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Alles wird gut

Ausgesprochen guter Dinge bin ich an den letzten Tagen des Jahres. Grund dafür ist die unglaublich gute Verfassung der deutschen Wirtschaft. Grund dafür ist aber auch, dass im großen Euro-Streit mal wieder ein Punktsieg an die Franzosen ging. Und die deutschen Stabilitätsfanatiker eine Niederlage einstecken mussten.

Zunächst aber zur deutschen Wirtschaft. Sie brummt. Das ist schon hundertmal besungen worden, auch von mir hier im Blog als ich meine Wachstumswette abgab, oder Ende des Sommers im Cicero (Und jetzt die fetten Jahre?). Aber was so unglaublich ist, ist die Rasanz, mit der sich der Konsum zurück meldet. Schauen Sie auf das Chart.

Ifo Geschäftsklima im Einzelhandel - Dez. 2010
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M. Trichets Einkaufsliste

Die Jungs und Mädels von FT Alphaville sind an ein interessantes Papier gekommen. Die Einkaufsliste der EZB – also die Preise, die sie bereit ist, im Rahmen ihres Staatsanleiheprogramms zu bezahlen. Sie wird am Morgen an die Bondhändler verschickt – hier an Morgan Stanley – und die fragen dann bei ihren Kunden (oder im eigenen Haus) nach, wer den Deal zu diesen Konditionen machen würde. Weiter„M. Trichets Einkaufsliste“

 

Haare schneiden oder nicht?

Ist die Euro-Zone insolvent oder kriegt sie noch die Kurve? Das ist die alles entscheidende Frage, um die es sich hier, bei Weissgarnix und bei Kantoos immer wieder dreht. Die Skeptiker, sind davon überzeugt, dass die Solvenz nicht mehr gegeben ist und deshalb umgeschuldet werden sollte. Die Optimisten, dazu zählt wohl die EU, glauben, dass es sich nur um ein Illiquiditätsproblem handelt, dass mit Überbrückungskrediten gelöst werden kann. Also: Alte Schulden mit neuen Schulden bekämpfen oder Umschuldung? Weiter„Haare schneiden oder nicht?“

 

Werfen wir uns in die Arme Washingtons

Die Kritik Angela Merkels Rolle in der Euro-Krise ist in vielerlei Hinsicht gerechtfertigt. In einem Punkt aber muss man sie loben: Die Idee, den Internationalen Währungsfonds einzubeziehen, hat sich im Nachhinein als sinnvoll erwiesen. Viele waren skeptisch, ich gehöre auch dazu – denn wer die Staatswerdung Europas befürwortet, der hätte es lieber gesehen, wenn die Euro-Zone  ihre Probleme selbst lösen würde, statt in Washington um Hilfe nachzusuchen. Wenn Bayern ein Problem hat, dann rufen wir schließlich auch nicht nach DSK.

Allerdings zeigt sich, dass der IWF offenbar die besseren Krisenrezepte hat. Nach meiner Kenntnis haben seine Leute immer wieder auf weniger restriktive Defizitvorgaben gedrungen (weil sie wissen, dass zuviel Sparen nichts bringt) und im Fall Irland hat der Fonds offenbar auch einen härtere Gangart gegenüber den Banken vorgeschlagen. Dazu Kevin O’Rourke auf Eurointelligence:

It was the European Central Bank and the Commission who had vetoed the proposal to force some of the bank losses back onto the bondholders. This interpretation is generally accepted in Dublin, although many observers also blame the Irish negotiating team for caving much too easily into pressure from Brussels and Frankfurt. The implication is that the IMF were the good guys: an unusual position for them to find themselves in, perhaps, and one with political implications in a country whose relationship with the European Union has been uneasy in recent years, and which has conserved close ties with the United States. On Monday night, an opposition spokesman made it clear that he would be much happier negotiating with the IMF, who are reasonable people, than with our European partners. The fallout from this will be toxic.

Die Jungs aus Washington sind bestimmt keine Samariter, aber sie verstehen etwas von Liquiditäts- und Solvenzproblemen, sie sind nicht Teil des europäischen Interessengeflechts und – vielleicht am wichtigsten – sie müssen nicht die Vergeltungs- und Rachegelüste der deutschen Bevölkerung bedienen und die Konditionen für die Nothilfe so ausgestalten, das die Effektivität dieser Hilfe unterminiert wird.

 

To bail out or not to bail out

Weissgarnix reitet eine wortgewandte Attacke gegen unsere lieben Finanzmarktakteure, die sich partout nicht an den Kosten einer Krise beteiligen wollen und die Insolvenzpläne der Kanzlerin deshalb kritisieren.

Wenn das Grundprinzip des Kapitalismus – keine Rendite ohne Risiko, jeder haftet für seine Entscheidungen – hier ganz offenbar nicht akzeptiert wird, warum lassen wir es nicht ganz bleiben mit der Marktwirtschaft, fragt er.

I beg to disagree. Die Argumentation erscheint mir in erster Linie moralischer Natur: Eine Norm bezieht seine Geltungskraft aus ihrer universellen Anwendung. Wenn dieses Prinzip nicht durchgehalten werden kann, dann weg mit der Norm. Hier der Kapitalismus.

Doch den zeichnet meines Erachtens nicht seine moralische Überlegenheit aus, sondern seine Fähigkeit, Güter zu produzieren. Und zwar eine ganze Menge und ziemlich effizient. Er muss sich also nicht moralisch legitimieren, sondern technisch.

Jede Argumentation pro Gläubigerbeteiligung (und die Probleme des Timing und der mangelhaften beziehungsweise unnötig harten Ausführung, die ja im Zentrum der Kritik stehen, lasse ich jetzt einmal außen vor) muss also über die Anreize kommen, über Marktdisziplin und so weiter, die Finanzmärkte als fünfte Gewalt, die die staatlichen Exzesse eindämmen. Tietmeyer eben, wie Lübberding gezeigt hat. Man kann das tun, aber dann werden die Dinge schon komplizierter.

Und ins Allgemeine gewendet: Wenn Moraldefizite der Preis sind für Wohlstandsgewinne – so sei es. Lieber too big to fail als arm, lieber der totale bail-out als die Steinzeit. Das jemand den ganzen Kram ordentlich verteilen muss: Sowieso klar.

 

Deutschland, ein Währungsmanipulator?

Also die Kanzlerin hat sich beim Gipfel mal wieder durchgesetzt. Jenseits der medialen Gewinn- und Verlustrechnung hat Wolfgang Münchau auf einen wichtigen Punkt aufmerksam gemacht: Es ist was die internationalen Auswirkungen und insbesondere die Reaktion der Leistungsbilanzen angeht völlig egal, ob ein Land seine Währung abwertet oder die Löhne gekürzt werden. Wenn also die Deutschen nun argumentieren, anders als China betrieben sie keine Währungsmanipulation und müssten deshalb gesondert behandelt werden, so stimmt nur der erste Teil der Aussage.

Technisch gesprochen: Es zählt der reale (genauer gesagt, der real effektive) und nicht der nominale Wechselkurs.

Hier ist er von der Bundesbank:

Deutschland ist also ein real effektiver Währungsmanipulator. Und ich werde es nie zum G20-Sherpa bringen, höchstens für die Amerikaner.

PS: Wenn man die Länder der Euro-Zone heraus rechnet werten wir am aktuellen Rand auf, bleiben aber noch deutlich unter dem Ausgangsniveau.

 

An unsere Jungs in Seoul: Keine Angst vor Tim Geithner

Wie man hört gestalten sich die Verhandlungen in Seoul schwierig. Vielleicht erreicht  die deutschen Unterhändler um Kanzlerberater Jens Weidmann, die jetzt wahrscheinlich in einem koreanischen Hinterzimmer mit ihren Kollegen aus den anderen G20-Staaten beisammen sitzen und über dem Text für die Abschlusserklärung brüten, ja folgende Grafik.  Sie zeigt – Quelle Bundesbank, die Werte für 2010 und 2011 sind eine Schätzung von Goldman Sachs – den deutschen Leistungsbilanzsaldo seit 1950 und die Grenzwerte von vier Prozent der Wirtschaftsleistung, die die Amerikaner vorgeschlagen haben.

Deutschland hätte Geithners Zielwert zumeist locker eingehalten. Es ist ein Mythos, dass die Deutschen strukturell konsumfaul und exportfixiert sind. Sie verhalten sich genau so wie andere Wirtschaftssubjekte –  gebt ihnen Geld und sie geben es aus. Die amerikanischen Pläne sind aus vielerlei Gründen sinnvoll –  und sie schaden Deutschland nicht einmal. Kein Grund also, sich zu verkämpfen, liebe deutsche Delegation. Stimmt zu und dann ab in die Bar auf ein Glas Sake. Macht doch auch mehr Spaß.

 

Mit Schwung ins neue Jahr

Am Montag gab es eine gute und eine schlechte Nachricht für die Konjunkturgurus: Der Außenhandelsüberschuss war im September wieder sehr stark gestiegen (nicht alle dürften das allerdings für toll halten), aber gleichzeitig kam es zu einem deutlichen Rückgang der Industrieproduktion. Jedenfalls liegen jetzt die wichtigsten Zahlen vor, mit denen sich die Zuwachsrate des BIP im dritten Quartal schätzen lässt. Am kommenden Freitag gibt es die offiziellen Ergebnisse aus Wiesbaden. Zusammen mit Uwe Richter habe ich mal nachgerechnet, was denn herauskommen könnte. Es sieht auf der Basis saisonbereinigter Zahlen im Vorquartalsvergleich real nach einem Plus zwischen 0,8 und 1,4 Prozent aus. Das ist zwar deutlich weniger als die 2,2 Prozent vom zweiten Quartal, aber insgesamt doch sehr gut. Weiter„Mit Schwung ins neue Jahr“

 

Herbst der Entscheidungen

Es ist die Aufgabe der Presse in einer Demokratie, die Regierung zu überwachen, einzuordnen und zu kritisieren. Woran aber die Qualität politischer Arbeit messen? Wie die Begeisterung über den Herbst der Entscheidungen zeigt, ist ein prozeduraler Ansatz weit verbreitet. Gut ist, wenn viel entschieden, wenn etwas bewegt, wenn also durchregiert wird.

Das Problem dieser Betrachtungsweise ist, dass sie Gefahr läuft das Wesentliche zu vernachlässigen. Veränderung ist ja kein Wert an sich – eine Reform kann die Verhältnisse verbessern, aber auch verschlechtern. Hitler beispielsweise hat ziemlich viel reformiert, und ob der von großen Umwälzungen begleitete Übergang von der Antike zum Mittelalter die Menschheit vorangebracht hat, ist durchaus diskutabel.

Die dem massenmedialen Betrieb innewohnende Tendenz, das Reformieren zum Selbstzweck zu erheben, lenkt vom Wesentlichen ab. Der content zählt, nicht die form. Nichtstun ist besser als das Falsche zu tun. Oder anders gesagt: Die zerstrittene Gurkentruppe des Sommers hat eine bessere Politik gemacht, als die geeinte Mannschaft dieses Herbstes.

Außer natürlich, man ist Pharma- oder Atomunternehmer.