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Draghi, die Bild und die Pickelhaube

Mario Draghi lernt den deutschen Boulevard von seinen schönsten Seiten kennen. „Kein deutsches Geld mehr für Pleitestaaten,  Herr Draghi“, droht nun die Bild. Sonst wolle man „die Pickelhaube zurück“. Eine solche Haube hatten die Springer-Leute dem Notenbankchef vor einigen Monaten geschenkt, damit sie ihn an „preußische Disziplin“ erinnere.

Ich habe es damals schon als respektlos empfunden, wie da mit einem der höchsten europäischen Beamten umgesprungen wird – und man weiß genau: Wer mit Bild nach oben fährt, der fährt wenn es schlecht läuft mit Bild auch wieder nach unten. Draghi hätte die Pickelhaube also damals den beiden Herren wieder mit nach Hause geben sollen, sie hätten sie ja in der Redaktion aufstellen können.

Gut, dafür ist es nun zu spät. Aber er kann sie immer noch an Springer zurückschicken, für das Begleitschreiben hätte ich einen Vorschlag:

Sehr geehrte Redaktion der Bild,

anbei erhalten Sie die Pickelhaube zurück, die Sie bei Ihrem Besuch in meinem Büro mitgebracht hatten. Ich war damals von der Aktion überrumpelt, sonst hätte ich sie gar nicht erst angenommen.  Oder wie würde das aussehen wenn ich, falls Sie mich nach Berlin einladen würden, ihrem Vorstandsvorsitzenden ein Exemplar der Europäischen Menschenrechtskonvention mitbrächte, damit es ihn an die Grundsätze der journalistischen Ethik ermahne?

Nun da Sie sie mir ihre Haube aber wegnehmen wollen, schicke ich Sie ihnen freiwillig. Wie Sie wissen ist es der Auftrag der Europäischen Zentralbank, für Preisstabilität im Euro-Raum zu sorgen. Eine Voraussetzung dafür ist die angemessene Übertragung geldpolitischer Impulse in die Mitgliedsländer. Wie eine kompetente Wirtschaftsredaktion wie die Ihre sicher bemerkt hat, ist diese Übertragung gestört, deshalb greifen wir zu außergewöhnlichen Maßnahmen. 

Ob das nun zu „preußischen“ Traditionen passt oder nicht ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Ich leite die Europäische Zentralbank und nicht die Preußische Zentralbank und ich bin froh, dass es letztere nicht mehr gibt. 

Vielleicht wollen Sie mit solchen Aktion aber auch nur ihre Auflage steigern – das ist ihr gutes Recht, ich bin wie Sie wissen ein Anhänger der freien Marktwirtschaft. Ich bin aber nicht für die Bilanzen irgendwelcher Verlagshäuser zuständig, sondern für das Gemeinwohl. 

Mit freundlichen Grüßen,

Mario Draghi

 

 

Wirtschaft wächst, Staatsfinanzen im Plus – dem Euro sei Dank

Während in den Ländern ringsum verzweifelt, aber bislang erfolglos nach Mitteln gesucht wird, wie sich Rezessionen lindern oder beenden lassen, erfreut sich die deutsche Wirtschaft zwar nicht mehr bester, aber immer noch guter Gesundheit. Im zweiten Vierteljahr expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem ersten um 0,3 Prozent und lag damit um 1,0 Prozent über seinem Vorjahresniveau. Im selben Zeitraum schrumpfte die Wirtschaftsleistung des Euro-Raums ohne Deutschland vom ersten aufs zweite Quartal um 0,4 Prozent und war 0,9 Prozent niedriger als vor einem Jahr. In der Währungsunion läuft die Konjunktur gefährlich auseinander. In Griechenland ist das reale BIP binnen Jahresfrist um 6,2 Prozent eingebrochen; in den vergangenen vier Jahren waren es insgesamt 17,5 Prozent. Das Wort für so etwas heißt „Depression“. Weiter„Wirtschaft wächst, Staatsfinanzen im Plus – dem Euro sei Dank“

 

Die EZB und der Zinsdeckel – Versuch einer Klärung (with English language update)

Die Meldung, wonach die EZB plane, einen Zinsdeckel für südeuropäische Staatsanleihen einzuführen, hat eine beachtliche Rallye an den Märkten ausgelöst. Das legt die Frage nahe, was bei der nächsten Sitzung des Zentralbankrats wohl entschieden werden wird – und es dürfte eine Enttäuschung geben. Weiter„Die EZB und der Zinsdeckel – Versuch einer Klärung (with English language update)“

 

Sparer kriegen nichts mehr

Auf den ersten Blick ist die Lage für Sparer, die treu ihr Geld zur Bank tragen oder in Bundeswertpapieren investieren, ziemlich trist. Bei Zinssätzen zwischen null und zwei Prozent, mit einem Mittelwert eher unter als über ein Prozent, sind sie real auf alle Fälle in den Miesen, und nominal bleibt auch kaum etwas übrig. Wenn sie darauf gesetzt haben, im Alter eine bestimmte monatliche Summe an Zinserträgen zusätzlich zu ihrer Rente zu beziehen, müssen sie deutlich mehr sparen, als sie sich das bis vor kurzem vorgestellt haben, oder sie müssen länger arbeiten. Auch die Kapitallebensversicherungen, die nur einen geringen Teil ihrer Mittel in Aktien anlegen dürfen, werden ihre Garantiezinsen in den kommenden Jahren drastisch senken müssen – da der weitaus größte Teil ihrer Mittel in festverzinslichen Papieren steckt. Weiter„Sparer kriegen nichts mehr“

 

Schulden-Inflations-Transferunion

Das Ende ist nah. Holger Steltzner heute in der FAZ:

Wenn Angela Merkel aus dem Sommerurlaub zurückkehrt, weichen die naiv-romantischen Träume der Linken wieder realer Machtpolitik. Sonst hätten Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück schon längst Eurobonds eingeführt, um aus der Währungsunion möglichst schnell eine Schulden-Inflations-Transferunion zu machen.

Eine Schulden-Inflations-Transferunion – die führen aber wirklich böses im Schilde da drüben in Brüssel. Da muss mal dringend jemand genauer hinsehen. Vielleicht wollen sie auch noch das Privateigentum abschaffen, die Bundeswehr entsorgen und Freibier für alle. Vielleicht wollen die eine Schulden-Inflations-Transfer-Sozialismus-Pazifismus-Freibierunion. Bürger, auf die Barrikaden!

 

Warum Investmentbanken so viel Geld verdienen

In der Londoner Wochenzeitschrift Financial News, die von der Dow Jones-Gruppe herausgegeben wird, gab es in der Ausgabe vom 16. – 22. Juli einen bemerkenswerten Artikel (Is it time to ring-fence investment banks from themselves?) von William Wright über die nach wie vor weitverbreiteten Interessenkonflikte bei Investmentbanken. Deren gewaltige Gewinne haben nicht zuletzt damit zu tun, dass sie Geschäfte betreiben, die bei genauerem Hinsehen auf Kosten ihrer Kunden und der Allgemeinheit gehen und sich vielfach an der Grenze der Legalität befinden. Weiter„Warum Investmentbanken so viel Geld verdienen“

 

Brüsseler Schnapsidee

Wenn es stimmt, was die SZ heute schreibt, dann muss die Verzweiflung in Brüssel wirklich groß sein.

Der EFSF soll also am Sekundärmarkt aktiv werden und spanische Staatsanleihen kaufen, um so deren Renditen zu senken.

Das wäre pure Geldverschwendung, bei der sich die Anleihebesitzer auf Kosten der Steuerzahler gesundstoßen.

Der EFSF verfügt noch über freie Kapazitäten von 148 Milliarden Euro. Wie Christian Schulz von der Berenberg Bank vorrechnet: Wenn der Fonds wie die EZB auf dem Höhepunkt ihres Anleiheprogramms 20 Milliarden pro Woche ausgibt, ist er in sieben Wochen leer.

Wahrscheinlich würden die Investoren sogar die Gelegenheit nutzen, ihre Anleihen möglichst schnell loszuwerden, weil sie wissen, dass die Ressourcen begrenzt sind. Das Ganze wäre also möglicherweise sogar kontraproduktiv.

Eine Intervention hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn sie massiv ist. Frei nach Colin Powell: Wenn man rein geht, dann mit überwältigender Kraft. Das bedeutet hohe, idealerweise unbegrenzte Feuerkraft. Dazu muss der EFSF mit einer Banklizenz ausgestattet werden, so dass er sich bei der EZB refinanzieren kann.

Wenn man das nicht will, sollte man es bleiben lassen.

 

Um eine echte Währungsunion wird man nicht herumkommen

Noch nie waren die Leitzinsen so niedrig wie heute, noch nie haben die führenden Notenbanken so viel Geld gedruckt wie in den vergangenen Jahren. Nur ist immer noch nicht zu erkennen, wie der Funke in die Realwirtschaft überspringen soll. Was tun, wenn die Finanzpolitik in wichtigen Ländern mit aller Macht dagegenhält und auf pro-zyklische Weise versucht, staatliche Haushaltsdefizite und Schulden abzubauen, und wenn überschuldete Haushalte und unterkapitalisierte Banken nur auf Eines aus sind – durch Sparsamkeit und Vorsicht ihre Kreditwürdigkeit und Solvenz wieder herzustellen? Weiter„Um eine echte Währungsunion wird man nicht herumkommen“

 

Ulf Poschardts Krise

Es ist ein alter journalistischer Trick: Man nehme seine persönliche Agenda, eine krisenhafte Zuspitzung in der realen Welt, behaupte eine Verbindung zwischen beidem und fertig ist die scheinbar objektive Begründung einer subjektive Sichtweise.

Ulf Poschardt zeigt in der Welt, wie es geht:

Die europäische Idee braucht eine neue Erzählung. Ein Weiter-so mit größenwahnsinnigem Staat, absurder Bürokratie, unbezahlbaren Sozialleistungen und aufreizender Bequemlichkeit darf es nicht geben. Aber wer soll das den Europäern beibringen?

Der größenwahnsinnigste Staat in Europa ist Dänemark, mit einer Ausgabenquote von 59,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Irland liegt mit 44,2 Prozent sogar unter Deutschland. Wo bleibt bloß die dänische Krise?

Bei den Sozialleistungen liegt Schweden ganz vorne (und übrigens auch Deutschland). Spanien und Irland ebenfalls recht weit hinten. Wo ist die schwedische Krise?

Bei den Urlaubstagen wiederum sind wir Deutschen an der Spitze. Nicht die Griechen. Wo ist die deutsche Krise?

Vorschlag: Vielleicht hat die Krise in der Währungsunion auch ein bisschen was mit dem Konstruktionsprinzip eben jener Währungsunion zu tun?

 

Wo Sarrazin recht hat, hat er recht

Es gibt erste kritische Kommentare zur Thilo Sarrazins Text heute in der FAZ. Und in der Tat ist seine Analyse nicht immer auf der Höhe der Zeit. So schreibt er etwa über die Korrektur von ökonomischen Ungleichgewichten:

Das ist völlig normal, in sich auch gar nicht katastrophal und zudem unvermeidlich, da das Ventil der Wechselkurse ja nicht mehr besteht. Die betroffenen Länder verfügen zudem intern über alle Instrumente, um durch eine entsprechende Reformpolitik gegenzusteuern. Tun sie das nicht, ist das Ausfluss ihrer gesellschaftlichen Prioritäten und politischen Entscheidungen. 

Damit verkennt er die sich selbst verstärkende Dynamik, die entstehen kann, wenn halbsouveräne Staaten ohne eigene Zentralbank einer Panik an den Märkten ausgesetzt sind. Weiter„Wo Sarrazin recht hat, hat er recht“