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„Absurdes Theater“ vor Gericht – Das Medienlog vom Mittwoch, 29. April 2015

Der Zeuge André Kö. sagte wenig, erinnerte sich an fast nichts – und gab doch ein einschlägiges Bild der rechten Szene in Sachsen ab. Er provozierte Richter Manfred Götzl mit seinen einsilbigen Antworten, zudem verursachte er Aufruhr mit einer Tätowierung: Auf seiner Glatze trägt Kö. die NS-Losung „Blut und Ehre“. Im Laufe des Prozesstags deckte er sie mit einem Pflaster ab. Befragungen wie diese erinnerten „an Dialoge des absurden Theaters“, kommentiert Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung. Gleichwohl sei die Befragung nicht wertlos gewesen. Kö. habe die Rolle des Mitangeklagten André E. in dessen selbstgegründeter Neonazi-Organisation bestätigt.

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202. Prozesstag – Wegbegleiter und Kontaktmann des NSU-Trios geladen

Am Mittwoch tritt der Zeuge Tom T. aus dem thüringischen Stadtroda vor Gericht auf. Er ist einer der frühen Wegbegleiter des NSU-Trios und war dabei, als sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der rechtsextremen Kameradschaft Jena radikalisierten. Dabei schloss er auch Bekanntschaft mit den Mitangeklagten Holger G. und Ralf Wohlleben.

Ebenfalls geladen ist Kay S. Er könnte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Kontaktmann zwischen Szeneangehörigen und dem 1998 untergetauchten Trio gewesen sein. Damals war er der Lebensgefährte von Mandy S., die im Prozess umfangreich über ihre Bekanntschaft mit den dreien ausgesagt hatte.

Eine weitere Zeugin war als Kundin in der Sparkasse Stralsund, als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Filiale laut Anklage im November 2006 überfielen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Dienstag, 28. April, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 29. April 2015.

 

201. Prozesstag – Szenezeugen André Kö. und Stephan L.

Der Mitangeklagte André E. steht im Zentrum des 201. Prozesstags: Mit seinem Zwillingsbruder Mike gründete er die rassistische Organisation Weiße Bruderschaft Erzgebirge. Mit dieser gaben sie auch ein Magazin heraus, das unverhohlen für eine Vorherrschaft der „weißen Rasse“ warb. Mitglied dieser Bruderschaft war auch André Kö. aus Sachsen, der heute in München aussagt. In seiner Vernehmung soll es auch um die Frage gehen, ob E. Gewalt als legitimes Mittel des politischen Kampfes ansah.

Ein weiterer Zeuge ist Stephan L., der über ein sogenanntes Feldhandbuch aussagen soll, in dem Strategien zum Leben im Untergrund nachzulesen sind – so, wie es auch das NSU-Trio führte. Zudem soll L. Erkenntnisse zu der mittlerweile verbotenen Neonazi-Organisation Blood & Honour und zum Mitangeklagten Ralf Wohlleben liefern.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Wie lange kann Zschäpe noch schweigen? – Das Medienlog vom Montag, 27. April 2015

Seit zwei Jahren macht Beate Zschäpe von ihrem Recht Gebrauch, vor Gericht zu den Anklagevorwürfen zu schweigen. Das fällt ihr jedoch zunehmend schwerer, wie aus dem Schreiben eines Gerichtsgutachters hervorgeht, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitiert. Sei ihr das Schweigen zu Beginn noch leicht gefallen, so empfinde sie es nun als „belastend“.

Der Zustand könnte in Zusammenhang mit ihrer Persönlichkeit stehen, legt die Expertise nahe – der Psychiater bezeichnet Zschäpe darin als „narzisstisch“. Das Gutachten könnte erklären, warum Zschäpe sich vor Gericht so nervös verhalte, sobald dort private Dinge über sie besprochen werden, heißt es in der dpa-Meldung.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 28. April 2015.

 

200 Tage NSU-Prozess: Viele Fragen werden offen bleiben – Das Medienlog vom Freitag, 24. April 2015

Wegmarke im Terrorprozess: Seit mittlerweile 200 Tagen wird der NSU-Komplex vor dem Oberlandesgericht München verhandelt. Für viele Prozessbeobachter ist das ein Anlass, Fazit zu ziehen – zumal der Tag selber nur wenige neue Erkenntnisse brachte. „Kein Anklagepunkt (…) ist bislang nachhaltig erschüttert worden“, bilanziert etwa Karin Truscheit von der FAZ. Derzeit verlängere sich das Verfahren immer weiter durch die Vernehmungen von Zeugen aus Neonazi-Kreisen – weswegen es bis zum Urteil noch dauern werde: „Aus Angst vor oder aus Loyalität gegenüber der rechten Szene wird geschwiegen, gelogen, heruntergespielt“, schreibt die Autorin.

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„Politisches Geschwafel“ von Mundlos

Uwe Mundlos war offenbar ein Vordenker der rechten Szene – und politisch gefestigt. Doch eine Frau, die das hätte bezeugen können, gibt sich im NSU-Prozess schmallippig.

Katrin D. sieht aus, als wäre sie in der Zeit steckengeblieben, über die sie heute aussagen soll: blonde Vokuhila-Frisur, rosa Sonnenbrille im Haar, schwarze Lederjacke. So lief man rum in den neunziger Jahren – auch, wenn der Stil in D.s Umfeld weniger bunt gewesen sein dürfte. Springerstiefel und Bomberjacken sah man im Chemnitz der Neunziger wohl eher. Und die Zeugin steckte mittendrin in der Skinhead-Szene.

Im Münchner NSU-Prozess bricht der 200. Verhandlungstag an. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe muss sich erneut einer Wand aus Fotografen und Kameraleuten stellen. Ihr Schweigen gilt als Grund dafür, dass der Staatsschutzsenat noch immer vor dem Oberlandesgericht zusammentreten muss. An ihrer Stelle sagen Zeugen aus der Zeit aus, da sie und ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich zu einem Dreiertrüppchen zusammenschweißten, das später zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge begangen haben soll. Es ist eine Wahrheitsfindung, wie sie kleinteiliger nicht sein könnte.
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Verfassungsschutz war dem NSU dicht auf den Fersen – Das Medienlog vom Donnerstag, 23. April 2015

Wieder einmal steht der Verfassungsschutz nach einem Verhandlungstag im NSU-Prozess in einem schlechten Licht: Der Geheimdienst war Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach deren Untertauchen 1998 dicht auf der Spur, sagte der heutige Chef des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath.

Insgesamt fünf Berichte des V-Manns Piatto deuteten damals unter anderem auf ihren damaligen Fluchtort Chemnitz hin. „Warum wurden die Tipps nicht entschlossen verfolgt?“, fragt Björn Hengst auf Spiegel Online. Richtig verwertet, hätte das abgetauchte Trio damit möglicherweise dingfest gemacht werden können.

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200. Prozesstag – Mundlos-Bekannte und Szene-Zeugin: Was wusste „Mappe“?

Am Donnerstag überschreitet der NSU-Prozess die Marke von 200 Verhandlungstagen. Geladen sind drei Zeugen, teils mit engem Bezug zum NSU-Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Den Anfang macht Katrin D., die in der rechten Szene von Chemnitz unter dem Namen „Mappe“ bekannt war – und auch dem NSU: Ihr Name stand auf einer Liste, die 1998 in einer von Zschäpe gemieteten Garage gefunden wurde. In einer Befragung gab sie an, Mundlos gekannt sowie von ihm und Zschäpe Besuch bekommen zu haben. Auch soll sie mit der verbotenen Neonazi-Organisation Blood & Honour und dessen Funktionär Thomas S. in Kontakt gestanden haben. Die Gruppe soll versucht haben, dem NSU-Trio eine Waffe zukommen zu lassen.

Zweiter Zeuge ist der Neonazi Bernd T. Er hatte bereits im Februar im Prozess ausgesagt, weil er behauptet hatte, Angaben zum Mord an Halit Yozgat in Kassel von 2006 machen zu können. Das stellte sich jedoch als offensichtliche Lüge heraus: Anscheinend hatte T. sich von der Vortäuschung geheimen Wissens eine frühere Entlassung aus dem Gefängnis erhofft. Dennoch wird seine Befragung heute fortgesetzt.

Außerdem geladen ist ein Mann, der Angaben zum Schmuggel der Pistole Ceska 83 machen soll, mit der neun Menschen erschossen wurden. Der Schweizer äußert sich zum Ermittlungsverfahren gegen den Waffenhändler in der Schweiz, von dem die Pistole erstmals verkauft wurde.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Lügentest für Thüringer Neonazi – Das Medienlog vom Mittwoch, 22. April 2015

Am heutigen Mittwoch geht es im NSU-Prozess erneut um den Thüringer Neonazi Marcel D., der Ende der neunziger Jahre als V-Mann für den Verfassungsschutz gearbeitet haben soll. Das belegen Dokumente der Behörde. Überraschenderweise bestritt D. die Tätigkeit bei seiner ersten Aussage im März. Nun ist neben D. selbst auch dessen ehemaliger Quellenführer Norbert Wießner geladen – er dürfte die Spitzeldienste bestätigen.

Falls D. log und bei seiner Aussage bleibt, „ist spannend, wie das Gericht diesmal reagieren wird“, merkt Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen an. Konsequenzen für eine Falschaussage sind zumindest denkbar: Bundesanwalt Herbert Diemer hatte ein Ermittlungsverfahren deswegen nicht ausgeschlossen. Bislang ist allerdings noch kein NSU-Zeuge wegen möglicher Lügen belangt worden.

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