Die Beweisaufnahme im NSU-Prozess ist bereits im Spätsommer des vergangenen Jahres beendet, die Anwälte halten bereits ihre Plädoyers. Doch nun haben die Anwälte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben einen neuen Beweisantrag gestellt. Damit wollen sie beweisen, dass nicht er, sondern zwei andere Thüringer Rechtsextreme die vom NSU verwendete Pistole Ceska 83 besorgt haben. Genau deshalb aber ist Wohlleben als Mordhelfer angeklagt. Die Vorwürfe würden „nach der beantragten Beweiserhebung keinen Bestand mehr haben“, heißt es nun in einem neuen Gesuch seiner Verteidiger.
Sie forderten, die beiden Neonazis als Zeugen zu laden und Ermittlungsakten des baden-württembergischen Landeskriminalamts beizuziehen. „Wird Wohlleben also entlastet, weil nicht er die Tatwaffe besorgt haben soll? Wohl kaum“, kommentiert Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk. Merkwürdig sei, dass der Antrag erst jetzt komme und nicht schon zu Prozessbeginn. Nun sei eine Verzögerung zu befürchten: Entweder durch die Zeugenbefragung oder weil auf eine eventuelle Ablehnung des Gesuchs ein Befangenheitsantrag gegen die Richter folgen wird.
Die Plädoyers der Nebenklage sind derzeit unterbrochen, weil die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben am Dienstag einen Beweisantrag gestellt haben. Demnach war Wohlleben nicht für die Beschaffung der NSU-Pistole Ceska 83 verantwortlich, sondern zwei andere Rechtsextreme. Diese sollen nach dem Willen der Anwälte als Zeugen nach München geladen werden, zudem sollen neue Akten als Beweismittel verwendet werden. Die Bundesanwaltschaft den Vorstoß ab. Heute wollen sich die Verteidiger erneut dazu äußern. Solange über den Antrag gestritten wird, gehen die Vorträge der Opfervertreter nicht weiter.
Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Alle wollten dabei sein, als vor mehr als vier Jahren der NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht begann. Mehrere Hundert Journalisten hatten sich für die 50 reservierten Presse-Sitzplätze angemeldet. Sie wollten über die Verhandlung gegen die einzige Überlebende der Zwickauer Terrorzelle, Beate Zschäpe, berichten. Und sehen, wer ihre vier mutmaßlichen Helfer und Mitangeklagten waren.
Schließlich hatten die Taten des NSU Deutschland erschüttert: Die Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ermordeten laut Anklage neun Migranten und eine deutsche Polizistin, sie verübten zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle. Als die Gruppe enttarnt war, zündete Zschäpe die gemeinsame Wohnung in Zwickau an und brachte so auch Nachbarn in Gefahr.
Knapp vier Wochen lang ist Ruhe in Gerichtssaal A101, der NSU-Prozess ist in der Sommerpause. Am letzten Prozesstag vor der Pause ging es im Plädoyer der Bundesanwaltschaft wieder um den Mitangeklagten Ralf Wohlleben. Er war laut Anklage hauptverantwortlich dafür, dass der NSU an die Mordwaffe Ceska 83 kam. Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten bezeichnete Wohlleben als Mastermind, der die Hilfe für die drei untergetauchten Personen organisiert habe.
Für den Angeklagten „zeichnet sich eine lange Haftstrafe ab“, bilanziert Konrad Litschko von der taz. Entgegen seiner eigenen Aussage müsse er einkalkuliert haben, wofür die Täter die Waffe brauchten: „zum Morden“. Das rechtfertigt aus Sicht der Bundesanwaltschaft ein Urteil wegen Beihilfe zum Mord.
Neues Kapitel im Plädoyer der Anklage: Statt wie geplant mit den Banküberfällen beschäftigt sich die Bundesanwaltschaft seit gestern mit der Schuld der Mitangeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S., die dem NSU-Trio die Mordwaffe Ceska 83 verschafft haben sollen. Gegen beide habe sich die Anklage der Beihilfe zum Mord bestätigt, lautet das Fazit.
„Die Bundesanwaltschaft könnte es sich eigentlich leicht machen“, weil S. ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, schreibt Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Dennoch nähmen sich die Ankläger viel Zeit, um sich mit dem Vorwurf zu beschäftigen. Durch die große Detailfülle sei der Schlussvortrag „kompliziert in der Beweisführung“.
Dienstag ist der letzte Verhandlungstag vor der knapp einmonatigen Sommerpause im NSU-Prozess. Das Plädoyer der Bundesanwaltschaft wird auch nach der Pause Ende August weitergeführt. Derzeit geht es in dem Schlussvortrag um die Mitangeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. geht, die dem NSU-Trio die Mordwaffe Ceska 83 besorgt haben sollen.
In der vergangenen Woche hatten die Staatsanwälte bereits deutlich gemacht, dass sich die Vorwürfe der Anklage aus ihrer Sicht bestätigt haben – auch für Beate Zschäpe, die den Ermittlungen zufolge Mittäterin bei der Mord-, Anschlags- und Raubserie des NSU war.
ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Am Mittwoch lief die Frist für letzte Beweisanträge im NSU-Prozess aus – ein Mittel der Verfahrensbeschleunigung. Für Aufsehen sorgte der Antrag von Zschäpes Neuverteidiger Mathias Grasel, der das Protokoll einer Vernehmung von Zschäpes Mutter Annerose von 2011 im Gericht verlesen lassen will. Bei ihrem Auftritt als Zeugin Ende 2013 hatte sie die Aussage verweigert und der Verwendung ihrer Aussage widersprochen.
Nun genehmigte sie die Verwertung in einem Brief an das Gericht – und muss dort erneut erscheinen: Für die kommende Woche sei Zschäpes Mutter wieder als Zeugin geladen, berichtet Julia Jüttner auf Spiegel Online: „Wird die Mutter vor Gericht nur ihr Einverständnis zur Protokollverlesung erklären oder sich doch persönlich vernehmen lassen? Das könnte interessant werden.“ Sollte sie sich keiner Befragung stellen, kommen die Beamten, die sie damals vernommen haben, wie Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung schreibt.
Im Jahr 2013 schrieb Beate Zschäpe einen langen Brief an den damals in Bielefeld inhaftierten Neonazi Robin S. Das Schreiben wurde beschlagnahmt und in die Prozessakte geheftet, ist bislang jedoch kein Beweisstück. Das wollen Vertreter der Nebenklage jetzt ändern und das Dokument verlesen lassen. Am Mittwoch sprachen sich Zschäpes Verteidiger dagegen aus. Schließlich erlaubt der Brief tiefe Einblicke in die Angeklagte: Er sei „eine ungefilterte und nicht auf eine Verteidigungsstrategie und den Akteninhalt abgestimmte Selbstdarstellung“, analysiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Gegenüber S. habe sie sich „stark, selbstbewusst, ja fast abgebrüht“ gezeigt – und damit ganz anders als in der mithilfe ihrer Verteidiger abgefassten Aussage.
Ein wirrer Auftritt im NSU-Prozess: Als Zeuge sagte ein Mann aus, der mit dem Neonazi Tino Brandt 2014 im Gefängnis München-Stadelheim gesessen hatte. Damals machte Brandt seine erste Aussage vor Gericht – und soll dem Zeugen Sönke P. dabei verraten haben, dass er gezielt Informationen über seine rechten Kameraden zurückgehalten hat. Viel Überraschendes steckte nicht in diesen Informationen, zuvor hatte P. in einem Schreiben an das Gericht behauptet, er „habe was an der Klatsche“. „Von Bedeutung dürfte Sönke P.s Aussage vor allem für die Verteidigung des Mitangeklagten Ralf Wohlleben gewesen sein“, bilanziert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Denn nun könnten Wohllebens Anwälte argumentieren, dass die Schlüsselrolle in der rechten Szene nicht von ihrem Mandanten – wie von der Anklage behauptet – ausgefüllt wurde, sondern von Brandt.
Neun Menschen erschossen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt der Anklage zufolge mit der Pistole Ceska 83. Was die Ermittler feststellten, nachdem sie das Beweisstück aus dem Brandschutt der Zwickauer NSU-Wohnung geborgen hatten: Die Waffennummer war ausgeschliffen worden. Heute sagte ein Sachverständiger des Wiesbadener Bundeskriminalamts aus, der die Ziffern wieder sichtbar gemacht hatte. Für die Aufklärung des Falls ist das bedeutsam: Die Pistole lässt sich damit als diejenige identifizieren, die über Mittelsmänner aus der Schweiz zum NSU geschmuggelt wurde.
Ebenfalls geladen ist ein Mann, der gemeinsam mit dem Neonazi Tino Brandt im Gefängnis gesessen hatte. Ihm hatte Brandt nach Aussage des Zeugen gestanden, bei seiner ersten Aussage vor Gericht Informationen verschwiegen zu haben, um seine Kameraden zu schützen.
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