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Die Anti-Trump-Stadt

Toleranz und Rassismus, Armut und Reichtum existieren in New York nebeneinander. Aber man spürt den Willen, die sozialen Ungerechtigkeiten zu überwinden. Trotz Trump

Nicolai Berntsen/Unsplash

Seit Anfang Oktober bin ich in New York, wohne wie alle Stipendiaten aus Deutschland, der Schweiz, Österreich in den Silver Towers an der berühmten Bleecker Street, gleich hinter dem berühmten Washington Square Park, um den die Gebäude der berühmten New York University verstreut liegen. Von meinem Fenster im siebten Stock sehe ich rechts auf die Houston Street, wo das angesagte und schicke Viertel SoHo (für: South of Houston Street) beginnt, links, leicht nach hinten versetzt, die Häuserzeile des Broadway, noch etwas weiter hinten das Bayard-Condict-Building von 1899, einziges Gebäude und erster Stahlträgerbau in New York City des vor allem für Chicagoer Bauwerke berühmten Architekten Louis Sullivan. Weiter„Die Anti-Trump-Stadt“

 

Ach, du deutscher Bohnentopf!

Heinrich Bölls 100. Geburstag feiern? Natürlich. Aber muss deshalb gleich wieder gejammert werden, dass Schriftsteller heute nicht mehr engagiert sind? So ein Unsinn.

© dpa

Welch deutsches Thema! Immer wieder hört man davon, „Engagement, politische Einmischung, Relevanz der Literatur“. Man hört es fordernd oder nostalgisch oder beides, aufs Beste miteinander verquickt. Ach, die Literatur! Ihr Niedergang! Insbesondere der Niedergang ihrer Autoren. Nicht engagiert, nicht interessiert, nicht politisch. Wie anders das war, als die großen Alten noch agierten: Böll, Grass, und ein bisschen auch Walser. Weiter„Ach, du deutscher Bohnentopf!“

 

Das Jahr in Quersumme

Demokratie auf dem Rückzug, Hirnriss auf dem Vormarsch? 2017 ist furchtbar, zum Glück aber bald vorbei. Der Rückblick schmerzt und muss freilich verschwörerisch enden.

Jahresrückblick: Das Jahr in Quersumme
Was für ein Jahr! Sogar die Sonne war nur halb voll und dann ganz weg. (© Mark Tegethoff/unsplash.com)

Oft habe ich dieses Jahr an Bernd Kasparak gedacht. Denn Bernd Kasparak, komischer Zeichner und Kurztextvirtuose, gestaltete vor Zeiten einen Wandkalender (Kasparaks Monatsblätter) mit dem Titel Wird ein Rie–sen Scheiß–jahr. Ich war mir sogar sicher, dass es ein Kalender für 1997 gewesen sei, weil ein besonders schlichter Teil meines Gemüts an die Plausibilität von Dezimaljubiläen glauben will. Also Rie–sen Scheiß–jahr, simsalabim: Zwanzig Jahre später tritt es dann ein. Weiter„Das Jahr in Quersumme“

 

Der letzte Hort der Utopie

Auf Spielplätzen können auch Erwachsene lernen: Verlorenes wiederzufinden und den Blick auf die Gegenwart zu verändern. Eine Reise zu übersehenen Orten

© Jochen Schmidt

Spielplätze sind utopische Orte, hier soll alles wieder gutgemacht werden, was die Welt der Erwachsenen den Kindern antut. Die Gestalter bleiben meist unbekannt, aber an ihren Schöpfungen kann man viel über die Gesellschaft ablesen, weil sie einem davon erzählen, wie die Bedürfnisse der Kinder eingeschätzt werden. Weiter„Der letzte Hort der Utopie“

 

Der Drachenbezwinger

Vom Staat erwartet man in Russland nicht Politik, sondern Wunder. Wahlen sind nur Schaukämpfe. Der Sieger steht vorab fest. Deshalb ist Putin so mächtig und so beliebt.

© [M] Alexander Zemlianichenko/Pool / Reuters
 

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Russland ist literaturfixiert. Über die Haltung der Amerikaner zu ihrer Regierung informiert man sich am besten in Fernsehen und Internet, über die der Vietnamesen auf dem Basar, über die der Deutschen am Stammtisch. In Russland erfährt man im Fernsehen nur, was die Regierung von sich hält, auf dem Basar wird eingekauft und weiter nichts, und in der Bar sind nach alter Tradition seit Iwan III. Diskussionen über Politik tabu. Dafür gibt es die Küchengespräche, zu denen man aber erst mal eingeladen werden muss. Doch seit Gogols Zeiten finden sich sämtliche Antworten auch in der hochwertigen Belletristik. Weiter„Der Drachenbezwinger“

 

Warum ich froh bin, keine Tochter zu haben

Ob der alltägliche Sexismus überwunden ist, wenn unsere Kinder groß sind? Die Geschlechterklischees, in denen sie noch immer aufwachsen, lassen daran zweifeln.

© Mon Petit Chou Photography / unsplash.com

Die Frau, die einmal die Woche meine Wohnung putzt, legt die Wäsche in schön gefalteten Stapeln zusammen: Hosen von Kind Nr. 1, T-Shirts von Kind Nr. 2, selbst die Socken der beiden, die sich nur um eine Größe unterscheiden, hält sie ordentlich auseinander. Und dann gibt es immer den Stapel, bei dem sie nicht weiß, wohin damit: Die Nachthemden meines Sohnes. Rosa- und fliederfarben, im – aus seiner Sicht – besten Fall mit großen Pferden bedruckt. Einhörner sind auch gerne genommen, Elsa, was es da nicht alles gibt. Er liebt sie, hat explizit darum gebeten, nur in Nachthemden schlafen zu dürfen, aber sie fragt mich, und zwar jede Woche aufs Neue, die Verwunderung weicht nicht ihrer Stimme, ob ich mir vielleicht eine Tochter wünsche. Ich schüttle wahrheitsgemäß den Kopf, nein. Weiter„Warum ich froh bin, keine Tochter zu haben“

 

Nudeln nur an Mogeltagen

Je radikaler Diäten sich geben, desto beliebter sind sie. Tatsächlich steckt hinter Heilsversprechen durch Ernährung nur eines: unser Selbsthass.

© edceee / unsplash.com

Früher waren Diäten aufrichtiger. Nein wirklich: Bis in die Neunzigerjahre ging es bei ihnen vor allem darum, den Körper ohne jegliche Heilsversprechen zu verarschen, damit er schlanker wird. Man wusste, dass das Unterfangen ungesund war, aber es herrschte Kalter Krieg, und man wollte die Tage vor der allgemeinen nuklearen Auslöschung wenigstens in der Lieblingsjeans verbringen. Weiter„Nudeln nur an Mogeltagen“

 

Drei Wochen in der Normalität

Wie das Erwachen aus der Kindheit oder aus einem mit skandinavischen Möbeln vollgestellten Traum: Wer nach China reist, muss die europäischen Krustenrüstungen ablegen.

© Ann Cotten


 

In China zu sein! Endlich! Ich setze einen Fuß in meine größte Bildungslücke. Es ist die Schwelle einer U-Bahn-Station. Polierter Granit, mit Blindenleitrillen und Warnansagen auf Chinesisch und Englisch. Peking. Weiter„Drei Wochen in der Normalität“

 

Die Heimat im Rucksack

Erst seit ich die Ukraine verlassen habe, koche ich Borschtsch und liebe Dill. Oder Natron. Warum man das Vertraute braucht, um ein neues Leben beginnen zu können.

© Tina Hartung / unsplash.com

Ich kannte einmal einen Tunesier, der jeden Satz mit „Bei uns in Tunesien ist es so“ begann. Als ich ihm sagte, ich sei Schriftstellerin, schaute Furt, so hieß er, mich mit solch tiefem Mitleid an, als wäre ich ein verkrüppeltes Kaninchen. „Bei uns in Tunesien ist es so“, verkündete er prompt, „die Klugen studieren Mathematik und Physik, die Dümmeren Wirtschaft, und die ganz Dummen, die zu nichts nütze sind, beschäftigen sich mit Literatur. Damit du nur weißt, ich bin Mathematiker.“ Weiter„Die Heimat im Rucksack“

 

Willkommen zurück in der Bonner Republik

Lange wurde ich für meinen Glauben an das innovative Potenzial der FDP belächelt. Dass sie sich nun selbst verweigert, ist enttäuschend und ein Rückfall in alte Zeiten.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner © Odd Andersen/AFP/Getty Images

Über Partys, auf denen man selbst nicht war, sollte man nicht reden, gerade darum redet es sich über sie so gut. Wer weiß schon, ohne dabei gewesen zu sein, wie es tatsächlich zuging bei den Sondierungsgesprächen. Ich kann nur sagen, dass es schon als FDP-Sympathisantin auf manchen Partys nicht so spaßig ist. Genervt genug bin ich oft gewesen, wenn mir mit der Geste ungeprüfter moralischer Überlegenheit erklärt wurde, dass FDP ja nun gar nicht gehe, ehe überhaupt meine Argumente gehört wurden. Ich habe dann allerdings die Party nicht verlassen, sondern tief durchgeatmet und mir ein Bier geholt. Weiter„Willkommen zurück in der Bonner Republik“