Lesezeichen
 

Sollen wir jetzt die Piraten wählen?

Auf diesen Seiten war bislang noch nicht von den Piraten die Rede – wie auch, wir interessieren uns in der Regel für policies und was die Piraten wollen, weiß man nicht so richtig. Interessant erscheint mit, dass die Piraten in linken Zirkeln als progressive Kraft wahrgenommen werden, ich habe da nämlich meine Zweifel, und ich finde, dass es Björn Böhning in der FAZ sehr schön gesagt hat.

 Kern meiner Kritik an den Piraten ist deren grundsätzlich anti-staatliche Propaganda, mit der sie erfolgreich punkten. Sie bedienen gängige Klischees von faulen, korrupten und machtgierigen, aber unfähigen Politikern. Das verwundert erst einmal, da die Piraten derzeit selbst vor allem mit internen Machtkämpfen Schlagzeilen machen. Es ist aber schon auffällig, mit welcher Selbstüberschätzung sie die parlamentarische Arbeit angreifen und damit die Komplexität von politischen Entscheidungen bewusst verkennen.

Die Finanzkrise, das Auseinanderdriften von Arm und Reich, der Klimawandel – das sind keine Herausforderungen, die man mit Polemik meistern kann. Ich erwarte mir von Abgeordneten und Parteien, dass sie Antworten vorschlagen und diskutieren: ein alternatives, demokratischeres Wirtschaftssystem, gerechte Sozialpolitik und eine soziale Energiewende. Wie lange wollen die Piraten noch warten, bevor sie sich positionieren?

Die Innovation der Piraten scheint mit der Fokus auf Verfahren zu sein – aber liquid feedback ist an sich weder rechts noch links sondern ein politisch neutrales, und in meinen Augen sehr fragwürdiges Instrument, um individuelle Präferenzen zu aggregieren und in kollektives Handeln umzusetzen, zumal wir seit Kenneth Arrow wissen, dass soziale Entscheidungen nur begrenzt aus dem Willen des Einzelnen abgeleitet werden können.

Die repräsentative Demokratie hat schon ihren Sinn,  und wer z.B. denkt – was ich nicht tue –, der Staat sei von den bösen Bankern gekauft, der kann ja die Linkspartei wählen. Mit anderen Worten: Mit ist nicht klar, wofür diese Partei steht und ich glaube, das ist kein Zufall sondern ein immanentes Problem der Piraten, die die Form zum Inhalt erkoren haben.

 

Der deutsche Sonderweg in der Ökonomie

Manchmal tut einem der Weltgeist einen Gefallen und der zeitliche Ablauf der Ereignisse lässt die Widersprüche so richtig schön durchscheinen.

Aus dem Frühjahrsgutachten der Institute:

Die verbesserte Finanzlage des Staates sollte somit nicht zum Anlass genommen werden, in den Konsolidierungsbemühungen nachzulassen. Dies scheint gegenwärtig aber der Fall zu sein.

Aus dem Weltwirtschaftsausblick des IWF:

In  the short term, this will require more efforts to  address the euro area crisis, a temperate approach to  fiscal restraint in response to weaker activity, a continuation of very accommodative monetary policies,  and ample liquidity to the financial sector.

Zugespitzt formuliert: Der IWF sagt, Deutschland soll weniger sparen, die Institute sagen, Deutschland soll mehr sparen. Selten wird so offensichtlich, wie isoliert Deutschlands Ökonomen sind.

Wer aber ist nun im Recht, das deutsche Establishment oder das Weltestablishment? Darüber kann man lange diskutieren – oder man hält sich an ein Sprichwort aus meiner bayerischen Heimat:  Ober sticht Unter.

 

Re-balancing: The way out?

In meinem letzten Eintrag habe einen Zielkonflikt in der europäischen Stabilisierungspolitik formuliert.  Um die Ungleichgewichte im Währungsraum zu beseitigen, ist eine Preisanpassung nach unten im Süden und nach oben im Norden nötig. Der Konflikt: Je mehr die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Süden gestützt wird, desto geringer die Anpassung von Löhnen und Preisen, je mehr auf Stützung verzichtet wird, desto höher die sozialen und – über Hysterese – ökonomischen Kosten. Weiter„Re-balancing: The way out?“

 

Wollt ihr die totale Blase?

Es ist international Konsens, dass Deutschland „mehr“ tun muss, damit die Krise im Euro-Raum überwunden werden kann. Gemeint ist damit in der Regel, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage hierzulande angekurbelt werden soll.

Davon profitieren die Südländer über zwei Kanäle: Erstens erhöhen sich mit steigendem Einkommen die Importmengen und zweitens führt eine höhere Auslastung der Kapazitäten zu steigenden Preise und Kosten. Das hat zur Folge, dass deutsche Unternehmen im Vergleich mit ihren Konkurrenten in Südeuropa tendenziell weniger wettbewerbsfähig werden – und deutsche Produkte durch italienische ersetzt werden. Wir haben es also mit einem Einkommens- und einem Substitutionseffekt zu tun, die beide in die gleiche Richtung weisen. Weiter„Wollt ihr die totale Blase?“

 

Mario, wie hältst Du’s mit der Inflation?

Wie kommt die Euro-Zone wieder in ein (makroökonomisches) Gleichgewicht – das ist die große Frage der Krise. Man scheint sich einig zu sein, dass die Länder der Peripherie durch Kostensenkungen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern müssen. Das bedeutet, dass die Inflationsraten einige Zeit deutlich unter dem Ziel der EZB von nahe, aber unter zwei Prozent liegen werden. Dagegen kann man zunächst einmal nichts einwenden.

Aber was bedeutet das für den Kern? Mario Draghi hat auf der Pressekonferenz am Mittwoch die Vorstellung zurückgewiesen, Länder wie Deutschland müssten im Gegenzug höhere Inflationsraten zulassen. Weiter„Mario, wie hältst Du’s mit der Inflation?“

 

Die EZB lernt dazu

Ich bin der Meinung, dass die Europäische Zentralbank maßgeblich zur Euro-Krise beigetragen hat. Sie war so auf die Inflation fixiert, dass sie nicht mitbekommen hat, wie sich riesige wirtschaftliche Ungleichgewichte aufbauten, die jetzt den Währungsraum zu sprengen drohen. Wer auf die Gefahren hinwies – unter anderem mein ehemaliger Kollege Sebastian Dullien und ich – wurde nicht ernst genommen, auch vom damaligen Chefvolkswirt Otmar Issing, der jetzt alles schon gewusst haben will. Weiter„Die EZB lernt dazu“

 

Warum tut sich Draghi das bloß an?

Bild hat heute ein großes Interview mit Mario Draghi. Es ist illustriert mit einem Foto, das zwei lachende Springer-Redakteure zeigt, die dem ebenfalls lachenden Draghi eine „originalpreußische Pickelhaube aus dem Jahr 1871“ überreichen. Draghi sagt dazu, „das Preußische“ sei ein gutes Symbol für den wichtigsten Auftrag der EZB, nämlich die Preise stabil zu halten. Weiter„Warum tut sich Draghi das bloß an?“

 

Hatte Keynes doch nicht recht?

Olaf Storbeck berichtet über eine interessante Studie zur Auswirkung höhere Staatsausgaben auf das Wachstum.

Ökonomen der Harvard-Universität warnen aber vor zu viel Euphorie. In wirtschaftlich normalen Zeiten seien die Möglichkeiten des Staats, die private Wirtschaft mit Ausgabenprogrammen zu stimulieren, ziemlich begrenzt. Gebe der Staat mehr Geld aus, verdränge das zum Teil Aktivitäten der Privatwirtschaft

Um das zu belegen, analysieren die Ökonomen, wie die Vorsitzenden wichtiger Ausschüsse im Kongress Mittel aus Washington in ihre Heimatstaaten umleiten. Damit nimmt die Zahl der Staatsaufträge zu – zugleich jedoch fahren private Unternehmen ihre Aufträge zurück. Steigende Zinsen könne für dieses Crowding Out nicht verantwortlich sein, weil ja die Staatsausgaben insgesamt nicht steigen, sondern regional umverteilt werden und sich die Politik der Federal Reserve natürlich nicht ändert.

Dazu nur eine kurze Anmerkung: Bei Vollauslastung der Kapazitäten sollte das auch nicht weiter verwundern. Wenn alle einen Job haben, bringt es nichts, die Nachfrage mit zusätzlichen Staatsausgaben anzukurbeln. Die Idee der keynesianischen Politik ist es ja gerade, brach liegende Ressourcen zu mobilisieren. Das scheinen die Autoren auch festzustellen, denn sie schreiben

Public spending appears to increase demand for state-specific factors of production and thereby compel firms to downsize and invest elsewhere. In particular, our capex results are stronger for firms with high capacity utilization, and our employment results are stronger when employment rates are at or above their long-term state-specific averages. Further, both our capex and employment results are stronger when state- and national-level real GDP growth rates are high. Thus, when slack exists in factories or the labor market, federal dollars do not appear to be as large of a deterrent to corporations in terms of investing or hiring. In unreported results, we also find evidence that the effects are most pronounced in sectors that are the target of earmark spending.

Ergebnis: Je höher die Auslastung der Kapazitäten, desto geringer die Wirkung von Konjunkturprogrammen.

Was für eine Erkenntnis.

 

Gelduntergang?

Wolfgang Münchau hat heute in seiner Kolumne bei Spiegel Online schon das Wichtigste zu dem Buch von Michael Sauga und meiner früheren Kollegin Ursula Weidenfeld gesagt (alles Gute heute für die Präsentation in Berlin!). Ihre These: Zu viel Geld und zu hohe Schulden haben uns in die Bredouille gebracht – und zu viel Geld und zu hohe Schulden werden uns nicht wieder herausbringen.

Das klingt gut, aber das heißt noch lange nicht, dass es stimmt. Weiter„Gelduntergang?“