Es ist eins der größten Rätsel im NSU-Fall: Der Brandenburger Verfassungsschutz verhinderte möglicherweise die Festnahme des Trios – doch wer genau? Aufklärung bringt auch die Vernehmung eines wichtigen Quellenführers nicht.
Es ist jedes Mal ein bisschen wie Karneval, wenn der Zeuge Reinhard G. den Verhandlungssaal im Münchner Oberlandesgericht betritt: Auf dem Kopf eine schwarze Perücke, von der ein paar Strähnen unter der Kapuze des grauen Pullovers herausschauen. Die bizarre Maskerade dient dem Schutz eines Beamten, der an entscheidender Stelle für den Brandenburger Verfassungsschutz tätig war: Er protokollierte als Quellenführer den Tipp eines V-Manns, mit dem das NSU-Trio womöglich schon vor dem ersten Mord hätte gefasst werden können. Bereits zum vierten Mal ist er deshalb in den Prozess geladen.
Zum vierten Mal vernimmt das Gericht am Donnerstag Reinhard G., Beamter des brandenburgischen Innenministeriums und früherer Quellenführer von V-Mann Carsten Sz. alias Piatto. Dieser erhielt 1998 von einem Bekannten eine SMS mit der Frage nach einer Waffe auf ein Handy, das ihm offenbar der brandenburgische Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt hatte. Die Waffe war vermutlich für das untergetauchte NSU-Trio vorgesehen.
Bei seinen vorigen Vernehmungen war G. nicht nur mit Perücke zum Schutz seiner Identität erschienen, er fiel zudem durch ein flegelhaftes Auftreten auf. Vor allem in Bezug auf die SMS wollte er nur noch wenig in Erinnerung haben. Daher wird das Gericht heute erneut versuchen, mit Fragen bei G. durchzudringen.
ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Jan W., Neonazi aus Chemnitz, ist wohl eine der wichtigsten Figuren im Kreise der Helfer des NSU: Der frühere Anführer eines Blood-&-Honour-Ablegers soll dem untergetauchten Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 eine Waffe besorgt oder das zumindest versucht haben. Anhaltspunkt dafür ist eine verräterische SMS, die er an einen Bekannnten schickte – den V-Mann Piatto.
W. äußerte sich nicht im Prozess, da gegen ihn noch ein Ermittlungsverfahren läuft. Auch aus seinem Umfeld war wenig zu erfahren. Daher befragt das Gericht heute einen Beamten des Berliner Landeskriminalamts. Er prüfte unter anderem Telefonkontakte von W. zu UWe Mundlos und Uwe Böhnhardt.
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Vor Gericht geht es weiter um den Mitangeklagten Carsten S., laut Anklage Überbringer der NSU-Mordpistole Ceska 83. Zum zweiten Mal sagt am Mittwoch der psychiatrische Gutachter Norbert Leygraf aus, der S. begutachtet hat. Wichtig ist, wie glaubwürdig der Angeklagte in der Frage der Waffenbeschaffung ist.
S. hatte angegeben, dass der ebenfalls angeklagte Ralf Wohlleben ihm Geld gegeben habe, um damit die Pistole zu kaufen. Wohlleben hingegen behauptete in seiner Aussage vom Dezember, das Geld sei wahrscheinlich von dem Thüringer Neonazi-Anführer Tino Brandt gekommen.
Ebenfalls geladen ist ein Ermittler des Bundeskriminalamts, der S. zweimal vernommen hatte.
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Bezahlte V-Mann Tino Brandt die NSU-Mordwaffe? Im Münchner Prozess bestreitet der Neonazi den Vorwurf – und führt den Verfassungsschutz vor.
Seine Personalien muss Tino Brandt auch bei seinem vierten Termin im NSU-Prozess noch angeben – geboren am 30. Januar 1975 im thüringischen Saalfeld, gelernter Kaufmann im Einzelhandel, allerdings „derzeit ohne Arbeit“. Was wenig verwunderlich ist angesichts der Tatsache, dass Brandt seit Dezember 2014 wegen Kindesmissbrauchs in Haft sitzt. Weiter„Geld für eine rätselhafte „Sonderaktion“ des NSU“
Erneut ist der Thüringer Neonazi und frühere Verfassungsschutz-Informant Tino Brandt als Zeuge in den NSU-Prozess geladen. In bisherigen Vernehmungen hatte er über die frühere Zeit der NSU-Mitglieder in Jena berichtet. Diesmal soll er wohl insbesondere zu den Mitangeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. aussagen.
S. hatte angegeben, dass Wohlleben ihm Geld gegeben habe, um damit die Ceska-Pistole zu kaufen, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Menschen erschossen haben sollen. Wohlleben hingegen behauptete, das Geld sei wahrscheinlich von Brandt gekommen. Nun kann der 41-Jährige, der derzeit wegen Kindesmissbrauchs in Haft sitzt, dazu Stellung nehmen.
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Vertretern von NSU-Opfern geht die Aufklärung im Münchner Prozess nicht weit genug: Sie lehnen sich gegen Beschlüsse des Gerichts auf – und wollen den Fall bis in die höchste Instanz tragen.
Es schien, als sei das letzte Wort gesprochen: Der frühere Verfassungsschutz-Spitzel Ralf M., Deckname Primus, muss nicht als Zeuge im NSU-Prozess aussagen, verkündete Richter Manfred Götzl am 11. Mai. Für das Terrorverfahren sei M. ohne Bedeutung, ließ Götzl wissen – obwohl er einem Medienbericht zufolge das NSU-Mitglied Uwe Mundlos in seiner Baufirma und Beate Zschäpe in seinem Szeneladen beschäftigt haben soll. Damit war erneut ein Beweisantrag der Anwälte gescheitert, die die Opfer der Mordserie im Münchner Prozess vertreten.
Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben steht im Verdacht, dem NSU um die Jahrtausendwende herum die Morpistole Ceska 83 beschafft zu haben – durch den Mittelsmann Carsten S., der heute ebenfalls auf der Anklagebank sitzt. S.‘ Aussage zufolge stellte Wohlleben das Geld dafür zur Verfügung. Der jedoch stritt das in seiner Aussage vom vergangenen Jahr ab.
Was stimmt? Das versucht das Gericht am Donnerstag anhand der Buchungen auf Wohllebens Konto nachzuvollziehen. Ein Beamter des Bundeskriminalamts berichtet von den Ein- und Ausgängen, die Wohlleben in den Jahren 1999 und 2000 verzeichnete. Ein weiterer Ermittler macht zudem Angaben über Vernehmungen, die er 2012 und 2013 mit Carsten S. geführt hatte.
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Zwei Beamte des Bundeskriminalamts berichten am Mittwoch von Aussagen des Mitangeklagten Carsten S. Mit ihm hatte sich das Gericht eigentlich schon erschöpfend befasst: S. hatte zu Prozessbeginn umfassend ausgesagt und eingeräumt, dem NSU eine Waffe überbracht zu haben – mutmaßlich die Ceska 83, mit der neun Menschen erschossen wurden.
Nun aber sind seine früheren Angaben erneut relevant, weil der ebenfalls angeklagte Ralf Wohlleben sie in seiner eigenen Aussage vom vergangengen November in Zweifel gezogen hatte. Er bestritt, S. mit dem Transport beauftragt zu haben. Das Gericht prüft derzeit, wie glaubwürdig Wohllebens späte Einlassung ist.
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Eine glückliche Beate Zschäpe neben ihren beiden Männern auf Urlaubsfotos – der Beleg, dass die Angeklagte in ihrer Aussage gelogen hat? Im NSU-Prozess stellt sich die Frage nach der Grenze zwischen Beweis und Mutmaßung.
„Moin, moin!“, grüßt der Zeuge Kunibert W. norddeutsch-fröhlich, als er zu seiner Aussage in den Saal des Münchner Oberlandesgerichts eintritt. Er ist einer von etlichen Menschen, die Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt trafen, ohne zu wissen, wen sie da vor sich hatten. In seinem Fall war es eine kurze Begegnung: Unter Tarnnamen hatte das Trio im Sommer 2004 einen Wohnwagen auf dem Campingplatz im schleswig-holsteinischen Ascheberg reserviert, den W. betreute.