ab, aber in jedem Fall lässt sich aus der Entwicklung des nominalen Defizits noch nicht ableiten, ob ein Staat spart oder nicht.

Deshalb wurde das Konzept des strukturellen oder konjunkturbereinigten Haushaltssaldos erfunden. Es misst die Veränderung des Etats unter Ausschluss konjunktureller Faktoren. Das strukturelle Defizit lässt sich leider nicht direkt beobachten, sondern muss mit Hilfe komplizierter und leider sehr unzuverlässiger Verfahren abgeleitet werden, doch wenn überhaupt dann ist die Veränderung dieser Größe ein Maß dafür, ob ein Land spart oder nicht.

Hier die entsprechenden Daten aus dem letzten WEO des Internationalen Währungsfonds.

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Siehe da: Das nominale Defizit steigt zwar, doch Frankreich reduziert sein strukturelles Defizit seit 2010 kontinuierlich. Frankreich spart also. Das kann man gut oder schlecht finden, doch man sollte es zur Kenntnis nehmen.

 

Gabriels riskanter Kurs

Nach allem was man so hört ist Sigmar Gabriels Ablehnung von Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur vor allem taktisch begründet: Er hat Angst, dass die Genossen wieder als Partei der Geldausgeber dastehen. Die Sozialdemokraten sollen deshalb Wirtschaftskompetenz zurückerobern, wobei man sich von außen vorgeben lässt, was unter Wirtschaftskompetenz zu verstehen ist. Deshalb agiert er zurückhaltender, als er eigentlich agieren würde.

Einmal abgesehen davon, dass in der Politik ohnehin zu viel taktiert wird und man manchmal mehr gewinnt, wenn man einfach macht, was man für richtig hält: Ich bin nicht sicher, dass dieses Kalkül aufgeht. Denn Angela Merkel ist Pragmatikerin. Ich glaube, ihr ist die schwarze Null so egal wie nur etwas. Wenn sich die Lage weiter eintrübt, wird die Kanzlerin selbst umschwenken und Konjunkturmaßnahmen ankündigen. Und dann wird die Industrie Beifall klatschen, vor allem wenn sie etwa durch die degressive Abschreibung entlastet würde. Die Unternehmer sind nämlich in der Regel auch Pragmatiker.

Dann wird sich Gabriel für seine Wirtschaftsfreundlichkeit nicht viel kaufen können. Denn dann wird es heißen, er habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Und Merkel lacht sich ins Fäustchen.