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Filmische Midlife-Crisis

Das Abaton Kino zeigt Philipp Hartmanns „launisch-philosophisches“ Essay „Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe“.

Ziemlich schwindelerregend ist das, was der HfbK-Absolvent Philipp Hartmann in seinem Film Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe veranschaulicht: Um die eigene Chronophobie zu bezwingen, stellt er in seinem Essay jede Menge vergänglicher Momente vor. Sie reichen von den Schaltsekunden einer Atomuhr bis zu Alzheimer-Phänomenen, führen in die bolivianische Wüste und zu einer argentinischen Sanduhrmacherin.

Zeit-vergeht

Philipp Hartmann ist bei seiner Verwandlung des Kinos in eine Zeitmaschine in den weiteren Vorstellungen am 23. November und 7. Dezember persönlich zugegen. Der Regisseur über sein Werk: „Kann ein Film ein Heilmittel sein? Gegen die Angst vor dem Vergehen der Zeit? Was ich im Film dramaturgisch und pathologisch zugespitzt als ‚Chronophobie‘ bezeichne, könnte man auch ‚Midlife-Crisis‘ nennen. Oder ‚Burn-out-Syndrom‘.“

 

Nightmares On Wax

Das stilprägende Downbeat-Urgestein aus dem nordenglischen Leeds begeht sein 25-jähriges Bestehen mit einem chilligen Abend im Mojo Club.

Zusammen mit Massive Attack gehören sie zum Urgestein dessen, was man irgendwann TripHop und Downbeat zu nennen begonnen hat. Ende der 1980er gegründet und direkt aus der englischen HipHop-Szene entsprungen, haben Nightmares On Wax in den Neunzigern stilprägende Alben veröffentlicht, allen voran Smokers Delight von 1995. Der verkiffte Hedonistensound machte weltweit Schule und Nightmares On Wax mauserten sich zu einem der beliebtesten Musikexporte von den britischen Inseln. Danach ist Kevin Harper aus dem Projekt ausgestiegen. Übrig blieb George Evelyn alias DJ Ease, der heute zu den begehrtesten und wahrscheinlich auch teuersten Plattendrehern der Welt zählt. Als aktueller Partner steht ihm Robin Taylor-Firth zur Seite. Zum 25-jährigen Bestehen von Nightmares On Wax beehren die beiden nun den Mojo Club.

 

„Hamburger Küchensessions“

Zum dritten Mal verlagert Jens Pfeiffer seinen akustischen Konzertabend von einer kleinen Kombüse ins Knust. Mit dabei ist auch Olli Schulz.

Die Küche ist ein geselliger Ort – zumindest, wenn sie groß genug ist, um hier mit Freunden und Familie zusammenzukommen. Jens Pfeiffer macht seit vier Jahren seine kleine aber gemütliche Kombüse regelmäßig zum öffentlichen Ort. Dann spielt ein Musiker oder eine Musikerin akustisch, ohne viel Tamtam, vor einem ausgewählten Publikum. Bisher folgten 120 hauptsächlich deutsche Singer/Songwriter der Einladung, darunter Gisbert zu Knyphausen, Olli Schulz, Cäthe, Clickclickdecker und Enno Bunger. Einmal im Jahr ziehen die Hamburger Küchensessions ins Knust, um dort als Festival ein größeres Publikum zu erreichen. Gewohnt akustisch stehen dann acht Bands und einige Einzelkünstler auf zwei Bühnen, darunter Safi, Joco (Foto), Der Herr Polaris und Olli Schulz. Dass Jens Pfeiffer ursprünglich aus der „Kohltourhauptstadt Oldenburg“ stammt, erahnt man angesichts des Rahmenprogramms, das aus einem Grünkohl-Koch-Battle und einem Bosselwettbewerb besteht.

Text: Lena Frommeyer

 

Kampf um Wohnraum

Wer baut diese Stadt? Die überparteiliche Bürgerinitiative Pro Wohnen Ottensen lädt zum „Abend der Initiativen“ in der Fabrik.

Wirtschaftsinteressen oder Bürgerbegehren – wer baut diese Stadt? Das ist das Leitthema der Podiumsdiskussion am 16. November in der Fabrik. Hamburg bietet ausreichend Zündstoff. Stadtpolitisch brennt es diesbezüglich in vielen Ecken. Beispielsweise am Spielbudenplatz, wo man um den Neubau auf dem Gelände der ESSO-Häuser rangelt. Oder in Ottensen, wo sich Investoren und Anwohner um die Zukunft des Zeise-Parkplatzes streiten. Hamburg gerät ins Grübeln und fragt, welche Strategien ergriffen werden müssen, damit sich der Otto Normalbürger weiterhin seine Miete leisten kann.

Während der Diskussion erläutern unter anderem Dr. Reinhold Gütter (Dezernatsleiter für Wirtschaft, Bauen und Umwelt im Bezirk Altona), Murat Karakus (türkischer Dolmetscher und Unternehmer), Tobias Trapp (Kolbenhof e.V.) und Hauke Sann (Pro Wohnen Ottensen) ihre Standpunkte. Zwölf Bürgerinitiativen informieren an Ständen über ihre Kämpfe um Wohnraum. Als kulturelle Sahnehäubchen fungieren Echo-Gewinner Mellow Mark an Drums, Gitarre und Mikro sowie der W3-Chor und das Scharlatan-Theater.

Text: Lena Frommeyer

 

Casino Weltgetriebe Dorf

Künstler aus Hamburg und seiner Partnerstadt Shanghai stellen ihre Werke ab dem 14. November in der Stockmeyerstraße 41 aus.

Jan Köchermanns Installationen sorgen immer für neue Erfahrungen, sind Raumerlebnisse und Eintritte in eine andere Welt. Diese bevölkern während der China Time die Arbeiten der Hamburger Künstler Thorsten Brinkmann und Johannes Speder und deren Kollegen aus Shanghai, zu denen Yang Zhenzhong, Zhou Xiahu und He Saibang gehören. Baut Köchermann eine Raumsituation, die Installation und Ausstellungsfläche gleichzeitig ist, zeigen die Künstler darin ihre Arbeiten – getrennt voneinander in eigenen Räumen, isoliert und schon darauf ausgelegt, die kulturellen und auch künstlerischen Unterschiede zu betonen und jede Position für sich selbst sprechen zu lassen, das Eigene zu bewahren und dem Fremden offen zu begegnen. Neben den Künstlern kommen auch die Kuratoren aus Shanghai und Hamburg, neben Li Liang von der Estlink Gallery sind es Mathias Güntner und Ana Siler.

Text: Sabine Danek

 

Tastemaker

Das neue Mini-Musik-Festival präsentiert zehn handverlesene Newcomer aus Amsterdam, Kopenhagen und Helsinki im Nochtspeicher.

Mitte November findet im Nochtspeicher erstmals das Tastemaker statt. Die Veranstalter des Mini-Festivals werben mit einer Auswahl von zehn Acts um die Aufmerksamkeit des Publikums. Stilprägende Künstler, die in ihren jeweiligen Ländern bereits Erfolg haben, sollen in Deutschland eine Plattform bekommen. Musikinteressierten Hamburgern werden so neben den Headlinern vor allem neue Bands und DJs verschiedener Genres nähergebracht. Co-Organisator und Moderator der TIDE-Sendung urbanissimo André Itjes erklärt: „Wir möchten gerne eine lohnende Ergänzung zum übermächtigen Reeperbahn Festival anbieten, wo einfach viel zu viele tolle Newcomerbands spielen. Bei uns findet nichts parallel statt, kein Act geht im Line-up verloren.“ Am Freitag präsentieren The Awesome Welles ihren dunklen und aggressiven Sound – als Ersatz für die exzentrische Elektro-Rap-Künstlerin Linkoban aus Kopenhagen, die aus persönlichen Gründen absagen musste. Samstag kommen die Geschwister Colette und Hannah Thurlow mit ihrer Band 2:54 aus London eingeflogen. Weitere Acts sind A Polaroid View aus Amsterdam, die Folk-Popper Young Chinese Dogs aus München oder Phantom aus Helsinki.

Text: Ole Masch

 

Jungle

Hip-Hop, Soul, Funk – Hauptsache Groove: Das Londoner Duo spielt seinen freundlich-überkandidelten Rollschuhdisko-Sound live im Gruenspan.

Nach einem Abstecher zum Dockville im Sommer kommen Jungle für eine Clubshow zurück nach Hamburg. Das Londoner Duo mit den griffigen Kurznamen J und T passt auch besser in geschlossene Räume als auf die Wiese: Obwohl sich die beiden bei so ziemlich allem bedienen, was irgendwie groovt, bleibt ihr Sound ganz schön kompakt. Aus Hip-Hop, Soul, Funk und Disco rühren Jungle Tracks an, die hochmodern und doch irgendwie nach Rollschuhdisko klingen. Die freundlich-überkandidelte Tanzmusik wurden von der BBC bei der Suche nach ihrem Sound of 2014 hoch gehandelt (gekürt wurde Sam Smith), den Sound des Sommers lieferte die Band mit ihrem Debütalbum und Hits wie Time und Platoon jedenfalls. Der Auftritt im Gruenspan wird gewiss an die Saison erinnern – nicht zuletzt dank Temperatur und Luftfeuchtigkeit, wenn sich der ganze Club in Bewegung setzt.

Text: Thorsten Moor

 

Oliver Polak

Zusammenbruch, Klinik, Diagnose: Depression – Der Comedian und Bestseller-Autor präsentiert seinen schwarzhumorigen Erfahrungsbericht live im Nochtspeicher.

Oliver Polaks neues Buch Der jüdische Patient ist weniger die Fortsetzung seines Bestsellers Ich darf das, ich bin Jude, als eher die unbeabsichtigte Konsequenz: Der Comedian, der das Erfolgsbuch als Bühnenprogramm landauf-landab spielte, Interviews gab und Lesungen hielt, konnte irgendwann nicht mehr. Zusammenbruch, Klinik, Diagnose: Depression. In seiner aktuellen Show konfrontiert Polak sein Publikum wieder mit dem eigenen Unbehagen, diesmal zu einem anderen Tabuthema: Über psychische Krankheiten spricht man schließlich nicht, jeder ist doch seines eigenen Glückes Schmied, oder nicht? Nein. Dass Depression eine Krankheit ist, die sich der Betroffene genauso wenig ausgesucht hat wie der Krebsleidende, erforscht Polak in seinem schwarzhumorigen Erfahrungsbericht aus der Psychiatrie. Er findet eine Gesellschaft mit kranken Vorstellungen von „gesund“ vor und räumt mit Vorurteilen auf: witzig, schonungslos und leider immer aktuell.

 

Mando Diao

Die beliebten Retro-Rocker aus dem schwedischen Borlänge präsentieren die Songs ihres aktuellen Albums, „Aelita“, live in der Sporthalle.

Der mit Soul durchzogene Retro-Garagenrock der schwedischen Band Mando Diao hatte sich anscheinend irgendwann totgelaufen. Deswegen traten die beiden Köpfe, Sänger und Gitarristen Björn Dixgard und Gustaf Norén im Jahr 2009 aus lauter Langeweile dem Künstler-Netzwerk Caligola bei, um drei Jahre später das Album Back To Earth mit beklopptem Disco-Pop herauszubringen, das in Deutschland und Schweden immerhin fast in die Top Ten der Albumcharts gelangte. Der schlechten Ideen nicht genug: Auf ihrem jüngsten Album Aelita klingen Mando Diao nach Achtzigern, Billy Idol und Elektrofunk. Doch Moment, die Umsetzung mutet gar nicht so übel an: hoch gepokert, und nicht mal komplett abgebrannt aus dem Kasino. Und: Immerhin hielt sich das im Mai dieses Jahres veröffentlichte Album ganze 18 Wochen auf Platz 1 der schwedischen Bestenliste.

 

Cinefest 2014

Unter dem Motto „Gegen?Öffentlichkeit!“ zeigt das Metropolis Kino vom 15. bis zum 23. November frühe Beispiele des engagierten Reportagekinos.

Ziemlich selbstverständlich stehen umstrittene Stadtentwicklungsprojekte wie Abriss und Neubau der Esso-Häuser heute im Mittelpunkt öffentlich geführter Debatten. Das war nicht immer so. Wer sich noch in den 1980er Jahren aus erster Hand über die hamburgische Art des Umgangs mit Altbausubstanz informieren wollte, war auf Besuche übel beleumundeter Video-Kaschemmen angewiesen. Im Störtebeker oder Sturzbach liefen dann Bänder wie Hospitalstraße 6, über Besetzung und Abriss eines Hauses in Altona (1980), und Terrible Houses in Danger, ein Selbstdarstellungsvideo aus der Hafenstraße (1985). Beide werden erneut am 28. November im Lichtmeß zu sehen sein – als „Zugabe“ zum Cinefest, das in diesem Jahr das weite Feld des filmdokumentarischen Schaffens im vergangenen halben Jahrhundert erschließt. Unter der kryptisch interpunktierten Headline Gegen?Öffentlichkeit! präsentiert es ab dem 15. November Filme, die sich einerseits einem politischen Selbstverständnis und Engagement der an ihnen beteiligten Filmemacher verdanken – andererseits aber auch den kameratechnischen Neuerungen seit den 1960er Jahren. Nach der Eröffnungsgala startet das reguläre Programm am 16. November um 14 Uhr mit Ein Film für Bossak und Leacock, in dessen Rahmen der Hamburger Dokumentarfilmer Klaus Wildenhahn auf seine beiden Lehrmeister trifft, den Polen Jerzy Bossak (1910-1989) und Richard Leacock (1921-2011), den Hauptvertreter des Direct Cinema in den USA.