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Obama mahnt schwarze Väter

Aus der lockeren Reihe: Warum Obama gut für Amerika (und die Welt) ist:

„In an address that was striking for its bluntness and where he chose to give it, Mr. Obama directly addressed one of the most delicate topics confronting black leaders: how much responsibility absent fathers bear for some of the intractable problems afflicting black Americans. Mr. Obama noted that “more than half of all black children live in single-parent households,” a number that he said had doubled since his own childhood.

“Too many fathers are M.I.A., too many fathers are AWOL, missing from too many lives and too many homes,” Mr. Obama said to a chorus of approving murmurs from the audience. “They have abandoned their responsibilities, acting like boys instead of men. And the foundations of our families are weaker because of it.”

His themes have also been sounded by the comedian Bill Cosby, who has stirred debate among black Americans by bluntly speaking about an epidemic of fatherlessness in African-American families while suggesting that some blacks use racism as a crutch to explain the lack of economic progress.“

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Man hätte  solche Kritik vor Jahr und Tag konservativ genannt. Ein Thema der ursprünglichen Neocons – besonders von Nathan Glazer – war genau dieses Herunterkommen einer Minderheit in ihrer selbstverschuldeten Viktimisierung.

Nun kommt die Kritik am Zerfall der schwarzen Familie von einem Präsidentschaftsbewerber der Demokraten als Selbstkritik – es gibt eben doch einen moralischen Fortschritt.

 

Ein Prozess gegen „Islamophobie“

In Kanada steht eine Entscheidung an, die weitreichende Folgen für die Meinungs- und Pressefreiheit haben könnte. Das Magazin Macleans ist angeklagt, eine Reihe von Artikeln veröffentlicht zu haben, die  offensichtlich islamophobisch seien. So sieht es jedenfalls der Canadian Islamic Congress, der bei der Canadian Human Rights Comission Beschwerde eingelegt hat.

Ein Stein des Anstosses ist eine Titelgeschichte von Mark Steyn, The Future belongs to Islam. In diesem Essay erklärt Steyn, es drohe eine muslimische Dominanz in Europa, die sich über die demographische Entwicklung gewissermassen automatisch ergeben werde.

Auszug:

On the Continent and elsewhere in the West, native populations are aging and fading and being supplanted remorselessly by a young Muslim demographic. Time for the obligatory „of courses“: of course, not all Muslims are terrorists — though enough are hot for jihad to provide an impressive support network of mosques from Vienna to Stockholm to Toronto to Seattle. Of course, not all Muslims support terrorists — though enough of them share their basic objectives(the wish to live under Islamic law in Europe and North America)to function wittingly or otherwise as the „good cop“ end of an Islamic good cop/bad cop routine. But, at the very minimum, this fast-moving demographic transformation provides a huge comfort zone for the jihad to move around in. And in a more profound way it rationalizes what would otherwise be the nuttiness of the terrorists‘ demands.

In a few years, as millions of Muslim teenagers are entering their voting booths, some European countries will not be living formally under sharia, but — as much as parts of Nigeria, they will have reached an accommodation with their radicalized Islamic compatriots, who like many intolerant types are expert at exploiting the „tolerance“ of pluralist societies.

Ich halte diese Weise, von der Demographie auf die Ideologie zu schliessen, für falsch und fahrlässig. Sie hat einen nicht zu verleugnenden rassistischen Unterton, weil sie Meinungen und Überzeugungen an die Herkunft koppelt und aus der Demographie auf die Verbreitung der Scharia schliesst. Sie trifft sich übrigens auf eine fatale Weise mit der Sicht der radikalen Muftis und Ayatollahs, die auch glauben, wer als Muslim geboren wird, müsse automatisch ein trefflicher Dschihadi sein.

Trotzdem bin ich dagegen, diesen Diskurs unter der Rubrik „Islamophobie“ zu kriminalisieren. Er gehört widerlegt durch rationale Argumente, durch eine seriöse Statistik – und hoffentlich durch die faktische Entwicklung der Migranten aus islamischen Ländern und ihrer Kinder und Kindeskinder. Der Versuch des Canadian Islamic Congress, eine Zeitschrift wegen Verletzung der Menschenrechte anzuprangern und damit einem breiten Begriff von Islamophobie den Status einer Menschenrechtsverletzung zu verschaffen, ist fatal. Er leistet den Verschwörungstheorien und der Islamhysterie Vorschub, statt ihr den Boden zu entziehen.

Ein Grundsatzartikel in der New York Times beleuchtet das Problem mit der Meinungsfreiheit und erklärt die amerikanische Ausnahme des First Amendment:

Harvey Silverglate, a civil liberties lawyer in Boston, disagreed.

„When times are tough,“ he said, „there seems to be a tendency to say there is too much freedom.“

„Free speech matters because it works,“ Silverglate continued. Scrutiny and debate are more effective ways of combating hate speech than censorship, he said, and all the more so in the post-Sept. 11 era.

„The world didn’t suffer because too many people read ‚Mein Kampf,“‚ Silverglate said. „Sending Hitler on a speaking tour of the United States would have been quite a good idea.“

Silverglate seemed to be echoing the words of Justice Oliver Wendell Holmes, whose 1919 dissent in Abrams v. United States eventually formed the basis for modern First Amendment law.

„The best test of truth is the power of the thought to get itself accepted in the competition of the market,“ Holmes wrote. „I think that we should be eternally vigilant,“ he added, „against attempts to check the expression of opinions that we loathe and believe to be fraught with death.“

The First Amendment is not, of course, absolute. The Supreme Court has said that the government may ban fighting words or threats. Punishments may be enhanced for violent crimes prompted by race hate. And private institutions, including universities and employers, are not subject to the First Amendment, which restricts only government activities.

But merely saying hateful things about minority groups, even with the intent to cause their members distress and to generate contempt and loathing, is protected by the First Amendment.

Ich kann verstehen, wenn sich Muslime durch die Äusserungen von Mark Stezn verletzt fühlen. Aber es ist ein gefährlicher Weg, Gefühle unter Schutz zu stellen. Wir alle müssen in einer multikulturellen und multireligiösen Welt lernen, andere Sichtweisen auszuhalten. Konfliktfähigkeit muss trainiert werden, statt immer mehr Zäune zu errichten, die Sensibilitäten vor Verletzung schützen sollen.

p.s. Ich schreibe dies in der chinesischen Metropole Chongqing, von wo ich bald hier auch berichten werde.

 

„Nichts regt mich so auf wie linke Heuchelei…“

… schreibt der ägyptische Blogger D.B.Shobrawy auf Mideastyouth in einem fulminanten Wut-Essay über die Herablassung wohlmeinender Westler:

If there is anything I hate more than right-wing Conservative nut jobs with tunnel vision, it’s fruit cake Liberals and their “compassionate” racism. That’s what I would call it anyway.… 

They genuinely believe that every country without a Starbucks suffers from some various array of strange cultural backwardness and always at astronomically high percentages. Sometimes I wonder if the 3rd world was put there simply to garner their sympathies, something to talk about over espresso with friends or a cause to put on fliers and post in University hallways.

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Omar Al Rawi antwortet

Der Kollege Florian Klenk vom Wiener „Falter“ hakt im Fall Al-Rawi/Schirrmacher nach. (Das ganze Interview hier nachlesen.)

Falter: Herr Al Rawi, es gibt die Angst, dass Sie Kritik am Islam abdrehen wollen.

Omar Al Rawi: Ich will Islamkritik nicht unterbinden. Aber ein ausschließliches Verächtlichmachen ist keine Kritik. Ich bin selbst nicht glücklich, wie der Fall Schirrmacher verlaufen ist. Vielleicht bin ich ja übervorsichtig und vielleicht reagiere ich dann über. Ich gebe ihnen auch Recht, dass der konkrete Vortrag von Frau Schirrmacher kein Problem war.

Falter: Haben Sie einen Fehler gemacht?

Omar Al Rawi: Ja, ich hätte gar nicht reagieren sollen. Dann wären ein paar Dutzend Leute gekommen und die Sache wäre erledigt gewesen.

Falter: Was ist mit der inhaltlichen Kritik, die Leute wir Schirrmacher vortragen? Wie geht die SPÖ damit um?

Omar Al Rawi: Wir unterstützen viele wichtige Initiativen und Vereine in Wien, wir sind doch nicht naiv. Wir thematisieren Genitalverstümmelung und Zwangsehen. Aber wir sehen die Probleme nicht im Islam, sondern in sozialen Ursachen. Toleranz bedeutet für uns auch nicht Beliebigkeit. Die Emanzipation der Frau hängt an Bildung und Beruf. Das ist uns wichtig.

Falter: Genau dasselbe schreibt übrigens Frau Schirrmacher am Ende ihres Buches. Auch sie fordert Emanzipation.

Omar Al Rawi: Ja, aber sie hat sich auch für das Kopftuchverbot ausgesprochen.

Falter: Die Grünen wollen Schirrmacher gemeinsam mit der „Presse“ nach Wien laden. Werden sie kommen?

Omar Al Rawi: Das werde ich sehen. Einem Dialog verweigere ich mich nicht.

 

Alice im Wunderland

Ein Kommentar aus der ZEIT Nr. 24 von morgen, Donnerstag, 5. Juni:

Wenn eine Freiheitskämpferin wie Alice Schwarzer plötzlich Verständnis für eine Militärjunta aufbringt, wird man stutzig. Die Generäle in Birma, schreibt Schwarzer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, misstrauten »zu Recht der Großmut und dem Pflichtgefühl der internationalen Gemeinschaft«.
Denn in dem Druck auf das Regime, Helfer ins Land zu lassen, damit nicht weitere Hunderttausende an den Folgen des Zyklons sterben, sieht Schwarzer finstere Motive am Werk. Unter dem Vorwand der Hilfe gehe es um einen neuen Kolonialismus: »Versteht sich, dass das kleine Myanmar schon längst vom mächtigen Westen im Namen der Menschenrechte und Demokratie ›befreit‹ worden wäre, würde das mächtige China nicht die Faust darüber halten.« Sicher, auch China verfolge eigene Interessen, gesteht Schwarzer zu. Aber im Vergleich zum westlichen Neoimperialismus, der »einst ehrenwerte Begriffe wie Menschenrechte oder Demokratie« vorschiebt, sei Chinas brüderliche Hilfe das kleinere Übel.
Das Technische Hilfswerk und die GTZ mit ihren Wasseraufbereitungsanlagen als Vorboten eines neuen Kolonialismus? So stellt es gern die Regierungspropaganda der Generäle dar. Deutschlands bekannteste Frauen- und Menschenrechtlerin sekundiert. Wie bitte?
Sie sei viel gereist in dem Land und habe »nie Hunger oder wirkliches Elend gesehen«. Erst in den letzten Jahren, mit der Öffnung für westliche Reisende, »tauchten erste bettelnde Kinder auf: angefixt von Kugelschreiber und Kyats verteilenden Touristen«. Nicht die korrupten Generäle mit ihrem absurden Unterdrückerregime, nein, der Westen ruiniere das »versunkenschöne Land«.
Alice Schwarzers Zwischenruf erinnert an Peter Handkes Reiseberichte aus Jugoslawien – schillernd zwischen Eingeborenenkitsch (»goldhäutig und heiter«) und westlichem Selbsthass, voller Hohn auf Menschenrechte und Demokratie als Alibi der Machtpolitik.
Aus dem Text spricht eine tiefe Verzagtheit, eine Verunsicherung im Herzen des Westens. Was taugen unsere Werte, wenn unsere Politik sie oft genug selbst unterminiert? Sind sie überhaupt für alle Welt geeignet? Und wie können wir für sie eintreten, ohne sie zu beschädigen? Nach einem Jahrzehnt des Interventionismus von Bosnien über Afghanistan bis Irak wachsen die Zweifel. Und sie sind weiß Gott berechtigt.
Doch das hehre Prinzip der Nichteinmischung, zu dem sich Alice Schwarzer bekennt, ist den modernen Autokraten und Tyrannen nicht ohne Grund heilig. In Russland dient es dazu, unbehelligt von der Weltöffentlichkeit Morde an Journalisten zu vertuschen. China benutzt es zur Rechtfertigung der Abriegelung Tibets. Und in Iran findet eine beispiellose Repression der Opposition in seinem Schatten statt. Viele der Opfer des Teheraner Re­gimes sind übrigens Feministinnen. In Iran sind die Gefängnisse voll mit Frauen, denen man vorwirft, unter dem Vorwand der Menschenrechte einen samtenen Umsturz zu planen. Dass sie mit westlichen Frau­en­or­ga­ni­sa­tio­nen zusammenarbeiten, reicht schon für die Verhaftung. Ist Alice Schwarzer, die nicht müde wird, die Geschlechter-Apartheid in der islamischen Welt anzuprangern und den Westen zu mehr Druck aufzufordern, auch hier »strikt gegen jegliche westliche Intervention«? Den Feminismus lehnen die Islamisten übrigens mit den gleichen Argumenten ab, die Schwarzer im Fall Birmas geltend macht: Eine (unmoralische) westliche Lebensweise solle den Muslimen unter dem Deckmantel der Menschenrechte aufgedrückt werden.
Es ist aber gar nicht (mehr) der Westen, der die zivile Unruhe in die Autokratien trägt, wie etwa der Mönchsprotest in Birma letzten Herbst gezeigt hat. Das Regime möchte es zwar so erscheinen lassen. In Wahrheit stehen die Machthaber vor dem Problem, dass kein Mensch gern Stiefel im Gesicht hat.
Die Politik des Demokratieexports durch verdeckte Operationen und gewaltsam herbeigeführte Regimewechsel ist gescheitert. Was nun? Raushalten? Zurückziehen und schuldstolze Selbstanklage? Ist das nicht in Wahrheit nur die depressive Kehrseite des kolonialen Auftrumpfens von einst? Genauso narzisstisch-selbstbezogen wie in den Zeiten imperialer Träume. Wieder sind die anderen nur Objekte. Wenn der Westen schon nicht mehr bestimmen kann, wo es lang geht, dann will man wenigstens schuld an allem sein.
Selbsthass kann genauso blind machen wie Sendungsbewusstsein. Die wahre Frage lautet: Wie kann der Westen nach dem Ende seiner Dominanz noch für seine Werte eintreten, ohne in Überheblichkeit oder Appeasement zu verfallen – prinzipienfest, aber nicht auftrumpfend, lernbereit, doch ohne Kotau?

 

Die Missionarsstellung

Nachdenklicher Kommentar von James Traub in der New York Times zu der Frage, ob die Amerikaner noch an die Mission der Demokratisierung glauben, die von den Bushies so schwer beschädigt worden ist:

McCain seems to understand that the United States needs to re-earn the right to talk about its principles. The league itself, he said, would be an exercise in multilateralism, founded on “mutual respect and trust.” What’s more, he added, “America must be a model citizen if we want others to look to us as a model. . . . We can’t torture or treat inhumanely suspected terrorists we have captured.” McCain called for the detention facility of Guantánamo Bay to be closed.

But it isn’t only our audience in the Middle East and elsewhere that has stopped paying attention after more than seven years of pious talk from the Bush administration. The American people themselves have lost faith in the language of adventurous idealism. We recognize that our heroic designs have come to grief in Iraq. We see how very little we have accomplished in the Middle East, for all our swelling rhetoric. And we have learned, to our pain, that most of the world does not look to us for guidance, does not accord us much moral authority, does not even believe that our wish to propagate democracy is sincere. The national mood is retrenchment — perhaps not cynicism or isolationism, but at least a wary and pragmatic realism. A big hangover, at home as well as abroad, awaits whoever inherits the presidency.

 

Links-Aussen

Die LINKE debattiert vor ihrem ersten Parteitag über Israel, Afghanistan und Menschenrechte. Erkundungen zur Aussenpolitik der Linkspartei
(aus der ZEIT vom 21. Mai 2008)

Von Cottbus aus werden am kommenden Wochenende Botschaften in weit entlegene Weltgegenden ergehen. Antrag G 26 zum ersten Parteitag der Linken preist den Erdöl-Autokraten Hugo Chávez – der Angela Merkel gerade mit Hitler verglich – als Pionier eines »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«. Antrag P 29, eingebracht von der »Cuba Sí AG« in der Linken, feiert die Castro-Diktatur für ihre »fünfzigjährige Erfahrung im Kampf um eine sozialistische Ge­sell­schafts­per­spek­ti­ve«. Mehrere Anträge verlangen die Auflösung der Nato, die Verhinderung des EU-Reformvertrages von Lissabon und den »sofortigen und unbedingten Abzug aus Afghanistan«. So weit, so bekannt: Sympathiebekundungen für Diktatoren (sofern sie sich links geben), die Forderungen, Deutschland aus dem westlichen Bündnis und der EU zu lösen und die Afghanen ihrem Schicksal zu überlassen – so präsentiert sich die Außenpolitik der Linken.
Gut möglich, dass sich noch einmal das linksradikale Antiwestlertum mit allerlei schrillen Redebeiträgen austoben wird. Parteitage sind schließlich in erster Linie Veranstaltungen zur geistigen Heimatpflege. In der Außenpolitik hatte die Linke mangels Machtperspektiven im Bund die Lizenz zum freien Schwadronieren. Auch für die SPD war das recht bequem, es machte die Distanzierung leicht: Mit einer Partei, die so zu Afghanistan, EU und Nato steht, kann man im Bund einfach nicht zusammenarbeiten, wurden Kurt Beck und Frank-Walter Steinmeier denn auch nicht müde zu betonen.
Es könnte allerdings sein, dass die Abgrenzung der SPD eine paradoxe Wirkung entfaltet. Seit die Sozialdemokraten die Außenpolitik zur Demarkationslinie erklärt haben, beginnen bei den Linken Tabus zu fallen, und vormals Unaussprechliches tönt von den Podien.
Nun, da sich mit den Erfolgen im Westen eine Macht­per­spek­ti­ve auch im Bund auftut, dämmert den klügeren unter den Außenpolitikern der Linken, dass die schlichten Parolen nicht mehr tragen. Eine Partei, die in die Regierungsverantwortung hineinwill, kann nicht immer nur »Raus!« (aus Nato, EU und Afghanistan) schreien.
Gregor Gysi hat den bisher gewagtesten Schritt getan. Vor einigen Wochen hielt er eine bemerkenswerte Rede über »Die Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel«. Darin findet sich der Satz: »Gerade in parlamentarischen Aktivitäten sollten wir nur Forderungen formulieren, von denen wir überzeugt sind, dass wir sie, wenn wir in einer Bundesregierung wären, auch tatsächlich umsetzten.« Pragmatisch kühl räumt Gysi mit der linken Israelfeindschaft auf. Er nimmt die verlogene Haltung der DDR zum Nahostkonflikt auseinander, die sich als »antifaschistischer« Staat aus der deutschen Verantwortung für Israel gestohlen hatte. In einem Konflikt Israels mit seinen Feinden könne Deutschland – und auch die Linke – nicht »neutral« sein, so Gysi. Der Antizionismus müsse aufgegeben, das Existenzrecht Israels anerkannt werden. Mehr noch: Gysi rät der Linken, zu akzeptieren, »dass die Solidarität mit Israel ein moralisch gut begründbares Element deutscher Staatsräson« sei. Staatsräson? Er hat es wirklich benutzt, dieses Wort, das so verdächtig nach finsteren Kapitalinteressen riecht. Und darum tobt nun auch eine heftige Debatte um Gysis Rede.
Wer die maßgeblichen außenpolitischen Köpfe der Linken aufsucht, trifft auf skeptische Verwunderung. Man ist nicht gewohnt, auf diesem Feld ernsthaft befragt zu werden. Wolfgang Gehrcke, als DKP-Veteran eine schillernde Figur der Westlinken und heute Obmann der Partei im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, vermeidet zwar das Wort Staatsräson im Bezug auf Israel. Er betont, Deutschland sei durch die NS-Verbrechen nicht nur den Juden, sondern auch den Palästinensern verantwortlich. Aber auch er lässt in seiner Entgegnung auf Gysi keinen Zweifel aufkommen, »dass der Zionismus (…) eine angemessene Antwort auf das fundamentale Bedürfnis des über Jahrhunderte verfolgten jüdischen Volkes nach Sicherheit war«. Gehrcke kennt die zerrissene westdeutsche Linke zu gut, als dass er eine schnelle Regierungsbeteiligung für realistisch hielte. Die Partei müsse sich erst zusammenrütteln. Dennoch hat er mit seiner Rede schon einmal einen Pflock an sensibler Stelle eingeschlagen.
Die Abgeordnete Monika Knoche, Leiterin des Arbeitskreises Internationale Politik, ist auf Einladung der Bundeskanzlerin mit nach Israel gereist. Von Merkels Knesset-Rede war sie enttäuscht, weil die Kanzlerin die israelische Besatzung und den Mauerbau nicht einmal erwähnte, wozu Merkel »doch gerade als Ostdeutsche« einen Zugang haben sollte. Wenn Monika Knoche jedoch beschreibt, wie Merkel auf ihren Reisen Deutschland vertritt und wie sie auch oppositionelle Abgeordnete einbezieht, schwingt durchaus Respekt mit. Knoche hat 2001 wegen des Afghanistankrieges die Grünen verlassen. Fragt man sie als Feministin, was ein sofortiger Rückzug für die Frauen in Afghanistan bedeuten würde, kommt sie ins Stocken. Man wolle das Land ja nicht sich selbst überlassen, »Afghanistan ist uns nicht egal«. Man müsse die Rechtskultur wiederbeleben, die Gleichstellung der Frauen in der Stammesversammlung Loya Jirga durchsetzen. Wie das alles ohne Präsenz ausländischer Truppen gehen soll, kann Knoche nicht erklären. Die Truppen müssten ja nicht alle auf einmal gehen, deutet sie an. Den Wählern der Linken teilt man diese Differenzierungen lieber noch nicht mit. Wenn die Linke aber nur einen graduellen Rückzug für möglich hält, weil alles andere Afghanistan ins Chaos stürzen würde: Müsste sie dann nicht für die Präsenz von Truppen stimmen, die zivile Helfer so lange schützen, bis die Afghanen das selbst können? Sie weicht aus. Wichtig sei erst einmal der Einstieg in den Ausstieg: die Rücknahme der rot-grünen »Militarisierung der deutschen Außenpolitik«, ein erster Schritt zu einem rein zivilen Engagement. Die SPD, stellt sie klar, müsse von der Linken lernen, nicht umgekehrt. Einen Kurswechsel der SPD zu erzwingen scheint einstweilen wichtiger zu sein als die Detailfragen eines konkreten Rückzugs.
Was »raus aus Afghanistan« eigentlich bedeutet, ist jedenfalls sehr viel weniger klar, als es auf den Plakaten der Linken erscheint. Auch im Gespräch mit Lafontaines Co-Parteichef Lothar Bisky wird das deutlich. Was der militärische Einsatz denn gebracht habe, fragt er zu Recht. Wenn man jedoch Genaueres über den Abzug der deutschen Truppen wissen will, flüchtet er sich in Floskeln über die Unmöglichkeit einer rein »militärischen Lösung« – an die allerdings selbst die Nato nicht glaubt. Es klingt ein wenig schuldbewusst, wenn Lothar Bisky aufzählt, was die Linke alles für die »afghanische Zivilgesellschaft« tut. Er setze sich persönlich dafür ein, dass Künstlerinnen aus Kabul ihre Bilder in Berlin zeigen könnten, fügt er hinzu. Der erfahrene Bisky weiß, dass die Außenpolitik der Linken in Gefahr ist, vom hohen moralischen Podest (»einzige Antikriegspartei«) in den Zynismus des reinen Ohnemicheltums abzustürzen. Afghanistan den Taliban kampflos zu überlassen mag populär sein. Als emanzipatorische Politik könnte man es kaum verkaufen.
Was heißt eigentlich Internationalismus heute – in Zeiten der Globalisierung? Bisky gerät ins Grübeln: Die alte Internationale sei tot, und zwar zu Recht. »Eine neue ist noch nicht definiert.«
Auf dem Parteitag wird es einzelne Versuche in dieser Richtung geben: Ein Antrag aus Freiburg beschäftigt sich mit der Tibetfrage, zu der die
Parteiführung aus alter Solidarität mit der KP lange peinlich geschwiegen hat. Bei den Menschenrechtsverletzungen in China, heißt es in Antrag G 02, dürfe die Linke ebenso wenig zuschauen wie bei jenen der Besatzermächte in Afghanistan und im Irak.

 

Warum die Terroristen nicht gewinnen können (und Iran auch nicht)

Hier ein Auszug aus dem wichtigsten Buch des Jahres – Fareed Zakarias „The Post-American World“. Zakaria stellt den Westen in den Kontext der aufsteigenden (ehemals) Dritten Welt – „The Rise of the Rest“. Und er wägt Risiken und Chancen dieses enormen Wandels ab. Es ist extrem erfrischen, wie er Probleme relativiert, die uns die größten scheinen, wie etwa den islamistischen Terrorismus und das iranische Atomprogramm. Jawohl, ich meine das poltitiv: Zakaria relativiert, indem er diese Krisen in ein Verhältnis zu anderen historischen und aktuellen Problemen setzt. Das Buch erscheint demnächst auf Englisch, Anfang des kommenden Jahres auch auf Deutsch. Ich lese gerade die Fahnen und werde demnächst mehr berichten.
Zakaria ist der Chefredakteur der internationalen Ausgabe von Newsweek und einer der klügsten Kommentatoren der internationalen Politik. Hier ein Exzerpt aus der aktuellen Ausgabe von Newsweek  (und hier ist einer erste Rezension in der New York Times):

„The threats we face are real. Islamic jihadists are a nasty bunch—they do want to attack civilians everywhere. But it is increasingly clear that militants and suicide bombers make up a tiny portion of the world’s 1.3 billion Muslims. They can do real damage, especially if they get their hands on nuclear weapons. But the combined efforts of the world’s governments have effectively put them on the run and continue to track them and their money. Jihad persists, but the jihadists have had to scatter, work in small local cells, and use simple and undetectable weapons. They have not been able to hit big, symbolic targets, especially ones involving Americans. So they blow up bombs in cafés, marketplaces, and subway stations. The problem is that in doing so, they kill locals and alienate ordinary Muslims. Look at the polls. Support for violence of any kind has dropped dramatically over the last five years in all Muslim countries.
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Fareed Zakaria Foto: (CC) Larry D. Moore

Militant groups have reconstituted in certain areas where they exploit a particular local issue or have support from a local ethnic group or sect, most worryingly in Pakistan and Afghanistan where Islamic radicalism has become associated with Pashtun identity politics. But as a result, these groups are becoming more local and less global. Al Qaeda in Iraq, for example, has turned into a group that is more anti-Shiite than anti-American. The bottom line is this: since 9/11, Al Qaeda Central, the gang run by Osama bin Laden, has not been able to launch a single major terror attack in the West or any Arab country—its original targets. They used to do terrorism, now they make videotapes. Of course one day they will get lucky again, but that they have been stymied for almost seven years points out that in this battle between governments and terror groups, the former need not despair.

Some point to the dangers posed by countries like Iran. These rogue states present real problems, but look at them in context. The American economy is 68 times the size of Iran’s. Its military budget is 110 times that of the mullahs. Were Iran to attain a nuclear capacity, it would complicate the geopolitics of the Middle East. But none of the problems we face compare with the dangers posed by a rising Germany in the first half of the 20th century or an expansionist Soviet Union in the second half. Those were great global powers bent on world domination. If this is 1938, as some neoconservatives tell us, then Iran is Romania, not Germany.“

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Die Zahl der Einwanderer geht weiter zurück

Ein paar Fakten aus dem Migrationsbericht 2006 (das ist der aktuellste, Ende letzten Jahres erstellt), der am Freitag im Bundestag Thema sein wird:

– Der Wanderungssaldo Deutschlands war im Jahr 2006 auf seinem bisher niedrigsten Stand seit 1984 (plus 23 Tsd. Personen).
– Hinsichtlich der Wanderung von Deutschen ergibt sich für das Jahr 2006 ein Wanderungssaldo von minus 59 Tsd. Personen. Hauptzielland für deutsche Auswanderer, aber auch Hauptherkunftsland für Rückkehrer sind die USA.
– Auffällig ist eine weiter gesunkene Zahl von Spätaussiedlern, womit der Trend aus den vergangenen Jahren fortgesetzt wurde.
– Migration hat einen positiven Einfluss auf die Altersstruktur der Bevölkerung.

Durch die gegenüber der Vergangenheit verbesserte Datenlage (neue Speichersachverhalte auf Grund der Änderung durch das Zuwanderungsgesetz) kann eine differenziertere Darstellung der einzelnen Zuwanderergruppen nach Aufenthaltszwecken erfolgen:

– Die Zahl ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen hat sich seit 1993/94 kontinuierlich erhöht. Etwa 2000 ausländische Absolventen machten 2006 von der neuen Möglichkeit, nach dem Studium eine Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einem adäquaten Arbeitsplatz zu erhalten, Gebrauch.
– Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 erhielten bis Ende 2006 1.123 hochqualifizierte Ausländer eine Niederlassungserlaubnis nach § 19 AufenthG. Gegenüber 2005 war im Jahr 2006 eine leichte Steigerung bei der Ersteinreise von Hochqualifizierten zu verzeichnen.
– Der seit 1993 anhaltende Rückgang bei Asylantragstellern hat sich weiter fortgesetzt (21 Tsd. Personen im Jahr 2006).
– Nachdem im Jahr 2005 nur zögerlich von der Härtefallregelung Gebrauch gemacht wurde, erhielten im Berichtsjahr 3.021 Personen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG (2005: 454 Personen).
– Der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der Gesamtbevölkerung Deutschlands liegt konstant bei 8,8%. Die größte Ausländergruppe bildet nach wie vor die türkischer Staatsangehöriger (25,6%). Fast gleich viele sind Unionsbürger (24,4%).
– Zwei Drittel der ausländischen Bevölkerung lebt seit zehn oder mehr Jahren, fast 70 % seit acht oder mehr Jahren in Deutschland (letztere erfüllen damit zumindest eine der Einbürgerungsvoraussetzungen).
– Seit Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsrechtes im Jahr 2000 wurden ca. 1 Mio. Personen eingebürgert.

Im Jahr 2006 wurden 50.300 Visa zum Ehegattennachzug erteilt. Ein Jahr zuvor waren es noch 52.300 gewesen. Im Vergleich zum Höchststand von 2002 (85.305 erteilte Visa) läßt sich 2006 ein Rückgang um 41 % feststellen. Im Jahr 2006 übersteigt der Zuzug von Ehegatten zu deutschen Partnern erstmals die Zahl des Zuzugs zu ausländischen Partnern. Dies ist teilweise auf die erfolgte Einbürgerung von Ausländern unter dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht zurückzuführen.
Zwischen 1998 und 2003 schwankte die Zahl der Visa für türkischen Familiennachzug zwischen 21.000 und 27.000. Bis 2006 ist sie auf 11.980 Visa zurückgegangen.

Das sind die Fakten. Nachzulesen im Migrationsbericht auf den Seiten 106-109.

 

Schuldet der Westen dem Islam nichts?

Dies behauptet der Historiker Sylvain Gouguenheim von der ENS Lyon in seinem neuen Buch. Er will darin die gängige These widerlegen, dass das Mittelalter erst durch islamische Gelehrte mit dem Erbe der Antike wieder vertraut worden sei. Gouguneheim bestreitet, dass das Erwachen Europas aus dem Mittelalter erst durch die arabischen Gelehrten möglich geworden sei, die das Wissen der Griechen tradiert hätten.
In Frankreich gibt es schon eine kleine Kontroverse um das Buch.

Hier ein Ausschnitt des Artikels von John Vinocur in der heutigen Herald Tribune:
For a controversy, here’s a real one. Gouguenheim, a professor of medieval history at a prestigious university, l’École Normale Supérieure de Lyon, is saying „Whoa!“ to the idea there was an Islamic bridge of civilization to the West. Supposedly, it „would be at the origin of the Middle Ages‘ cultural and scientific reawakening, and (eventually) the Renaissance.“

In a new book, he is basically canceling, or largely writing off, a debt to „the Arabo-Muslim world“ dating from the year 750 – a concept built up by other historians over the past 50 years – that has Europe owing Islam for an essential part of its identity.

„Aristote au Mont Saint-Michel“ (Editions du Seuil), while not contending there is an ongoing clash of civilizations, makes the case that Islam was impermeable to much of Greek thought, that the Arab world’s initial translations of it to Latin were not so much the work of „Islam“ but of Aramaeans and Christian Arabs, and that a wave of translations of Aristotle began at the Mont Saint-Michel monastery in France 50 years before Arab versions of the same texts appeared in Moorish Spain.

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