War die 2007 in Heilbronn ermordete Polizistin Michèle Kiesewetter wirklich ein Zufallsopfer des NSU? Die Aussage einer baden-württembergischen Ermittlerin schaffte am Dienstag keine Klarheit in dieser Frage – lieferte jedoch interessante Anhaltspunkte: Demnach pflegte das NSU-Trio Kontakte nach Baden-Württemberg. Zwischen 1993 und 2001 reisten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mehrmals zu Gesinnungsgenossen nach Ludwigsburg. Die Treffen im Keller eines Kameraden bleiben trotz dieser Erkenntnis mysteriös: „Was dort getrunken wurde, ist überliefert – was gesprochen wurde eher nicht“, schreibt Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk.
Die Prozesswoche beginnt mit der Zeugin Sitta I., von der sich das Gericht Angaben zum Waffenschmuggel der NSU-Pistole Ceska 83 erhofft. I. war in den neunziger Jahren die Lebensgefährtin des Schweizers Hans-Ulrich M., der die Waffe aus seinem Heimatland in die Bundesrepublik gebracht haben soll. Bei einer Vernehmung im Jahr 1996 belastete sie den Zeugen Enrico T., der ebenfalls in den Transport eingebunden gewesen sein soll. I. sagte damals aus, T. habe einen sogenannten Schießkugelschreiber besessen – den hatte er mutmaßlich von M. erhalten.
Im Anschluss ist eine Ermittlerin des baden-württembergischen Landeskriminalamts geladen. Auf einen Beweisantrag von Nebenklageanwälten hin soll sie Angaben zu Bezügen des NSU nach Baden-Württemberg machen. Dort ermordeten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2007 mutmaßlich die Polizistin Michèle Kiesewetter.
Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Erneut hat sich das Gericht mit dem Schmuggel der NSU-Mordwaffe Ceska 83 beschäftigt. Dazu sagte ein Schweizer Staatsanwalt aus, der 2012 die Zeugen Peter-Anton G. und Hans-Ulrich M. vernommen hatte. Sie sollen die Pistole 1996 bei einem Waffenhändler gekauft und nach Deutschland geschmuggelt haben. Die Befragung von M. durch den Beamten förderte damals einiges zutage: „Seine vorherigen Aussagen bei der Polizei korrigierte der Schweizer. Und zwar erheblich“, resümiert Björn Hengst auf Spiegel Online.
Am 147. Prozesstag bekam der NSU-Prozess Besuch aus dem rechten Lager: Der Rechtsextreme Karl-Heinz Hoffmann besuchte die Verhandlung und sprach dabei einen Anwalt der Nebenklage und die Verteidigerin von Ralf Wohlleben, Nicole Schneiders, an, wie Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen berichtet. Hoffmann ist der Gründer einer sogenannten Wehrsportgruppe, die später verboten wurde.
Wieder beschäftigt sich der Strafsenat mit dem Schmuggel der Mordpistole Ceska 83, an der die Schweizer Peter-Anton G. und Hans-Ulrich M. beteiligt sein sollen. Als Zeuge ist ein Staatsanwalt geladen, der beide im Jahr 2012 befragt hatte. G. soll die Pistole bei einem Waffenhändler gekauft haben oder dafür seine Personalien zur Verfügung gestellt haben. M. brachte sie laut Anklageschrift nach Deutschland, wo sie über Mittelsmänner an das NSU-Trio gelangte. Mit der Pistole wurden neun Menschen erschossen.
Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Zum dritten Mal vernimmt das Oberlandesgericht in München den Schweizer Polizisten Patrick R., der zwischen 2009 und 2012 die Zeugen Peter-Anton G. und Hans-Ulrich M. befragt hatte. G. und M. sollen am Schmuggel der NSU-Mordwaffe Ceska 83 beteiligt sein: Sie sollen die Pistole 1996 bei einem Händler gekauft und an Mittelsmänner in Deutschland weitergegeben haben. Bei den ersten Gerichtsterminen hatte sich abgezeichnet, dass durch das Schweigen der Zeugen die Aufklärung der Mordserie behindert wurde.
Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Der Zeuge Thomas B. sagte am 141. Prozesstag über seinen Jugendfreund Uwe Böhnhardt aus – und beschrieb ihn als Mann mit explosivem Temperament. „Die Aussage zeichnet ein gruseliges Bild von der mentalen Verwahrlosung junger Ostdeutscher in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung“, bilanziert Frank Jansen im Tagesspiegel. Denn mit dem Freundeskreis um Böhnhardt begann B. als Jugendlicher Autos zu knacken und zu trinken. Zu seiner Aussage wurde der 37-Jährige aus einer Suchtklinik ins Gericht gebracht. Auch für Uwe Böhnhardt wurden damals die Weichen gestellt: „Die Zeit in der Gang Anfang der 1990er Jahre, so scheint es, hat Böhnhardt auf fatale Weise geprägt.“
Der Zeuge Thomas B. aus Thüringen hatte bei seinem letzten Vernehmungstermin im Juli für Furore gesorgt – weil er nicht erschienen war. Als Grund dafür gab er an, auf halbem Wege nach München Durst bekommen zu haben und in eine Kneipe gegangen zu sein. Es war bereits die zweite Vernehmung, die er platzen ließ. Am Montag könnte B. von der Polizei vorgeführt werden.
B. ist ein Jugendfreund von Uwe Böhnhardt und beging gemeinsam mit ihm Straftaten. In Vernehmungen beschrieb er ihn als aggressiv. Zudem erwarten die Prozessbeteiligten Informationen zum Schmuggel der NSU-Waffe Ceska 83. B. kannte den Zeugen Enrico T. und sagte bei der Polizei, dass dieser eine andere Waffe von einem Schweizer Kompagnon erhalten habe. Zudem brachte er T. bei den Ermittlern mit dem Mord an einem Kind in Verbindung.
ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Der Sprengstoffanschlag von Köln 2004, der Mord an Ismail Yasar in Nürnberg 2005 – zwei Taten, die dem NSU zugerechnet werden und Parallelen zueinander aufweisen. Kurz nach dem Mord brachte der Nürnberger Ermittler Albert Vögeler beide Fälle in Zusammenhang. Doch mit dieser These konnte er die Kollegen beim Bundeskriminalamt (BKA) nicht überzeugen, wie er gestern vor Gericht schilderte. Das Ergebnis mache „deutlich, wie die Täter von Pannen und Versäumnissen der Ermittler profitierten“, kommentiert Björn Hengst auf Spiegel Online.
Wie am Vortag beschäftigte sich das Gericht am Mittwoch mit den Aussagen der Schweizer Zeugen Peter Anton G. und Hans Ulrich M., die in der Schweiz die NSU-Waffe Ceska 83 besorgt haben sollen. Dazu sagte erneut ein Schweizer Polizist aus, der beide mehrmals vernommen hatte. Dass G. seinen Freund M. in den bereits 2007 begonnenen Befragungen nicht verriet, hatte möglicherweise weitreichende Folgen: Hätte er damals „die Wahrheit gesagt, wären die Ermittler dem NSU möglicherweise schon früher auf die Spur des Trios gekommen“, schreibt Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung. Erst 2012, nach dem Auffliegen der Gruppe, machte G. reinen Tisch.