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Griechenland verdient die Unterstützung Deutschlands

Yanis Varoufakis, der Wirtschaftsprofessor und neue griechische Finanzminister, hat letzte Woche in Berlin bei der Pressekonferenz mit Wolfgang Schäuble in einem emotionalen Statement an die Solidarität der Deutschen appelliert, da gerade Deutschland aus der historischen Erfahrung der 1930er Jahre weiß, wie schlimm die politischen Folgen einer Wirtschaftsdepression sein können.

Sind das nur Sprüche eines Griechen, der an „unser Geld“ will? Mitnichten. Die wirtschaftliche Katastrophe Griechenlands wird hierzulande kleingeschrieben. Vergleicht man Weimar in der Weltwirtschaftskrise und Griechenland heute, sieht man schnell erschreckende Ähnlichkeiten. Mehr noch: Mittlerweile ist die griechische Wirtschaft tiefer gestürzt und die Krise dauert länger als die der Weimarer Republik. Weiter„Griechenland verdient die Unterstützung Deutschlands“

 

Wege aus der Zinsfalle

Gerade ist ein Buch mit dem Titel „Die Zinsfalle“ erschienen, in dem Eckhard Sauren zusammen mit drei Kollegen auf 244 Seiten beschreibt, wie die Niedrigzinsen Anleger zu neuen Strategien zwingen. Als Dachfondsmanager ist seine Kölner Firma auf die unabhängige Analyse von Fondsmanagern und ihren Produkten spezialisiert. Das Buch ist seriös gemacht, verständlich geschrieben, mit zahlreichen Grafiken, volkswirtschaftlich gut fundiert und insgesamt ein nützlicher Leitfaden durch insgesamt sechs Assetklassen und drei Arten von Fonds. Wie die Autoren betonen, hängt es vom Alter, dem Einkommen, der Risikobereitschaft und natürlich der Lage am Kapitalmarkt ab, wie viel von welchen Assets der Anleger in sein Portfolio aufnehmen sollte. Adressaten sind aber nicht nur die Privatanleger, sondern ebensosehr institutionelle Investoren wie Versicherungen, Banken oder Pensionskassen. „Je intensiver wir uns mit den rückläufigen Zinsen auseinandersetzten, desto klarer wurde uns, dass ein Großteil der Anleger nicht sinnvoll für die Zukunft aufgestellt ist und in der Zinsfalle steckt.
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Der Mindestlohn und die Medien

Die Veröffentlichung der Arbeitsmarktdaten ist in Deutschland immer ein Trauerspieler. Da muss Regierungssprecher Steffen Seibert irgendwie versuchen den Anstieg der Arbeitslosigkeit damit zusammenzubringen, dass im Vergleich zum Vorjahresmonat weniger Menschen keinen Job haben und die Nachrichtenagenturen beginnen ihre Berichte damit, dass die Arbeitslosigkeit gestiegen sei, was schlecht sei, dies aber an saisonalen Faktoren liege, was gut sei und am Ende blickt niemand mehr durch. Weiter„Der Mindestlohn und die Medien“

 

„Der schwache Euro macht uns faul“

Schön, wenn man Vorurteile hat. Am Sonntag hatte Lisa Nienhaus in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Politik der EZB auf’s Korn genommen. Ihre These: Versucht eine Notenbank – wie zur Zeit die EZB mit ihrem quantitative easing – durch eine expansive Politik de facto den Außenwert der Währung abzusenken, mag das neue Arbeitsplätze schaffen und sogar höhere Löhne mit sich bringen, aber das wird überkompensiert durch ein verlangsamtes Wachstum der Produktivität, also des allgemeinen Wohlstands: „So schafft eine solche Situation Faulheit.“ Statt sich anzustrengen und attraktive Produkte auf den Markt zu bringen, werden Nachteile im internationalen Wettbewerb einfach durch Preissenkungen ausgeglichen. Das ist für sie das italienische Modell, das inzwischen das Modell Eurolands geworden sei. Aus welchem Land kommt noch mal Mario Draghi?
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Warum Griechenland keinen Schuldenschnitt braucht

Es scheint ja so einfach zu sein: Eine Schuldenquote von mehr als 170 Prozent der Wirtschaftsleistung ist zu hoch. Die Schulden müssen weg, sonst hat Griechenland keine Zukunft.

So einfach ist es aber nicht, denn die Höhe der Verschuldung – auch in Prozent der Wirtschaftsleistung – ist für sich genommen nicht sehr aussagekräftig. Angenommen, ich verdiene 100.000 Euro im Jahr und schulde meinem Nachbarn genau den gleichen Betrag: Wenn ich auf diese Schuld keine Zinsen zahle und sie nie tilgen muss, dann kann es mir ziemlich egal sein, dass meine Schulden so hoch sind wie mein Einkommen.

Soviel zur Theorie. Weiter„Warum Griechenland keinen Schuldenschnitt braucht“

 

Niedrige Löhne = gut, niedriger Euro = schlecht?

Die Debatte um die Wechselkurse zeigt sehr schön, in welche logischen Widersprüche man sich verstrickt, wenn man versucht, den deutschen ökonomischen Mainstream zu vertreten.

Am Wochenende berichtete die FAZ über die Abwertung des Euro und bringt das Argument, dass eine solche Abwertung langfristig von Nachteil sein könne, weil sich die Unternehmen wegen der Währungsvorteile nicht mehr anzustrengen brauchten.

Deutschland kann sich auf dem Erreichten ausruhen, statt ständig die Produktivitätspeitsche D-Mark im Rücken zu haben.

Man kann diesen Punkt machen. Er ist legitim. Aber dann kann man nicht zugleich auf die Gewerkschaften eindreschen, wenn die mit der Peitsche der Produktivität argumentieren, wenn es um Lohnforderungen geht.

Mir ist nicht bekannt, dass die FAZ oder die hiesigen Wirtschaftsprofessoren sich an dieser Stelle in den vergangenen Jahren jemals auf die Seite der Arbeitnehmervertreter geschlagen hätten. Stattdessen wurde und wird reflexhaft der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit beklagt, sobald irgend jemand in Deutschland auf die Idee kommt, vielleicht einmal höhere Löhne einzufordern. Dabei spielt es für die Wettbewerbsfähigkeit keine Rolle, ob die Abwertung extern (über die Währung) oder intern (über die Löhne) erfolgt.

Ordnungsökonomie heißt also heute offenbar: Billig ist gut – aber nur wenn es den Arbeitnehmern so richtig weh tut. Wenn nicht ist teuer besser. Schöne Theorie.

 

Leute, macht Schulden!

Im Augenblick kann sich der Bund für zehn Jahre Geld zu einem Festzins von 0,35 Prozent leihen; auch für 30 Jahre sind es nicht mehr als 1,07 Prozent. Gemessen an den Inflationserwartungen sind das negative Realzinsen. Die Marktteilnehmer schenken dem Staat gewissermaßen Geld, Mario Draghis quantitative easing sei Dank.

Auf der Basis inflationsgeschützter Bundesanleihen lässt sich berechnen, dass am Markt für die kommenden zehn Jahre eine durchschnittliche Inflationsrate von 0.94 Prozent erwartet wird, ähnlich wie übrigens in Frankreich (1,11 Prozent) und Italien (0,98 Prozent). Die EZB publiziert außerdem regelmäßig die Inflationserwartungen „professioneller Prognostiker„. Der folgenden Grafik ist zu entnehmen, dass sie in fünf Jahren eine Rate in der Größenordnung 1,7 bis 1,8 Prozent vorhersagen. Zwar beziehen sich die Zahlen auf den gesamten Euroraum, dürften für Deutschland aber nicht viel anders sein. So oder so, nach beiden Ansätzen übertreffen die Inflationserwartungen die nominalen Bondrenditen beträchtlich. Ob sie sich am Ende auch als zutreffend erweisen, ist allerdings nicht ausgemacht.
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Restriktive Finanzpolitik gefährdet den Euro

Genug ist genug: Das Wirtschaftswachstum ist vor allem in der Peripherie des Eurolands seit Jahren so gering, dass dort zunehmend gefragt wird, was der Euro eigentlich bringt. Die überwiegende Mehrheit möchte den Euro zwar behalten, die euro-skeptischen Parteien aber haben starken Zulauf. Sie sind nicht für eine Abschaffung, die Regeln und Auflagen sind ihnen jedoch zu streng und sie würden sie gerne ändern. In den vergangenen sieben Jahren sind weder zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, noch hat es einen Anstieg des allgemeinen Wohlstands gegeben. Ganz im Gegenteil, im Süden Europas, liegen die Arbeitslosenquoten immer noch zwischen 13 und 26 Prozent. Das Fatale an der Sache ist, dass die europäische Wirtschaftspolitik auf pro-zyklische Weise versucht, die angeblich gefährliche Staatsverschuldung durch forciertes Sparen statt durch Wirtschaftswachstum in den Griff zu bekommen.
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Die Welt auf dem Weg in die Deflation

Anleger müssen sich darauf einstellen, dass die Inflationsraten bei den Verbraucherpreisen auf Jahre hinaus sehr niedrig bleiben werden und mit ihnen die Leitzinsen in den Industrieländern. Disinflation und Deflation sind inzwischen weltweite Phänomene, weil das globale Sozialprodukt langsamer zunimmt als das potenzielle. Insgesamt gibt es daher beträchtliche freie Kapazitäten, auch am Arbeitsmarkt. Preiskämpfe sind die Folge. Für’s Erste ist es nicht mehr nötig, sich gegen das Risiko steigender Inflationsraten zu schützen.

Sogar in den USA kann in diesem Jahr damit gerechnet werden, dass die Verbraucherpreise gegenüber dem Durchschnitt von 2014 eher leicht fallen als steigen werden, und das trotz robusten Wirtschaftswachstums. Im Euroland lag das Preisniveau zuletzt um 0,2 Prozent unter seinem Vorjahreswert. Nach den Frühindikatoren wie Wachstum, Arbeitslosigkeit, Einfuhrpreise oder industrielle Erzeugerpreise zu urteilen kann es 2015 bei negativen Inflationsraten bleiben. Es muss beunruhigen, dass selbst in China, der Wachstumslokomotive der Welt, die Preise mit Raten von weniger als zwei Prozent zunehmen.

In den OECD-Ländern werden die Notenbanken bei ihrer Nullzinspolitik bleiben. Ich halte es sogar für wenig wahrscheinlich, dass die Fed, wie allgemein erwartet, bereits in diesem Jahr die Zinsen erhöhen wird – der starke Dollar wirkt bereits recht restriktiv. Die Renditen der Staatsanleihen sind im vergangenen Jahr angesichts der Inflationsaussichten und der expansiven Geldpolitik stark gefallen. Trotzdem gibt es noch Luft nach unten, vor allem bei den Anleihen der USA und der Länder in der Peripherie des Euroraums. Noch sind die europäischen Renditespreads größer als vor dem Ausbruch der Finanzkrise, dabei hat das Risiko stark abgenommen, dass der Euro scheitern wird. Das institutionelle Sicherheitsnetz ist in den vergangenen Jahren durch die zentralisierte Bankenaufsicht und den Europäischen Stabilitätsmechanismus entscheidend verstärkt worden, zudem auch durch die Aussage von Mario Draghi, dass die EZB alles tun werde, damit der Euro stabil bleibt – es fehlt der EZB ja nicht an finanzieller Feuerkraft. Griechenland wird Mitglied der Währungsunion bleiben.

Ich denke, der größte Teil der Euroabwertung liegt vor allem aus den vier folgenden Gründen hinter uns:

  1. Durch den Verfall der Energiepreise kommt es zu einem Kaufkraftschub, der das Wachstum anschiebt.
  2. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen hat sich stark verbessert, so dass der Außenbeitrag und damit die Endnachfrage höher ausfallen werden als erwartet.
  3. Die Finanzpolitik wird der Tendenz nach endlich weniger restriktiv: In Deutschland gibt es inzwischen Haushaltsüberschüsse, die Auflagen für Griechenland dürften gelockert werden, und insgesamt wird sich angesichts der weitverbreiteten Anti-Euro-Bewegungen die Erkenntnis durchsetzen, dass die Sparpolitik nicht übertrieben werden sollte.
  4. Vermutlich werden auch die sogenannten geopolitischen Spannungen nachlassen: Russland wird erkennen, dass weitere Gebietserorberungen in der Ukraine kontraproduktiv sind.

Wo der Ölpreis seinen Boden finden wird, ist nur schwer abzuschätzen. Wenn er wie 2008/2009 am Ende um vier Fünftel fallen sollte, könnte der Wendepunkt bei 23 Dollar liegen. Andererseits halte ich selbst ein Niveau von 60 Dollar für hoch – es bedeutet nämlich, dass die Barrelpreise in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich mehr als 10 Prozent pro Jahr gestiegen wären, also viel rascher als das nominale Sozialprodukt der Welt. Es gibt zurzeit eher einen Überschuss als einen Mangel an Energie.

Dass sich die Aktienmärkte so gut halten, trotz Deflation und moderatem Wachstum, hat vor allem damit zu tun, dass die Anleiherenditen vielfach nicht mehr attraktiv sind – die Rendite zehnjähriger Schweizer Anleihen ist inzwischen auf -0,07 Prozent gesunken, die der Bundesanleihen auf +0.46 Prozent. Dividendenrenditen sind deutlich höher. Wie fast immer, sind europäische Aktien nach mehreren Kriterien deutlich billiger als amerikanische – Anleger sind bereit, für den besonderen Status der US-Unternehmen eine Prämie zu zahlen. Ich vermute, dass sich die Differenz gegenüber europäischen Aktien vermindern wird, wenn es im Verlauf des Jahres wieder bessere Wirtschaftsnachrichten von dieser Seite des Atlantiks gibt.

Ausführliches zur wirtschaftlichen Entwicklung in den USA und Euroland, den Effekten des Ölpreisverfalls und den Aussichten bei Aktien, Anleihen und Wechselkursen finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – Deflation is here, January 2015*) (pdf, 562 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)

 

Wir haften immer

Wie ich an dieser Stelle bereits vor einer Woche geschrieben habe, erwägt die EZB, ihr geplantes Anleiheprogramm über die nationalen Notenbanken zu organisieren. Dabei handelt es sich um ein Zugeständnis an die Deutschen. Wenn die EZB Anleihen kauft, findet automatisch eine Vergemeinschaftung von Risiken statt, da im Fall eines Zahlungsausfalls die Mitgliedsstaaten über ihre nationalen Notenbanken die Haftung für etwaige Verluste übernehmen.
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