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Paul Kirchhofs wunderbare Welt der Wirtschaft

Das vorab: Ich halte Paul Kirchhof für einen großen Verfassungsrechtler und Rechtsphilosophen, auch wenn ich etwa mit seinen Thesen zur Rolle der Nation nicht übereinstimme.  Wenn er sich allerdings in das Feld der Ökonomie begibt, macht er einen Fehler, den viele Juristen machen: Er ist so fasziniert von der normativen Kraft des Rechts, dass er soziale und ökonomische Gesetzmäßigkeiten ausblendet.  So kommt es zu Interviews wie heute im Handelsblatt, über die man nur den Kopf schütteln kann.
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Feste Aktien, Deflationsgefahr und übermäßig expansive Geldpolitik

Die globalen Finanzmärkte werden weiterhin durch die extrem expansive Geldpolitik der Fed, der EZB, der Bank von Japan und anderer Zentralbanken getrieben. Die Zinsen sind so niedrig wie noch nie, aber die Kreditnachfrage des privaten Sektors lässt zu wünschen übrig. Im Euroland ist sie nach wie vor rückläufig, weil vor allem die Haushalte in den Krisenländern bestrebt sind, ihre Hypothekenschulden abzubauen. Die USA sind in dem Prozess weiter, sodass sich der Immobiliensektor inzwischen deutlich erholt hat und die Inlandskonjunktur insgesamt Fahrt aufgenommen hat. Das Wirtschaftswachstum hat sich im gesamten OECD-Raum etwas beschleunigt, aber die Outputlücken sind nach wie vor groß; die Arbeitslosigkeit bleibt das Hauptproblem.

Das gilt vor allem für den Euroraum, wo es inzwischen fast 20 Millionen Arbeitslose gibt. Während die USA auf dem Weg zu einem sich selbst tragenden Aufschwung sind, kann davon auf dieser Seite des Atlantiks keine Rede sein. Deflation bleibt ein ernst zu nehmendes Risiko, zumal der feste Euro und die Schwäche der meisten Rohstoffmärkte dazu führen, dass die Importpreise kräftig sinken. Die EZB kann die Zinsen kaum noch senken und ist daher nicht mehr in der Lage, die Wirtschaft zusätzlich zu stimulieren. Zinserhöhungen sind auf lange Zeit nicht zu erwarten. Es hilft, dass die europäische Finanzpolitik von nun an weniger restriktiv sein wird als in den vergangenen Jahren.

Trotz des schwachen Wirtschaftswachstums – die OECD rechnet 2014 beim realen BIP Eurolands mit einer Zuwachsrate von 1,0 Prozent – haben die deutschen Aktien Rekordwerte erreicht. Die Bondrenditen sind seit einiger Zeit deutlich niedriger als die Dividendenrenditen, so dass die Anleger gar nicht anders konnten, als auf Aktien umzusteigen. Ähnliches gilt für die USA und Japan. Die Gewinne haben aber mit den Kursgewinnen nicht Schritt halten können, sodass eine längere Korrektur wahrscheinlich geworden ist. Es empfiehlt sich, auf Märkte auszuweichen, die in diesem Jahr vernachlässigt worden sind, also auf die der europäischen Krisenländer und der Schwellenländer.

Im Übrigen tun konservative Anleger gut daran, den Anteil flüssiger Mittel in ihren Portefeuilles zu erhöhen. Bei den Zinsen wird der nächste Schritt ein Anstieg sein, auch wenn es dazu erst im Jahr 2015 oder später kommen wird, und bei den Aktien ist die Luft auf den „soliden“ deutschen, schweizerischen, skandinavischen, amerikanischen und japanischen Märkten inzwischen dünn geworden. Dividendenpapiere sind immer noch erste Wahl.

Der Rückgang der Rohstoffpreise wird vermutlich anhalten, weil das vormals hohe Niveau die Nachfrage gedämpft und die Produktion stimuliert hat. Dass sich der Ölpreis angesichts des eher moderaten Wachstums der Weltwirtschaft, der niedrigen Gaspreise und des Produktionsbooms in den USA so gut hält, ist für mich ein Rätsel.

Bei den Wechselkursen gehe ich von einer weiteren Schwäche des Yen aus – die japanische Notenbank hat sich zum Ziel gesetzt, die Inflation mit allen Mitteln in Richtung zwei Prozent und mehr zu treiben. Dazu gehört eine schwache Währung. Der Euro wird dagegen vermutlich fest bleiben, weil die Bankenunion kommt und Fundamentaldaten wie der Leistungsbilanzüberschuss und das (aggregiert) niedrige Staatsdefizit dafür sprechen. Irgendwann wird die Aufwertung die Realwirtschaft gefährden. Ich vermute daher, dass es bei etwa 1,50 Dollar und 155 Yen zum Euro zu Absprachen der betroffenen Notenbanken kommen wird.

Ausführliches zur wirtschaftlichen Lage in den Industrie- und Schwellenländern mit einem Schwerpunkt zur momentanen Deflationsgefahr, sowie zu den Aussichten und Risiken für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – December 2013*) (pdf, 338 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)

 

Ein Vorschlag zur Bankenunion

Wolfgang Schäuble und Guido Westerwelle erleben beide ihren dritten, nein vermutlich siebten Frühling. Die beiden wichtigsten Minister der vergangenen Regierung lassen keine Sekunde lang den Eindruck aufkommen, die Regierungen anderer europäischer Staaten könnten, während in Berlin eine neue Regierung erst noch vom Parlament formal beauftragt werden muss, selber entscheiden, was zu tun ist. Westerwelle hält sich in Kiew auf, ermuntert die Opposition auf dem Maidan-Platz und warnt die ukrainische Regierung davor, die Demonstranten so zu behandeln wie die hessische Regierung jene in Frankfurt. Er droht dem ukrainischen Präsidenten und schilt den russischen. Dass speziell er beim deutschen Wählerpublikum durchgefallen ist, scheint seine Rede- und Tatendrang noch zu beflügeln.

Auch Schäuble bestätigt uns und der Welt, dass es keinerlei Unterbrechung im deutschen Herrschaftsapparat gibt. Er stürzt sich ins Getümmel der politischen Auseinandersetzung. Er tadelt Jürgen Fitschen, weil dieser weniger strenge Bankenregulierung gewünscht hatte. Weiter„Ein Vorschlag zur Bankenunion“

 

Die Bankenunion ist im Koalitionsvertrag nur ein Randthema

Gemessen an der Anzahl der Seiten, die den verschiedenen Politikbereichen im 185-seitigen Koalitionsvertrag gewidmet sind, ist die Bankenunion nicht weit oben auf der Prioritätenliste. Sie ist so ziemlich das Unwichtigste. Die Umwelt- und Energiepolitik etwa bringen es zusammen auf 16 Seiten, die Bankenunion kommt nicht einmal auf ein Zehntel davon, nämlich auf eineinhalb Seiten. Zugegebenermaßen handelt es sich um ein trockenes und sperriges Thema, aber für die Zukunft des Landes hängt viel davon ab, wie mit ihm umgegangen wird. Die Bankenunion ist ein notwendiger Baustein im europäischen Einigungsprozess – ohne sie wird es keine Fiskalunion geben, und ohne die dann auch keine politische Union, die ja immer noch das erklärte Endziel ist. Weiter„Die Bankenunion ist im Koalitionsvertrag nur ein Randthema“

 

Die gewagten Prognosen des Wolfgang Schäuble

Ich habe bereits über ein Papier des Bundesfinanzministeriums berichtet, in dem die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der in den Koalitionsverhandlungen diskutierten Maßnahmen bei Rente, Pflege und auf dem Arbeitsmarkt beziffert werden. Hier nun ein Auszug aus dem Papier.

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Wie gesagt: Man kann über das Für und Wider aller Vorschläge lange streiten. Ich habe nur erhebliche Zweifel daran, dass sich die Folgen für Wachstum und Beschäftigung einigermaßen zuverlässig beziffern lassen.  Aber wir haben jetzt ja eine verifizierbare Prognose. In dem Dokument heißt es an anderer Stelle:

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Das Bundesfinanzministerium sagt also vorher, dass bis 2017 eineinhalb bis zwei Millionen Stellen wegfallen und das Wachstum um 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfällt.  Bislang erwartet die Bundesregierung für 2014 ein Wachstum von 1,7 Prozent. Der Wert müsste dann – wenn die Maßnahmen so beschlossen werden und das Papier mehr war als Panikmache – bald nach unten korrigiert werden. Das gilt auch für die Annahmen in der mittelfristigen Finanzplanung, wo bis 2017 mit einem Anstieg des BIP von durchschnittlich 1,4 Prozent pro Jahr gerechnet wird.

Ich bin gespannt, ob das geschieht – und ob andere professionelle Konjunkturbeobachter ihre Prognosen signifikant revidieren. Mein Tipp wäre eher nicht – aber vielleicht  liege ich ja auch falsch.

 

Wie sich Sparer vor Deflation schützen können

Deflation wird bis auf Weiteres das Thema für alle seriösen und weniger seriösen Anlageberater sein, nachdem kaum noch jemand Angst hat vor der vielbeschworenen Inflation. Die EZB hat aus Sorge vor einem rückläufigen europäischen Preisniveau den Leitzins von 0,5 auf 0,25 Prozent gesenkt: Die Inflationsrate war im Oktober im Vorjahresvergleich auf 0,7 Prozent gefallen.

Bei Spiegel Online wird eine Langfriststudie der Credit Suisse und der London Business School zitiert, nach der „in Zeiten extremer Deflation … der Realertrag mit Anleihen im Schnitt 20 Prozent pro Jahr [betrug]. … Allerdings brachten auch Aktien in einem extrem deflationären Umfeld eine reale Rendite von im Schnitt elf Prozent pro Jahr.“ Die Halter von Gold hatten in solchen Zeiten eine Realrendite von zwölf Prozent pro Jahr erzielt. Ich staune: Am besten schütze ich mein Vermögen vor Deflation, indem ich einfach alles kaufe. Fehlen nur noch Immobilien in der Liste!
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Soll Weidmann die Verfassung brechen?

Politik bedeutet, Entscheidungen zu treffen. Wir leben nicht im Schlaraffenland. Was genau also soll die Europäische Zentralbank nach Meinung derjenigen tun, die die vermeintliche Enteignung  – bei 1,7 Prozent risikolose Rendite auf zehnjährige Staatsanleihen und 20 Prozent, etwas riskanter, auf Aktien – des deutschen Sparers anprangern?
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Zahlt der ESM doch für marode Banken?

Das hier ist aus dem vom Wirtschafts- und Währungsausschuss erstellten Entwurf für die Schlussfolgerungen der Ecofin-Sitzung in Brüssel. Es geht um den Umgang mit Kapitallücken im Zuge des Stresstests der EZB. Die Haftungskaskade lautet wie bekannt:

1. Die betroffenen Banken

2. Ihre Heimatstaaten

3. Die europäischen Institutionen

Und jetzt wird es spannend:

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Zumindest in diesem Entwurf ist also die direkte Bankenrekapitalisierung vorgesehen (und interessanterweise werden die acht Prozent Eigenleistung der Banken aus früheren Beschlüssen nicht mehr erwähnt). Ich bin gespannt, wie Schäuble das dem Bundestag und insbesondere der SPD vermittelt.

Bei allen staatlichen Interventionen gilt, dass sie „in full respect“ mit dem Beihilferecht erfolgen müssen – allerdings „with a view to safeguard financial stability“. Das lässt einige Flexibilität zu.

 

Fight fire with fire

Über Paul Krugman der Link zu diesem Paper:

Finally, we turn to the role of monetary and fiscal policy, where we find, as already indicated, that more debt can be the solution to a debt-induced slump

Schau an – Schulden mit Schulden bekämpfen, das kann also funktionieren. Und dann wird das auch noch im Quarterly Journal of Economics publiziert.

Und warum?

precisely because some agents are debt-constrained, Ricardian equivalence breaks down, and old-fashioned Keynesian-type multipliers in which current consumption depends on current income reemerge.

Aber hat Angela Merkel nicht gesagt…