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Feste Wechselkurse statt Dollarcrash

Ich argumentiere seit Längerem, dass ein neues weltwirtschaftliches Gleichgewicht einen schwächeren Dollar erfordert. Ein Land, das seine Nettoverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland Jahr für Jahr um 500 bis 1000 Milliarden Dollar zu erhöhen plant, das auf absehbare Zeit Haushaltsdefizite von mehr als 10 Prozent des BIP erwartet und dessen Notenbank seine Bilanz in weniger als zwei Jahren um 150 Prozent aufgebläht hat, also wie wild Geld druckt, kann keine feste Währung haben, es sei denn es gelänge, die Steuern kräftig zu erhöhen und die Staatsausgaben zu senken. Da sich das im US-Kongress angesichts der mächtigen Interessenvertreter nicht durchsetzen lässt, bleibt als Ausweg nur die klassische Strategie großer Schuldner, nämlich den inneren und äußeren Wert der Währung zu vermindern, also Inflation zuzulassen und abzuwerten. Darauf hat gerade der Yale-Professor Jeffrey Garten in der Financial Times hingewiesen. Weiter„Feste Wechselkurse statt Dollarcrash“

 

Anleger sind verwirrt

Die Wirtschaftsnachrichten verbessern sich zusehends. Nicht nur in Deutschland, auch im Rest der Welt wächst das reale Sozialprodukt wieder. Da die Arbeitslosigkeit aber noch steigt und die Inflation wegen der nach wie vor sehr niedrigen Kapazitätsauslastung auf absehbare Zeit kein Problem darstellt, dürfte die Wirtschaftspolitik ihren sehr expansiven Kurs beibehalten.

Anleihen profitieren von niedrigen Notenbankzinsen und erfreulichen Inflationsaussichten, Aktien wiederum von der konjunkturellen Erholung, steigender Produktivität – und ebenfalls von den Zinsen. Das gilt auch für Unternehmensanleihen, deren Renditevorsprung gegenüber Staatsanleihen inzwischen kaum größer ist als vor der Lehman-Pleite. Bei Rohstoffen gibt es einen neuen Boom, der offenbar nicht zuletzt durch eine Flucht aus dem Papiergeld in die Sachwerte befeuert wird.

Aber wie geht es weiter? Die Risiken sind nicht verschwunden und für die Anleger gibt es zur Zeit zwei gleichermaßen plausible Szenarien: Entweder befinden wir uns auf dem Weg in die Deflation und langjährige Stagnation nach japanischem Muster, vor allem weil der Abbau von Schulden überall höchste Priorität hat – dafür sprechen vor allem die rekordniedrigen Anleiherenditen -, oder es geht in Richtung südamerikanische Hyperinflation, verursacht durch übermäßige Staatsdefizite und die Überschwemmung der Märkte mit Liquidität und abzulesen an den festen Aktienmärkten und Rohstoffpreisen.

Noch bin ich mir sicher, dass wir es erst mal mit Deflation zu tun haben. Aus dem vielen umherschwappenden Geld wird nicht automatisch Inflation. Selbst im boomenden China lag der BIP-Deflator zuletzt weit im negativen Bereich (-3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).

Ausführliches zu den Risiken für die Weltwirtschaft und den Aussichten für Aktien, Bonds und Rohstoffe in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – November 2009*) (pdf, 225 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Industrieproduktion hebt ab – vom Kellerboden

Nur auf den ersten Blick waren die heutigen Zahlen für die Industrieproduktion vom September sensationell (+2,7% m/m), auf den zweiten Blick wird schnell klar, dass sie nun endlich, und auch nur teilweise, auf die Auftragseingänge reagiert haben, die bereits seit März im Aufwind sind: Deren Verlaufsrate betrug im Zeitraum Februar bis September 2009 real und saisonbereinigt nämlich nicht weniger als +34,6 Prozent, während die vergleichbare Zahl für die Produktion bei lediglich +12,0 Prozent lag. Weiter„Industrieproduktion hebt ab – vom Kellerboden“

 

Die Pferde saufen nicht

Noch nie war die Versorgung der Wirtschaft Eurolands mit Liquidität so großzügig wie zur Zeit. So sollte es angesichts der tiefen Rezession, der stagnierenden Verbraucherpreise und einer Pipeline, in der noch eine Menge an Deflationspotential steckt, natürlich auch sein. Im Juni dieses Jahres hatte die EZB in einer dramatischen Aktion das Gesamtvolumen der Refinanzierungsgeschäfte von €618 Mrd. auf €896 Mrd. in die Höhe getrieben, vor allem indem sie den Banken für ein Jahr so viel Liquidität zu 1 Prozent zur Verfügung stellte wie sie haben wollten, vorausgesetzt sie konnten Sicherheiten stellen. Die Qualitätsanforderungen an diese Papiere waren aber schon im Vorfeld deutlich abgesenkt worden, damit es in dieser Hinsicht erst gar nicht zu Engpässen kommen konnte. Weiter„Die Pferde saufen nicht“

 

China muss nicht aufwerten

Paul Krugman hat vor ein paar Tagen in seiner New York Times-Kolumne darüber geklagt, dass Chinas schlechtes Benehmen für den Rest der Welt eine immer größere Bedrohung darstellt („The Chinese Disconnect„). Im Ernst, er verwendet den Ausdruck „bad behavior“. Um was geht es? Wieder einmal um die zunehmend „bizarre“ Strategie, den Yuan gegenüber dem Dollar stabil zu halten. China hat laut Krugman wegen der zeitweise unbegrenzten Dollarkäufe wesentlich zu der amerikanische Immobilienblase beigetragen und war daher für die globale Finanzkrise mitverantwortlich. Jetzt droht noch schlimmeres Ungemach: Weil die chinesische Regierung trotz der neuen Dollarschwäche, vor allem gegenüber dem Euro, weiterhin am bilateralen Wechselkurs von 6,83 Yuan pro Dollar festhält und die eigene Währung damit im Gleichschritt mit dem Dollar abwertet, nehme China anderen Ländern Nachfrage weg, obwohl die ohnehin überall „deeply depressed“ ist. Es stiehlt anderen Ländern ihre Jobs. Amerika brauche eine schwache Währung, um endlich sein Defizit im Außenhandel abzubauen, aber China mit seinem gewaltigen Überschuss sowie Devisenreserven von $2.273 Mrd. brauche das nicht. Weiter„China muss nicht aufwerten“

 

China rettet die Welt

Dass die Aktienmärkte, ebenso wie die Rohstoffmärkte, weiter haussieren, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sich im Fernen Osten ein Land weitgehend von der globalen Rezession abgekoppelt hat und kräftig wächst: Chinas Beitrag zum globalen BIP beträgt zwar „nur“ 8%, aber das reicht, die Exporte Deutschlands und Japans, selbst der USA, wieder in Fahrt zu bringen und die Stimmung zu verbessern. Die Rohstoffpreise werden zur Zeit fast gänzlich von Chinas Strategien dominiert. Im Übrigen halten die Notenbanken und die Finanzminister weltweit den Fuß fest auf dem Gaspedal. Die expansive Politik schlägt inzwischen sichtbar an: Im abgelaufenen dritten Quartal dürfte das globale BIP mit einer annualisierten Rate von 3 bis 4 Prozent zugenommen haben. Nach einem Rückgang um 1,1 Prozent in diesem Jahr, dem ersten Rückgang seit der Nachkriegszeit, dürfte es im nächsten wieder eine positive Zuwachsrate von 3,1 Prozent geben – sagt der Internationale Währungsfonds.

Die Kapazitätsauslastung bleibt aber global sehr niedrig, so dass vorläufig keine Inflationsgefahren drohen. Deflation ist nach wie vor ein Risiko. In China nimmt das reale BIP 2009 um vermutlich 8 1/2 Prozent zu, der BIP-Deflator, das breiteste Inflationsmaß, sinkt gleichzeitig um etwa 4 Prozent. Insgesamt dürften die Bondrenditen noch um Einiges fallen. Für den Euroraum kommt in dieser Hinsicht als positiver Faktor hinzu, dass der Dollar weiter abwerten dürfte. Der EZB wird nichts übrig bleiben als irgendwann im nächsten Jahr die Zinsen weiter zu senken – erst danach dürfte über Interventionen am Devisenmarkt nachgedacht werden.

So breit aufgestellt das Wachstum der Weltwirtschaft zur Zeit ist, so wenig ist sicher, dass es ohne wirtschaftspolitische Krücken geht. Die Kreditvergabe ist schwach, die Banken haben noch gewaltigen Abschreibungsbedarf, die Arbeitslosigkeit steigt vermutlich noch um Einiges, und in vielen Ländern hat Sparen oberste Priorität, etwa in den USA, wo Haushalte und Banken mit Überschuldung und notleidenden Assets im Gefolge der geplatzten Immobilienblase zu kämpfen haben.

Daher: Eine neue Euphorie wird es nicht geben. Rückschläge, auch große, werden sich nicht vermeiden lassen. Aber für’s Erste bleibe ich dabei, dass die Aussichten sowohl für Aktien als auch für Anleihen nicht schlecht sind.

Ausführliches zur wirtschaftlichen Lage in den USA, Euroland, Japan, China und Russland sowie den Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – October 2009*) (pdf, 239 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Schon wieder neue Blasen

Wirklich? Diesmal sind die Schwellenländer an der Reihe, scheint mir. Überall wird auf Teufel komm raus Geld gedruckt, damit das System nicht kollabiert, zum großen Teil nicht zuletzt zur Finanzierung der Staatsausgaben, die inzwischen die regulären Einnahmen aus Steuern und Abgaben so stark übertreffen, wie sonst nur in Kriegszeiten. Noch nie war die Wirtschaftspolitik global so expansiv wie heute. Es ist wie nach der Implosion des Hedge Funds „Long Term Capital Management“ und später nach dem Platzen der New Economy-Blase: Da systemische Risiken drohen, also ganz Schreckliches passieren könnte, wenn wir nicht aufpassen, und die Inflation bei den Verbraucherpreisen (und Löhnen!) unter Kontrolle ist – der internationalen Arbeitsteilung sei Dank -, ziehen Notenbanken und Regierungen alle Register, um die potentielle Gefahr abzuwenden. Rezessionen darf es nicht geben, also auch keine richtigen Reinigungskrisen. Zudem ist Gas geben viel einfacher als eine wirkliche Sanierung des Bankensystems, bei der womöglich große Mitspieler von der Bühne verschwinden und gut bezahlte Arbeitsplätze dauerhaft verloren gehen. Es ist diese Kombination aus expansiver Geldpolitik und niedriger Inflation, die Blasen entstehen lässt. Weiter„Schon wieder neue Blasen“

 

Ampeln erst einmal auf Grün

Für Anleger sind zwei Trends besonders wichtig: In der Realwirtschaft dominiert weltweit bis auf Weiteres die konjunkturelle Erholung. Sie ist robuster als ich das noch bis vor Kurzem erwartet hatte. Zum anderen wird sich an der rekordniedrigen Kapazitätsauslastung und den steigenden Arbeitslosenzahlen so schnell nichts ändern. Die Inflationsaussichten können vor allem aus diesem Grund besser nicht sein. Es kann sogar immer noch zu einer Deflation kommen. Die Notenbanken haben glaubwürdig versichert, dass sie ihre expansive Politik beibehalten werden – sie machen sich mehr Sorgen um die Stabilität des Bankensystems und das Deflationsrisiko als die Marktteilnehmer.

Die Situation ist daher sowohl für Anleger in Aktien als auch für Bondinvestoren günstig, eine Konstellation, die nur selten vorkommt. Ich zweifle allerdings daran, dass wir schon über den Berg sind. Vor allem die schwache Kreditvergabe, die die Bilanzprobleme der Banken widerspiegelt, macht mir Sorge. Ohne eine kräftige Expansion der Kredite wird es zu keinem kräftigen und dauerhaften Aufschwung kommen – siehe Japan.

Es bietet sich also an, die jetzigen Chancen zu nutzen, also insbesondere bei Aktien long zu gehen, aber misstrauisch zu reagieren, wenn die Märkte zu euphorisch werden. In den Schränken klappern noch eine Menge Skelette.

Ausführliches zur Lage der Weltwirtschaft und den Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – September 2009*) (pdf, 217 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Fehlprognose – Produktion schwächer als erwartet

Gut, dass ich nicht gewettet habe – die Industrieproduktion ist im Juli nicht, wie ich erwartet hatte, um mehr als 2 Prozent gestiegen, sondern trotz der überaus starken Zahlen für die Auftragseingänge um 0,9% gesunken. Allerdings wurde der Juniwert von -0,1 auf +0,8 Prozent korrigiert. So etwas dürfte auch mit den Julizahlen passieren, aber erst einmal stehe ich dumm da. Weiter„Fehlprognose – Produktion schwächer als erwartet“