Was will uns Hans-Werner Sinn sagen?

Vor einiger Zeit warnte Hans-Werner Sinn bekanntlich noch, dass die verstärkte Inanspruchnahme der Europäischen Zentralbank durch die Geschäftsbanken in den Staaten der europäischen Peripherie dazu führt, dass in Deutschland weniger Kredite vergeben können. Offensichtlich hat er seine Meinung radikal geändert, denn jetzt warnt er vor einer inflationären Explosion der deutschen Kreditvergabe durch ebendiese Inanspruchnahme. So zumindest verstehe ich folgende Aussagen in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt.

Dort schreibt Sinn also: Weiter„Was will uns Hans-Werner Sinn sagen?“

 

Was darf das Volk?

Frank Schirrmacher hat heute in der FAZ einen bemerkenswerten Kommentar geschrieben.

Man muss nicht alle Beziehungen des Witzes zum Unterbewussten kennen, um zu verstehen, wie massiv gerade moralische Übereinkünfte der Nachkriegszeit im Namen einer höheren, einer finanzökonomischen Vernunft zerstört werden. (…) Papandreou tut nicht nur das Richtige, indem er das Volk in die Pflicht nimmt. Er zeigt auch Europa einen Weg. Denn in dieser neuen Lage müsste Europa alles tun, um die Griechen davon zu überzeugen, warum der Weg, den es zeigt, der richtige ist. Es müsste dann nämlich sich selbst davon überzeugen.

Die Aufgabe der Ökonomie wäre es – Frank Lübberding hat darauf hingewiesen –, zu zeigen, dass das bisherige Rettungsprogramm eben nicht alternativlos ist. Denn es ist doch so: Die Logik der Finanzmärkte lässt sich zumindest ohne einen Systemwechsel ebenso wenig wie die Logik wirtschaftlichen Handels allgemein außer Kraft setzen. Man kann noch so viel regulieren und die Wall Street besetzen: Kein Mensch der Welt wird einem Staat Geld leihen, wenn dieser Staat seine Schulden nicht zurückbezahlt. Insofern ist das Risiko, das die Griechen eingehen, nicht eingebildet, sondern real.

Aber: Staaten können dieses Risiko in Kauf nehmen. Die Frage Wohlstand oder Selbstbestimmung ist es wert, gestellt zu werden. Die Politik ist insofern immer souverän – sofern sie die Konsequenzen ihrer Entscheidungen offenlegt und dann auch bereit ist, diese zu tragen. Sie kann sich auch für ein Leben im ökonomischen Suboptimum entscheiden.

Doch so weit muss es nicht einmal kommen. Denn es gibt noch andere Möglichkeiten als das aktuelle Rettungspaket, um die Krise zu beenden. Eurobonds wären eine, eine aktive Rolle der Europäischen Zentralbank eine andere. Es geht hier nicht um die Bewertung dieser Ansätze, sondern darum, dass die Wahl eben nicht lautet: Akzeptanz der Gipfelbeschlüsse oder Finanzchaos.

Ironischerweise ist der wichtigste Einwand gegen das Referendum deshalb nicht ökonomischer, sondern demokratietheoretischer Natur. Wer ist die verfassungsgebende Gewalt – die pouvoir constituant –  in Griechenland? Das griechische Volk? So würde es die herrschende, im Nationalstaat verankerte Lehre wohl darstellen.

Aber was ist sie noch wert, angesichts der enormen Konsequenzen, die die Entscheidung für ganz Europa hat? Wenn die Griechen demnächst abstimmen, dann stimmen sie auch über unsere Währung ab. Dürfen die das? Und wenn der Deutsche Bundestag Finanzhilfen verweigert, dann entzieht er möglicherweise den Italienern die Lebensgrundlage. Dürfen wir das? Man kann es auch so sagen: Jede nationale Entscheidung verletzt das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Einheit von Zeit, Handlung und Raum, die für das klassische Drama ebenso Voraussetzung ist wie  für die klassische Demokratie, sind nicht mehr gegeben.

Deshalb sollten wir die Völker besser ganz weg lassen. In einer Währungsunion mit ihren Interdependenzen stößt das nationalstaatliche Demokratiekonzept an seine Grenzen. Streng genommen kann die Antwort auf die Euro-Krise deshalb nur in einem gesamteuropäischen Referendum gegeben werden.

 

So nicht, Sigmar Gabriel!

Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass er sozialdemokratischen Idealen grundsätzlich eher nahe steht. Mit umso größerem Bedauern lese ich, was Sigmar Gabriel jetzt zur Krisenpolitik der Bundesregierung zu sagen hat.

Die CDU-Politikerin habe alles, was jetzt in Brüssel beschlossen wurde, früher abgelehnt. Insbesondere die lange Ablehnung einer Gläubigerbeteiligung durch die Kanzlerin und andere konservative Regierungen in Europa sei ein schwerer Fehler gewesen. Die SPD hätte einen Schuldenschnitt hingegen schon vor eineinhalb Jahren gemacht. „Weil so lange gezaudert und gezögert wurde, ist die Lage in Europa viel instabiler als vor einem Jahr. Vor allem ist alles viel teuerer geworden“. Den Preis für Merkels „Hinhaltetaktik“ müssten die deutschen Steuerzahler bezahlen.

Das sagt der Vorsitzende jener Partei, die das Gerede des Wirtschaftsministers von einer geordneten Insolvenz Griechenland vor ein paar Wochen noch mit Fug und Recht heftig kritisiert hat. Ein Schuldenschnitt vor eineinhalb Jahren hätte uns direkt in jene Abgrund befördert, in den Peer Steinbrück 2008 geschaut hat. Ich bin hier nicht neutral, weil ich einen Schuldenschnitt immer noch für falsch halte. Aber ihn ohne die nötige Abschirmung der anderen Staaten – die es damals nicht gab – zu vollziehen, wäre Selbstmord gewesen.

Gabriel wird mit seinen Aussagen beim Wähler bestimmt punkten. Ich aber erwarte von der Sozialdemokratie mehr als „Opposition kritisiert Regierung“. Das kann jeder.

 

Warum ich dem Gipfelfest fernbleibe

Man hat ein schlechtes Gefühl dabei, der Spielverderber zu sein, wenn alle feiern. Ich wünsche den Euro-Rettern, dass ihre Manöver gelingt. Ich kenne einige von ihnen und ich weiß, dass es sich um kluge Menschen handelt, die ihr Bestes geben – die aber eben unter harten politischen Restriktionen handeln. Meine Skepsis gegenüber der jetzigen Rettungsstrategie beruhte vor allem auf drei Punkten:

1) Der gehebelte EFSF wird Liquiditätsnöte nicht lindern, weil den Investoren eine Teilkaskoversicherung nicht reicht.

2) Die Bankenrekapitalisierung belastet die Konjunktur, weil die Banken Kredite verknappen, um die strengeren Kapitalauflagen einzuhalten.

3) Der Schuldenschnitt in Griechenland führt dazu, dass Investoren eine ähnliche Behandlung auch in anderen Ländern der Euro-Zone erwarten und sich deshalb zurückziehen.

Wenn ich nun Berichte wie den folgenden heute in der FAZ lese, dann sehe ich die in Punkt 3) geäußerten Bedenken bestätigt:

Die Commerzbank will so viele ihrer verbliebenen Staatsanleihen verkaufen wie möglich. Vorstandschef Martin Blessing sagte nach einem Treffen im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten, das Bankhaus habe im dritten Quartal vor allem Kredite für die sogenannten PIIGS-Staaten weiterverkauft. […] „Ich fahre das runter, klar“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Kritik, wonach ein massiver Verkauf solcher Papiere die Krise verschärfe, wollte Blessing nicht gelten lassen. Er verwies darauf, dass Europas Spitzenpolitiker noch 2010 den privaten Gläubigern Griechenlands versprochen hätten, dass es bis 2013 keinen Schuldenschnitt für Athen geben werde. Man habe ihm damals beteuert, dass es daher nicht nötig sei, Staatsanleihen schnell zu verkaufen. „Wenn heute noch mal ein Politiker zu mir käme und verlangte, wir sollten unsere Staatsanleihen in den Büchern halten, dann antworte ich: Trau, schau, wem.“

Und noch einmal bei der Commerzbank, diesmal zu Punkt 2):

Für die Commerzbank errechnet die EBA in ihrem Szenario einen Betrag von 2,938 Milliarden Euro. ‚Wir können die geforderte Kapitalquote zum Beispiel durch den Abbau von Risikoaktiva in Nicht-Kernbereichen, den Verkauf von nichtstrategischen Assets oder einbehaltene Gewinne sicherstellen. Eines ist jedoch klar: „Wir haben nicht vor, öffentliche Mittel anzunehmen“, sagte Eric Strutz. 

Oder, wie es die Analysten von BNP Paribas zusammenfassen:

The lessons from Greece are:

a. Significant restructuring of private debt is a more likely option than it looked six months ago;
b. The public sector is unwilling to write down its own loans, meaning that the restructuring risk falls on the private sector;
c. The larger a country’s reliance on public sector debt, the bigger the gearing effect will be on private sector debt of ‘shocks’ to the fiscal/economic position of a country.

The net result is a significant rise in the risk premium the market will demand to fund other peripherals (higher probability of default, probably higher writedowns). This raises likely risk premia on other peripheral debt.

 

Das Risiko des EFSF wird jetzt vervielfacht!

Die Erhöhung der Mittel des Eurorettungsfonds EFSF hat Angela Merkel Ende September nur knapp mit ihrer eigenen Regierungsmehrheit durchbekommen. Nach dem politischen Kraftakt stand fest: Mehr als 440 Milliarden Euro sollte der Fonds nicht einsetzen, um die Eurozone zu retten. Nur wurde dann doch recht schnell klar, dass 440 Milliarden Euro nicht reichen, um auch Italien oder Spanien zu retten, die mittlerweile in den Fokus der Finanzmärkte geraten sind. Weiter„Das Risiko des EFSF wird jetzt vervielfacht!“

 

Formulierungshilfe für die Euro-Retter

weil ich darauf angesprochen wurde: hier mein ganz persönlicher – und völlig unrealistischer – Vorschlag für eine Abschlusserklärung des Gipfels, die etwas bewegen würde, so wie sie heute auf ZEIT Online steht:

Wir, die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone, haben in Verantwortung für unsere Währung und unsere gemeinsame Zukunft auf unserem Gipfeltreffen in Brüssel folgendes beschlossen:

1. Wir garantieren für die gesamte griechische Staatsverschuldung. Europa ist sich seiner Verantwortung in der Weltwirtschaft bewusst und wird seine Verpflichtungen erfüllen. Wir signalisieren damit, dass kein Land der Währungsunion pleitegehen wird. Wer bei uns investiert, kann sich darauf verlassen, dass Recht und Gesetz eingehalten werden. Wir haben erkannt, dass es ein Fehler war, die Privatgläubiger durch Schuldenschnitte an den Krisenkosten beteiligen zu wollen, weil sich die Krise dadurch ausgeweitet hat und andere Länder angesteckt wurden.

2. Wir gehen davon aus, dass Griechenland die Hälfte seiner Schulden selbst bedienen kann, den Rest – schätzungsweise 175 Milliarden Euro – übernehmen wir. Unsere Volkswirtschaften sind stark genug, um mit einer Last fertig zu werden, die einen Bruchteil der Kosten der deutschen Wiedervereinigung ausmacht, mit denen Deutschland alleine fertig wurde. Bei der Aufteilung der Schulden orientieren wir uns am Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank (EZB). Wir sind der Überzeugung, dass dies der billigste Weg ist, weil er Stützungsprogramme für andere Banken und Länder überflüssig macht.

3. Im Gegenzug verpflichtet sich Griechenland zu einem weit reichenden Reformprogramm und wird für die Dauer dieses Programms nur über eingeschränkte fiskalische Souveränität verfügen. Damit stellen wir sicher, dass die Auflagen umgesetzt werden und dass für andere Länder keine Anreize gesetzt werden, im Vertrauen auf Hilfe von außen Reformen zu vernachlässigen.

4. Wir berufen einen Konvent ein, der Vorschläge zur Reform der europäischen Verträge vorlegt. Wir wollen die politische Union schaffen, ohne die eine Währungsreform nicht funktioniert. Dazu gehört auch die Bekämpfung der internen Ungleichgewichte in der Währungsunion. Wenn die Fiskalpolitik hinreichend vergemeinschaftet ist, sind auch Euro-Bonds denkbar.

5. Sollten Zweifel an unserer Entschlossenheit bestehen, Staatspleiten zu verhindern, so werden der Stabilisierungsfonds EFSF, der von nun an Europäischer Währungsfonds heißen wird, und die Europäische Zentralbank bereitstehen, um sich gegen eine Panik zu stellen. Wir verzichten bewusst darauf, eine konkrete Zahl zu nennen, die nur zu Spekulationen führen würde, ob die Mittel ausreichen. Wir gehen aber davon aus, dass das durch unsere Entscheidung zu Griechenland nicht zu einem solchen Szenario kommen wird.

6. Wir verpflichten uns zu einem konjunkturschonenden und sozial gerechten Konsolidierungskurs. Wir werden unnütze Staatsausgaben streichen, aber wir lassen nicht zu, dass der Wohlfahrtsstaat ausgezehrt wird. Wir werden deshalb auch die Einnahmeseite verbessern. Zu diesem Zweck führen wir ab sofort einen europaweiten Spitzensteuersatz von 60 Prozent ein. Wir erhöhen darüber hinaus das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre, mit Ausnahmeregeln für bestimmte Berufsgruppen. Diese Maßnahme spart Milliarden und belastet die Konjunktur nicht. Es ist weder verantwortbar noch sozial, einen immer größeren Teil unserer arbeitsfähigen Bevölkerung auf das Abstellgleis zu schieben.

7. Einheit in Vielfalt wird auch künftig unser Motto sein. Aber wir brauchen mehr Einheit, um unsere Vielfalt erhalten zu können. Ohne die europäische Integration bedrohen die Verschiebung der weltpolitischen Machtverhältnisse und die globalen Marktkräfte unsere kulturellen und sozialen Errungenschaften.

Update: Der große Rhethoriker Huett hat es bei wiesaussieht formvollendet hinbekommen.

 

Der Bernd-Lucke-Plan: Rezept für ein Desaster

Wie ich höre macht in Berlin ein Insolvenzszenario von Bernd Lucke und Harald Hau die Runde, das kürzlich in der FAZ vorgestellt wurde. Die beiden Ökonomen schlagen vor, statt immer neue Rettungsschirme aufzuspannen die Banken zu rekapitalisieren, damit sie Staatsinsolvenzen verkraften.

Eine zwangsweise Rekapitalisierung gefährdeter Banken könnte die Rettungsfonds für hochverschuldete Euroländer ersetzen. Die deutschen Steuerzahler käme dies wesentlich günstiger. Die Bundesregierung sollte diesen Schritt tun.

Die Bundesregierung – das wird die Leser dieses Blogs nicht überraschen – sollte diesen Schritt nach meiner Ansicht nicht tun. Er würde im Desaster enden. Der Plan wird nicht aufgehen, weil er auf falschen Annahmen beruht. Noch einmal Lucke und Hau:

Wir unterstellen im Folgenden, dass private Gläubiger 50 Prozent ihrer Forderungen auf griechische und portugiesische Staatsschulden abschreiben müssen, während Irland, Italien und Spanien trotz der Insolvenz noch 75 Prozent des Schuldendienstes leisten.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wir schulden nicht nur Griechenland um, sondern auch noch Irland, Spanien und Italien. Und das geht einfach so. Die Investoren werden brav ihren Haircut akzeptieren, die frisch kapitalisierten Banken schreiben die Verluste ab und danach kehrt Europa wieder fröhlich an den Kapitalmarkt zurück.

Das funktioniert vielleicht im Elfenbeinturm der Universität, aber nicht an den Kapitalmärkten. Wer Griechenland umschuldet, spielt schon mit dem Feuer. Wer den Zahlungsausfall von Spanien und Italien – ein Land mit ausstehenden Anleihen im Wert von rund 1600 Milliarden Euro – will, der legt einen Flächenbrand, der Europa verwüsten wird.

Denn die Folgeeffekte – Ausfall von Credit Default Swaps, Bilanzlücken bei den Versicherungen, eine globale Vertrauenskrise – werden nicht zu kontrollieren sein. Die Investoren werden sich komplett zurückziehen. Wer, liebe Professoren, übernimmt dann die Refinanzierung? Und wenn die Italiener schon einmal beim Default sind, warum sollen sie nicht gleich 60 oder 70 Prozent wegstreichen.

Wertlose Forderungen müssen abgeschrieben werden und irgendjemand muss die Verluste tragen, wird man nun einwenden (Catherine Hoffmann tut das heute in der Süddeutschen). Wertlos ist eine Forderung aber nur, wenn das betreffende Land wirklich insolvent ist. Und Italien ist zwar eine Bananenrepublik aber nicht insolvent. Und ich würde argumentieren, dass das mindestens auch für Spanien, Irland und Portugal gilt. Diese Staaten haben Liquiditätsprobleme.

Was Lucke und Hau nicht begreifen: Wer solvente Länder umschuldet, der schafft ein Problem, das nicht existieren würde, wenn es gelänge, die Märkte endlich wieder von der Solvenz zu überzeugen, so dass sie diese Staaten weiter finanzieren. Mit anderen Worten: Je größer der Schuldenschnitt, desto größer das Loch, dass wir mit unseren Steuergeldern füllen müssen. Der Rettungsschirm dagegen kostet nichts, wird verdienen sogar daran, weil die Kredite mit Zinsen zurückgezahlt werden. Wer das nicht glaubt, der frage beim IWF nach, der seit einigen Jahrzehnten ganz gut von der Liquiditätshilfe lebt.

Ja aber die Griechen, wird es jetzt heißen, die sind doch insolvent. Mag sein, und in diesem Fall ist tatsächlich die Frage, wer die Verluste nimmt. Mein Position ist, dass sie der Steuerzahler nehmen soll, weil ich glaube, dass eine Pleite sehr teuer werden wird. Darüber kann man streiten. Aber Italien in den Bankrott zu schicken – das ist der Auftakt für den Untergang Europas.

 

Demokratielehrstunden

Da gab es am Freitag ein bisschen Theater auf einer Konferenz der EU in Warschau mit ihren östlichen Nachbarn. Die EU-Politiker wollten den Herrschaften in Baku, Kiew, Minsk, Eriwan usw. beibringen, wie man Demokratie richtig macht. In dieser Beziehung gelten die Kerle östlich des Bug und der Karpaten als etwas unterentwickelt. Wenn sie nicht spuren, kriegen sie CIA-gesponserte Blumenrevolutionen an den Hals. Das hat schon den um die Demokratie in der Sowjetunion so verdienstvollen Eduard Schewardnadse in Tiflis das Präsidentenamt gekostet.

Mit dem Herrn über das weißrussische Flachland, das einst von deutschen Truppen auf dem Hin- und dem Rückweg zwei Mal dem Erdboden gleich gemacht worden war, einem gewissen Alexander Lukaschenko, wollten die Regierungen ähnlich umgehen. Er ist nicht wie Wladimir Putin Vorsteher eines so großen und mächtigen Landes wie das nichtweiße eigentliche Russland. Aber er ließ sich auch nicht wegmobben – jedenfalls bisher nicht. Zur EU-Demokatielehrstunde wurde der Bösewicht schon gar nicht eingeladen. Stattdessen trafen sich die EU-Demokraten mit der Opposition und erinnerten damit Lukaschenko daran, wie man im Notfall auch mit nicht genehmen Potentaten etwa in Libyen umgehen kann.

Dieser Lukaschenko erfrechte sich, nun nicht einmal seine Diplomaten zur Warschauer Konferenz zu schicken. Ein Eklat.

Dabei hätte alles pädagogisch und demokratietheoretisch wertvoll laufen können. Die Herren und Damen hätten nur ein wenig Deutschlandfunk oder BBC oder Corriere della Sera oder FAZ gemeinsam hören und lesen sollen. Da hätten sie hören und lesen können, wie gelebte Demokratie in der EU funktioniert. Weiter„Demokratielehrstunden“

 

Warum Bankenrekapitalisierung nicht immer der beste Weg ist

Kantoos hat sich in die Debatte um die von Christine Lagarde angestoßene Bankenrekapitalisierung eingeschaltet und meine These kritisiert, es sei sinnvoller, die Staaten zu retten als die Banken. Eine Rekapitalisierung mit öffentlichen Mitteln, so argumentiert er, sei keine Rettung, weil die Bankaktionäre verwässert würden und somit das Risikokapital zur Verlustabdeckung herangezogen wird, wie es auch sein sollte.

Eine erzwungene Rekapitalisierung (oder in manchen Fällen schlicht Abwicklung) von Banken ist der erste sinnvolle Vorschlag seit langer Zeit (den ich schon im Frühjahr 2010 angewendet hätte), und ich hoffe sehr, dass die deutsche Regierung sich dies auf die Fahnen schreibt.

Ganz ähnlich sieht das Holger Steltzner heute in der FAZ:

Einige Länder brauchen für einen Neuanfang einen harten Schuldenschnitt. Das setzt voraus, dass nicht nur südeuropäische Banken, sondern auch Finanzinstitute aus Frankreich oder Deutschland genügend Kapital haben, um die Verluste tragen zu können. Mit einer Rekapitalisierung der europäischen Finanzinstitute kann die Ansteckungsgefahr gebannt und die Erpressbarkeit von Regierungen und der Zentralbank reduziert werden. Nur darüber kann die Staatsschuldenkrise gelöst werden. Dieser Weg ist für den Steuerzahler viel günstiger als der Rettungsfonds.

Ich bestreite nicht, dass eine Rekapitalisierung der Banken  – die dann ja einen Schuldenschnitt in Portugal, Irland, Griechenland und massive mark-to-market Verluste in Italien und Spanien aushalten können müssen  – eine mögliche Lösung der Krise ist. Ich frage mich aber: Ist es die günstigere, in einer Situation, in der die Kosten jeder Form der Rettung steigen, je mehr Investoren wir vertreiben? Ist sie kontrollierbar angesichts der Folgen, die eine Massenpleite in Europa für die Weltkonjunktur und den Ruf der Gemeinschaft am Kapitalmarkt haben wird ? Und ist die Währungsunion mit eingebautem Pleiterisiko, die sie hervorbringen würde, wünschenswert?

Ich würde keine der Fragen mit einem klaren Ja beantworten und deshalb bin ich nicht überzeugt. Kantoos hat Recht:  In dem Maße, in dem es sich um eine Solvenzkrise handelt, muss irgend jemand den Schaden bezahlen. Aber ich halte es für günstiger, diesen Schaden die Staaten tragen zu lassen (die sich das Geld dann ja über Steuern bei den Profiteuren abholen können) als den Anleihemarkt in Brand zu setzen. Und ich glaube, dass wir es abgesehen vielleicht von Griechenland nicht zwingend mit einem Solvenzproblem zu tun haben – und ein Liquiditätsproblem lässt sich durch Brückenfinanzierung lösen ohne das Kosten anfallen.

 

 

Jürgen Stark und seine Fallstudien

Jürgen Stark ist als Chef-Volkswirt der EZB zurückgetreten. Warum ist das wichtig? Weil Stark die deutsche Radikal-Position des ewigen „Njet“ zu allen unorthodoxen Maßnahmen zur Eurostützung vertritt wie kein anderer: Die EZB darf bloß keine Staatspapiere aufkaufen und eine aktive Fiskalpolitik sei des Teufels. So hört man auch viele Politiker in Deutschland, den Niederlanden oder Finnland. Bloß ist die Konsequenz der Njet-Position bis jetzt gewesen, dass die Krise immer schlimmer, die Zinsaufschläge immer höher geworden sind. Nun empfiehlt der zurückgetretene Stark, die Krise werde sich schon legen, wenn die Politik in der Eurozone erst richtig spart. Denn so würde sie Vertrauen schaffen. So schreibt er heute im Handelsblatt:

„Im gegenwärtigen Umfeld ist daher eher davon auszugehen, dass positive Vertrauenseffekte aufgrund solider Finanzpolitik beträchtlich sein werden, was Fallstudien bestätigen: Ambitionierte Anpassungsprogramme gehen bereits nach kurzer Zeit mit positiven Wachstumseffekten einher.“

Bloß auf welche Fallstudien bezieht sich Stark? Weiter„Jürgen Stark und seine Fallstudien“