Der französische Fotograf Jean-Paul Goude zitiert sich selbst und macht das Internet verrückt: Gedanken zu Kim Kardashians Hintern
Das Reizvolle hier an Freitext ist, dass einem in unregelmäßigen Abständen Begriffe und Bilder zugeworfen werden. Manche lässt man fallen, manche fängt man auf.
Was macht jemand damit, wenn er etwas Aufgefangenes in Händen hält und es ihn anblickt? Was wir sehen, blickt uns an, heißt ein Aufsatz von Georges Didi-Huberman. Und so ist es auch mit dem Hintern von Kim Kardashian: Wir wollen uns seiner Omnipräsenz entziehen – aber ewig grinst er weiter aus den Magazinen. Weiter„Und ewig grinst der Po“
Offenbar herrscht noch der Glaube, Literatur von Frauen sei schlechter als von Männern. Und seit wann spielt das Herkunftsland eine Rolle? Eine Replik auf Feridun Zaimoglu
Von Olga Grjasnowa, Nino Haratischwili und Lena Gorelik
Ich sitze nicht in der Bahn. Weil sie streikt. Ich muss zum Flughafen, aber zum Glück dauert der Flug nicht allzu lang. Das bedeutet, dass ich euch meine bestimmt sehr „welthaltigen“ Reisestrapazen der aktuellen Lesetour, meine Wehleidigkeit und mein grippales Leiden ersparen kann. Ebenfalls berücksichtige ich die misogynen Neigungen des Kollegen Feridun Zaimoglu, der es leid sei, „Placebo-Romane“ lesen zumüssen. Warum sollte man sich gezwungen sehen, sie zu lesen, frage ich mich. Weiter„Mit Brüsten heißt nicht ohne Hirn“
Der Tausendseiter ist fertig, der Kumpel ein Tölpel, der über eine öde Hupe schluchzt. Vor lauter Schreck kauft unser Autor tütenweise Haushaltsreiniger.
Donnerstag, neun Uhr vierzehn, Arbeit am Tausendseiter abgeschlossen. Ich starre auf die Zeile, auf den Punkt am Satzende, auf den Doppelabsatz, und auf das Wort, das ich in Großbuchstaben getippt habe: ENDE. Ziehe das Blatt aus der Walze, suche und finde Tippfehler, berichtige. Wische die Tasten der Schreibmaschine sauber, greife mir an die Stirn: kein Fieber, keine Aufwallung, kein erstickter Jubelschrei.
Notizen einer sorgenvollen Existenz: Was, wenn der IS tatsächlich an Einfluss gewinnt? Was, wenn die Gesellschaft keinen Platz mehr für Literatur hat? Was, wenn das Internet uns fremdbestimmt?
September 2014
Angefangen, Jurjew zu lesen, Die russische Fracht. Was für ein Ton, was für ein
Irrsinn der Sprache, was für eine Größe von der ersten Seite an. Wir müssen für diese große russische Literatur, die wir als Geschenk bekommen, auch den Preis zahlen, den Größenwahn auf dem Weltparkett, die Gewalt, in der die Russen zu Hause sind, im Schönen wie im Hässlichen. Weiter„Tagebuch des allmählichen Untergangs (2)“
Was macht der Schriftsteller am Sonntag? Er gesellt sich zum Ungeziefer und spricht mit ihm. Das Fax der Woche
Ich sprach mit einer Ratte. Ihr Kopf steckte im Restfraß im Stanniol, blasses Licht der Straßenlampe fiel auf die Friedhofsmauer. Sie fraß zuckend, und ich ekelte mich, ich schauderte. Sie hatte vergorenen Fraß im Bauch, sie war besoffen, ich hätte schwören können, dass sie es war. Ratte, filziges Fell, Schluckauf. Der Sonntagsekel.
Unser Autor Florian Werner wird andauernd von Ohrwürmern heimgesucht. Sein neuer will ihn ideologisch beeinflussen: Migranten verließen ihre Heimat aus Lust, nicht aus Not. Wer’s glaubt.
Beschreibung: Nicht etwa das bekannte Volkslied gleichen Namens, sondern die Vertonung in B-Dur aus dem Zyklus Die schöne Müllerin von Franz Schubert; der Text stammt passenderweise von Wilhelm Müller. Allerdings kennt mein Ohrwurm nur die erste Strophe, die nicht minder schönen Strophen über „das Wasser“, „die Räder“ und „die Steine“ lässt er einfach weg. Stimmlich ahmt mein Ohrwurm täuschend echt den jungen Dietrich Fischer-Dieskau nach; wie dieser hält er sich brav an die Tempobezeichnung: „mäßig geschwind“.
Vorkommen: Mäßig häufig. Auslöser sind in der Regel − wenig überraschend − Wanderungen.
Fundamentalismus begegnet uns heute überall. Nicht nur in religiösen Zusammenhängen. Während einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas im Berliner Olympiastadion wurde unserem Autor einiges klar.
An einem Tag im Juli bekam ich an meiner Wohnungstür eine Einladung zum Jahreskongress der Zeugen Jehovas überreicht. Auf dem Faltblatt stand: „Offen für alle!“ Und: „Der Eintritt ist frei.“ Außerdem stand auf dem Faltblatt noch das Thema des Kongresses: „Der neue Herrscher der Erde – wer ist dafür geeignet?“
Ich hatte noch nie eine Veranstaltung der Zeugen Jehovas besucht, wusste und weiß auch heute noch wenig über sie. Der Vortrag über den neuen Herrscher der Erde sollte in dem vor achtzig Jahren von Adolf Hitler in Auftrag gegebenen Olympiastadion in Berlin gehalten werden. Ich dachte: unglaublich. Weiter„Der Verlust am Ende der Welt“
Auf Lesereise durch die Republik. Programmpunkt Interkulturelle Literatur. Ausländer- und Exilantenenkel jammern und schnäuzen Kummer aufs Papier. Deutschenhass gehört heute zum guten Ton.
Anfahrt Mannheim, Fieberträume im Zug, es glühen mir Stirn und Schädel, Ausbruch eines schweren Schnupfens am goldenen Oktobertag, IT-Angestellte quatschen Girlanden aus kodierten Worten, sprachverarmte Muttersprachler, selbstgefälliges Schweinepack.
Ich mache gern den Spießer, erhebe mich vom Sitz, sage streng: Leiser bitte! Die Techniker starren, wenden den Blick ab. Ist das ein Blickduell? Nein. Sie wollen sich mit mir nicht befassen, ich bin eine sprechende Wanze, ein Stück Mensch, ein Menschenstück. Kurz vor der Ankunft Zwangsaufenthalt in Frankfurt: Wir warten auf den Lokführer, der seinen Kollegen ablösen soll. Weiterfahrt nach einer halben Stunde. Weiter„Ich bin ein Anti-Interkulturberserker“
Die Angst vor der Epidemie ist überall. Auch in dem Flugzeug, mit dem unsere Autorin unterwegs ist. Sind mal wieder die Computerspiele schuld?
16. Oktober 2014: United Airlines, Flug 902. Mehr als 500 Passagiere richten sich in ihren Sitzen ein für elf Stunden Reise nach San Francisco. Wir sind noch nicht lange in der Luft, als nach einem Arzt an Bord gefragt wird. Die meisten Passagiere sind unter Kopfhörern verschwunden. Meine Nachbarn verstehen kein Englisch. Eineinhalb Stunden später fragt die ältere, mit starkem Schweizer Akzent sprechende Flugbegleitern ob wir die Kursänderung bemerkt hätten (wie macht man das über einer geschlossenen Wolkendecke?). Kurz darauf landen wir in Island auf einem Flughafen irgendwo bei Reykjavík. Militärisch-zivil. Wir die einzige größere Maschine weit und breit.
Österreicher so blöd wie Düsseldorfer? Alles verlogen und mau? Unser Kolumnist reist durch das Land und muss seine Vorurteile überdenken. Der Grund: ein Klavierspieler!
Reise ins Österreichische. Zeit für eine erste Charakterkunde: Der Österreicher ist krachend verlogen. Die Österreicherin zieht mit schlackernden Backen Worte in die Länge, dehnt und zerknackt Silben, zerkocht sie in der Spuckesäure, sprotzt sie aus dem bemalten Mäulchen wie angedaute Aasstücke. Der Österreicher ist ein Überbleibsel, der Dritte-Reich-Rest. Im Geiste Hitlerist, im Fleische mau und Mus. Es wird ihn niemals überraschen, dass ihn ein Auswärtiger, den er nicht kennt, auf der Straße anhält und sagt: Sie gehen mir auf die Nerven, weil Sie so hohl sind, dass Sie mir auf die Nerven gehen. Weiter„Über Idiotenschelte erhaben“