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Die SPD und die Notenpresse

Aus einem Gastbeitrag von Carsten Schneider in der Börsenzeitung:

Dem ESM stehen Garantien und Eigenkapital zur Verfügung, er hat damit, grob gesprochen, die Struktur einer Bank. Damit verfügte er über deutlich wirkungsvollere und besser nutzbare Instrumente. Reichte sein Volumen nicht aus, könnte er sich Geld bei der EZB leihen, so wie es Geschäftsbanken auch tun.  

Eine Banklizenz für den ESM – das wollten bisher nur die Franzosen. Interessant.

 

 

Merkel kämpft an der falschen Front

Die entscheidende Woche beginnt und es läuft alles auf einen Deal hinaus, der wohl so aussehen wird: Schärfere Regeln für die Haushaltspolitik gegen ein stärkeres Engagement der EZB und/oder die Aussicht auf Eurobonds eines fernen Tages.

Im Prinzip ist das nicht falsch. Um die Krise zu beenden, ist ein kurzfristig wirkendes Finanzierungsinstrument nötig, genau so aber auch ein besseres Regelwerk für die längere Frist. Und es ist völlig klar, dass die jeder kurzfristigen Finanzierung innewohnenden Anreizprobleme gelöst werden müssen. Insofern stimmt die Richtung.

Das ist aber auch schon alles. Weiter„Merkel kämpft an der falschen Front“

 

Die EZB sitzt in der Falle

Fast alle der Ökonomen, die ich eigentlich schätze, plädieren für sofortige und radikale Interventionen der EZB im Kampf gegen die Krise. Ich bin da etwas skeptischer, aus einer Reihe von Gründen (mit Inflation haben sie alle nichts zu tun): Da ist das Anreizthema, denn in der Tat besteht die Gefahr, dass sich Regierungen auf die Zentralbank verlassen und ihre Hausaufgaben nicht machen. Da ist das Verteilungsthema, denn wenn die EZB interveniert und es zu Ausfällen kommt, werden anders als im nationalstaatlichen Kontext Ressourcen zwischen Ländern umverteilt. Und das ist das juristische Thema, denn das Mandat der Zentralbank ist nun einmal wie es ist und Staatsfinanzierung kommt darin nicht vor. Weiter„Die EZB sitzt in der Falle“

 

Prognostiker des Jahres: Lüder Gerken?

Aus der Welt:

Angesichts der europäischen Schuldenkrise hat der Ökonom Lüder Gerken vor einer Inflationsrate von knapp unter zehn Prozent in der Euro-Zone gewarnt. Er rechne damit, dass die meisten Regierungen in der Euro-Zone und die Europäische Zentralbank (EZB) politisch eine Inflationsrate von knapp unter zehn Prozent in Kauf nähmen, „in der Hoffnung, dass die Deutschen dabei nicht allzu sehr aufmucken“, sagte der Vorsitzende des Freiburger Centrums für Europäische Politik der „Neuen Osnarbrücker Zeitung“. Inflationsgefahr drohe insbesondere, wenn die EZB den bereits begonnenen Aufkauf von Staatsanleihen hilfsbedürftiger Euro-Länder stark ausweite.

Lüder Gerken ist Ordnungsökonom. Das ist eine interessante und durchaus wichtige Disziplin, deren Aussagen sich aber in der Regel zumindest in der kurzen Frist nicht empirisch überprüfen lassen. Deshalb kann man von grundsätzlichen Erwägungen einmal abgesehen auch nicht viel dazu sagen. In der Makroökonomie ist das anders. Ihre Aussagen sind falsifizierbar.

Aus Freiburg kommt also nun wenn ich die Welt richtig verstehe die Prognose einer Inflationsrate von zehn Prozent. Ich halte dagegen – mit folgenden Argument: Die EZB wird ihr Inflationsziel nicht dramatisch anheben und realwirtschaftlich ist für die kommenden Jahre eher Deflation angelegt. Denn auch die Staatsanleihekäufe treiben die Teuerung nur, wenn die Banken das zusätzliche Geld im System weiter verleihen. Danach sieht es derzeit nicht aus. Das Wachstum der breiten Geldmengenaggregate  geht sogar zurück. Und wenn es wieder anziehen sollte, ist es technisch kein Problem, das Geld wieder einzusammeln.

Wir werden sehen. Ich erinnere aber daran, dass bislang alle, die im Zuge der großen Krise die große Inflation ausriefen schwer daneben lagen. Thomas Straubhaar etwa, der sich 2009 mit der Aussage zitieren ließ,  die Inflation werde im kommenden Jahr „rasch in den Bereich zwischen fünf und zehn Prozent steigen“. Vor Inflation ist schnell gewarnt, das heißt aber noch lange nicht, dass sie auch kommt.

Die Wette gilt.

 

Haushaltsausschuss, die Zweite

Okay, wie ich heute höre, ist es doch nicht so schlimm wie vermutet: Offensichtlich soll der EFSF auch ausbezahlen können, wenn es eine freiwillige Umschuldung gibt. Das wäre in der Tat eine sinnvolle Sache, denn viele Investoren fürchten ja, dass sie dann die Versicherung nicht aktivieren können. In diesem Fall wäre also der Schutz durch den EFSF besser als der durch CDS, die bei einer freiwilligen Umschuldung nicht aktiviert werden.

Missverständlich formuliert in der Meldung des Handelsblatt.

Wenn es so ist, dann, liebe Parlamentarier, nehme ich alles zurück: Ihr seid super.

 

Ist der Haushaltsausschuss völlig durchgeknallt?

Aus dem Handelsblatt über die Leitlinien für die Erweiterung des EFSF, die der Haushaltsausschuss des Bundestags verabschiedete:

Der Bundestagsausschuss gab Finanzminister Wolfgang Schäuble zwei Maßgaben mit auf den Weg. So soll das Absicherungsvolumen für private Investoren durch den EFSF in dem einen Hebelmodell im Korridor von 20 bis 30 Prozent liegen. Andere Euro-Länder wollen hier keine Eingrenzungen vornehmen, um flexibler zu sein. In einem zweiten Punkt machen die Parlamentarier deutlich, dass der Versicherungsfall, ab dem die Absicherung eintritt, „mindestens internationalen Standards“ entspricht, wie es in dem Beschluss hieß. Zudem müsse dieser Fall „Formen freiwilliger Restrukturierungen zusätzlich in die Lösung einbeziehen“. Werden diese beiden Maßgaben in Brüssel nicht umgesetzt, kann Schäuble erst einmal nicht zustimmen.

Großartig! Das bedeutet also, wer sich seine Investitionen in Peripheriebonds über den EFSF absichern lässt, der muss damit rechnen, dass er im Ernstfall nicht seine Versicherungssumme erhält, sondern freiwillig auf seine Forderungen verzichtet. Wir wissen ja seit dem Gipfel vom Oktober, was freiwillig heißt: Mit Merkozy in einem Raum zu sitzen und ein Angebot zu bekommen, dass man besser nicht ablehnt.

Wenn das wirklich so kommt, dann ist die Versicherung ihr Papier nicht wert und man kann sich die Mühe auch gleich sparen. Das wäre so, als würde man eine Feuerversicherung kaufen, die vielleicht bezahlt, wenn es brennt.

Es hat schon einen Grund, weshalb in fast allen Ländern die Exekutive, und nicht die Legislative mit solchen Dingen betraut ist.

 

Schwacher Euro, starke deutsche Wirtschaft

Der Euro war im vergangenen Jahrzehnt das beste Konjunkturprogramm, das sich denken lässt. Bisher hat Deutschland außerordentlich vom Euro profitiert: vom stabilen innereuropäischen Wechselkurs, der es ermöglichte, durch Lohnzurückhaltung die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, vom relativ schwachen Wechselkurs gegenüber Drittwährungen, den niedrigen Notenbankzinsen, dem Zufluss von Fluchtgeldern und, in dessen Gefolge, den rekordniedrigen langfristigen Zinsen – das Ganze bei Preisstabilität. Das neue Wechselkursregime hat uns ein wachstumsfreundliches Umfeld beschert. Auch aus diesem Grund ist es im nationalen Interesse, dass der Euro überlebt.

Unter dem Druck der Märkte sind die Politiker Eurolands in diesen Tagen gezwungen, die Währungsunion endlich durch eine gemeinsame finanzpolitische Struktur weiterzuentwickeln und damit gegen Schocks zu wappnen. Ich glaube immer noch, dass ihnen das gelingen wird, schon weil ein Auseinanderbrechen geradewegs in einen Bankencrash und eine Rezession, wenn nicht sogar Depression führen würde. Noch kann die deutsche Seite bestimmen, wo es langgehen soll. Das Zeitfenster wird aber nicht mehr lange offen bleiben.

Gegenüber diesem alles beherrschenden Thema ist ziemlich aus dem Blickfeld geraten, wie gesund die deutsche Wirtschaft zurzeit ist. Das zeigen insbesondere die detaillierten Zahlen für das Sozialprodukt im dritten Quartal, die am 24. November veröffentlicht wurden. Weiter„Schwacher Euro, starke deutsche Wirtschaft“

 

Lehrstunde mit zu Guttenberg

Aus dem Spiegel:

Zudem beklagt sich der ehemalige Verteidigungsminister über die politische Ahnungslosigkeit anderer Politiker. Er sei fasziniert von der „erschütternden Unkenntnis bis in die politischen Spitzen hinein, was Mechanismen, Regeln und Abläufe internationaler Kapitalströme anbelangt“, so Guttenberg.

Ok, ich gehöre nun wirklich nicht zu seinen Freunden und habe keine Ahnung, ob er es besser gemacht hätte bzw. wo er etwas über die Märkte gelernt haben will (hat er statt in Jura zu promovieren heimlich VWL gebüffelt?): Aber wo er recht hat, hat er recht.

 

Europa spricht deutsch und die Märkte flippen aus

Interessant die Rendite auf italienische Staatsanleihen gestern während der Pressekonferenz von Angela Merkel und Straßburg, als die Vertragsreform verkündet wurde und es sich damit abzeichnet, dass es künftig ein strenges Haushaltsregime geben wird in Europa.

Grafik: reutersitaly

Und die Auktion heute war alles andere als erfreulich – fast acht Prozent für zweijährige, das ist Irrsinn. Daraus folgt: Auch wenn wir Schuldensünder künftig auf die Guillotine schicken: Das wird den Markt nicht beruhigen. Die Härtung der Regeln ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Stabilisierung der Währungsunion.

Das ist keine Frage der Ideologie oder der Überzeugungen, sondern der Fakten. Mir wäre es auch lieber, wenn ein paar neue Regeln beruhigend wirkten, aber das ist nicht so.

Es wird irgendeine Form der kurzfristig wirkenden Stützung geben müssen – von wem auch immer und trotz aller Risiken. Oder es kommt das Armageddon.

Anders gesagt: Entweder Zinssozialismus, oder wir können schon einmal die Kartoffeln einlagern und aufs Land ziehen.

 

Die Idee einer Finanzunion nähert sich dem Mainstream

Heute hat Manfred Schepers von der EBRD, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Financial Times einen Plan zur Beendigung der Euro-Krise vorgestellt („A three-pillar plan to underpin a new fiscal union“), der sich ziemlich genau mit meinen Vorschlägen vom Dienstag deckt. Er würde den EFSF allerdings durch zwei neue Institutionen ersetzen: zum einen durch einen Europäischen Währungsfonds, der die Rolle meines Budgetkommissars übernehmen würde und in die Haushaltspolitik der Länder eingreifen kann, wenn Vorgaben verletzt werden, zum anderen durch eine Schuldenagentur, die alle 17 staatlichen Emissionsinstitute ersetzen würde. Das heißt wohl auch, dass der größte Teil der heute existierenden Staatsanleihen von dieser „Treasury“ übernommen würde (nämlich der Teil, der mittelfristig unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit tragbar ist), und dass jedes der Mitgliedsländer gesamtschuldnerisch für die alten und neuen Schulden zu haften hätte.
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