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Die SPD ist endlich auf dem richtigen Weg

Der Kollege Holger Steltzner heute unter der Überschrift „Rolle rückwärts“ in der FAZ zu den Plänen der SPD, den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent (ab einem Einkommen von 100000 Euro) anzuheben und die Vermögenssteuer einzuführen:

Sigmar Gabriel beschleunigt die Flucht der SPD vor der eigenen Vergangenheit. (…)Nun folgt die Rolle rückwärts bei den ungeliebten rot-grünen Steuer- und Sozialreformen. Hohe Steuern und kräftige Lohnzuwächse sollen nun für Vollbeschäftigung sorgen. Dabei beweist der Erfolg am Arbeitsmarkt das Gegenteil: zwei Millionen neuer Arbeitsplätze dank rot-grüner Reformen, von denen aber Gabriels SPD nichts mehr wissen will.

Ich zum selben Thema:

Die Steuersätze kommen von der tax-database der OECD, Soli ist mit eingerechnet. Weil ich im Zug mit schlechter Internetverbindung sitze, habe ich das etwas eilig zusammengezimmert und die Steuern jeweils durch zehn geteilt, damit die Skala passt. Nicht ganz state of the art, aber in Ordnung.

Man beachte die sofort ins Augen springenden Korrelation von Wachstum und Höhe des Spitzensteuersatzes. Wäre ich Thilo Sarrazin,  ich würde jetzt hier glatt behaupten, je höher die Steuern, desto höher das Wachstum. Natürlich ist es so einfach nicht, aber klar ist auch: Andersherum stimmt es schon gar nicht.

Also: Weiter so, Sigmar. Das ist keine Rolle rückwärts, sondern eine Rolle vorwärts.

Update: Das mit der Korrelation ist natürlich Ironie. Natürlich gibt es keinen Zusammenhang. Deshalb verstehe ich auch die Aufregung nicht. Und ja, die Farben der beiden Reihen sind vertauscht.

 

Just a thought on Sarrazin

Thilo Sarrazin: „Unter Dreisatz versteht man, dass man aus zwei Tatsachen, die man nicht hinterfragt, eine logische Schlussfolgerung zieht: Die Intelligenz ist zu 50 bis 80 Prozent erblich. Die weniger Intelligenten vermehren sich schneller als der Durchschnitt. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die Intelligenz der Grundgesamtheit sinkt.“

Also:

A: Intelligenz ist erblich.

B: Weniger intelligente Menschen bekommen mehr Kinder.

Daraus folgt C: Wir werden dümmer.

Nur: Wenn das so wäre – müsste dann die Menschheit nicht schon völlig verdummt sein? Stattdessen nehmen die gemessenen IQs zu.

 

Mal was Nettes über Deutschland

Wolfgang Münchau bei Eurointelligence hat dieses sehr interessante Paper von Fuest et al entdeckt. Es beschäftigt sich mit der Rolle der automatischen Stabilisatoren – also konjunkturbedingt höhere Ausgaben, die der Staat toleriert, wodurch er in der Krise die Nachfrage stützt. Klar, dass die Größe des Sozialstaats ein wichtiger Einflussfaktor auf die automatischen Stabilisatoren ist, denn wenn das Arbeitslosengeld bei 70 Prozent des Nominallohns liegt, wird bei steigender Arbeitsosigkeit weniger Nachfrageausfall zu beobachten sein als bei einer Rate von 20 Prozent des Lohns.

Fuest und seine Mitstreiter haben ausgerechnet, wie viel des Einkommensverlusts durch einen negativen Schock durch die Stabilisatoren kompensiert wird. Hier ist das Ergebnis:

Deutschland ist mit 48 Prozent gut dabei und vor Frankreich mit 37 Prozent. Die USA liegen bei 32 Prozent. In dem Paper wird das ganze dann auch noch für einen Arbeitslosigkeitschock durchgerechnet: In der EU werden 47 Prozent absorbiert, in den USA nur 34 Prozent.

Am Ende analysieren die Autoren noch (meines Erachtens wird es da methodisch ein wenig heikel), inwieweit sich die höheren Transferleistung auf die Nachfrage auswirken. Hier sind die Prozentsätze geringer, weil ja nicht jeder Euro vom Staat auch ausgegeben wird und von der finanziellen Lage der Haushalte abhängt. Für die USA kommen sie bei der Arbeitslosigkeit auf Werte von bis zu 20 Prozent, in Deutschland von bis zu 25 Prozent.

Warum schreibe ich das? Weil es zeigt, dass der Wohlfahrtsstaat nicht nur gut ist für die Menschen, sondern auch für die Konjunktur. Lasst ihn uns also ausbauen, dann brauchen wir in der Tat auch weniger diskretionäre Maßnahmen, die viele hierzulande ja so schrecklich finden.

PS: Fuest et al finden auch heraus, dass es keine Korrelation zwischen Größe der automatischen Stabilisatoren und Größe der Konjunkturpakete gibt. Ihr Ergebnis: Deutschland hat eines der größten Konjunkturpakete, obwohl es recht große Stabilisatoren hat. Vielleicht geht es uns ja deshalb so gut.

 

Geschichtsrevisionismus, Kapitel 1

Merkel 1 : Obama 0 leitartikelten neulich angesichts der erbärmlichen Wachstumsraten jenseits des Atlantiks und der grandiosen auf dieser Seite die erzkonservativen editorial pages des Wall Street Journal. Denn es habe sich gezeigt, dass amerikanisches deficit spending nichts bringt, deutsche Enthaltsamkeit aber schon. Klar, dass das Paul Krugman nicht einfach so auf sich sitzen lassen kann und so schlägt er heute zurück.

„Many people are now holding Germany up as proof that austerity is good. There are a number of reasons that’s foolish, among them the fact that Germany’s austerity policies have not yet begun — up to this point they’ve actually been quite Keynesian.“

Wie recht er doch hat, der gute Paul. Kurzarbeitergeld, Wegfall der Pendlerpauschale, Gebäudesanierung dazu die enormen automatischen Stabilisatoren. In den vergangenen Monaten ist eine ganze Menge Stimulus in die Wirtschaft geflossen. Wenn überhaupt, dann beweist Deutschland, dass Fiskalpolitik wirkt. Der IWF schätzt, dass das deutsche Konjunkturprogramm eines der größten weltweit ist. Genau zu dem Ergebnis bin ich auch gekommen.

Aber, sagen jetzt die Kritiker, ist nicht das deutsche Defizit viel niedriger als das amerikanische? Ganz richtig, aber erstens sind die Amerikaner unsolider in die Krise gegangen. 2007 lagen wir drüben bei einem Defizit von 2,8 Prozent des BIP und hüben bei einem Überschuss von 0,2 Prozent. Und zweitens sinkt die Neuverschuldung hierzulande ja nicht, weil der Staat jetzt schon so viel spart (tut er nämlich noch nicht, die Finanzpolitik ist expansiv ausgerichtet), sondern weil die Wirtschaft kräftig wächst und so mehr Geld in die Kassen gespült wird – während sie das bei den Amerikanern kaum tut.

Der Rückgang des Defizits ist ein Beleg dafür, dass Keynes wirkt. Und natürlich profitieren „wir“ auch davon, dass unsere Handelspartner allen voran China kräftig gekurbelt haben.

Es ist interessant zu beobachten, wie die Krise Stück für Stück umgedeutet wird.

 

Es gibt nichts zu verteilen – oder doch?

In den letzten Tagen ist – von Politikern der FDP, den Arbeitgebern aber auch vielen Kollegen – ein Satz besonders häufig zu hören:

«Was verteilt wird, muss erst einmal erwirtschaftet werden»

Das wird gerne als Argument gegen höhere Löhne, niedrigere Steuern oder eine Anhebung der Sozialleistungen vorgebracht. Doch wenn mit Adam Smith der Endzweck allen Wirtschaftens der Konsum ist, dann würde das Wirtschaften eingestellt, wenn – ein Extremfall – nicht mehr konsumiert würde. Das Besondere am Wirtschaftskuchen ist ja, dass er nicht kleiner, sondern größer wird, je mehr davon gegessen wird. Skeptiker vergleichen bitte die Entwicklung der Löhne und des Wirtschaftswachstums seit Beginn der Industrialisierung. Man könnte deshalb den Satz auch umdrehen.

«Erwirtschaftet wird nur, was auch verteilt wird»

Und noch etwas verschweigen die Verteilungsverneiner gerne. Denn natürlich wird immer etwas verteilt, wenn die Wirtschaft wächst. Der Satz, es gebe nichts zu verteilen, meint – in marxistischer Terminologie – zumeist, es gibt nichts für die Arbeit, weil das Kapital das Mehrprodukt einstecken will. Das kann manchmal gesamtwirtschaftlicher Perspektive sinnvoll sein, derzeit ist es das in Deutschland aber wohl eher nicht.

Und wenn der Staat sagt, es gebe nichts zu verteilen, weil das Geld für die Rückzahlung der Schulden verwendet werden muss, dann verteilt er auch. In diesem Fall an die Inhaber der Staatspapiere. Auch das ist nicht unbedingt schlecht – ich bin sogar dafür, wenn die Konsolidierung über höhere Steuern und nicht über niedrigere Ausgaben geschieht.

Aber man sollte Ross und Reiter schon benennen.

 

Wir brauchen keinen Wettbewerb (im Gesundheitswesen)

Mikro ist eigentlich nicht meine Baustelle, aber was da in Sachen Gesundheitsreform so diskutiert wird, ist schon sehr interessant. Da hat also Herr Rösler von der FDP, indem er den Kassen die Möglichkeit eingeräumt hat, Zusatzbeiträge zu erheben, den Wettbewerb angeblich erhöht. Zum Wohle des Versicherten, denn Wettbewerb ist natürlich immer gut.

Schauen wir uns das doch einmal genauer an. Weiter„Wir brauchen keinen Wettbewerb (im Gesundheitswesen)“

 

Jean-Claude Juncker will nicht hartzen

Jean-Claude Juncker ist Premierminister von Luxemburg und Vorsitzender der Gruppe der Euro-Finanzminister. Die hohe Kunst der Diplomatie gehört nicht unbedingt zu seinen Stärken. Das Luxemburger Wort berichtet:

„Den Weg, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat, würde ich in unserem Land nicht gerne gehen“, sagte Juncker unverblümt und warf der Bundesregierung ganz offen „Lohn- und Sozialdumping“ vor.

Und weiter: Weiter„Jean-Claude Juncker will nicht hartzen“

 

Angela Keynes

Etwas Ulkiges passiert zur Zeit in Berlin. Vor einem Jahr ungefähr brüstete sich die Bundesregierung international bei jeder Gelegenheit mit der Größe ihrer Konjunkturprogramme. Heute wiederum muss der Aufschwung als Beleg dafür herhalten, dass Konjunkturpolitik nicht funktioniert und sich Sparsamkeit auszahlt.

Was denn nun? Kurbeln wir oder nicht?

Diese Grafik zeigt auf Basis von Daten aus dem neuesten Outlook der OECD die Entwicklung der konjunkturbereinigten Etatdefizite, ein Indikator für den Expansionsgrad der Fiskalpolitik (das nominelle Defizit taugt hier nicht, denn es würde sich ja auch verschlechtern, wenn die Konjunktur den Bach heruntergeht und der Staat nichts dagegen unternimmt). In den USA beträgt der fiskalische Impuls zwischen 2008 und 2010 2,9 Prozentpunkte. In Deutschland sind es 3,0 Prozentpunkte.

Aber halt, Konjunkturprogramme wirken ja nicht. Das Sparpaket der Regierung hat das Vertrauen der Unternehmer und Verbraucher gestärkt, so dass diese mehr Geld ausgegeben haben.  So ist es gewesen.

 

Hurra, die Geldpolitik wirkt

Die Deutsche Bank hatte gestern zum Kapitalmarktgespräch in Frankfurt geladen. Eine der interessantesten Entwicklungen betrifft das Thema Staatsanleihen. Weil die Zinsen zumindest in den großen Volkswirtschaften Deutschland, USA und Japan so niedrig sind, sind sie als Geldanlage kaum noch rentabel.  Die Deutschbanker haben ausgerechnet, dass unter Berücksichtigung von Inflation und Steuern beispielsweise nur noch Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von mindestens sechs Jahren überhaupt eine Rendite versprechen. Wer kürzer investiert, dessen Geld schmilzt real.

Was machen also die findigen Vermögensverwalter aus Frankfurt?  Sie weichen auch bei konservativen Portfolien vermehrt auf Aktien und Unternehmensanleihen aus. In ihrer Asset Allocation mit dem Anlageziel Werterhalt liegt die Aktienquote bei 35 Prozent.

Warum ist das interessant? Weil genau dieser Schwenk hin zu riskanteren Anlagen ein Ziel der ultralockeren Geldpolitik ist. Der Zins ist so niedrig, dass die Investoren mit Gewalt in riskantere Anlageklassen getrieben werden. Auf das die Ersparnisse nicht unter der Matratze landen, sondern den Unternehmen für Investitionen zur Verfügung stehen.

Nota bene: Das ist eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für einen nachhaltigen Aufschwung. Es muss schon auch Endnachfrage da sein, damit die Unternehmen die Ersparnis überhaupt in Investitionen transformieren. Aber dafür gibt es ja Konjunkturprogramme.

PS: BIP in Q2: +2,2! Das sind 9,0 Prozent saar – wir haben China geschlagen