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Investment Outlook: Niedrige Zinsen bleiben – der Euro bleibt auch

Das Wirtschaftswachstum in den reichen Ländern wird einige Jahre deutlich niedriger ausfallen als noch vor der Finanzkrise. Im Vordergrund wird der Schuldenabbau und die Sanierung der Bilanzen in weiten Teilen der Bevölkerung, bei Banken und Regierungen stehen.

Sowohl am Arbeitsmarkt als auch in den Unternehmen gibt es nach wie vor große Kapazitätsreserven. In den OECD-Ländern nehmen sie gegenwärtig sogar wieder zu. Das bedeutet, dass es kaum Inflationsrisiken gibt, was wiederum sowohl in den USA, im Euro-Raum und in Japan eine äußerst expansive Geldpolitik ermöglicht. Trotzdem ist deren Wirkung auf die Realwirtschaft insgesamt sehr schwach: Der übliche Transmissionsmechanismus funktioniert nicht mehr. Die Notenbankzinsen werden in der Nähe von null verharren, und es könnte sogar sein, dass sie irgendwann in den negativen Bereich rutschen. Das ist einer der Gründe, weshalb in den Ländern, die aus Anlegersicht als sicher gelten, die realen langfristigen Bondrenditen noch einige Jahre lang negativ bleiben dürften.

Es spricht einiges dafür, dass der Euro überleben wird, vor allem die direkten und indirekten Kosten, die bei seiner Abschaffung entstehen würden. Die kommende Bankenunion und die Bereitschaft der EZB, unbegrenzt Anleihen von Staaten aufzukaufen, die sich unter den Rettungsschirm ESM begeben haben, zeigen, dass der Euro endlich ein solides institutionelles Fundament bekommen soll. Die Bondrenditen der Krisenländer dürften sinken, und der Euro wird vermutlich aufwerten – die gesamtwirtschaftlichen Determinanten des Wechselkurses sprechen zumindest dafür.

Die Schwellenländer bleiben der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft, weil sie kaum mit Schuldenproblemen zu tun haben und ganz im Gegenteil finanziell meist gut dastehen. Der Aufholprozess geht in vollem Tempo weiter. China erlebt zwar gerade ein „hard landing“. Das heißt jedoch lediglich, dass sein reales BIP mit einer Rate von knapp sieben Prozent statt mit den bis vor Kurzem noch üblichen 10 Prozent expandiert. Insgesamt nimmt das Sozialprodukt in diesem Teil der Welt (wo 85 Prozent der Menschheit lebt) zurzeit mit etwa 4 ½ Prozent zu, verglichen mit 0,6 Prozent in der OECD-Region.

Anleger sollten ihre Mittel stärker in Richtung Schwellenländer umschichten. Sie können das dadurch erreichen, dass sie in Unternehmen investieren, die erfolgreich in diese Länder exportieren oder dort produzieren.

Die Zerstörung der Umwelt geht weiter, nicht zuletzt weil der Output von Kohlenwasserstoffen ungebrochen zunimmt. Es gibt auf kurze Sicht eher ein Überangebot als einen Mangel an fossilen Energieträgern. Da eine saubere Umwelt für eine zunehmend wohlhabendere Weltbevölkerung immer wichtiger wird, dürfte sich Umwelttechnologie zu einer Wachstumsbranche mausern.

Ausführliches zur wirtschaftlichen Lage in den Industrie- und Schwellenländern (mit einem Schwerpunkt zur Entwicklung im Euro-Raum), sowie zu den Aussichten und Risiken für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – October 2012*) (pdf, 245 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)

 

Kommt die Krise zurück?

Aktien runter, Spreads rauf – der Mittwoch dieser Woche war kein guter Tag an den Finanzmärkten. Das könnte auch die Strategie der Bundesregierung durchkreuzen. In Berlin hat man sich darauf eingestellt, auf der Draghi-Welle zu surfen. Die Ankündigung von Anleihekäufen beruhigt die Märkte, so die Hoffnung, und deshalb kann sich die Politik zurücklehnen. Konkret bedeutet das: Weiter„Kommt die Krise zurück?“

 

Private Vorsorge fürs Alter – ein Irrweg

Bei der Allianz werden die Sektkorken knallen. Die Bundeskanzlerin hat ein Konzept zur Bekämpfung der Altersarmut angekündigt – und setzt dabei auf die private Vorsorge.

In ihrem Konzept werde die Regierung nicht an die Rentenbeiträge oder die Renteneinnahmen herangehen. Vielmehr gehe es um Anreize, sich privat zu versichern, und Anreize, damit die gesetzliche Rentenversicherung nicht ihre Akzeptanz verliere.

Frank Lübberding hat neulich an die Machenroth-These erinnert, die im Grunde für eine geschlossene Volkswirtschaft kein seriöser Ökonom bestreitet (für eine kritische Betrachtung von konservativer Seite, die aber auch keinen grundsätzlichen Zweifel anmeldet, siehe Clemens Fuest hier).

Zur Erinnerung: Weiter„Private Vorsorge fürs Alter – ein Irrweg“

 

Was wären wir ohne die Inflation

Die Wirtschaftswoche zur neuen Hebel-Idee:

Mittelfristig wird die von der EZB ausgelöste Geldschwemme zu mehr Inflation führen. Die Anleger wissen das. Statt Haircuts droht ihnen die Enteignung durch Inflation und negative Realzinsen. Daher dürften sie wenig geneigt sein, mehr Geld in ESM-gehebelte Staatsanleihen der Südländer zu investieren.

Inwieweit die Politik der EZB dazu beigetragen hat, die Zinsen in den südeuropäischen Ländern zu drücken und neue Investoren anzulocken, ist in der Tat umstritten. Dass aber die Maßnahmen der EZB die Anleger verschreckt, ist mir zumindest neu. Vielleicht ist es so, dann müsste es einen Anstieg in den Renditen langfristiger Anleihen geben. Bislang sehe ich das nicht.

Ich halte auch nicht so viel vom Hebel, aber manchmal frage ich, was Deutschlands Ökonomen wohl noch zu debattieren hätten, wenn man ihnen die Inflationsangst nehmen würde.

 

Alter Wein in neuen Schläuchen

Es soll also wieder gehebelt werden. Über eine Teilabsicherung von Staatsanleihen will die EU das Ausleihvolumen des Rettungsfonds auf 2.000 Milliarden Euro anheben.

Kennern wird das bekannt vorkommen. Genau diese Debatte wurde vor ein paar Monaten beim EFSF länglich geführt. Die Idee geht auf Paul Achleitner zurück, damals bei der Allianz und heute bei der Deutschen Bank – und sie war bislang ein riesengroßer Flop. Weiter„Alter Wein in neuen Schläuchen“

 

Hohe staatliche Haushaltsdefizite, niedrige Inflation

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung setzt sich Christian Siedenbiedel mit der Angst der deutschen Sparer auseinander, dass hohe Haushaltsdefizite und forciertes Gelddrucken durch die Notenbank unweigerlich zu einem Kaufkraftverlust des Geldes führen. Vor allem Jens Weidmann und dessen Doktorvater Manfred Neumann werden als wichtige Warner zitiert, aber im Grunde glauben auch die meisten deutschen Ökonomen und die von ihnen dominierten Medien an diesen Zusammenhang.

Ich meine hingegen: Es kann so kommen, es muss aber nicht. Augenblicklich spricht wenig für eine beschleunigte Geldentwertung, und zwar nicht nur in der nahen Zukunft, sondern auf Jahre hinaus. Weiter„Hohe staatliche Haushaltsdefizite, niedrige Inflation“

 

Die Fallstricke des ESM-Urteils

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM ist an den Finanzmärkten weithin mit Erleichterung aufgenommen worden und wird von der Bundesregierung als Bestätigung ihres Kurses gewertet. Es enthält aber eine Passage, die noch eine Menge Ärger bereiten könnte.  Denn das Gericht hat entschieden, sich auch mit den Aktionen der EZB zu beschäftigen.

Soweit die Antragsteller zu II. gegen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank zur Eurorettung, insbesondere den Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt, einwenden, diese seien ausbrechende Rechtsakte, ist ihr entsprechender Feststellungsantrag bei verständiger Auslegung nicht von dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mitumfasst und bleibt damit einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Karlsruher Richter werden sich also eine Meinung über die Politik der EZB bilden. Und einen ersten Einblick in ihrer Vorgehensweise gewähren sie bereits.

Denn ein Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank, der auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zielte, ist als Umgehung des Verbotes monetärer Haushaltsfinanzierung ebenfalls untersagt.

So ist die Frage also, ob die Maßnahmen der EZB der Haushaltsfinanzierung dienen oder nicht. Die EZB selbst würde das nicht so sehen, weil das Anleiheprogramm aus ihrer Sicht Funktionsstörungen der Märkte beheben soll. Die Bundesbank wäre da wohl anderer Meinung. Nun ist die EZB unabhängig und kann von nationalen Gerichten nicht belangt werden. Das Verfassungsgericht müsste das Urteil also – um direkte Rechtsfolgen zu haben – streng genommen wohl an den Europäischen Gerichtshof weiterleiten und der sieht die Dinge nicht so eng.

Nach meinem Verständnis kann das Gericht aber dennoch zu einem Urteil kommen und zum Beispiel die Bundesregierung auffordern, die EZB vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Auch wenn diese Klage abgewiesen würde, wäre das Anleiheprogramm in Deutschland politisch kaum noch haltbar, wenn es vom höchsten Gericht als rechtswidrig qualifiziert würde.

Seit die EZB entschieden hat, unbegrenzt Anleihen zu kaufen, hat der ESM an Bedeutung verloren. Man braucht ihn noch als Hülle um Konditionalität zu erzwingen, aber das Geld kommt von der EZB. Wenn das Gericht die EZB stoppen würde, dann ist das daher viel dramatischer als die rote Ampel für den ESM.

Ich bin mir nicht sicher, dass sich alle dessen bewusst sind.

 

 

Und jetzt die Bankenunion!

Die EZB hat in der vergangenen Woche getan, was getan werden musste, um den Euro auf ein solides Fundament zu stellen, jedenfalls soweit es ihr Instrumentarium betraf. Jetzt muss eine Bankenunion folgen, durch die die gefährliche Verbindung von Bankrisiken und Staatsschulden ein für alle Mal gekappt wird. Am 29. Juni waren die Weichen dafür gestellt worden. Erst wenn diese Union unter Dach und Fach ist, können wir uns sicher sein, dass auch unsere Kinder und Enkel mit Euro zahlen werden. Eine Währungsunion erfordert auf Dauer eine Fiskalunion, die wiederum eine Vorstufe für eine politische Union ist. Da die Bevölkerung und die nationalen Parlamente dazu noch nicht bereit sind und eine offene Diskussion, darüber wie weit die Europäische Integration letztendlich gehen soll, bislang scheuen, ist die Kombination von Bankenunion und Gelddrucken plus Auflagen das Einzige, was sich gegenwärtig durchsetzen lässt. Das heißt aber nicht, dass dieser neue institutionelle Rahmen nicht belastbar wäre. Wie zu erwarten war, und wie das in der Geschichte des europäischen Friedensprozesses immer wieder der Fall war, muss eine Krise nur ernst genug sein, damit es weitergeht mit der Zusammenarbeit auf unserem kleinen Kontinent. Wir erleben einen historischen Moment, wenn mich nicht alles täuscht.

Was genau ist geschehen, was bedeutet das für die Zukunft des Euro, und was muss noch passieren? Weiter„Und jetzt die Bankenunion!“

 

Eurokrise vor dem Ende

Die Krise in der Währungsunion muss in den nächsten Monaten gelöst werden, weil es keine Alternative gibt: Wenn der Euro überleben soll, muss jetzt der institutionelle Rahmen geschaffen werden, der bisher fehlte. Dazu gehört zum Einen die Bankenunion, die, so hoffe ich, beschlossene Sache ist. Die unheilvolle Verbindung zwischen dem Schicksal der Banken und den Schulden der Staaten sollte ein für alle Mal gekappt werden. Es wird auf eine Institution hinauslaufen, die die Banken im Euroraum beaufsichtigt, die in der Lage ist, sie zu schließen oder zu retten, je nachdem, und die eine gemeinsame Einlagensicherung organisiert. Die Bankenaufsicht soll zunächst einmal bei der EZB angesiedelt sein. Hinzu kommen in den nächsten Monaten zusätzliche Maßnahmen, mit denen die Schuldenlast für Länder, die um Finanzhilfe gebeten haben, gesenkt werden kann. Neben dem European Stability Mechanism (ESM) wird die EZB auch hierbei eine Schlüsselrolle spielen. Wie die Aufgabenverteilung letztlich aussehen wird, ist noch nicht klar. Auf Dauer kann die EZB nicht für die Lösung sämtlicher Strukturprobleme des Euro zuständig sein.

Wie immer der Kompromiss aussehen wird, am Ende werden wir es mit einem institutionell gefestigten Euro zu tun haben. Alle Anlagestrategien, in denen ein Ausscheiden Griechenlands und anderer Länder aus dem Euro, oder ein Ende des Euro selbst wichtige Annahmen sind, müssen revidiert werden. Da es weniger wahrscheinlich ist, dass es, ausgehend von Euroland, zu einer Katastrophe an den Märkten kommen wird, dürften weltweit die Risikoprämien sinken. Beispielsweise werden sich die Renditedifferenzen zwischen den Anleihen staatlicher und privater Schuldner innerhalb Europas wieder annähern, Sachinvestitionen werden wegen des geringeren Risikos attraktiver, das Wirtschaftswachstum beschleunigt sich, der Euro wertet endlich wieder auf – alles das jedenfalls der Tendenz nach.

Für Euroland wird eine konjunkturelle Wende wahrscheinlicher. Bisher stehen alle Zeichen auf Rezession, und selbst Deutschland hat zu schwächeln begonnen. Die USA und Japan expandieren viel langsamer als erwartet, China wächst mit einer Rate von „nur“ 7 Prozent statt wie gewohnt mit 10 Prozent. Die Zuwachsrate der Weltwirtschaft liegt bei relativ mickrigen 2 Prozent und damit weit unter der Trendrate von 4 Prozent. Da kommt eine Stabilisierung der Lage in Europa gerade recht.

Da es keine echten Inflationsprobleme gibt, ist eine Monetisierung von Staatsschulden allemal billiger als eine Reihe von Staatsbankrotten. Es muss doch möglich sein, den Ländern, die unterstützt werden wollen, solche Reformen und fiskalischen Maßnahmen abzuverlangen, die für die Zukunft des Euro wichtig sind. Ich bin da guter Hoffnung – und hoffentlich nicht naiv.

Eine ausführliche Analyse der gesamtwirtschaftlichen Lage in Euroland und den USA, so wie ein kurzer Blick nach Asien, und die Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – September 2012*) (pdf, 194 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)

 

Weidmann winkt Draghis Anleiheplan durch…

… so werden die Zeitungen morgen sicher nicht titeln. Vielmehr werden sie schreiben, dass Weidmann den Konflikt mit Draghi anheizt durch seine Äußerungen im Spiegel diese Woche. Das ist die saftigere Variante der Geschichte. Aber ist es auch die richtige?  André Kühnlenz hat bereits darauf hingewiesen – sehen wir uns die Aussagen im Interview an:

Auf die Frage, ob Draghi das Mandat der Notenbank überschreitet sagt er

Ich möchte jedenfalls vermeiden, dass die Geldpolitik unter die Dominanz der Fiskalpolitik gerät.

Auf die Frage, wie er zu Zinsobergrenzen steht heißt es

Zinssätze für Staatsanleihen im EZB-Rat festzulegen wäre für mich jedenfalls eine heikle Vorstellung.

Auf den Einwand, damit stehe er alleine sagt er

Ich glaube nicht, dass sich der Einzige bin, der dabei Bauchschmerzen bekommt. 

Und auf die Frage, was er generell vom Ankauf von Staatsanleihen hält, sagt er

Eine solche Politik ist für mich zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenbank.

„Zu nah“, „Bauchschmerzen“, „heikel“, „möchte jedenfalls vermeiden“ – das sind keine Begriffe, die Widerstand bis aufs letzte Messer nahelegen, sondern ein sich Fügen in das Schicksal. Die Bundesbank wird ihren Unmut äußern, aber sie wird nichts tun. Sie wird nicht klagen, sie wird sich dem Programm nicht entziehen, Weidmann wird auch nicht zurücktreten. Der Aufstand findet nicht statt.

Das kann man je nach ideologischer Haltung gut oder schlecht finden, aber wenn ich Investor wäre, wäre das keine uninteressante Botschaft.