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Merkel macht die Griechin

Die neueste Kehrtwende in Berlin ist da: Die Steuern sollen nun gesenkt werden. Einmal abgesehen von den strukturellen Faktoren, die gegen einen solchen Schritt sprechen (Deutschland hat eine der niedrigsten Steuerquoten in der industrialisierten Welt, unter rot-grün gingen die Sätze bereits deutlich runter, die Staatsquote ist – von dem krisenbedingten Anstieg abgesehen – seit Jahren rückläufig): aus konjunktureller Sicht gibt es keinen ungünstigeren Zeitpunkt für Steuersenkungen.

Der Grund liegt auf der Hand: Die Konjunktur ist in voller Fahrt, die Arbeitslosigkeit sinkt und wenn es so weiter geht, dann steuern wir auf eine Überhitzung zu. Und Überhitzung bedeutet Inflation. Auf die Europäische Zentralbank sollten wir uns nicht verlassen, denn die hat den Euro-Raum insgesamt im Blick und es gibt bekanntlich einige Länder, in denen es nicht so gut läuft.

Umso mehr muss die nationale Politik die Stabilisierung übernehmen – und das bedeutet: In den guten Zeiten bremsen, Geld einsammeln. Wer argumentiert, das Geld für Steuersenkungen sei da, weil die Konjunktur so gut laufe, der hat überhaupt nichts verstanden. Die Steuern müssen sinken, wenn kein Geld da ist. Wenn welches da ist, müssen sie steigen. Die Griechen sind da wo sie sind, weil sie das nicht getan haben.

Die Regierung hat für ihre Steuersenkungspolitik einen blauen Brief aus Brüssel verdient.

 

Bravo, Frau Merkel!

Die halbe Republik zieht über die Kanzlerin her, weil sie in Sachen Griechenland angeblich kapituliert hat. Tatsächlich ist die Verhandlungstaktik der Bundesregierung alles andere als optimal. Sie hat sowohl die Finanzmärkte (durch die Androhung, dass es eine harte Beteiligung der Privatgläubiger geben wird) als auch die Bevölkerung (durch den Rückzug am vergangenen Freitag) in Aufruhr gebracht. Weiter„Bravo, Frau Merkel!“

 

Vive la crise!

So hat Eric Le Boucher seinen Beitrag zur Euro-Krise überschrieben, den er am Freitag im französischen Wirtschaftsblatt Les Echos veröffentlicht hat. Der Autor war in den neunziger Jahren Korrespondent von Le Monde in Frankfurt. Er vertritt eine ähnliche Meinung wie ich, dass nämlich die gegenwärtige Eurokrise die einmalige Chance ist, den Euro dauerhaft zu festigen. Le Boucher zitiert eine empirische Studie von zwei „perfiden“ Volkswirten, Alessandra Bonfiglioli und Gino Gancia („Why reforms are so politically difficult?“, 14. Juni, voxeu.org), in der ziemlich schlüssig nachgewiesen wird, dass es für Politiker wahltaktisch weniger riskant ist als allgemein vermutet, wenn sie in einer Krisensituation die nötigen Reformen durchsetzen. Es müssen jedoch „echte“ Reformen sein, nicht Scheinreformen – „les électeurs ne sont pas des idiots qui se font berner par les atermoiements des gouvernements.“ (übers.: „die Wähler sind keine Idioten, die sich durch die Ausflüchte der Regierungen zum Besten halten lassen.“)

Besser noch, Krisen sollten vor allem als Chance wahrgenommen werden. Hat Brecht nicht mal gesagt „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“? Zum selben Ergebnis kommen offenbar auch die beiden perfiden Ökonomen: Die Politiker sollten ihre Angst überwinden und das tun, was nötig ist – durch mutige Taten lässt sich eher eine Wahl gewinnen als durch Rumlavieren. Weiter„Vive la crise!“

 

Populistischer als Bild: Monitor in der ARD

Ich habe keine Ahnung, ob die Beamten im Bundesfinanzministerium sich tatsächlich von einem Papier der Deutschen Bank mit dem Namen Proposal for Greek liability management exercise – burdensharing without haircuts haben inspirieren lassen, als sie ihren Vorschlag über eine sanfte Umschuldung ausarbeiteten. Aber Fakt ist: Der Bericht in Monitor ist ein Beispiel für Krawalljournalismus aller erste Kategorie. Weiter„Populistischer als Bild: Monitor in der ARD“

 

Hans-Werner Sinn, Target 2 und kein Ende

Da ist man einmal zwei Wochen offline und die Target-Debatte sprengt alle Grenzen. Ich habe gerade einige der zahlreichen und interessanten Beiträge – bei Kantoos, bei Weissgarnix, bei Olaf Storbeck, bei Felix Salmon (der Sinn zuerst unterstütze und dann von ihm abgewichen ist), bei Buiter und bei Garber – gelesen und nur für das Protokoll: You read it here first.

Meine Schlussfolgerung aus der Debatte: Target 2 ist und bleibt ein Holzweg – Hans-Werner Sinn hat schlicht auf das falsche Pferd gesetzt. Die Zahlungsverkehrsalden erklären keines der Phänomene, die derzeit von Interesse sind. Weiter„Hans-Werner Sinn, Target 2 und kein Ende“

 

Entmachtet die nationalen Parlamente in der Eurokrise

Als ich gestern die Seite eins der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) las, da wurde mir richtig übel – und mir wurde einmal mehr klar, dass die Art und Weise, wie Europas und Deutschlands Politiker versuchen die Euro-Zone zu retten, gründlich gescheitert ist. Das Einzige, was die hilflosen, weil über die nationalen Parlamente abzuwickelnden Rettungsversuche provozieren, sind nationalistische Ressentiments. Ein solch plumpes, deutsch-überhebliches und vorurteilsbeladenes Stückchen hätte ich zumindest in der FAS nicht erwartet. Aber lesen Sie selbst: Weiter„Entmachtet die nationalen Parlamente in der Eurokrise“

 

Russland braucht Kapitalverkehrskontrollen

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in seinem World Economic Outlook vom April für Russland ein Wachstum des realen BIP von durchschnittlich 4 1/2 Prozent pro Jahr bis 2016 prognostiziert. Was aus deutscher Sicht geradezu traumhaft hohe Zuwachsraten sind, nimmt sich für ein Schwellenland wie Russland eher bescheiden aus. China etwa wird laut IWF jährlich mit Raten von 9 1/2 Prozent expandieren. Wie lässt sich der Unterschied erklären? Weiter„Russland braucht Kapitalverkehrskontrollen“

 

Amerikanischer Aufschwung stottert

Die amerikanischen Arbeitsmarktzahlen für Mai, die heute veröffentlicht wurden, müssen für viele ein Schock sein: die Zahl der Arbeitslosen hat zugenommen und der Beschäftigungsanstieg blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Auf einmal sieht es nicht mehr danach aus, dass sich der nunmehr zwei Jahre alte Aufschwung selbst trägt. Das ist deswegen auch für uns in Europa und den Rest der Welt von Relevanz, weil die USA, in Kaufkraftparitäten gerechnet, laut Internationalem Währungsfonds immer noch 19,7 Prozent des globalen Outputs produzieren, mit aktuellen Wechselkursen gerechnet sind es sogar fast ein Viertel. Weiter„Amerikanischer Aufschwung stottert“

 

Anlagestrategie in Zeiten extrem niedriger Bondrenditen

Am vergangenen Freitag war die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe auf unter drei Prozent gefallen und liegt jetzt bei 3,03 Prozent, nachdem sie von ihrem historischen Tiefststand Ende August 2010 von 2,12 Prozent bis zum 11. April dieses Jahres zügig auf 3,49 Prozent gestiegen war. Für viele sah dieser Anstieg wie die längst überfällige Korrektur der Renditen aus: Schließlich hatten die Notenbanken, einschließlich der EZB, so viel Geld in die Wirtschaft gepumpt wie seit Menschengedenken nicht mehr, die Weltkonjunktur befand sich offenbar auf dem Weg in Richtung eines sich selbst tragenden Aufschwungs, die Rohstoffpreise und in ihrem Fahrwasser auch die Inflationsraten der Verbraucherpreise stiegen sehr stark, von Deflation war keine Rede mehr, alle Frühindikatoren zeigten nach oben und die meisten Zentralbanken waren dabei, die Zinsen zu erhöhen. Nur die amerikanische und die japanische Notenbank waren sich ihrer Sache noch nicht sicher und signalisierten, dass sie sich vorläufig nicht bewegen wollten.

Aber sonst sprach eigentlich alles gegen den Kauf von Renten, sie waren daher die Verlierer der Stunde. Weiter„Anlagestrategie in Zeiten extrem niedriger Bondrenditen“

 

Sparen und investieren mit Hans-Werner Sinn

… bevor ich mich in den Pfingsturlaub verabschiede und weil die Debatte ja weitergehen muss: Gustav Horn und Fabian Lindner haben in der FTD argumentiert, Hans-Werner Sinn mache in seiner Argumentation zu den Leistungsbilanzen einen Denkfehler. Olaf Storbeck sieht es im Handelsblatt ähnlich und Frank Lübberding ist mit anderer Stoßrichtung auch on the case.
Weiter„Sparen und investieren mit Hans-Werner Sinn“