Lesezeichen
 

Size matters, sagt die BIZ

Welche Banken sind gefährlich für das Finanzsystem und müssen deshalb besonders streng überwacht werden? In den internationalen Gremien wird derzeit an einer Liste der Probleminstitute – mit dem schönen Kürzel GSIFIs oder globally systemically important financial institutions – gearbeitet. Dazu werden Indikatoren benötigt, und so wird heftig darüber gestritten, wie Systemrelevanz zu messen sei. Die Liste soll noch im ersten Halbjahr stehen.

Die BIZ hat sich – von der Öffentlichkeit nach meine Beobachtung bislang weit gehend unbemerkt – in ihrem letzten Quartalsbericht ein paar Gedanken gemacht. Das Ergebnis dürfte Josef Ackermann, Jamie Dimon und den anderen Chefs der globalen Megabanken wenig Freude bereiten.

We find that bank size is a reliable proxy of systemic importance, regardless of the perspective chosen. Interbank lending or borrowing provides additional useful information for some measures but not for others. This result is not surprising as it is fully in line with the economic logic underlying each measurement approach.

Die Größe also ist offenbar die entscheidende Variable. Woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass besonders große Banken entweder streng reguliert werden müssen oder gleich in ihre Einzelteile zerlegt werden sollten. Ackermann argumentiert bekanntlich, dass die Größe für die Systemrelevanz nicht so wichtig sei:

Es wäre ein Fehler, zusätzliche Anforderungen nur an einfachen Kriterien wie der Größe festzumachen.

Honi soit qui mal y pense.

 

Frisst uns der Sozialstaat auf?

Das Handelsblatt bringt heute einen Auszug aus dem neuen Buch von Gabor Steingart. These: Deutschland wird immer sozialer und kann sich seinen Wohlfahrtsstaat schon bald nicht mehr leisten.

Wahr ist, der Wohlfahrtsstaat verdreifachte seine Ausgaben in den vergangenen 25 Jahren, selbst in den vergangenen zehn Jahren konnte er sie noch um 20 Prozent steigern. (…) Die Kundschaft des deutschen Sozialstaats erfährt eine Fürsorglichkeit, wie wir sie sonst nur bei den Großfamilien der Urvölker antreffen, wo einer den anderen füttert.

Starke Worte – aber wie sieht die Realität aus? Hier also die deutsche Sozialstaatsquote:

Was sehen wir?

  • Die Sozialausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt (und nur diese Größe ist für die Tragfähigkeit entscheidend, nicht die absolute Zahl) sind etwa Anfang der siebziger Jahre deutlich gestiegen. Genauer gesagt von 20,9 Prozent im Jahr 1960 auf 28,8 Prozent im Jahr 1975. Und jetzt wird es interessant:
  • Danach gingen die Sozialausgaben im Trend wieder zurück – bis zur Wiedervereinigung, als sie wieder zulegten (aus nahe liegenden Gründen).
  • Seit 2003 fallen sie wieder – abgesehen von einem kleinen Ausreißer am aktuellen Rand, der durch die Krise bedingt sein dürfte und inzwischen wahrscheinlich schon wieder verschwunden ist. Wir waren vor der Krise, also im Jahr 2007, mit 29,2 Prozent in etwa auf dem Niveau von 1975.

Kurz und gut: Die These eines immer mehr Ressourcen vereinnahmenden Sozialstaats ist genau so falsch wie die eines radikalen Sozialabbaus. Der Sozialstaat ist im letzten Vierteljahrhundert bemerkenswert stabil geblieben – selbst externen Schocks wie die Wiedervereinigung führten nur zu einer temporären Ausweitung.

Es gibt also keinen Grund zur Panik. Wir können uns den Sozialstaat sehr wohl leisten. Wir müssen es nur wollen.

 

Wer hier wie rechnet

Bernd Lucke hat hier im Blog auf meine Kritik an den Zahlen des Ökonomenplenums reagiert und seinerseits meinen Beitrag kritisiert. Darüber – und das ist ganz ehrlich gemeint – freue ich mich. Das Thema ist wichtig und eine offene Debatte ist genau das, was das Land braucht. Es ist gut, wenn sich Journalisten und Ökonomen daran beteiligen. Ein scharfer Ton gehört dazu, auch wenn uns einige nun Polemik vorwerfen. Wir sind schließlich nicht im volkswirtschaftlichen Seminar, sondern wollen Politik beeinflussen. Das gilt für die Ökonomen wie für die Autoren in diesem Blog. Weiter„Wer hier wie rechnet“

 

Sind Deutschlands Ökonomen blind?

Weil es gerade so schön ist und Mark Schieritz schon unsere führenden 189 Großvolkswirte falscher Rechenkünste überführt hat, muss auch ich nochmal spotten: Verstehen diese Herren und wenige Damen nichts von Kapitalmärkten, wollen sie davon nichts wissen, oder sind sie blind?

Wie kann man Finanzmärkten im Jahr vier der großen Krise noch immer eine disziplinierende Wirkung andichten? Wie kann man weiterhin so tun, als gelte die Effizienz der Kapitalmärkte? Es mag schwer sein, sich von alten Glaubensgrundsätzen zu verabschieden, aber wider besseres Wissen daran festzuhalten ist unredlich, schlicht Folklore, wie ich gestern in der Berliner-Zeitung und der FR gewettert habe. Weiter„Sind Deutschlands Ökonomen blind?“

 

Können Deutschlands Ökonomen nicht rechnen?

Nicht wirklich überraschend, dieser Aufruf der deutschen Ökonomen gegen die Euro-Rettung. Erstaunlich aber ist diese Aussage:

Das gegenwärtige AAA-fähige Volumen des Rettungsschirms übersteigt den gesamten Refinanzierungsbedarf Irlands, Portugals und Spaniens bis 2013 um nahezu 80%. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb der Schirm erweitert werden muss.

Wie bitte? Das effektive Ausleihevolumen des EFSF beträgt rund 250 Milliarden Euro von den nominal zugesicherten 440 Milliarden Euro, weil nur die Anteile der AAA-Länder berücksichtigt werden und die Ratingagenturen eine Übersicherung verlangen (ich weiß, dass Hans-Werner Sinn anders rechnet, aber damit steht er alleine auf weiter Flur und ich habe weder bei den Agenturen noch beim EFSF selbst jemanden gefunden, der diese Einschätzung teilt).

Dazu kommen 60 Milliarden aus dem EFSM und nach bisherigen Gepflogenheiten – 50 Prozent der Hilfen aus EFSF und EFSM – maximal 155 anteilig aus dem Topf des Internationalen Währungsfonds. Macht insgesamt 465 Milliarden Euro.

Irland hat bereits 62,7 Milliarden Euro erhalten – bleiben 402,3 Milliarden Euro. Goldman Sachs schätzt den Refinanzierungsbedarf für Spanien und Portugal (bis 2013) auf 503 Milliarden Euro, die Deutsche Bank (die den Refinanzierungsbedarf der Gliedstaaten und den Bedarf der Banken anders einschätzt) auf 377 Milliarden Euro.

Also: 402,3 Milliarden Euro gegenüber 503 oder 377 Milliarden Euro. Wenn wir Glück haben, reicht es gerade einmal so.

Womit sich dieser Aufruf disqualifiziert hat.

Update: Thomas Fricke macht auf einen köstlichen Absatz in einem früheren Gutachten der Professorenrunde aufmerksam:

„Die unfreiwillig komischste Passage stand damals unter Punkt 10. Deutschland, befanden die Professoren damals, müsse „willens sein die (..) nötigen Anpassungen in ähnlicher Form zu leisten, wie z. B. Großbritannien, Finnland und (Anm: jetzt kommt’s) Irland dies erfolgreich getan haben“

 

Warum der Rückkauf von Griechenlandanleihen nichts bringt

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Der Rückkauf von Staatsanleihen durch die Krisenländer wird wohl eines der Instrumente des umfassenden Rettungspakets werden, das die EU auf ihrem Gipfel im März verabschieden will. Es sieht ganz so aus, als seien alle von dem Vorschlag begeistert. Die Märkte, die Politiker, die Ökonomen.

Was die Frage aufwirft, ob die Maßnahme wirklich so klug ist. Meine Antwort: Es kommt darauf an. Weiter„Warum der Rückkauf von Griechenlandanleihen nichts bringt“

 

Gott ist ein Monetarist

zumindest wenn man diesem Artikel (via Paul Krugman) glaubt, in dem der oberste Banker des Vatikan Ettore Gotti Tedeschi gegen die keynesianischen Umtrieb im Zuge der Finanzkrise wettert.

„They destroy savings, which is an essential resource to create the base for bank credit; they promote speculation on real estate and securities, create illusory artificial values rather than scaling them down; they push consumption to more risky debt; they alter the market with artificial values and thus lead to belief that the very markets do not know how to correct themselves. Someone is hoping for new taxes to sustain a new statism that reinforces a rather weak political class in the whole western world.“

Wenn ich kein Protestant wäre, müsste ich mir jetzt Sorgen um mein Seelenheil machen.

 

Transfer oder kein Transfer?

Johannes Becker argumentiert, meine Antwort auf die Frage Transferunion ja oder nein sei genauso falsch wie die der FDP. Der Fonds erwirtschafte zwar Gewinn, wenn die Programmländer ihre Kredite zurückzahlen – aber man könne schließlich nicht wissen, ob sie das auch tun. Insofern sei die an den Märkten geforderte Rendite die Kompensation für das Ausfallrisiko und wer günstigere Zinsen anbietet, der vollzieht einen Transfer.

Ex ante (also bevor klar ist, ob Portugal seine Schulden wird bedienen können) ist die Beteiligung am Rettungsschirm für Deutschland ein schlechtes Geschäft. Die hohen Zinsen, die Portugal gegenwärtig am Anleihemarkt zahlen muss, enthalten die Kompensation für das Risiko, dass Portugal seine Schulden nicht bedient. Hingegen sind die Rettungsschirm-Zinsen eine politisch ausgehandelte Größe.

In der Tat hängt alles davon ab, welche Vorstellung von der Funktionsweise der Märkte man hat. Wenn sie perfekt arbeiten, dann ist der Zinsanstieg in der Tat risikoadäquat und der Rettungsfonds würde Zinssubvention betreiben – es käme also zu einem Transfer von Deutschland nach Griechenland. Wenn sie allerdings übertreiben, dann ist womöglich der Zins des Rettungsfonds angemessener und dieser Transfer fände nicht statt oder kehrte sich sogar um (von Griechenland nach Deutschland).

Ich glaube, da steckt einiges an Übertreibung in den Marktzinsen, deshalb bleibe ich dabei: Kein Transfer. Dazu müssen meines Erachtens nicht einmal die Hilfskredite den Status der Vorrangigkeit erhalten, wie es im ESM vorgesehen ist – was bedeutet, dass man mit den Zinsen nach unten gehen kann, ohne das Subventionselement zu erhöhen, wenn das der Fall ist.