Lesezeichen
 

Ferrari oder Trabbi?

Wie erkläre ich es meinen jungen Köchinnen und Köchen?

1 Akt:
Wir wollen eine Sauce Beurre Blanc bereiten. Diese Soße besteht aus 90 Prozent Butter und 10 Prozent Fond und Noilly Prat. Die Soße ist schwer, aber hocharomatisch, und wegen der deutschen Essgewohnheiten gehört sie für Normalesser hierzulande verboten.

2. Akt:
Die Soße dient zur Abrundung des Aromas und als Gleitmittel, dass der Fisch angenehm über die Gurgel flutscht. Die Soße zu Omas Geburtstag oder zum Kindergeburtstag oder à ancien, als der Papa das Fleisch kaute und die Kinder mit Spätzle und Soße fertiggemacht wurden – diese Art des Soßenhypes hat nichts mit der großen Küche zu tun, sondern eher mit Deliriumsaktivitäten.

Deshalb: Wir reichen davon einen Esslöffel, mehr gibt es nicht. Nochmal: diese Soße ist ein Aromahammer, schwer und deshalb knapp bemessen. Damit sich Köchlein und Köchinnen das gut merken können, serviere ich ein Beispiel: Was ist schöner, 5 Minuten Ferrarifahren oder 4000 km mit einem alten Trabbi herumzugurken?

3. Akt
So geht’s am Beispiel einer Hähnchenbrust:
Für zwei Personen kommt ein Esslöffel sehr gut reduzierter Hühnerfond mit einer Messerspitze sehr fein gehackter Schalotte in ein kleines Töpfchen. Wenn alles fast anbrennt, einen Esslöffel Noilly Prat dazu geben. Nun nach und nach, bei größtem Feuer, Butter mit dem Schneebesen unterschlagen bis der Fond sämig bis dicklich ist. Wenn es so nicht klappt oder wenn wir gerade eine faule Phase haben, dann nehmen wird den Mixstab. Nicht wundern, man braucht viel Butter. Ich nehme ausschließlich bretonische Butter. Würzen nach Belieben. Es können natürlich auch noch Kräuter rein, grad wie es gefällt.

Mit der Beurre Blanc die gebratene Hähnchenbrust überziehen. Nudeln, die man evtl. dazu reicht, müssen so gut sein, dass man sie ohne Soße runterkriegt. Übrigens, wie alles, was der Arzt verbietet, schmeckt die Soße, naturellement, saugut. Ich habe auch schon mehrere Löffel davon gekostet und lebe immer noch.

 

Carciofini

Kleine Artischocken nennt man auch Carciofini:

Die äußeren Hüllblätter werden nach unten abgerissen. Alles, was grün ist, muss weg. Am langen Stiel bleibt das gelbe Herzstück übrig, auch evtl. violette Blättchen müssen entfernt werden, auch die violetten Spitzen. Den Stiel sollte man so lang wie möglich lassen, denn er ist genauso köstlich wie der Boden. Dazu wird, ähnlich wie beim Spargel, das oft angetrocknete Ende des Stiels abgeschnitten.





Diese Arbeit ist etwas zeitraubend, daher empfiehlt es sich, die schon geschälten Früchte in kaltes Wasser einzulegen, das mit etwas Ascorbinsäure vermischt wird. Das ist reines Vitamin C und für billiges Geld in jeder Apotheke zu kaufen. Dies Vitamin C verhindert, dass die geschälten Knospen oxydieren und sich dadurch dunkelbraun verfärben.

Die Artischocken werden ungefähr zwanzig Minuten in leicht gesalzenem Wasser gekocht. Nicht zu weich, nicht zu hart. Die Hände sind nun braun verfärbt und mit Zitrone abgerieben sind sie schnell wieder sauber.

PS. Goethe liebte es auch sehr, die rohen, geschälten Knospen hauchdünn zu schneiden und unter Salat zu mischen.

Das Rezept:

Carciofini mit Frischkäse gratiniert

6 kleine Artischocken, je nach Größe bis zu 12 Stück

Artischocken werden ständig mit Zitrone abgerieben, dann schmecken sie jedoch nach Zitrone. Besser ist es, für kochendes Salzwasser zu sorgen und sehr schnell zu arbeiten. Bervor sich alles dunkel verfärbt sind sie schon im Wasser. Kochzeit ca. 15 Minuten

6 EL Schichtkäse
1 EL Creme Fraiche
1 Zweig Thymian, feingehackt
1/2 Bund Petersilie, feingehackt
Meersalz, grober, schwarzer Pfeffer

Schichtkäse durch ein Sieb drücken und mit Creme Fraiche vermengen. Kräuter darunter und mit Pfeffer und Salz abschmecken.

Die vorbereiteten Carciofini halbieren und in einer Gratinform verteilen. Die Käsemasse darüber streichen und im Salamander überbacken.

 

Der Berberaffe grüßt

Den Sonntagsausflug nutzte ich, um mir mal wieder die Affen anzuschauen. Es ist immer wieder interessant, deren Sozialverhalten zu beobachten. Selbst für die Gastronomie kann man da viel lernen.

Manche denken, gut zu kochen würde genügen. Warum sind manchmal schlechte Kneipen mehr besucht und voller als die guten? Es hängt mit der Stimmung im Lokal zusammen. Es gelingt auch mir und meinen Mitarbeitern nicht immer, fehlerfrei zu kochen. Zu Reklamationen kommt es erst, wenn wir im Gastraum nicht aufmerksam waren, uns bei kleinen Fehlern nicht richtig entschuldigt haben, und am schlimmsten ist, wenn ich bei voll besetztem Lokal übersehe, einen Tisch nicht zu begrüßen. Alles eigentlich leicht verständlich, zum Wohlfühlen gehört so manches.

Übrigens: Von allen Tieren kommt der Mensch dem Affen am ähnlichsten.

 

Quälfleisch

Der neue “Häuptling Eigner Herd “ wird demnächst erscheinen. Er beschäftigt sich mit “Landidylle”. Wunderbare Autorinnen und Autoren konnten dafür gewonnen werden.

Anna v. Münchhausen, Joseph von Westphalen, Gerhard Polt, Wiglaf Droste sowieso und von Peter Rühmkorf ist auch etwas dabei und Vincent Klink schreibt eine Saustallgeschichte, die mit Thomas Bernhard zu tun hat. Geistige Lebensmittel für kluge Köpfe werden geboten. Die kulinarisch-literarische Zeitschrift “Häuptling Eigener Herd” Nr. 39 wird freudig, aber Idylle lässt auch jede Menge Raum für Ironie, für Sarkasmus und es gibt auch das, was hier weiter unten gechrieben steht.

Eine besondere Genussidylle sind sogenannte seriöse Tageszeitungen. Anzeigen sind für das Überleben solcher Medien sehr wichtig, deshalb, und vielleicht auch aus demokratischen Erwägungen, sind Sexannoncen keine völlige Verunzierung für ein gehobenes Blatt der gehobenen Stände. Die seriöse Zeitung hat Mühe, seriöse Annoncen zu requirieren und nimmt es deshalb nicht so genau, wenn Supermärkte ihren Ramsch anpreisen. Viele Leser regen sich über die Sexangebots-Annoncen auf, aber die sind, wenn es so weitergeht, der ehrlichere Teil des Anzeigengeschäfts. Mit kritischem Auge beobachten Zeitungen, was um sie herum geschieht. Gut so, aber, das muss man auch anmerken: Damit daheim der Bürger weiß, wo er den billigsten Müll kaufen kann, sind Zeitungen zum Megaphonen der Lebensmittelmüllkonzerne verhurt.

Beispiel Stuttgarter Zeitung Nr. 121 vom 28. Mai 2009

S. 5 Pennymarkt

Großformatig jede Menge Mist im Angebot. Iglo Schlemmerfilet und Langnese Cremissimo Eis, und wer gar kein Herz für Tiere hat, kann sich grillfertige Schweinerückensteaks ergattern, gerade mal für 5.98.

Zwei Seiten weiter versucht REWE, den Konkurrenten Penny fertig zu machen, ohne dabei zu denken, dass damit auch die nichtsahnende Kundschaft traktiert wird, nämlich mit dem Glanzstück der bunten Seite: Rollsaftschinken 100 Gramm 0,99 Cent.

Und wieder zwei Seiten weiter geht es ganzseitig tierisch bunt zu. Aldi, der Retter des Geldbeutels, bietet eine Schweine-Grillplatte an, die 800 Gramm Quälfleisch zu 5.99 offeriert. Damit sich den Grillern das Hirn sich vollends ganz verdreht gibt’s noch eine Grillschnecke zum Kilopreis 5.97

Liebe Leute, ein guter Koch kauft solche Produkte zum doppelten Preis ein, wenn er nicht seine Kundschaft verarschen will. Und glaubt irgend jemand, dass es zum halben Preis etwas gibt, dass den ganzen Preis wert wäre. Beim Auto lässt sich der Deutsche Geizkragen nicht so schnell veräppeln. Wer sich keinen ganzen Porsche leisten kann, der wäre mit einem halben nicht zufrieden. Jedem Teutonen leuchtet ein, dass ein Porsche mit nur zwei Rädern Mist ist. Beim Essen jedoch genügt Viertelsqualität.

Nun kommt in der Stuttgarter Zeitung auf Seite 19 eine viertelsseitige Werbung. Relativ mickig, ohne Farbe, aber dem Kaufhofkonzern geht’s, glaube ich, nicht so richtig gut. Immerhin bieten sie “Gutfleisch” an. Niemand weiß, was das bedeuten soll, und es ist sicher auch nicht zu empfehlen mit der Wahrheit, nämlich „Drecksfleisch“, an den Start zu gehen. Dafür wird Käse geboten der sich „Felsenkäse“ nennt. Da ist dem Werbetexter kein feudalerer Begriff eingefallen, jedenfalls handelte es sich dabei um deutschen Käse, was ja auch kein Qualitätsbegriff ist, wenn man an die vielen Tonnen griechischen Fetakäse denkt, der in der Gegend um Kempten fabriziert wird. Jedenfalls handelt es sich beim „Felsenkäse“ um ein Produkt aus tagesfrischer Heumilch. Immerhin wird der Käse für obszöne 4.44 das Kilo nicht aus Reißnägeln gepresst, wie ein gewisser Marinetti vor 80 Jahren rezeptierte…

Überhaupt lesen sich die ganzen Lebensmittelwerbetexte wie ein Abgesang auf den Dadaismus, so dass man sich für die schlichte Art einen Fisch anzupreisen fast wundert: Steinbeißer-Rückenfilet grätenfrei, 100g 2.29. Da hätte man wirklich noch ein bisschen weiter texten können, und erwähnen „Leute, die Meere sind gnadenlos abgeräumt, hier aber gibt es noch das, was dumme Ärzte seit dem letzten Krieg ahnungslosen Patienten nachrufen: „Esst mehr Fisch!“

Was für ein Tag, dieser 28. Mai, welch ein Mampfwerbeaufkommen und Segen für die Stuttgarter Zeitung Nr. 121. Seite 25 ging an den EDEKA-Konzern. Da signalisiert der Schweinepreis von 9.99 noch relativ naschvollziehbare Zustände. Da möchte man glatt sagen, auch wenn man das restriche Angebot prüft: „Kauft bei Edeka!“ Auf Seite 27 dann die finale Botschaft des Lebensmitteldealers Marktkauf: Schweinebraten, Schulter mit Knochen und Speck für nur fies-mickrige 2.22 das Kilo.

Letzte Woche wurde ich in einem Interview des Bayerischen Rundfunks gefragt wie Schweinefleisch schmecke. Wie ich es formuliert habe weiß ich nicht mehr, aber liebe Leser, können Sie sich vorstellen wie ein Mensch riecht der ein Jahr in seinen eigenen Exkrementen auf einem Spaltenboden steht und schläft. Nicht auszudenken. Deshalb sollte man daran denken, wie das Schweinefleisch dieser Angebote schmecken könnte. Gottseidank kam jemand auf die Idee, solches Schweinefleisch mit Würzmitteln zu marinieren. Ah, ja, ja lieber Knoblauchpulver in der Nase als Klogeruch. Ich weiß, der Deutsche hat Anspruch auf tägliches Fleisch, die Politiker verkaufen uns das als ein Stück Freiheit und die Lebensmittebranche pocht darauf, dass Fleisch „Leben und Kraft“ gibt.

Es bleibt zu hoffen, dass Zeitungen noch andere andere Einkommensquellen haben als die Abonnenten und den Lebensmittel-Anzeigenbetrug. Man fragt sich, wenn diese Ausgabe 121 der Stuttgarter Zeitung nahezu total von den Lebensmittelkonzernen bezahlt wurde, kann es über diese dann noch eine unbeeinflusste Berichterstattung geben. Immer wieder heult der Journalismus über die Beschneidung der Pressefreiheit, überhaupt dann, wenn ein Prominenter wegen der Reportage um das Innenleben seiner Unterhose vor den Kadi zieht. Ich frage mich haben sich die Printmedien nicht schon längst selbst um die Pressefreiheit gebracht?

 

Arme Säue und glückliche Schweine

Vereinzelt glückliche Schweine in weiter Flur. Es gibt einige solcher Wiesen. Ich bin überzeugt, dass dieses Modell Schule machen wird. Der Markt dafür ist reif. Die Kundschaft für so etwas gibt es, und das ist Herrn Schweisfurth in Herrmannsdorf zu danken.

Das ist nur eine große Wiese unter anderen. Sicher sind in Herrmannsdorf an die zweihundert Schweine am Start.

Heute hatte ich mit dem Bayerischen Rundfunk ein Interview. Es ging um Schweinefleisch. Welches ich verarbeite. Nun ja, es gibt ja das berühmte Schwäbisch Hällische Landschwein der Haller Erzeugergemeinschaft. Das ist eine ganz gute Qualität.

Die Reporter fragten, wie hingegen ein gutes Schwein aus dem Supermarkt schmecken würde. Ich sagte dann, genauso wie ein Mensch vielleicht in einer Gefängniszelle, der ein Jahr lang bis zu den Knöcheln in seiner Scheiße steht. Schweinegeruch ist nichts anderes als der Gestank von Scheiße.

Ich weiß, es gibt immer mal Klagen, ich würde zu heftig formulieren. Nein, was ich sage ist die Wahrheit und die vertragen viele heute nicht mehr. Wir leben nämlich in einer weichgespülten verlogenen Welt. Zum Beispiel: niemand wird heute mehr rausgeschmissen, gefeuert, nein, der Personalchef im Boss-Anzug sagt mit leiser, therapeutischer Stimme: „Sie sind für uns ein wichtiger Mitarbeiter, leider müssen wir Sie freistellen.“

Zurück zur armen Sau:
Ich habe selbst schon Wollschweine geschlachtet, das südfranzösisches Bigorre-Schwein gegrillt, spanische schwarze Schweine sorgsam gebraten. Man kann sich heute vieles kaufen und die spanischen schwarzen Schweine sind wirklich ausgezeichnet. Aber sie kosten fünfmal so viel wie bei uns die Metzgerqualität. Die Spanier wissen, warum sie für Ihre Spitzenschinken gerne zahlen. Wir Deutschen sind offensichtlich zu blöd dazu.

Trotz spanischem Superschwein, ich will kein Schweinefleisch aus Spanien. Ich will, dass sich bei uns so etwas auch durchsetzt.
So, jetzt kommt’s. Meine Frau ist nahezu Vegetarierin, hat sich die Schweine angeschaut, sie gestreichelt und sich in sie fast verliebt. Wenig später hat sie mit mir das beste Kotelett des Lebens gegessen. Ich staunte nicht schlecht. Das Gasthaus Schweinsbräu in Herrmansdorf vollbrachte dies Wunder. Der Koch Thielemann ist ein wahrer Meister, aber die Stars dort sind die Schweine. Das Kotelett war von eine Sym-Biotik-Schwein aus der Herde des Chefs der Herrmannsdorfer Landwerkstätten.

Ich hatte mir zuvor die Aufzucht von Karl-Ludwig Schweisfurth genau angeschaut. Man blickt auf ausgedehnte Wiesen, in denen vereinzelt wunderbare Schweine spazieren gehen, sich besondere Wurzeln suchen und Kräuter kauen. Die Reporter vom Bayerischen Rundfunk meinten heute, die Hermannsdorfer wären die Apotheke. Ich sag’s wie es ist, das ist kompletter Schwachsinn, eigentlich ist das Herrmannsdorfer Fleisch viel zu billig. Zu den Schweinen kann man sich nämlich getrost dazulegen. Bei ihnen riecht es weniger als in einer U-Bahn. Freilich, die Rasse ist wichtig, aber wie die Tiere aufwachsen, mit großem Auslauf, auf Wiesen bis zum Horizont, das ist das wirklich Entscheidende.

Das aber kostet viel Geld, und deshalb wird immer auf dem Rassebegriff herumgeritten. Schweine brauchen Platz, und eine große Wohnung ist immer teurer als eine kleine Bude, ganz zu schweigen von einem stinkenden Koben.

Was ist los, haben Deutsche einen solchen Selbsthass, dass sie sich freiwillig täglich mit stinkendem Schweinekobenware traktieren. Wer will widersprechen, Gott sei‘s geklagt.

Eines ist auch klar und jetzt werde ich mal elitär, für alle reicht diese Qualität nicht. Aber könnte man es nicht so machen wie ich mit meinem Porsche? Ich könnte mir nur einen halben leisten, aber auf zwei Rädern Porschefahren ist Mist, also lasse ich es ganz bleiben. Diese Haltung sollte man sich bei Fleischverzehr auch aneignen.

 

Brombeersorbet mit Tabakgeschmack

Die berühmten Köche unserer Tage hantieren mit Stickstoff. Schokolade schmeckt nach Kümmel oder wird mit Kaviar vermengt. Gemüse ist aus Gelatine geformt, karamellisierte Entengrieben leuchten in allen Farben. Nichts ist, wie es ist, und nichts schmeckt, wie es aussieht. Der Kulturmensch strebt nach Verfeinerung, die Messlatte wird immer höher gelegt – so lange, bis sie den Exzess markiert.

Was wie Brombeersorbet daherkommt, schmeckt nach Tabak. Und es wird an Eisschalen experimentiert, in die man heiße Suppe füllen kann. Nichts dagegen, Moderestaurants mit diesem Angebot sind ständig ausgebucht und man kocht schließlich auch zum Gelderwerb. Mich erinnern die Extreme jedoch auch an den römischen Neureich namens Trimalchio, dessen Fress-Exzesse das Ende der Römerzeit einleiteten.

Genuss ist inzwischen für mich eine gute Kartoffel mit etwas Rohmilchbutter und Meersalz – das ist reiner Geschmack, das bedeutet mir mehr als ein durch Transport gequälter Hummer. Schon verrückt: Während die Küche manches Spitzenrestaurants mehr einem Forschungslabor ähnelt, hat die große Masse der Esser keine Ahnung mehr, wie man Rotkohl kocht.
© Henning Kaiser/ddp

Das Wissen unserer Großmütter ist mit ihnen beerdigt worden.

In unserer Gesellschaft geht die Schere immer weiter auseinander zwischen der großen Gruppe von Menschen, die immer schlechter isst, und einer kleinen Gruppe, die nach immer besseren Lebensmitteln verlangt. Das hat nicht unbedingt mit dem Einkommen zu tun. Auch mit wenig Geld kann man sich Lebensmittel beschaffen, die den Namen verdienen. Tiefkühlpizza und sogenannte Convenience-Produkte sind ja nicht billiger als ein auf dem Markt gekauftes Pfund frisches Gemüse. Man muss natürlich wissen, wie man frischen Spinat oder Kohlrabi zubereitet.

Als Koch sage ich: Es gibt einen inneren Wert, der unglaublich wärmt, den einem niemand mehr nehmen kann. Um diesen Wert erkennen zu können, muss man manchmal Dinge tun, die scheinbar keinen Wert haben. Ein „Wiener Salonbäuscherl“ zum Beispiel. Das ist die Lunge vom Kalb, und die bekommt man in manchen Gegenden nur in der Abteilung für Hundefutter. Und doch, richtig zubereitet, ist es eine wunderbare Spezialität. Die würde man in einem Feinschmecker-Restaurant vielleicht nicht unbedingt erwarten. Aber genau das meine ich, wenn ich von Umkehrung der Werte spreche. Hummer kann heute jeder. Aber Lunge? Da muss man sich schon etwas ins Zeug legen.

Zum Genießen gehören Sinnlichkeit und Bewusstsein. Ich frage mich nicht nur beim Essen, sondern bei allem, was ich konsumiere: Wie wurde das erwirtschaftet? Aktien von Firmen, die Geschäfte auf anderer Leute Kosten machen, würde ich nicht kaufen. Leider sind die Gewinne von unlauteren Unternehmen meist höher. Aber wer nur Freude hat an materiellem Zugewinn, der ist genauso auf dem falschen Dampfer wie der, der bei Lebensmitteln nur auf den Preis schaut. Wir brauchen wieder mehr Bauchgefühl.
Im Grunde ist Kochen die erfolgreichste Friedensarbeit der Welt.

Denn nichts ist friedlicher als Menschen, die um einen Tisch sitzen und essen. Da begegnet der Jesus-Jünger dem naturwissenschaftlich deformierten Freigeist, MySpace-Jugendliche hören sich die Geschichten des schwerhörigen Großvaters an. Alle werden tolerant, wenn die Töpfe auf dem Tisch stehen. Ob der Braten missglückt ist oder gelungen – egal.

Es gilt, was Joseph von Westphalen einmal sagte: „Hungrige Vegetarier auf Kamelen sind viel gefährlicher als mit Hamburgern und Ketchup angetriebene Flugzeugträger!“

 

Rohmilchbutter

Le Gaslonde Demisel
Beurre Cru (Rohmilchbutter)
50430 Lessay
www.gaslonde.fr

2005 gab es bei der Firma Gaslonde mal Rabatz wegen Kolibakterien. Ganz klar, ein Kleinkind kann an Durchfall sterben, und Greise, die wackelig beieinander sind, können von einem ganz normalen Durchfall so geschwächt werden, dass es zu Ende geht. Aus diesem bedauerlichen Umstand macht seit Jahren die Industrie eine solche Angstkampagne, dass man sich an den Kopf greift.

Mit Magenrumpeln kenne ich mich aus und mir tut es sogar gut. Kürzlich am Bach wieder Brunnenkresse gefuttert, und weil daneben eine Kuhweide sich ausbreitete, wusste ich schon im Voraus, was kommen würde. Egal, wer sich ständig natürlich ernährt, hat vor ein bisschen Kolibakterien keine Angst.

Ganz anders sieht es bei Kleinkindern und Alten aus, weil diese meist völlig antiseptisch (Babynahrung im Glas) und in Altersheimen sowieso mit keimfreier Totnahrung gefüttert werden. Bei solchen Menschen ist natürlich keinerlei Abwehrkraft da. u.s.w. Ich weiß, das Thema ist sehr komplex, will es jetzt aber dabei mal bewenden lassen, da ich hier kein Buch schreiben will.

Jetzt zur Butter, die dunkelgelbe ist aus der Bretagne, die weiße Schmiere ist Biobutter aus dem Allgäu. Man braucht dazu eigentlich nichts mehr zu sagen. Die Rohmilchbutter hat noch alle Inhaltsstoffe, sie enthält sie noch einiges an Molke, und da sitzt der Geschmack drin. Deutsche Industriebutter, auch Biobutter, hat die gesetzliche Auflage, nur Fett zu verkaufen, also wird alle Molke herauszentrifugiert.

In der Nähe von Stuttgart hat vor einigen Jahren wegen gesetzlicher Schikanen der letzte Rohmilch-Butterbauer aufgegeben. Wir hier auf der Wielandshöhe stehen mit unserer Butter auch mit einem Bein im Gefängnis. Aber egal, unserer Kundschaft ist auf meiner Seite.

Die französische Rohmilchbutter besorgt uns exklusiv der Tölzer Kasladen. In seinen Geschäften führt er diese Butter nicht, weil sie der Kundschaft zu teuer (mal drei) und weil alles zusammen, also mit dem deutschen Hygienewahn, den Tölzern das alles zu blöd ist.

 

Seltenes Glück dank Gasthof Gentner

Das, was wir am letzten freien Tag erlebt haben, dazu muss ich sagen: „So ein Glück hat man selten.“

Wir fanden einen Gasthof, den ich über alle Sternegastronomie stelle.

Das Haus ist ein wirklich formidabler Platz für Individualisten. Sehr schöne Zimmer, sehr gutes Essen. Überall im Haus, egal wo, gelten absolute Qualitätsansprüche und nicht das in der Gastronomie so häufig verzweifelte Ringen um mehr Schein als Sein. Das Hofgut liegt in einer ursprünglichen Landschaft, in schöner Ruhe und weit vom nächsten Golfplatz oder sonstigen doofen Ablenkungen.
Wandern, Fahrradfahren, Seen sind in der Nähe, und die Preise in der ganzen Gegend sowieso noch nachkriegsähnlich.

Meine Frau frug etwas unvorsichtig, warum das Haus nicht im Michelin verzeichnet sei? Da sagte die kluge Servicedame: Unser Koch hat solche Auszeichnungen und Meriten längst hinter sich. Michelin und sonstige Verkrampfungen? Nein Danke!

Das hat mir auch sehr gefallen: Oben ist die Gaststube noch nicht eingedeckt, später kamen dann üppige Wiesenblumen auf den Tisch.

Mehr zum Gasthaus Gentner hier.

 

Spargel im luftigen Teig

Für die Zubereitung von Spargel gibt es zwei Möglichkeiten: entweder mit Butter oder mit Hollandaise.
Der Spargel hat nicht al dente zu sein sondern weich, aber nicht zu sehr, und eben auch nicht zu hart. Es ist wie mit dem rosa gebratenen Fleisch, die richtige Nuance ist schwer zu treffen.

Guten Spargel kochen, das schafft heute jeder, der sich mit der Materie etwas beschäftigt. Deshalb kochen wir als Hauptgericht keinen Spargel, der übrigens mit selbstgemachter Mayo mir am besten schmeckt. Wir haben einen raffinierten Spargelsalat im Angebot und auch ein Vol-au-Vent, mit Spargel gefüllt, mit frischen Morcheln, und wer will kriegt auch noch ein Kalbsbries hineingepackt.

Der Blätterteig, nach französischer Methode, ist übrigens von einer Luftigkeit, wie das in deutschen Konditoreien unbekannt ist.

Mehr zum Thema Blätterteig

 

Dekolletee, Hintern, Hände

Wie beurteile ich eine Wirtin? Früher paralysierte mich das Dekolletee, später war dann der Hintern für die Urteilsfindung prekär, heute in den Jahren, welche der Lebenserfahrung geschuldet sind, schaue ich mehr auf die Hände, je rauer, um so mehr Vertrauen bringe ich der Frau entgegen.

Getreu der schwäbischen Maxime: „Gott erhalte mir die Gesundheit und die Arbeitskraft meiner Frau.“