Zehn Wetten für 2012

Noch ganz begeistert von unseren Vorjahreswetten, wagten wir, die
drei Hirten Zeise, Wermuth und Heusinger
, nach einem Gläschen Bier den Blick in die Glaskugel für das noch junge Jahr. Dabei hatte ich ein Déjà-vu: Denn wir debattierten dieselben Fragen wie im Vorjahr. Wird es Griechenland ohne Haircut schaffen, wird es Griechenland mit Haircut schaffen? Beide Antworten fielen eindeutig negativ aus. Dann also Austritt aus dem Euro, ungeordnete Insolvenz? Schon eher. Hält der Euro? Ja, er wird auch Ende 2012 noch offizielles Zahlungsmittel in Deutschland, Italien, Frankreich und Co. sein. Reißt die Euro-Krise die Weltwirtschaft mit in die Tiefe? Nein. Zu einem Lehman-II-Moment wird es nicht kommen, wenngleich die Euro-Krise das Gefühl noch mal heraufbeschwören wird, doch dann wird die Europäische Zentralbank (EZB) löschen, was ihre Bilanz hergibt. Die Schwellenländer werden die Weltwirtschaft gemeinsam mit den USA tragen. China, soweit rangen wir uns zum Optimismus durch, wird es gelingen, wieder mit knapp neun Prozent zu wachsen und die heimische Wirtschaft in Richtung Binnennachfrage zu steuern, weg von der Exportfixierung. Weiter„Zehn Wetten für 2012“

 

Selbstgerechte Bilanz unserer Wetten 2011

War das eine Freude gestern! Nach einem Jahr trafen sich die drei Hirten (Lucas Zeise, Dieter Wermuth und ich) an gewohnter Stelle wieder und beugten ihre Häupter über die Wetten für das nun abgelaufene Jahr. Und siehe da: Wir waren grandios! Lagen wir falsch, dann meist nur, weil unsere Prognosen der Zeit voraus sind! Zwar fällt die Bilanz zugegebenermaßen am Ende bescheidener aus, als das Triumphgeheule vermuten lässt. Wichtig in diesem schwierigen Jahr war uns jedoch, dass die Peilung stimmte. Das Säckchen Asche, das ich vor einem Jahr noch dabei hatte, brauchten wir dieses Mal nicht. Weiter„Selbstgerechte Bilanz unserer Wetten 2011“

 

Ich bin ausnahmsweise ganz bei Weidmann

So sehr mich der Kurs von Bundesbank und Bundesregierung in der Euro-Krise auch aufregen, den jüngsten Äußerungen Jens Weidmanns zur deutschen Konjunktur stimme ich zu. Der Bundesbankpräsident warnt vor zu viel Schwarzmalerei. Ich habe lange gebraucht, mich zu entscheiden, ob ich für 2012 den Optimisten oder Pessimisten geben soll. Das Hadern ist der eine Grund, warum die jährliche Wachstumswette, mit der der HERDENTRIEB im November 2005 startete, sechs Wochen länger als üblich auf sich warten ließ. Der andere: Die vergangenen fünf Monate waren anstrengend, der neue Job und das Pendlerleben zwischen Frankfurt und Berlin mit allerlei organisatorischen Herausforderungen.
Anyway. Hier kommt meine siebte Wachstumswette. Und nachdem die des vergangenen Jahres mal wieder ganz hervorragend war, gehe ich voller overconfidence gegen den Mainstream. Weiter„Ich bin ausnahmsweise ganz bei Weidmann“

 

Treffer und Fehlschläge

Wie immer um diese Jahreszeit ziehe ich mich für einige Wochen zum Familienbesuch auf die Südhalbkugel zurück. Eine gute Gelegenheit also, das Jahr Revue passieren zu lassen und die wichtigsten Thesen in meinen Beiträgen einem kurzen Realitätscheck zu unterziehen.

Der größte Patzer war sicherlich die Einschätzung, Griechenland habe nur ein Liquiditäts-, aber kein Solvenzproblem. Daneben lag ich auch mit der These, die Krise werde sich durch die Errichtung des EFSF beruhigen. Auch die Bankenrettung sehe ich heute etwas differenzierter und meine Begeisterung für die Rationalität der Politik als Korrektiv für die Irrationalität der Märkte ist auch ein wenig gewichen.

Berechtigt erscheint hingegen die Warnung vor der Ansteckungsgefahr durch die Gläubigerbeteiligung und vor den Folgen Bankenrekapitalisierung. Auch die Kritik an der Target-2-Debatte war wohl nicht ganz daneben, schließlich hat Hans-Werner Sinn einige der zentralen Einwände übernommen (unter anderem das Argument, dass die zunehmende Inanspruchnahme von Zentralbankliquidität in der Peripherie nicht zu einer Kreditverknappung in Deutschland führt). Eine ziemliche Punktlandung war die Wachstumsprognose für Deutschland von drei Prozent aus dem Dezember 2010. Und von der Inflation ist bislang auch nichts zu sehen.

In diesem Sinne: Frohes Fest!

 

Merkel kämpft an der falschen Front

Die entscheidende Woche beginnt und es läuft alles auf einen Deal hinaus, der wohl so aussehen wird: Schärfere Regeln für die Haushaltspolitik gegen ein stärkeres Engagement der EZB und/oder die Aussicht auf Eurobonds eines fernen Tages.

Im Prinzip ist das nicht falsch. Um die Krise zu beenden, ist ein kurzfristig wirkendes Finanzierungsinstrument nötig, genau so aber auch ein besseres Regelwerk für die längere Frist. Und es ist völlig klar, dass die jeder kurzfristigen Finanzierung innewohnenden Anreizprobleme gelöst werden müssen. Insofern stimmt die Richtung.

Das ist aber auch schon alles. Weiter„Merkel kämpft an der falschen Front“

 

Eine Finanzunion muss nicht teuer sein

Eurolands Wirtschaft ist dabei, außer Kontrolle zu geraten. Wenn die Eurokrise nicht schnellstens beigelegt wird, steuert die Währungsunion geradewegs auf eine neue Rezession zu. Der Euro würde dafür verantwortlich gemacht und damit zunehmend in Frage gestellt. Währungsunion gleich Rezessionsunion? Das kann es nicht sein. Wir brauchen eine große Lösung, Flickschusterei reicht nicht mehr. Weiter„Eine Finanzunion muss nicht teuer sein“

 

Zinsen außer Kontrolle – Teil II

Wenn man sich in die Daten eingräbt, findet man nicht wieder heraus. Hier die Zinsen auf Unternehmenskredite mit einer Laufzeit von einem bis fünf Jahren in Deutschland und Griechenland.

Grafik: Zinssätze für Unternehmenskredite - DE und GR

Deutsche Firmen zahlten zuletzt weniger als vier Prozent, griechische fast acht Prozent – und das in einem gemeinsamen Währungsraum. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass die deutsche Wirtschaft boomt (also höhere Zinsen benötigte), die griechische aber schrumpft (und damit auf niedrige angewiesen wäre), wird die Brisanz der Lage deutlich. Irgendetwas muss passieren.

Und angesichts dieser Zahlen kann ich beim Lesen der neuesten Analyse von Hans-Werner Sinn nur den Kopf schütteln:

Als Irland sich vor einem Jahr weigerte, unter den Rettungsschirm zu gehen, und fast schon von Trichet dazu geprügelt werden musste, wunderte man sich. Wollte das Land etwa untergehen, statt gerettet zu werden? Das wollte es natürlich nicht. Die Lösung des Rätsels war, dass Irland für nur ein Prozent Zinsen von der EZB die Erlaubnis erhalten hatte, die Druckerpresse auf hohen Touren laufen zu lassen und sich bereits damit hatte retten können. Und so war es auch bei Griechenland, Portugal, Spanien und neuerdings auch Italien.

Ein Prozent? Merke: Preis des Zentralbankgelds ist ungleich Preis des Kredits. Kann man übrigens auch in Lehrbüchern zur Geldtheorie nachlesen.

 

Europa 2011 = Europa 1931

Ein Land steht vor dem wirtschaftlichen und politischen Abgrund. Der Staat steht vor dem Bankrott und die Regierung spart drakonisch: Sie kürzt heftig bei den öffentlichen Bediensteten und erhöht kräftig die Steuern; die Wirtschaft schrumpft dramatisch, und die Arbeitslosigkeit steigt; in den Städten kommt es zu Massendemonstrationen und zu Straßenschlachten; die Banken stehen vor dem Kollaps, weil die internationalen Kapitalgeber ihr Geld aus dem Land abziehen; Banken müssen mit öffentlichen Mitteln vor dem Zusammenbruch gerettet werden. Griechenland 2011? Nein, Deutschland 1931. Weiter„Europa 2011 = Europa 1931“

 

Die CDU zündelt

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die politische Klasse in Deutschland mit der Krise hoffnungslos überfordert ist, dann hat ihn die CDU jetzt erbracht. Ein europapolitischer Leitantrag für den Bundesparteitag sieht vor, dass Mitgliedsstaaten der Währungsunion diese wieder verlassen können. Um es mit dem Europaparlamentarier Markus Pieper zu sagen: „Wenn Polen kommt, darf Griechenland gehen.“

Wenn das Regierungslinie wird, wird es ein Desaster geben. Weiter„Die CDU zündelt“

 

Target 2: Der Rat spricht

Für Fans und Feinschmecker: Der Sachverständigenrat hat in seinem aktuellen Jahresgutachten eine Box zum Thema, die ich nur jedem empfehlen kann. Auszug:

Ungeachtet der Tatsache, dass TARGET-Kredite sowohl zur Finanzierung von Leistungs- wie  von reinen Finanztransaktionen verwendet werden können, wird in der Debatte häufig angenommen, dass die TARGET-Salden überwiegend zur Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten in den Problemländern herangezogen werden.

In der Tat. Und weiter:

Dabei wird jedoch verkannt,  dass die aggregierten Leistungsbilanzdefizite der vier GIPS-Länder (Griechenland, Irland,  Portugal und Spanien) von ihrem Höchstwert von 165 Mrd Euro im Jahr 2007 auf 62 Mrd Euro  im Jahr 2011 zurückgegangen sind. Zudem ist der Zusammenhang zwischen den nationalen  TARGET- und Leistungsbilanzsalden nicht sehr ausgeprägt. So ist Irland auf der einen Seite der mit Abstand größte Netto-Schuldner des TARGET-Systems, auf der anderen Seite jedoch das  einzige Problemland mit einem positiven Leistungsbilanzüberschuss im Jahr 2011 und einer in  der Summe der Jahre 2009 bis 2011 ausgeglichenen Leistungsbilanz. Umgekehrt ist für Spanien, das im Jahr 2011 mit 32 Mrd Euro das in absoluten Größen bei weitem höchste Leistungsbilanzdefizit aufweist, der negative TARGET-Saldo vergleichsweise gering.

Genau. Deshalb:

Insgesamt spiegeln die steigenden TARGET-Salden in erster Linie die wachsende Verunsicherung auf den Finanzmärkten, insbesondere das immer geringere Vertrauen in die Banken der  Problemländer wider. Aus diesem Grund wäre es in der jetzigen Situation äußerst riskant, den Zugriff der nationalen Notenbanken auf das TARGET-System zu begrenzen. Es würde bedeuten, dass Finanztransaktionen innerhalb der Währungsunion nicht mehr uneingeschränkt möglich wären, was einem de facto Zusammenbruch des Euro gleichkäme.

Und der zentrale Satz:

Bei aller berechtigten Besorgnis über die Entwicklung der TARGET-Salden ist es unbegründet, hieraus eine Beeinträchtigung der Kreditvergabemöglichkeiten der Banken in den Überschuss-Ländern abzuleiten.

Genau so wenig droht – die neuste Wendung des Arguments – zwingend eine Kreditschwemme:

Es gibt schließlich keine technische Grenze für TARGET-Salden. Wenn sich die aktuelle Entwicklung fortsetzt, ist zwar in der Tat bald ein Punkt erreicht, bei dem die Refinanzierungskredite der deutschen Banken gegen Null tendieren. Sollten dann weitere Zuflüsse nach Deutschland stattfinden, käme es zu einem Umschlagen von einer Netto-Schuldner- zu einer NettoGläubiger-Position der deutschen Banken gegenüber der Deutschen Bundesbank. Um in diesem Fall ein Absinken des Tagesgeldsatzes auf Null zu vermeiden, müsste die EZB zinstragende Anlagemöglichkeiten für das überschüssige Zentralbankgeld bieten. Dies kann entweder durch Termineinlagen geschehen oder aber durch die Emission kurzfristiger Anleihen der EZB. In Ländern mit hohen Devisenmarkt-Interventionen ist eine solche Konstellation häufig zu beobachten