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Demo für den rechten Opfermythos

Neonazis wollen Kameraden in Haft zu Märtyrern verklären. In Brandenburg demonstrieren sie für Gesinnungsgenossen – auch, damit die Häftlinge der Szene treu bleiben.

Von Hardy Krüger

Demo für den rechten Opfermythos
Rechtsextreme auf der Kundgebung für gefangene Kameraden in Brandenburg
© Hardy Krüger

Auf dem Katharinenkirchenplatz in Brandenburg an der Havel sind die Kräfte ungleich verteilt: 40 Rechtsextreme haben sich zusammengefunden, um an ihre Gesinnungsgenossen zu erinnern, die im Gefängnis sitzen. Lautstark protestieren 150 Gegendemonstranten, Parolen wie „Faschistische Strukturen zerschlagen“ und „Kein Kiez für Nazis“ steht auf ihren Transparenten.

Die Neonazis beklagten auf ihren Bannern wiederum ein „totalitäres Sonderrecht“, weil der Straftatbestand der Volksverhetzung in einem Land mit Meinungsfreiheit keinen Platz habe. Der Tag der politischen Gefangenen, den sie an diesem Samstag begehen, ist ein wichtiger Termin im rechtsextremen Kalender. Bereits im Vorjahr fand die Kundgebung in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam statt.

Wer die falsche Meinung hat, dem droht Knast – das ist die Botschaft, die in die Welt gesetzt werden soll. Doch die Klagen sind Maskerade. Die Inhaftierten, für die sich die Initiative einsetzt, sind einschlägig wegen Volksverhetzung verurteilte Straftäter wie die Holocaustleugner Ursula Haverbeck oder Horst Mahler.

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Bayerisch radikal

Wiesen, Berge, Kühe: Für viele ist das Allgäu bloß eine schmucke Urlaubsregion. Doch in der vermeintlichen Idylle hat sich ein rechtsextremes Netzwerk mit guter Tarnung verbreitet.

Ein Gastbeitrag von Sebastian Lipp

Rechtsextremismus: Hinter der saftig-grünen Fassade im Allgäu steckt ein tiefbrauner Sumpf. Auf diesem idyllischen Hof fand ein Neonazikonzert statt. © Norbert Kelpp
Hinter der saftig-grünen Fassade im Allgäu steckt ein tiefbrauner Sumpf. Auf diesem idyllischen Hof fand ein Neonazikonzert statt. © Norbert Kelpp, allgaeu-rechtsaussen.de

Wenn es um seinen Bauernhof geht, gerät Landwirt Benjamin Burandt ins Schwärmen. Im Internet schreibt er von der „Liebe zu Natur und Landwirtschaft“, die ihn dazu gebracht habe, in seinem Hofladen direkt an seine Kunden zu verkaufen, „dem heutigen Zeitgeist entsprechend“. Eier, Milch und Kesselfleisch von glücklichen Tieren, es könnte nicht schöner, es könnte nicht bayerischer sein als auf dem Lutzhof in Babenhausen, gelegen im nördlichen Allgäu.

Doch der Landwirt hat ein Geheimnis, eines, das Kunden und Geschäftspartner nicht sehen sollen. Burandt ist aktiv in der örtlichen Skinheadszene und spielt als Musiker in einer rechtsextremen Band. Zu den Postkartenmotiven des Allgäus, grüne Wiesen mit Kühen unter blau-weißem Himmel, passt das natürlich nicht. Doch die Region beherbergt die größte noch aktive Skinheadgruppierung in Bayern.

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Neonazis unter sich

Rechtsextreme organisieren ihre Events gerne konspirativ. Doch nicht immer bleibt im Verborgenen, was sie planen. Wie am vergangenen Samstag. So kam es dazu.

Von Sebastian Lipp

Eine Gruppe aus Göppingen wird vom Schleuser zum Konzert beim Kleintierzüchterverein in Bitz gelotst. ©Norbert Kelpp, allgaeu-rechtsaussen.de
Eine Gruppe aus Göppingen wird vom Schleuser zum Konzert beim Kleintierzüchterverein in Bitz gelotst. ©Norbert Kelpp, allgaeu-rechtsaussen.de

Neonazis bleiben gerne unter sich. Eine kritische Öffentlichkeit, die Polizei, die ihre Gäste kontrolliert, und Behörden, die lästige Auflagen oder gar Verbote erteilen, sollen von ihren Veranstaltungen möglichst nichts erfahren. Deshalb werden vor allem Konzerte immer wieder verdeckt organisiert. Flugblätter werden nur unter der Hand und ohne Ortsangabe an Szeneanhänger verteilt. Wer zum Konzert will, muss eine Art konspirative Schnitzeljagd absolvieren. Doch nicht immer geht diese Geheimniskrämerei auf.

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Das Reich geht den Bach runter

Ein Reichsbürger-Paar im Allgäu betreibt seinen eigenen Staat und verbreitet Verschwörungstheorien. Wegen wirrer Drohbriefe an Behörden droht den beiden jetzt Gefängnis.

Von Sebastian Lipp

Extremismus: »Mittelschwerer bewaffneter Flugkreisel, Type "Hanebu II«: Angebliche Konstruktionspläne der SS dienen dem argo-Verlag als Quelle. (Aus dem Archiv von allgaeu-rechtsaussen.de)
„Mittelschwerer bewaffneter Flugkreisel, Type ‚Haunebu II'“: angebliche Konstruktionspläne der SS, über die der Verlag der Eheleute berichtet (Aus dem Archiv von allgaeu-rechtsaussen.de)

Der Brief, den Rentner Rolf am „23. Tage des zwölften Monats anno Domini 2017“ an die Direktorin des Amtsgerichts in Kaufbeuren im Allgäu schrieb, hatte es in sich. „Zu ihrer gefälligen Kenntnisnahme“ versuchte der heute 72-Jährige die Behördenleiterin Rita Ostenried mit seinem Schreiben vom 23. Dezember 2017 zu nötigen, innerhalb von drei Tagen eine „Erklärung unter Eid unter unbegrenzter Haftung“ vorzulegen. Bleibe diese aus, stehe fest, dass die von Rolf S. angeführten Sachverhalte „vollumfänglich wahr“ seien und er „mit 150 Milliarden Dollar der aktuellen amerikanischen Währung zu entschädigen“ sei.

Nein, Rentner Rolf ist kein bescheidener Mann. Vom damaligen bayerischen Justizminister Winfried Bausback forderte er sogar 450 Milliarden US-Dollar, weil dieser sein „privates kommerzielles Instrument zweimal nacheinander entehrt“ habe, wie es so kryptisch wie unsinnig in seinem Brief hieß. Zwischen Ende Dezember 2017 und Anfang März 2018 forderte er so mehr als eine Billion Dollar „Schadensersatz“.

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Nazis propagieren Dresdner Opfermythos

Die Luftangriffe nennen sie „Bombenterror“, die Opferzahlen geben sie falsch an: Rechtsextreme Geschichtsverfälscher haben anlässlich der alliierten Bombardierung von Dresden demonstriert. Auch die AfD knüpfte daran an.

Von Hardy Krüger und Henrik Merker

Rechtsextremismus: Neonazis tragen einen Kranz auf der Dresdner Demonstration. © Hardy Krüger
Neonazis tragen einen Kranz auf der Dresdner Demonstration. © Hardy Krüger

Bis zum Sonnenuntergang sind Dutzende Skater auf der Dresdner Lingnerallee unterwegs. Auf der Skaterampe üben sie Tricks und Stunts, bis sie von Polizeifahrzeugen verdrängt werden. Zwei Polizisten in Kampfmontur schauen zu, wie sie heim in Richtung Dresdner Szeneviertel fahren. Der Skateplatz, der sonst den Jugendlichen gehört, ist am 15. Februar Versammlungsort für Neonazis aus ganz Europa. Sie protestieren gegen das, was sie „angloamerikanischen Bombenterror“ nennen.

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AfD-Gründer Lucke fordert: Partei soll Rechtsextreme ausgrenzen

AfD-Gründer Bernd Lucke hat die gemäßigten Mitglieder seiner ehemaligen Partei aufgefordert, Rechtsextremen in ihren Reihen die Stirn zu bieten.

AfD-Gründer Bernd Lucke, hier bei einer Parteiveranstaltung im März 2014 © Jens Meyer/dpa

Lucke schreibt in einem offenen Brief „an die nicht rechtsextremen Mitglieder der AfD“, den er auf seiner Homepage veröffentlichte: „Brechen Sie mit den Rechtsextremisten in der AfD! Grenzen Sie sie aus und fordern Sie sie auf, Ihre Partei zu verlassen.“

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Die Hooliganpatrouille von Düsseldorf

In Düsseldorf marschiert eine Truppe selbst ernannter Aufpasser durch die Stadt. Ihr Ziel: Angst und Einschüchterung verbreiten. Jetzt formiert sich Widerstand.

Von Jennifer Marken

Rechtsextremismus: Mitglieder der Bruderschaft Deutschland, hier bei einem angeblichen Trauermarsch für einen toten Neonazi im September 2018 in Mönchengladbach © Christophe Gateau/dpa
Mitglieder der Bruderschaft Deutschland, hier bei einem angeblichen Trauermarsch für einen toten Neonazi im September 2018 in Mönchengladbach © Christophe Gateau/dpa

Die einschüchternden Bilder waren gewollt: 34 Hooligans versammelten sich im Oktober 2018 zum Gruppenfoto am S-Bahnhof Düsseldorf-Eller Süd, gekleidet in Bomberjacken, schwarzen Kapuzenpullovern oder Anoraks mit Tarnfarben. Das Foto der Männergesellschaft, die öffentlich unter dem Namen Bruderschaft Deutschland auftritt, wurde über Twitter verbreitet.

Die rechte Truppe selbst marschierte anschließend durch den Stadtteil Eller. Das Viertel in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt sollte ab jetzt ihr Gebiet sein, das war die eindeutige Botschaft der Patrouillen. Es folgten noch weitere.

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Planten Angreifer von Halle Terroranschläge?

Wegen eines Angriffs auf Demonstranten sind zwei Neonazis in Halle an der Saale zu Haftstrafen verurteilt worden. Nach dem Urteil sind noch viele Fragen offen – auch zu den Plänen ihrer rechtsextremen Kameradschaft.

Von Felix Knothe

Prozess nach Neonazi-Attacke in Halle: Angriff mit System?
Einer der Angreifer stürmt am Rande der Maidemo in Halle auf Opfer zu. © Henrik Merker

Er warf mit Steinen und Flaschen, drosch mit einem Kabel auf Passanten ein: Wegen eines Gewaltexzesses nach einer Demonstration im sachsen-anhaltischen Halle an der Saale ist ein hessischer Neonazi zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Seine Partnerin, die ebenfalls Steine geworfen hatte, erhielt ein Jahr und zwei Wochen auf Bewährung.

Damit steht offiziell fest, worum es sich bei der Tat vom 1. Mai 2017 handelte: eine Hetzjagd. Die Angeklagten Carsten M. und Martina H. hätten „eine Jagd auf Gegendemonstranten aus Frust über die abgesagte Demonstration“ veranstaltet, heißt es im Urteil des Landgerichts vom Freitag. Die Vorsitzende Richterin Sabine Staron sah darin eine „erhebliche Gewaltbereitschaft und erhebliche Gewaltausübung“.

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AfD-Mitarbeiter am rechten Rand

Wegen enger Kontakte zu Rechtsextremen muss die AfD eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz fürchten. ZEIT-ONLINE-Recherchen zeigen weitere Verstrickungen in das Milieu.

Von Henrik Merker

Rechtsextremismus: NPD-Jugend, Identitäre und AfD haben personelle Überschneidungen. © Paul Zinken/dpa, Ronny Hartmann/Getty, Alexander Koerner/Getty
NPD-Jugend, Identitäre und AfD haben personelle Überschneidungen. © Paul Zinken/dpa, Ronny Hartmann/Getty, Alexander Koerner/Getty

Ende Januar 2019 gelangte ein geheimes Gutachten an die Öffentlichkeit, verfasst im Auftrag des Bundesverfassungsschutzes. Auf 436 Seiten werden darin verfassungsfeindliche Umtriebe in der AfD beleuchtet: Von Holocaustleugnung und Kontakten hoher Funktionäre in die rechtsextreme Szene ist die Rede. Der Partei droht eine Beobachtung durch den Geheimdienst.

Offiziell grenzt sie sich deshalb von rechtsextremen Gruppen ab. Doch die Zusammenarbeit mit der neu-rechten Identitären Bewegung und früheren Mitgliedern der NPD-Jugend ist ungebrochen. ZEIT ONLINE hat zwei weitere Verbindungen in Brandenburg und Thüringen aufgedeckt.

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Braune Geschäfte mit der Kirche

In Bayern kaufte ein rechtsextremer Musiker eine Kirche, machte sie zu einem hippen Partyraum. Jetzt ist der Neonazi aufgeflogen. Sein Geschäftspartner hat ihn rausgeschmissen.

Von Sebastian Lipp

Neo-Nazis: Braune Geschäfte mit der Kirche
Die ehemalige Christuskirche heißt jetzt Projekt Gastraum. Wo einst der Altar stand, ist jetzt die Bar. © Sebastian Lipp

Etwa mittig zwischen Ulm und Memmingen liegt Illertissen. Seinen Namen hat das bayerisch-schwäbische Städtchen von der unmittelbar vorbeifließenden Iller, die zugleich die Grenze zu Baden-Württemberg markiert. Wer von Süden kommend das Ortsschild passiert, den begrüßen zwei große Werbebanner. „Philipp Mörwald Freiraumgestaltung“ steht auf dem einen, „Projekt Gastraum“ auf dem anderen. Was Besucher nicht ahnen können: Zwischen beiden gibt es eine Verbindung – und die reicht tief ins Milieu der größten Neonazikameradschaft Bayerns.

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