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Einbruch der Rohstoffpreise – Importeure gewinnen, Exporteure erleiden Kaufkraftschock

Der Rückgang der Rohstoffpreise, insbesondere von Erdöl, – um 40 bis 60 Prozent seit ihrem letzten Hoch – hat die internationale Einkommenssituation stark verändert. Während die Produzenten und Exporteure nur noch die Hälfte dessen einnehmen, an was sie sich gerne gewöhnt hätten, können sich Nettoimporteure wie China, Japan, die Europäische Währungsunion oder Indien über kräftige Kaufkraftgewinne freuen, vergleichbar einer Steuersenkung, die nicht mit einem erhöhten staatlichen Defizit einhergeht. Bei den Einen schwächt sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ab, bei den Anderen wird sie stimuliert.

Russland ist von den größeren Ländern am meisten betroffen. Weil es im Vierteljahrhundert seit dem Ende des Kommunismus nicht gelungen ist, die Produktion, die Exporte und die Aktienmärkte auf eine breitere Basis zu stellen, ist seine Wirtschaft immer noch stark vom Auf und Ab der Rohstoffpreise abhängig. Der Rubel hat sich in kurzer Zeit um mehr als die Hälfte abgewertet, und das reale BIP dürfte in diesem Jahr gegenüber 2014 um etwa vier Prozent zurückgehen. Russische Aktien sind billig auf der Basis des KGV, aber das sind sie fast immer. Eine Dividendenrendite von 4,7 Prozent ist niedrig angesichts einer Inflationsrate von fast 16 Prozent.

China ist sowohl der wichtigste Importeur von Rohstoffen als auch der größte Profiteur ihres Preiseinbruchs. Da es mit der Wirtschaft zuletzt nicht mehr so gut lief, vermutlich weil es im Wohnungsbau und im Bereich Infrastruktur Überinvestitionen gegeben hatte, war seine Nachfrage nach Erdöl, Eisenerz und anderen Metallen stark zurückgegangen und hatte deren Preissturz ausgelöst. Die Fundamentaldaten des Landes sind nach wie vor sehr robust, so dass die Wirtschaft vermutlich positiv auf den Politikschwenk in Richtung Expansion reagieren wird. Das größte Risiko ist die hohe Verschuldung des privaten Sektors: Durch den Verfall von Immobilienpreisen und Aktienkursen könnten weite Teile der Bevölkerung finanziell unter Wasser geraten sein und sind daher gezwungen, ihre Ausgaben einzuschränken. Es könnte zu einem „deleveraging“ à la Japan kommen.

Das ist aber nicht mein Hauptszenarium. Ich denke vielmehr, dass sich China fangen wird. Zusammen mit dem beschleunigten Wachstum in den USA und Westeuropa wird das zu einer Stabilisierung der Nachfrage nach Rohstoffen führen und deren Preisverfall stoppen. Dennoch sind kurzfristig weitere Rückgänge möglich.

Insgesamt haben sich die Deflationsrisiken in den reichen Ländern durch die Probleme in den Schwellenländern und bei den Produzenten von Rohstoffen erhöht. Sowohl die aktuellen Inflationsraten als auch die Inflationserwartungen sind erneut auf dem Rückzug und zwingen die Notenbanken, ihren expansiven Kurs, also die niedrigen Leitzinsen und die großzügige Liquiditätsversorgung, beizubehalten. Das gilt selbst für die USA. Für die Bondmärkte ist das eine positive Nachricht (wenn auch nicht für die Sparer) – sie sind gut abgesichert.

Die Korrektur der europäischen und amerikanischen Aktienmärkte ist bisher recht moderat ausgefallen. Von einem Ausverkauf kann keine Rede sein. Von den immer noch hohen Bewertungen her würde es nicht überraschen, wenn die Kurse weiter fallen würden. Andererseits läuft die Konjunktur nicht zuletzt wegen der Kaufkraftgeschenke seitens der Rohstoffproduzenten etwas besser als erwartet. Euroland kommt zudem zugute, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen durch den schwachen Wechselkurs verbessert hat.

Ausführliches zu den Effekten der gefallenen Rohstoffpreise auf die Ökonomien der Industrie- und Schwellenländer, und den Aussichten und Risiken für Aktien, Bonds und Rohstoffe finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – Commodity crash: importers win, producers lose, September 2015*) (pdf, 655 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)

 

Ein Wachstumsschub durch die Flüchtlinge?

Die Flüchtlingskrise ist in Deutschland bislang vor allem unter moralischen Gesichtspunkten diskutiert worden. Das war auch angemessen, schließlich geht es – zumindest in den meisten Fällen – um Menschen in Not. Wie aber im Blog Wirtschaftswurm richtigerweise angemerkt wurde, darf eine ökonomische Analyse der Sachlage nicht fehlen, denn am Ende setzen sich zumeist die ökonomischen Kräfte durch. Weiter„Ein Wachstumsschub durch die Flüchtlinge?“

 

Deutsche Konjunktur ohne Schwung: Der Staat bremst

Die Frage ist, warum in Deutschland nicht schon längst Hochkonjunktur herrscht. Im zweiten Quartal betrug die Zuwachsrate des realen BIP gegenüber dem ersten Quartal gerade einmal 0,4 Prozent, nach 0,3 Prozent im vorangegangenen Quartal. Das ist mehr als mickrig. Selten, wenn überhaupt jemals, war die Ausgangslage so günstig: der Wechselkurs ist sehr schwach, die Leitzinsen befinden sich real und nominal in der Nähe von Null, durch den Einbruch der Energiepreise hat es seit Mitte 2014 unerwartete Kaufkraftgewinne gegeben, und bei der Bautätigkeit und den Ausrüstungsinvestitionen gibt es einen beträchtlichen Nachholbedarf. Das alles vor dem Hintergrund eines robusten Arbeitsmarkts, einer gewaltigen Einwanderungswelle und Reallohnsteigerungen von 3 bis 3,5 Prozent. Weiter„Deutsche Konjunktur ohne Schwung: Der Staat bremst“

 

Fed bleibt (vermutlich) bei Nullzinsen

Am Markt steht es noch fifty / fifty, dass die Fed Funds Rate, der Leitzins der US Notenbank, am 17. September von 0,25 auf 0,5 Prozent angehoben wird. Dagegen glauben die meisten amerikanischen Ökonomen an eine Zinserhöhung (laut Bloomberg 77 Prozent). Es wäre die erste seit neun Jahren. Da die Fed die mögliche Reaktion der Märkte immer fest im Blick hat und Schocks vermeiden möchte, wird sie auch diesmal sorgfältig abwägen, was die Folgen wären. Ich vermute, dass ihr die Risiken im Augenblick noch zu hoch sind und sie bis zum Dezember oder darüber hinaus warten wird, je nach Datenlage. Weiter„Fed bleibt (vermutlich) bei Nullzinsen“

 

Alternativen zu einem europäischen Finanzminister

Eins hat uns die griechische Krise gelehrt: So wie der Euro konstruiert ist, wird er nicht überleben. Schon das kleine Griechenland hatte eine Existenzkrise ausgelöst. Was passiert erst, wenn eines Tages wirtschaftliche Schwergewichte wie Italien oder Frankreich nicht mehr in der Lage sein sollten, ihre Schulden zu bedienen? Schon in der jüngsten Krise war es zeitweise vorstellbar, dass ein Mitgliedsland die Währungsunion verlassen könnte, obwohl die Kosten des Rettungspakets relativ gering waren im Vergleich zu dem, was aufzubringen wäre, wenn die Schulden eines großen Landes restrukturiert werden müssten. Sobald die Spekulanten erkennen, dass sich das nicht stemmen lässt und mit einer realistischen Aussicht auf Erfolg beginnen, die einzelnen nationalen Märkte gegeneinander auszuspielen, wäre der Euro am Ende – und damit, wie die Kanzlerin zurecht meint, für eine lange Zeit auch das europäische Einigungsprojekt.

Griechenland über Wasser und damit in der Währungsunion zu halten, war daher die richtige Strategie, zumal die geforderten Strukturreformen und das große Investitionsprogramm seine Wirtschaft nachhaltig stabilisieren dürften. Es war eindrucksvoll, was die Griechen an Auflagen seitens der Gläubiger zu akzeptieren bereit waren – nur um den Euro behalten zu dürfen. Die gemeinsame Währung ist offenbar auch für die ärmsten Mitglieder ein hohes Gut und daher widerstandsfähiger als es kleinmütige Skeptiker hierzulande oder angelsächsische Ökonomen wahrhaben wollen (dazu Daniel Gros: „Warum Griechenland keine Euro-Auszeit nahm“). Aber Griechenland war vermutlich nur ein Probelauf – beim nächsten Mal wird es mit dem Stopfen von Löchern nicht getan sein. Weiter„Alternativen zu einem europäischen Finanzminister“

 

Eine Insolvenzordnung für Staaten würde den Euroraum instabiler machen

Schon seit langem wünschen sich viele Ökonomen ein Insolvenzregime für Staaten, jüngst etwa der Sachverständigenrat für Wirtschaft (SVR) in einem Sondergutachten oder der Leiter des ZEW, Clemens Fuest, in der ZEIT. Wie für Unternehmen und private Haushalte, so sollte es auch für zahlungsunfähige Staaten ein geordnetes Verfahren zur Reduktion ihrer Schulden geben. Bei dem müssten die Gläubiger ganz oder teilweise auf ihre Forderungen verzichten. Davon versprechen sich SVR und Co., dass Banken und andere Finanzmarktakteure in Zukunft genauer hinschauen, wenn sie einem Staat Geld leihen, und sich von potenziellen Wackelkandidaten ein höheres Ausfallrisiko mit höheren Zinsen vergüten lassen.

Allein die steigenden Kosten der Verschuldung könnten dafür sorgen, dass ein Land erst gar nicht in die Gefahr der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit kommt. Träte dieser Fall trotzdem einmal ein, könnten Gläubiger nicht mehr darauf vertrauen, durch die öffentliche Hand anderer Länder „rausgehauen“ zu werden. Nicht mehr deren Steuerzahler, sondern die Banken und andere Kreditgeber müssten für das eingegangene Risiko haften.

Das alles sind auf den ersten Blick gute und schwerwiegende Argumente. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Sache nicht so einfach ist und bei Einführung eines staatlichen Insolvenzregimes im Euroraum mit höchst unerfreulichen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Weiter„Eine Insolvenzordnung für Staaten würde den Euroraum instabiler machen“

 

Der Euro – eine Antwort auf Gustav Horn und Martin Höpner

Ich habe vor drei Wochen einen Text über die Nachteile des Euro verfasst, weil ich glaube, dass die Debatte über die Ursachen der gegenwärtigen Misere in Europa von der Linken offen geführt werden muss. Inzwischen haben sich die von mir geschätzten Wissenschaftler Gustav Horn und Martin Höpner mit sehr klugen Beiträgen geäußert – und insofern hat der Text seinen Zweck schon erfüllt. Höpner plädiert dafür, die Währungsunion aufzulösen und Horn argumentiert, nicht der Euro sei an der Krise Schuld, sondern eine falsche – neoliberale – Politik. Zu beiden Positionen ein paar Worte von meiner Seite. Weiter„Der Euro – eine Antwort auf Gustav Horn und Martin Höpner“

 

Staatsschulden – eine Belastung für künftige Generationen?

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Lange Zeit hörte man aus der Wissenschaft Warnungen vor der zu hohen Staatsverschuldung, was sich schließlich auch in der Politik niederschlug: 2009 wurde die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert.

Mittlerweile scheint sich das Blatt zu wenden. Nachdem im April eine Arbeitsgruppe um Marcel Fratzscher in ihrem Bericht „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ vor dem massiven Investitionsstau bei der Infrastruktur gewarnt hatte, haben sich Experten mit ganz unterschiedlichen Ausgangsmeinungen – wie beispielsweise Lars P. Feld und Wolfgang Streeck – auf einen Bericht zu den Staatsschulden geeinigt, der die Angelegenheit sehr differenziert betrachtet. Der Sprecher der Arbeitsgruppe, Carl-Ludwig Holtfrerich, hat diese Analyse in der August-Ausgabe des Wirtschaftsdienst zusammengefasst. Weiter„Staatsschulden – eine Belastung für künftige Generationen?“

 

Warum die deutsche Wirtschaft nicht in Fahrt kommt

Deutschland gilt zurzeit als der starke Mann Eurolands, mit einer wahrscheinlichen Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,5 bis 2 Prozent in diesem Jahr. Aber nur im Vergleich zu der Schwäche der Anderen sind das gute Zahlen, objektiv gesehen sind sie mickrig. Selten waren die Rahmenbedingungen so günstig wie jetzt, aber dass sich daraus ein robuster und selbst tragender Aufschwung entwickelt, ist bislang noch nicht zu erkennen. Was passiert, wenn die Zinsen, der Wechselkurs des Euro und die Ölpreise eines Tages wieder steigen, oder wenn Chinas Wachstum einbricht?

Grafik: Effektiver Wechselkurs des Euro für Deutschland

Bis auf die Finanzpolitik stehen alle Ampeln hierzulande auf Grün: Weiter„Warum die deutsche Wirtschaft nicht in Fahrt kommt“

 

Draghi macht seine Sache gut

Wenn man von allen Seiten Kritik bekommt, liegt man vielleicht gar nicht so falsch, heißt es. Wenn es danach geht, dann macht Mario Draghi vieles richtig. Seine Entscheidung, die Notkredite für Griechenland einzufrieren aber nicht auf null herabzusetzen, wurde von den Hardlinern um die Bundesbank als Konkursverschleppung bezeichnet. Die Griechen und viele amerikanische Ökonomen haben sie dagegen als Erpressung empfunden. Weiter„Draghi macht seine Sache gut“