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Gott ist ein Monetarist

zumindest wenn man diesem Artikel (via Paul Krugman) glaubt, in dem der oberste Banker des Vatikan Ettore Gotti Tedeschi gegen die keynesianischen Umtrieb im Zuge der Finanzkrise wettert.

„They destroy savings, which is an essential resource to create the base for bank credit; they promote speculation on real estate and securities, create illusory artificial values rather than scaling them down; they push consumption to more risky debt; they alter the market with artificial values and thus lead to belief that the very markets do not know how to correct themselves. Someone is hoping for new taxes to sustain a new statism that reinforces a rather weak political class in the whole western world.“

Wenn ich kein Protestant wäre, müsste ich mir jetzt Sorgen um mein Seelenheil machen.

 

Transfer oder kein Transfer?

Johannes Becker argumentiert, meine Antwort auf die Frage Transferunion ja oder nein sei genauso falsch wie die der FDP. Der Fonds erwirtschafte zwar Gewinn, wenn die Programmländer ihre Kredite zurückzahlen – aber man könne schließlich nicht wissen, ob sie das auch tun. Insofern sei die an den Märkten geforderte Rendite die Kompensation für das Ausfallrisiko und wer günstigere Zinsen anbietet, der vollzieht einen Transfer.

Ex ante (also bevor klar ist, ob Portugal seine Schulden wird bedienen können) ist die Beteiligung am Rettungsschirm für Deutschland ein schlechtes Geschäft. Die hohen Zinsen, die Portugal gegenwärtig am Anleihemarkt zahlen muss, enthalten die Kompensation für das Risiko, dass Portugal seine Schulden nicht bedient. Hingegen sind die Rettungsschirm-Zinsen eine politisch ausgehandelte Größe.

In der Tat hängt alles davon ab, welche Vorstellung von der Funktionsweise der Märkte man hat. Wenn sie perfekt arbeiten, dann ist der Zinsanstieg in der Tat risikoadäquat und der Rettungsfonds würde Zinssubvention betreiben – es käme also zu einem Transfer von Deutschland nach Griechenland. Wenn sie allerdings übertreiben, dann ist womöglich der Zins des Rettungsfonds angemessener und dieser Transfer fände nicht statt oder kehrte sich sogar um (von Griechenland nach Deutschland).

Ich glaube, da steckt einiges an Übertreibung in den Marktzinsen, deshalb bleibe ich dabei: Kein Transfer. Dazu müssen meines Erachtens nicht einmal die Hilfskredite den Status der Vorrangigkeit erhalten, wie es im ESM vorgesehen ist – was bedeutet, dass man mit den Zinsen nach unten gehen kann, ohne das Subventionselement zu erhöhen, wenn das der Fall ist.

 

Auf dem Weg in die Transferunion?

Nach drei Wochen auf der Südhalbkugel bin ich zurück in heimischen Gefilden – und stelle fest, dass sich die Debatten nicht verändert haben. Die FDP warnt also, dass die Aufstockung des Rettungsfonds uns direkt in die Transferunion führt. Einmal abgesehen von der Frage, ob eine Transferunion wirklich so grauenhaft wäre, wie die Liberalen meinen: Stimmt das denn überhaupt?

Wenn wir unter einer Transferunion Fiskaltransfers von den reichen in die armen Länder verstehen: Nein. Der Rettungsfonds ist ein Liquiditätsinstrument. Staaten mit Liquiditätsproblemen erhalten Kredite, die sie mit Zinsen zurückzahlen müssen. Wenn überhaupt, dann findet hier also ein Transfer von den armen in die reichen Länder statt.

Der Rettungsfonds macht in Europa das, was der Internationale Währungsfonds auf globaler Ebene betreibt. Wer argumentiert, hier würde auf europäischer Ebene eine Transferunion eingeführt, der muss auch argumentieren, dass die ganze Welt eine Transferunion ist: Schließlich kann jedes Land in Notfällen auf den IWF zurückgreifen – und der verleiht sein Geld in der Regel günstiger als der europäische Fonds. Auch die Zinsen auf die Zahlungsbilanzhilfen der EU an Länder wie Ungarn sind niedriger als diejenigen, die jetzt von Irland gefordert werden.

Eine Fiskalunion wäre eine Transferunion, aber Liquiditätshilfen und eine strengere makroökonomische Überwachung sollen genau das verhindern. Wie gesagt: Kein normatives Statement, sonder ein positives.

Got it, FDP?

 

Der Leitartikel, den die FAZ nicht drucken wollte

59600 Euro Vermögen

Die neuesten Daten der Bundesbank zur Geldvermögensbildung sprechen eine deutliche Sprache. Im zweiten Quartal stieg der Geldvermögensbestand der privaten Haushalte auf 4768 Milliarden Euro. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Das ist schrecklich viel, wie eine Umrechung pro Kopf zeigt: Jedes Neugeborene beginnt in Deutschland sein Leben mit 59 600 Euro Vermögen.

stattdessen druckten die Kollegen das:

100 000 Euro Schuld

Die Älteren haben Schulden von 1,8 Billionen Euro für Bund, Länder um Gemeinden aufgetürmt. Insgesamt hat das Land – noch ohne Euro-Garantien – 8 Billionen Euro Schulden und Verpflichtungen. Das ist schrecklich viel, wie folgenden Umrechnung pro Kopf zeigt: Jedes Neugeborene in Deutschland beginnnt sein Leben mit 100 000 Euro Schulden.

Die Schulden des einen sind das Vermögen des anderen und welche Betrachtung man sich aussucht, hängt vom Erkenntnisinteresse ab. Oder von der wirtschaftspolitischen Grundüberzeugung. Jedenfalls ist nicht Deutschland arm wie eine Kirchenmaus, sondern der deutsche Staat – und ich hätte schon ein paar Ideen, wie er seine Kassen wieder auffüllen und den Gegensatz zwischen öffentlicher Armut und privatem Reichtum überwinden könnte.

Die Differenz zwischen den 1800 Milliarden und den 8000 Milliarden ist natürlich die so genannte implizite Staatsverschuldung – ein überaus fragwürdiges Konzept. Lässt man sie außen vor, stünden dem Vermögen von 59600 Euro sogar nur eine Schuld von 22500 Euro entgegen.

Don’t worry, be happy!

 

M. Trichets Einkaufsliste

Die Jungs und Mädels von FT Alphaville sind an ein interessantes Papier gekommen. Die Einkaufsliste der EZB – also die Preise, die sie bereit ist, im Rahmen ihres Staatsanleiheprogramms zu bezahlen. Sie wird am Morgen an die Bondhändler verschickt – hier an Morgan Stanley – und die fragen dann bei ihren Kunden (oder im eigenen Haus) nach, wer den Deal zu diesen Konditionen machen würde. Weiter„M. Trichets Einkaufsliste“

 

Haare schneiden oder nicht?

Ist die Euro-Zone insolvent oder kriegt sie noch die Kurve? Das ist die alles entscheidende Frage, um die es sich hier, bei Weissgarnix und bei Kantoos immer wieder dreht. Die Skeptiker, sind davon überzeugt, dass die Solvenz nicht mehr gegeben ist und deshalb umgeschuldet werden sollte. Die Optimisten, dazu zählt wohl die EU, glauben, dass es sich nur um ein Illiquiditätsproblem handelt, dass mit Überbrückungskrediten gelöst werden kann. Also: Alte Schulden mit neuen Schulden bekämpfen oder Umschuldung? Weiter„Haare schneiden oder nicht?“

 

Werfen wir uns in die Arme Washingtons

Die Kritik Angela Merkels Rolle in der Euro-Krise ist in vielerlei Hinsicht gerechtfertigt. In einem Punkt aber muss man sie loben: Die Idee, den Internationalen Währungsfonds einzubeziehen, hat sich im Nachhinein als sinnvoll erwiesen. Viele waren skeptisch, ich gehöre auch dazu – denn wer die Staatswerdung Europas befürwortet, der hätte es lieber gesehen, wenn die Euro-Zone  ihre Probleme selbst lösen würde, statt in Washington um Hilfe nachzusuchen. Wenn Bayern ein Problem hat, dann rufen wir schließlich auch nicht nach DSK.

Allerdings zeigt sich, dass der IWF offenbar die besseren Krisenrezepte hat. Nach meiner Kenntnis haben seine Leute immer wieder auf weniger restriktive Defizitvorgaben gedrungen (weil sie wissen, dass zuviel Sparen nichts bringt) und im Fall Irland hat der Fonds offenbar auch einen härtere Gangart gegenüber den Banken vorgeschlagen. Dazu Kevin O’Rourke auf Eurointelligence:

It was the European Central Bank and the Commission who had vetoed the proposal to force some of the bank losses back onto the bondholders. This interpretation is generally accepted in Dublin, although many observers also blame the Irish negotiating team for caving much too easily into pressure from Brussels and Frankfurt. The implication is that the IMF were the good guys: an unusual position for them to find themselves in, perhaps, and one with political implications in a country whose relationship with the European Union has been uneasy in recent years, and which has conserved close ties with the United States. On Monday night, an opposition spokesman made it clear that he would be much happier negotiating with the IMF, who are reasonable people, than with our European partners. The fallout from this will be toxic.

Die Jungs aus Washington sind bestimmt keine Samariter, aber sie verstehen etwas von Liquiditäts- und Solvenzproblemen, sie sind nicht Teil des europäischen Interessengeflechts und – vielleicht am wichtigsten – sie müssen nicht die Vergeltungs- und Rachegelüste der deutschen Bevölkerung bedienen und die Konditionen für die Nothilfe so ausgestalten, das die Effektivität dieser Hilfe unterminiert wird.

 

To bail out or not to bail out

Weissgarnix reitet eine wortgewandte Attacke gegen unsere lieben Finanzmarktakteure, die sich partout nicht an den Kosten einer Krise beteiligen wollen und die Insolvenzpläne der Kanzlerin deshalb kritisieren.

Wenn das Grundprinzip des Kapitalismus – keine Rendite ohne Risiko, jeder haftet für seine Entscheidungen – hier ganz offenbar nicht akzeptiert wird, warum lassen wir es nicht ganz bleiben mit der Marktwirtschaft, fragt er.

I beg to disagree. Die Argumentation erscheint mir in erster Linie moralischer Natur: Eine Norm bezieht seine Geltungskraft aus ihrer universellen Anwendung. Wenn dieses Prinzip nicht durchgehalten werden kann, dann weg mit der Norm. Hier der Kapitalismus.

Doch den zeichnet meines Erachtens nicht seine moralische Überlegenheit aus, sondern seine Fähigkeit, Güter zu produzieren. Und zwar eine ganze Menge und ziemlich effizient. Er muss sich also nicht moralisch legitimieren, sondern technisch.

Jede Argumentation pro Gläubigerbeteiligung (und die Probleme des Timing und der mangelhaften beziehungsweise unnötig harten Ausführung, die ja im Zentrum der Kritik stehen, lasse ich jetzt einmal außen vor) muss also über die Anreize kommen, über Marktdisziplin und so weiter, die Finanzmärkte als fünfte Gewalt, die die staatlichen Exzesse eindämmen. Tietmeyer eben, wie Lübberding gezeigt hat. Man kann das tun, aber dann werden die Dinge schon komplizierter.

Und ins Allgemeine gewendet: Wenn Moraldefizite der Preis sind für Wohlstandsgewinne – so sei es. Lieber too big to fail als arm, lieber der totale bail-out als die Steinzeit. Das jemand den ganzen Kram ordentlich verteilen muss: Sowieso klar.

 

The world according to Süddeutsche Zeitung

Den Kollegen Christian Wernicke bei der Süddeutschen schätze ich eigentlich sehr. Aber diese Passage in seinem Leitartikel heute verdient eine kritische Würdigung.

Auf dem Höhepunkt – dem G20-Gipfel in Seoul – blamierte sich Obama mit der Forderung, die in ihrem Export übermächtigen Chinesen und Deutschen sollten bitteschön ihre Ausfuhren drosseln – und der US-Zentralbank brav erlauben, die Geldpresse anzuwerfen um 600 Milliarden Dollar zu drucken. Wer solch inflationären Schaden anrichtet, muss Spott ernten.

Weiter„The world according to Süddeutsche Zeitung“