Lesezeichen
 

Zur Hinrichtung von Delara Darabi im Iran

Ein Kommentar von mir auf Zeit online (mehr hier):

„Ich kann die Schlinge schon sehen, Mama.“ Dies war Delara Darabis letzter Anruf bei ihrer Mutter. Am frühen Morgen des ersten Mai hat die 22-Jährige einen letzten verzweifelten Versuch unternommen, ihre Familie zu alarmieren. Doch die Henkersknechte im Gefängnis der iranischen Provinzstadt Rasht nahmen ihr das Telefon weg. Stunden später war sie tot durch den Strang.

Delara Darabi ist in Iran nach Schätzungen von amnesty international bereits die mindestens 140. Exekutierte in diesem Jahr. Mehr als eine Hinrichtung pro Tag in einem 70 Millionen-Volk! Nur in China werden in absoluten Zahlen noch mehr Menschen hingerichtet als in der Islamischen Republik. Iran jedoch kann sich eines traurigen Weltrekords rühmen: Das Land ist Weltführer bei der Hinrichtung von Angeklagten, die ihre Tat vor der Volljährigkeit begangen haben. Nirgendwo werden so viele Kinder und Jugendliche exekutiert – eine in weiten Teilen der Welt geächtete Praxis.

Delara Darabi soll 2003, im Alter von 17, gemeinsam mit ihrem damaligen Freund eine wohlhabende Kusine ihres Vaters überfallen und tödlich verletzt haben. Sie hat anfangs die Tat gestanden, wohl im Vertrauen darauf, so ihren Freund, der als eigentlicher Täter vermutet wird, retten zu können. Sie selbst würde nicht zum Tode verurteilt werden, konnte Delara hoffen, denn Iran hat internationale Konventionen unterzeichnet, die solche Exekutionen verbieten. Das war eine trügerische Hoffnung. …

Hier eine Dokumentation des Falls (nicht für schwache Nerven):

Ein wahrer Segen für die reaktionärsten Kräfte des Regimes ist dabei auch der internationale Streit um das iranische Atomprogramm: Die Welt hat heute andere, schlimmere Sorgen als die Menschenrechtslage in der Islamischen Republik. Es gab zwar eine internationale Kampagne von Menschenrechtlern für Delara. Aber die Regierungen des Westens haben für solche vermeintlichen Nebenschauplätze heute kaum noch einen Sinn, während sie Iran hindern wollen, die Bombe zu bauen.

Es wäre fatal, die Zusammenhänge nicht zu sehen: Die Atombombe würde die Machtbasis eben jener Kräfte stärken, die auch Delara Darabi hingerichtet haben. Sie haben kein Interesse an einem Ausgleich mit dem Westen. Im Gegenteil. Unser Entsetzen passt ihnen gut in den Kram. Denn Isolation ist überlebenswichtig für sie, und schauderndes Abwenden der Weltöffentlichkeit wäre ihnen gerade recht.

Es wird geschätzt, dass 130 weitere Fälle von minderjährig zu Tode Verurteilten in Irans Gefängnissen auf die Exekution warten.

 

Für Kurzentschlossene

Bosch Public Policy Lecture
America’s Disappearing Death Penalty: A Victory for Europe?

Charles Lane, Journalist and member of the Editorial Board, The Washington Post; moderated by Jörg Lau, Foreign affairs Correspondent, Die Zeit

NOTE: On Wednesday, May 20, at 7:00pm, Charles Lane will also speak at B.A.Z. Amerika Haus München, Karolinenplatz 3, about „The Future of America’s War on Terror under the Obama Administration.“ Please register with programm@amerikahaus.de, Tel: (089) 55 25 370.

Heute abend, 20h In der American Academy, Berlin

 

Die Freiheit, religiöse Gefühle zu verletzen…

…ist eine wichtige Grundfreiheit, ohne die es keine freie Gesellschaft geben kann. Jahrelang haben wir immer wieder die schrecklichen Fälle der Beschränkung der Meinungsfreiheit im Namen des „Respekts“ vor der Religion zur Kenntnis genommen, die sich in Ländern wie Iran, Saudi-Arabien, Ägypten abspielten.

Aber zunehmend werden auch in den freien Gesellschaften des Westens Anti-Blasphemie-Gesetze verabschiedet, und es gab kürzlich gar eine UN-Resolution, die Verunglimpfung religiöser Inhalte verbieten will. Dagegen wendet sich dieser engagierte Kommentar in der Washington Post. Auch das ist eine wichtige Osterbotschaft:

But now an equally troubling trend is developing in the West. Ever since 2006, when Muslims worldwide rioted over newspaper cartoons picturing the prophet Muhammad, Western countries, too, have been prosecuting more individuals for criticizing religion. The „Free World,“ it appears, may be losing faith in free speech.

Emblematic of the assault is the effort to pass an international ban on religious defamation supported by United Nations General Assembly President Miguel d’Escoto Brockmann. Brockmann is a suspended Roman Catholic priest who served as Nicaragua’s foreign minister in the 1980s under the Sandinista regime, the socialist government that had a penchant for crushing civil liberties before it was tossed out of power in 1990. Since then, Brockmann has literally embraced such free-speech-loving figures as Iranian President Mahmoud Ahmadinejad, whom he wrapped in a bear hug at the U.N. last year.

The U.N. resolution, which has been introduced for the past couple of years, is backed by countries such as Saudi Arabia, one of the most repressive nations when it comes to the free exercise of religion. Blasphemers there are frequently executed. Most recently, the government arrested author Hamoud Bin Saleh simply for writing about his conversion to Christianity.

While it hasn’t gone so far as to support the U.N. resolution, the West is prosecuting „religious hatred“ cases under anti-discrimination and hate-crime laws. British citizens can be arrested and prosecuted under the 2006 Racial and Religious Hatred Act, which makes it a crime to „abuse“ religion.

Mehr hier.

 

Von der Fatwa zum Dschihad

Es ist hinzuweisen auf das interessante Buch eines Kollegen, den ich hier bereits öfter erwähnt haben: Kenan Malik, britischer Intellektueller mit indischer Herkunft.

Malik hat ein Buch geschrieben über den Weg von der „Fatwa“ (Khomeini vs. Rushdie) zum „Dschihad“. Herausgekommen ist eine fundierte Kritik des Multikulturalismus von links, aus der Warte eines Aufklärers, der die universellen Werte der Aufklärung in der Politik der „communities“ untergehen sieht.

Malik glaubt, dass die Politik des Multikulturalismus eine falsche Antwort auf die Rassenkrawalle der 80er Jahre war. An die Stelle des Individuums als kleinster politischer Einheit wurde die Gruppe gestellt, die durch meist selbst ernannte Führer vertreten wurde. Antirassismuspolitik bestand dann darin, diesen Lautsprechern zu geben, was sie verlangten. Malik erkennt durchaus an, dass es in UK heute weniger Rassismus gebe als in seiner Jugendzeit. Aber der Preis ist die Aushändigung des Politischen an special interests.

Die Rushdie-Affäre war der Durchbruch in diesem Spiel. Fast alle Muslimgruppen im Vereinigten Königreich, die heute noch aktiv sind, sind aus dieser Affäre hervorgegangen.

In einem Rezensionsartikel der Times heisst es über Maliks Darstellung:

Khomeini’s Islamic truth was nonsense on stilts, nothing more than a Shia attempt to wrest power from the Sunnis and the Saudis. It worked. At a stroke, the fatwa provided a new, global identity for any already radicalised young Muslims. Suddenly, to his amazement, Malik saw hitherto secular, left-wing young Muslims turn into Islamic fundamentalists. Khomeini had legitimised their discontent by shifting their gaze from the universal enemy of racism to the specific image of one man and his book.

This happened in spite of the fact that, before the fatwa, most Muslim readers of The Satanic Verses had just shrugged. It was the intensity of the focus on one specific issue and the exploitation of the inanities of identity politics that made the fatwa so effective. Islamist patriarchs have learnt their lesson. The 2006 Danish cartoons portraying Muhammad were used in precisely the same way.

This supports one of the central arguments of Malik’s book: that Islamism is not, as some lazily say, a reversion to a pre-medieval world-view. Would that it were. There was never an Islam like that of Khomeini or Al-Qaeda; these are specifically modern movements. To this should be added the now well-established fact that the vast majority of Muslim terrorists come from the educated middle class, the sort of people who understand and can use modernity.

Such a view is a challenge to boneheads on both the right and the left. Some on the right have argued that Islamic terrorism is, somehow, intrinsic to Islam itself, that the Koran is a warmongering book. But all religion is interpretation and to hold such a view of Islam means rejecting at least 1,500 years of historical evidence to the contrary. On the left, terrorism is seen as a response to western evils, primarily colonialism. But we have been visiting evils on the Muslim world for centuries; we have only had Muslim terrorism for a few decades. The truth is that, as the publicity power of the fatwa and the cartoons made clear, modern terrorism is the creation of modernity. Al-Qaeda is one thing and one thing only: a brand.

Das entspricht meiner Position, die ich hier offenbar nicht immer erfolgreich zu erklären versuche:

– es ist sehr wichtig, dass der Westen sich nicht einschüchtern lässt, wo es um freie Meinung, freie Presse und Religionsfreiheit geht; darum war es richtig, die Karikaturen nachzudrucken, wie es etwa DIE  WELT und DIE ZEIT getan haben; und ich sage das, obwohl ich die Karikaturen nicht für gelungen halte und die dänische Debatte für vergiftet und teils xenophob

– zugleich ist es wichtig, keine kulturkämpferische Anti-Moslem-Politik zu verfolgen und darauf zu achten, dass die politische Sprache nicht von Vorurteilen und Ängsten vergiftet wird – denn sonst ist ein offener Diskurs nicht möglich; die Unterscheidung zwischen Islamismus und Islam ist wichtig und muss immer wieder getroffen werden, ohne dabei insgesamt „den Islam“ zu exkulpieren; auch im Islam per se gibt es wahrlich genug Problematisches; aber der Kampf gegen diejenigen Islamisten (und auch das sind nicht alle), die uns zum Feind erkoren haben und gegen unsere Gesellschaften und Werteordnungen kämpfen, kann nicht gelingen, wenn wir ihn mit dem Islam gleichsetzen

– im übrigen sollte das englisch Beispiel uns eine Warnung sein bei dem Versuch, über Lobbygruppen und Islamvereine das Problem der Integration zu regeln; mag sein, dass wir auf diesem Wege Probleme erst schaffen, statt sie zu lösen; und doch soll man auch mit dem organisierten Islam reden – wenn man ihn nicht fälschlicher Weise für das Ganze hält.

 

Hossein Derakhshan in Israel

Hossein Derakhshan sitzt immer noch im Iran ein, ohne offizielle Anklage. Wer diesen Bericht des israelischen Fernsehens über seinen Besuch im Land sieht, kann sich ungefähr denken, warum. So einen unberechenbaren Freigeist erträgt das regime nicht, selbst wenn er am Ende sehr freundlich schrieb.

 

Bahai im Iran vor Verurteilung

Aus der ZEIT von morgen.
Wer eine religiöse Minderheit demütigen will, schändet ihre Friedhöfe. Jeder solcher Akt ist barbarisch. Doch innerhalb der letzten Monate haben die Bahai im nordiranischen Qaimshahr gleich viermal zusehen müssen, wie die Gräber ihrer Vorfahren beschädigt wurden. Zuletzt, Ende Januar, kamen Bulldozer und vollendeten das Zerstörungswerk – von offiziellen Stellen geduldet, wenn nicht gar geschickt. Im Schatten der westlichen Sorge um sein Atomprogramm betreibt das Teheraner Regime eine zunehmend radikale Repression gegen die größte religiöse Minderheit im Lande – die etwa 350 000 Anhänger des Bahai-Glaubens. Das Kalkül: Die Welt hat andere Sorgen und wird sich darum nicht für die Rechte einer kleinen Religion verkämpfen.
Vielleicht wird dieses Spiel nicht aufgehen: Letzte Woche hat das Bundeskanzleramt den Geschäftsträger der iranischen Botschaft in Berlin einbestellt und ihm die Sorge der Kanzlerin über einen in Teheran drohenden Prozess gegen Bahai verdeutlicht. Und auch das Auswärtige Amt nutzt jeden Kontakt mit iranischen Stellen, um das Schicksal der Bahai zu beklagen.
Sieben führende Mitglieder des Bahai-Glaubens sollen dieser Tage vor Gericht gestellt werden. Man wirft ihnen »Spionage für Israel« und »Propaganda gegen den iranischen Staat« vor. Seit Monaten wurden die sieben ohne formelle Anklage festgehalten und ihre Anwälte schikaniert. Selbst die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi wird unter den Augen der Behörden drangsaliert und denunziert, seit sie die Aufgabe übernommen hat, die Angeklagten zu verteidigen. Es wurden gar Gerüchte lanciert, Ebadis Tochter sei zum Bahai-Glauben übergetreten. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, droht den geistigen Führern der Bahai die Todesstrafe.
Was reizt die Mullahs so an dieser Religion? Ursprünglich als islamische Reformbewegung in Iran entstanden, hat sich die Gemeinde des Stifters Bahaullah (»Herrlichkeit Gottes«) vom Islam losgesagt und eine Lehre entwickelt, die alle Weltreligionen beerben will. Die Bahai begreifen Mohammed nicht als »Siegel der Propheten«, sondern als eine Stimme der Offenbarung unter vielen. Keine Religion sei »falsch«, alle müssten aus ihrer Zeit heraus begriffen werden. Bahai lehren die Gleichberechtigung von Mann und Frau und lehnen jedes Priestertum ab. Statt der Überlegenheit des islamischen Glaubens über die anderen »Buchreligionen« und der Unantastbarkeit des Korans vertreten sie ein Ideal des religiösen Weltfriedens und glauben an eine unabgeschlossene Offenbarung des Göttlichen in der Geschichte.
In den Bahai begegnet dem schiitischen Klerus eine Form der religiösen Aufklärung, die umso provokanter ist, als sie von innen kommt – aus der Mitte der iranischen Kultur. Von Beginn an wurden die Bahais eben darum als Einflussagenten des Auslands – der Briten, der Russen, der Amerikaner und nun eben Israels – verteufelt. Sie sind ein Ärgernis, weil in ihnen ein anderer Weg aus der islamischen Kultur in die Moderne aufscheint: ohne Ressentiment, ohne Dschihad, ohne Fundamentalismus.
Mit dem heutigen Israel verbindet die Bahai nur der historische Zufall, dass ihr Prophet ins Exil gedrängt wurde und im palästinensischen Akkon – nahe dem heutigen Haifa – starb. Dort befindet sich das Weltzentrum für sechs Millionen Gläubige weltweit – Vorwand für die Teheraner »Zionisten«-Verschwörungstheorie.
In den letzten Monaten haben die Drangsalierungen der Bahai in Iran zugenommen. Sie dürfen nicht studieren, keine Geschäfte führen und sich nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. Es scheint kaum übertrieben, von einer drohenden Vernichtung der Bahai in ihrem Ursprungsland zu sprechen. Es könnte freilich sein, dass die radikalen Kreise im Teheraner Regime, die diese Kampagne vorantreiben, sich verrechnet haben. Denn es wächst auch in der eigenen Öffentlichkeit der Widerstand gegen die Unterdrückung: Über 240 iranische Intellektuelle haben einen offenen Brief geschrieben, in dem sie sich »beschämt« darüber zeigen, dass die Bahai »seit anderthalb Jahrhunderten ihrer Rechte in Iran beraubt werden«.
Durch das beherzte – und diesmal geschlossene – Auftreten der Bundesregierung ist das Schicksal der Bahai zu einem Prüfstein für die Hoffnung geworden, der Westen könne mit Iran einen Neuanfang wagen. Das steckt hinter dem drohenden Satz der Kanzlerin, ohne korrektes Gerichtsverfahren drohe »eine Belastung der Beziehungen der Staatengemeinschaft mit Iran«.
Iran sucht nach internationaler Anerkennung. Das verträgt sich in einer von religiösen Konflikten zerrissenen Welt schlecht mit der Entrechtung einer Minderheit, deren einziges Verbrechen darin besteht, sich vom Islam gelöst zu haben. Im Teheraner Gerichtshof wird darum nicht nur über das Schicksal einer kleinen religiösen Minderheit entschieden werden – sondern auch über die Rolle, die das iranische Regime selbst künftig zu spielen gewillt ist.

 

Teherans Vernichtungsfeldzug gegen die Baha’i

Ich beschäftige mich für die aktuelle Ausgabe mit der dramatischen Lage der Bahai im Iran. Es wird in den kommenden Tagen mit einem Urteil gegen die Mitglieder des Führungsgremiums gerechnet wegen „Spionage für Israel“.
Dies würde sich in eine zunehmend radikale Politik des Teheraner Regimes gegenüber dieser religiösen Minderheit fügen, die auf eine Vernichtung des Baha’i-Glaubens hinausläuft.
Hier ein Clip der großen Zeichnerin Marjane Satrapi zum Thema.
Mehr hier.

 

Das erste Opfer des Deals mit den Taliban

Der journalistische Kollege Musa Khankhel arbeitete für THE NEWS und Geo TV. Er hat versucht, den „Friedensmarsch“ von Sufi Mohammed zu filmen, als der mit seinen Anhängern im Swat-Tal einzog, um den Deal mit der pakistanischen Regierung zu feiern.
Am Rand des Marsches wurde Khankhel entführt. Seine Leiche wurde unterdessen – durchsiebt von 32 Schüssen und enthauptet – aufgefunden.
Khankhel wird als mutiger Vollblutreporter geschildert, der sich nicht einschüchtern ließ. Er hat immer wieder kritisch über die Talibanisierung seines Landes berichtet. Er wußte, dass sein Job extrem gefährlich war und hat seine Ermordung gegenüber Kollegen antizipiert.

Musa Khankhel, mit 28 Jahren von den pakistanischen Taliban ermordet

Dieser barbarische Akt läßt das Wort „Teufelspakt“ in einem neuen Licht erscheinen. Der pakistanische Staat hat sich mit dem Deal mit Sufi Mohammed auf ein gefährliches Terrain begeben.

 

Religiöse Verfolgung der Baha’i im Iran nimmt zu

Die Islamische Republik Iran feiert ihr 30jähriges Revolutonsjubiläum nicht nur mit einem Satelliten-Start und Massenversammlungen in Teheran, sondern auch mit einer neuen Repressionswelle gegen die Baha’i-Religion.

Wie ich bereits berichtet hatte, ist die gesamte Führung der Baha’i verhaftet worden. Nun wurde angekündigt, die 7 Mitglieder des höchsten Rates werden sich nächste Woche vor Gericht wegen „Spionage für Israel“ verantworten müssen. (Die Baha’i haben einen heiligen Ort bei Haifa und einen bei Akkon, im heutigen Israel. Die hl. Stätten für die Religionsgründer Bab und Baha’ullah sind dort aus historischen Gründen – lange vor der Staatsgründung  Israels – entstanden.)

Wer die antisemitische Rhetorik des Iran verfolgt hat, weiß, was das heißt. Es ist eine offensichtliche üble Verleumdung.

Auf Google werden in einer stets aktualisierten Karte die neuesten Greueltaten des iranischen Staates festgehalten.

Screenshot von heute: 

(Markiert sind hier die Stätten, an denen in den letzten Wochen Baha’i drangsaliert oder willkürlich verhaftet wurden.)

Diese unerträgliche Situation – dass ein Staat die Führungsriege einer (wenn auch kleinen und jungen) Weltreligion drangsaliert – gehört in die Verhandlungen mit Iran mit aufgenommen.

 

Geert Wilders in London an der Einreise gehindert

Ich habe kein Verständnis für die britische Entscheidung, dem niederländischen Abgeordneten Wilders die Einreise nach Großbritannien zu verweigern. 

Ich verachte zwar diesen Herrn und seine Politik, wie ich hier bereits festgestellt habe.

Aber die Meinungsfreiheit – und die Freizügigkeit – eines gewählten Abgeordneten eines europäischen Landes sind ein hohes Gut, das nur unter sehr schweren Bedingungen eingeschränkt werden dürfen. Wilders ist in Holland angeklagt wegen Volksverhetzung. Er ist aber noch nicht verurteilt.

Die britische Regierung macht präventive Gründe – Gefahrenabwehr – geltend in Ihrem Schreiben an Wilders.

Seine Gegenwart auf der Insel würde eine „genuine, unmittelbare und ausreichende Gefährdung der grundlegenden Interessen unserer Gesellschaft“ darstellen, heißt es in dem Brief. Wow, die „grundlegenden Interessen unserer Gesellschaft“?

Das ist eine Bankrotterklärung der britischen Sicherheitsbehörden, die sich offenbar nicht in der Lage sehen, in Absprache mit den muslimischen Verbänden das nötige Krisenmanagement für den Fall eines solchen angekündigten Besuchs zu betreiben.  

Was ist denn eigentlich zu befürchten? Demonstrationen? Gewalttätige Ausschreitungen? Müssen wir davor jetzt auch schon so viel Angst haben, dass es gar nicht mehr dazu kommen darf? Wo kommen wir denn da hin, wenn allein die Möglichkeit solcher Ausschreitungen schon die massive Einschränkung der Grundwerte ermöglicht?

Dennoch ist die Sache nicht ganz einfach: Unter der gleichen Gesetzgebung sind in England bereits etwa 270 Personen an der Einreise gehindert worden. Die meisten von ihnen sind keine selbst ernannten „Islamkritiker“ wie Wilders. Fast 80 werden im Gegenteil  als islamistische „Hassprediger“ qualifiziert. 

Aber ist es legitim, auch Wilders seinerseits als einen Hassprediger zu sehen und auch so zu behandeln?Zweifellos ist er ein Provokateur, der Krawall und möglicherweise auch gewalttätigen Krawall in Kauf nimmt, weil er ihm nützen könnte.

Aber er ruft eben nicht zur Gewalt auf. Sein Verbrechen besteht einzig darin, Dinge zu sagen, und sie so zu sagen, dass sie für viele Menschen verletzend sein könnten.

Wilders behauptet gerne, er sei ein Aufklärer. Er ist es nicht. Er ist ein Finsterling, der sich zu Unrecht in eine Reihe mit Rushdie rücken will, der vor genau 20 Jahren zur Zeilscheibe des islamistischen Hasses wurde. 

Aber diese feinen Unterschiede wären ein Thema für politischen Streit, den die englische Politik lieber gleich vorab unterbindet. Fatal. Wie weit ist das Mißtrauen des britischen Staates gegenüber der eigenen Zivilgesellschaft und den eigenen Bürgern schon gediehen, dass Grundfreiheiten für solche leichtfertigen politischen Manöver aufgehoben werden?

Die Muslime in Grossbritannien sollten sich im Spiegel dieser Entscheidung ansehen und sich fragen, ob sie so gesehen werden wollen: allzeit leicht entflammbar, unfähig zu zivilisiertem Streit mit unangenehmen Zeitgenossen, und jederzeit bereit, Grundfreiheiten aufzugeben, wenn bloss die eigenen Empfindlichkeiten berührt sind (aber freilich dann darauf pochend, wenn es die eigene Seite trifft).

Das britische Vorgehen ist nicht nur rechtspolitisch fatal, es ist auch völlig unnötig: Gestern berichtete ein holländischer Muslimfunktionär stolz auf einer Tagung u.a. der Britischen Botschaft in Berlin, man habe den heraufziehenden Sturm um Wilders‘ Film „Fitna“ klug abgewandt, indem man unaufgeregt und entschieden reagiert habe und die eigenen Reihen ruhig gehalten habe. Mit den Sicherheitsbehörden habe man weiträumig im Vorfeld besprochen, wie eine Wutwelle zu handhaben sei, und selbst in die islamischen Staaten sei man gefahren, um dort Holland zu verteidigen: „Die Meinungsfreiheit, die ich in Holland als Muslim habe, steht auch unseren Gegnern wie Wilders zu“, sagte ein Vertreter des größten Muslimverbandes. „Das verteidige ich ganz offensiv in meinem Herkunftsland.“

„Fitna“ wurde so ein Non-Event. Wilders hatte sich verrechnet.

England geht einen verhängnsiwollen anderen Weg mit seinen Muslimen: Es ist eine ängstliche Politik der geringen Erwartungen und der ganz kleinlichen, faulen Kompromisse.

Wer die „Harmonie zwischen den Gemeinschaften“ stört, bedroht die öffentliche Ordnung, so heißt es in dem Brief an Wilders. Die Sprache erinnert an Orwells „1984“. Oder an chinesischen KP-Verlautbarungen. 

Ein schlechter Tag für Europa.