Lesezeichen
 

Warum es eine sanfte Umschuldung in einer Währungsunion nicht gibt

Es mangelt bekanntlich nicht an Vorschlägen, wie eine Umschuldung in Griechenland zu organisieren sei. Manche fordern den radikalen Schnitt jetzt und heute, andere eine Verlängerung von Laufzeiten. Viele der Schlauberger, die jetzt mit solchen Empfehlungen hausieren gehen, berücksichtigen allerdings nicht die Besonderheiten in einer Währungsunion. Konkret: Die Auswirkungen einer Umschuldung auf die Refinanzierung griechischer Banken. Weiter„Warum es eine sanfte Umschuldung in einer Währungsunion nicht gibt“

 

Eine Stimme für Euroland im Währungsfonds!

Die Schwellenländer erheben in der Debatte um die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn den Anspruch, dass die Spitze des Internationalen Währungsfonds mit einer Persönlichkeit aus ihren Reihen besetzt wird. So verständlich dieses Anliegen sein mag, so wenig verstehe ich, wieso jemand aus einem Schwellenland auf diesen einflussreichen Posten gewählt werden sollte. Denn die wichtigsten potenziellen Kreditgeber müssen darüber bestimmen dürfen, wer sie vertritt. Und das sind nun einmal die Westeuropäer und die Nordamerikaner. Warum sollte ein Brasilianer, Chinese oder ein Thailänder deren Interessen im Auge haben? Weiter„Eine Stimme für Euroland im Währungsfonds!“

 

Das Biest M3

Interessantes Interview in der FAZ mit Otmar Issing zur monetären Analyse.

Mittlerweile erkennen aber wieder viele Ökonomen, dass monetäre Analysen wichtig sind. Das ist eine Grunderkenntnis aus der monetären Geschichte, die man vergessen hatte. Der Wind beginnt sich zu drehen.

Ich glaube auch, dass es ein Fehler wäre, sich in der Geldpolitik alleine auf den Output-Gap zu verlassen – damit bekommt man vielleicht die Inflation in den Griff, aber nicht die Finanzstabilität, und die sollte Teil des Zielsystems einer Zentralbank sein, wobei man sich über die richtigen Instrumente natürlich noch unterhalten müsste. Insofern sind monetären Größen, ich denke dabei aber eher an Kredit als an Geld, natürlich wichtig.

Was mich an den Monetaristen immer gestört hat, ist dass die monetäre Analyse als Legitimation für Zinserhöhungen verstanden wurde,  häufig wegen ihrer Komplexität und den selten eindeutigen Ergebnissen sogar als eine Art Freibrief: Wenn man aus welchen Gründen auch immer die Zinsen anheben will, lässt sich das monetär schon irgendwie rechtfertigen. So jetzt auch Issing.

Wenn die monetäre Analyse starke Zuwächse der Geld- und Kreditmengen und damit Gefahren für Preisblasen an den Vermögensmärkten anzeigt, eine Güterpreisinflation aber erst langfristig droht, sollte die Zentralbank ihren Leitzins früher erhöhen, als sie es alleine mit Blick auf das Güterpreisniveau täte.

Es trüge zur Glaubwürdigkeit der Anhänger der monetären Säule bei, wenn sie diese auch einmal benutzten, um Zinssenkungen zu begründen.

 

Ein bisschen insolvent?

Die Debatte über die Umschuldung light gewinnt an Fahrt, nicht nur in der Politik, sondern auch in den Blogs. Kantoos hält eine Umschuldung für sinnvoll, würde nur noch weiter gehen und fordert einen Brady-Plan für Europa, Frank Lübberding warnt vor einem Regime-Change durch die Insolvenz eines Mitgliedsstaat in einer Währungsunion, Henry Kaspar äußert in den Kommentaren die Ansicht, ich habe von Anfang an völlig falsch gelegen.

Ich räume hiermit ganz ehrlich ein: Ich weiß nicht, ob Griechenland solvent ist. Oder Irland. Oder Portugal. Solvenz lässt sich nur schwer messen.  Was ich aber weiß ist, dass es möglich ist, diese Staaten solvent zu halten: Durch Anpassungsprogramme und zur Not eben durch Transfers. Im Staatskontext ist Solvenz ein politischer und kein ökonomischer Begriff. Es geht viel mehr um Zahlungsbereitschaft (in Deutschland und in Griechenland) als um Zahlungsfähigkeit.

Die Frage ist also, ob wir politisch eine Solvenzlösung der Insolvenzlösung vorziehen. Darüber kann man lange streiten. Ich glaube aber, dass der jetzt gewählte Weg – ein bisschen insolvent – nicht weiter führt. Er schafft nur jede Menge Probleme (Ansteckungsgefahr, denn wie Kantoos schreibt wird die Umschuldung light an den Märkten als Vorstufe einer harten Umschuldung aufgefasst, der Damm wäre gebrochen) und löst überhaupt nichts.

Natürlich wäre auch ein harter Schuldenschnitt mit einer enormen Ansteckungsgefahr verbunden und enorme Transfers nötig machen, um das Bankensystem über Wasser zu halten. Aber wenigsten bestünde die Hoffnung, dass am Ende die griechischen Staatsschulden niedriger sind und das Land dadurch wieder solvent wird. Ich persönlich würde lieber ein neues Hilfspaket auflegen und Transfers organisieren – aber wie auch immer: Jetzt riskiert man viel und erreicht gar nichts.

Die uneingeschränkte Begeisterung von Kantoos  für die Brady-Bonds teile ich nicht. Nach meinem Kenntnisstand ist die Literatur da nicht so eindeutig und in vielerlei Hinsicht unterscheidet sich eine Umschuldung in einer Währungsunion von einer Umschuldung in einem vollsouveränen Staat.

Das gilt im Übrigen auch für die Rolle der Zentralbank. Wenn die argentinische Zentralbank minderwertige argentinische Staatsanleihen als Pfand akzeptiert, dann ist das eine Sache. Wenn die EZB minderwertige griechische Anleihen als Pfand akzeptiert, dann ist damit ein Risikotransfer verbunden – von Deutschland nach Griechenland. Ich bin wie gesagt nicht per se gegen Transfers, aber sie sollten über die Fiskalpolitik organisiert werden. Darum geht es meines Erachtens auch der EZB, nicht um die paar Anleihen in ihrem Portfolio. Die Notenbank muss von der Solvenzhypothese ausgehen, sonst muss sie den Stecker ziehen.

 

Risiken werden überschätzt

Die Weltwirtschaft zeigt sich in der ersten Hälfte des Jahres robust und expandiert kräftig. Gleichzeitig ist die Liste der politischen und ökonomischen Risiken nicht kürzer geworden. Was die Entwicklung an den Finanzmärkten unmittelbar betrifft, stehen zurzeit die Inflationsrisiken und die Frage der Stabilität der europäischen Währungsunion im Vordergrund.

Die Hauptthesen in meinem neuen Tour d’Horizon sind:

1. Die Inflationsaussichten sind weiterhin positiv: Trotz des erfreulichen Wachstums zwei Jahre nach Ende der großen Rezession gibt es global noch erhebliche Kapazitätsreserven, nicht zuletzt auf dem Arbeitsmarkt. Der neue Rohstoffboom beeinträchtigt die Kaufkraft und dämpft damit die Nachfrage sowie, mit einer zeitlichen Verzögerung, die Inflation. In weiten Teilen der Weltwirtschaft (USA, Japan, GB, Spanien) ist nach dem Platzen von Immobilienblasen nach wie vor Deleveraging angesagt, also der vorrangige Abbau von Schulden. Auch dadurch kommt die Nachfrage der Haushalte nicht richtig auf die Beine. Fast alle Länder sind zudem dazu verurteilt, ihre öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen – die Schuldenmacherei ist vielfach an eine natürliche Grenze gestoßen. Von dieser Seite sind also ebenfalls inflationsdämpfende Effekte zu erwarten.

2. Die EZB wird wohl die Zinsen weiter anheben, aber angesichts der Solvenzprobleme in den Ländern der Peripherie eher piano.

3. Trotzdem ist nicht mit einem Crash der führenden Bondmärkte zu rechnen: Die Renditen sind sehr niedrig, aber noch nicht gefährlich niedrig.

4. Die Situation Griechenlands bleibt kritisch, wird jedoch auf dem üblichen europäischen Weg des Durchwurstelns gelöst werden. Das gilt auch für Irland und Portugal. Am Ende wird ein weiterer großer Schritt in Richtung Transferunion und politische Union stehen.

5. Der Euro wird weiter aufwerten, aber wegen der Schuldenkrise glücklicherweise nur langsam. Das schafft ein Zeitfenster für die schmerzhaften Reformen in Griechenland und den anderen wackligen Ländern. Eine Dollarabwertung ist in (fast) jedermanns Interesse, und überfällig.

6. Gemessen an ihren KGVs, dem Verhältnis Kurs zu Buchwert sowie der Dividendenrendite sind die meisten Aktien sehr billig. Die Anleger sind verschreckt, sie können aber nicht viel falsch machen, wenn meine Vorhersagen einigermaßen ins Schwarze treffen.

Ausführliches zu alledem und den Aussichten bei den Rohstoffpreisen, Wechselkursen, Bonds und Aktien in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – May 2011*) (pdf, 214 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Umschuldung light = großer Quatsch

Ich kann die Begeisterung der deutschen Presse über das geplante Reprofiling der griechischen Staatsschulden – zum Beispiel in der FTD oder in der Süddeutschen – nicht nachvollziehen. Eine Verlängerung der Anleihelaufzeiten ist zumindest aus Sicht der Ratingagenturen wohl ein Kreditereignis (wenn es auch keine CDS-Kontrakte auslösen dürfte). Denn die Investoren erhalten nicht zum vereinbarten Zeitpunkt das vereinbarte Geld. Europa fängt sich also das ganze Bündel von Risiken ein, das mit einem solchen Ereignis verbunden ist, insbesondere die Gefahr der Ansteckung anderer Staaten.

Mehr noch: Erneut schiebt die Politik Risiken auf die Bilanz der Europäische Zentralbank. Denn die EZB akzeptiert, wie es sich für eine Zentralbank gehört, griechische Staatsanleihen als Sicherheit bei ihren Refinanzierungsgeschäften. Die Notenbank müsste also wenn Griechenland umschuldet die Mindestanforderungen an die Sicherheiten noch weiter aufweichen. Damit würde sie wohl endgültig ihr Mandat überschreiten und sich noch weiter in Richtung monetäre Staatsfinanzierung begeben. Eine Zentralbank ist dazu da, Liquidität bereitzustellen. Es ist nicht ihre Aufgabe, Solvenzprobleme zu lösen, das kann nur die Finanzpolitik.

Wenn die EZB die Anleihen aber nicht mehr annähme, würde sie Griechenland de facto von der Refinanzierung abzuschneiden – mit gravierenden Folgen für die griechischen Banken. Und wenn die Anleihen eines Mitgliedsstaat einer Währungsunion nicht einmal mehr von der eigenen Zentralbank akzeptiert werden, kann man den Euro auch gleich abschaffen, beziehungsweise den Griechen den Austritt nahelegen.

Eine Umschuldung light ist also mit erheblichen Kosten verbunden – und sie bringt wenig. Wenn die griechischen Schulden jetzt nicht tragfähig sind, dann sind sie es natürlich auch nicht, wenn die Laufzeiten der Anleihen um fünf Jahre verlängert werden. Genau so sehen das die Finanzmärkte und deshalb tut sich bei den griechischen Spreads wenig.

Freuen wird sich allein Frank Schäffler von der FDP, der jetzt überall erzählen kann, er habe die Beteiligung der Gläubiger durchgesetzt. Es ist wirklich dramatisch, wie wenig Ahnung eine Wirtschaftspartei von Wirtschaft hat. Die einzige Logik der Umschuldung light ist eine politische – sie sichert möglicherweise die Zustimmung des Bundestag, falls ein neues Rettungspaket nötig wird. Es ist traurig, dass unter den Abgeordneten heutzutage Symbolpolitik mehr zählt als  Sachargumente. Vielleicht war das mit der Philosophenherrschaft doch keine so schlechte Idee.

Ganz oder gar nicht, so kann die Lösung nur heißen. Entweder Griechenland wird zum Bankrottfall erklärt und so umgeschuldet, dass es als solvent gelten kann. Das bedeutet ein Schuldenschnitt in der Größenordnung von 50 bis 70 Prozent und ein neues Hilfspaket, um die Banken in Griechenland und im Rest Europas zu sanieren. Das wäre riskant, aber immerhin wäre das Problem dann gelöst.  Oder die EU setzt darauf, dass Griechenland solvent bleiben kann. Durch zusätzliche Anstrengungen der Griechen niedrigere Zinsen, neue Hilfspaket – und ja: Transfers.

Auf die Hoffnungen des IWF auf enorme Privatisierungserlöse sollte man dabei wenig geben. Entweder ein Unternehmen im Staatsbesitz ist rentabel, dann generiert es Erträge und die Privatisierung bringt den Staat um die zukünftigen Erträge. Oder es ist Schrott, aber dann wird sich auch kein vernünftiger Preis erzielen lassen. Wie immer ist der Barwert entscheidend – das sollten die IWF-Ökonomen eigentlich wissen.

 

Deutschland verschärft die Euro-Krise

Es sind erschreckende Zahlen, die die Frankfurter Rundschau heute auf den Markt geworfen hat: Nach ihren Recherchen war das Ergebnis der bisherigen Tarifverhandlungen 2011 unglaublich mickrig. „In den drei großen Branchen Bau, öffentlicher Dienst und Chemie erhalten die Beschäftigten in diesem Jahr gerade einmal 2 bis 2,6 Prozent mehr Geld als im Vorjahr“, heißt es in der Analyse. Abzüglich der Inflation bedeutet dies sogar einen Reallohnverlust. Die Arbeitnehmer werden ärmer und das trotz kräftigen Wachstums gepaart mit einer signifikant abnehmenden Arbeitslosigkeit. Damit verschärfen die deutschen Arbeitgeber und Gewerkschaften die Eurokrise. Denn einerseits kann die Binnennachfrage so kaum richtig anziehen und zum Abbau der Ungleichgewichte in Euroland beitragen. Andererseits fährt Deutschland damit weiter einen Kurs der Abwertung innerhalb der Währungsunion und konterkariert alle Anstrengungen von Griechenland, Spanien und Co. wieder Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen. Weiter„Deutschland verschärft die Euro-Krise“

 

Warum ich Hans-Werner Sinn kritisiere

Mein letzter Beitrag hat einige Aufmerksamkeit erregt. Ein Kommentator fragte, wie ich es mir anmaßen könne, „einen der renommiertesten Ökonomen des Landes“ widerlegen zu wollen. Ich halte Sinn tatsächlich für einen großen Ökonomen. Wenn das ein Argument wäre,  dann hätte ich allerdings meinen Beruf verfehlt. Es ist die Aufgabe des Journalismus, die Mächtigen zu kontrollieren. Und auch Ökonomen können mächtig sein. Ich kritisiere übrigens auch Schlussfolgerungen der G20 oder Regierungserklärungen oder Geschäftspläne der Deutschen Bank – wenn ich glaube, dass sie kritikwürdig sind.

Und weil es ziemlich durcheinandergeht, hier noch einmal eine Zusammenfassung dessen, was ich behaupte – und was ich nicht behaupte.

1. Ich behaupte NICHT, dass durch die Refinanzierungsgeschäfte der EZB keine Risiken für die Bilanz der Zentralbank entstehen. Natürlich steigt das Ausfallrisiko, wenn die Sicherheitsanforderungen gesenkt werden, wie es geschehen ist. Aber das hat mit den nationalen Target 2 Salden, um die es hier geht, nicht viel zu tun.

2. Ich behaupte NICHT, dass die deutschen Nettokapitalexporte nichts mit der Investitionsschwäche der vergangenen Jahre zu tun haben. Ich glaube in der Tat, dass diese These, die Sinn vertritt, falsch ist. Denn ich finde empirisch keinen Beleg dafür, dass Restriktionen beim Kapitalangebot die Investitionstätigkeit beeinflusst haben sollen. Und mir ist nicht klar, wie man erklären will, dass es jetzt wieder besser läuft, wo ja immer noch Kapital abfließt, denn Deutschland hat immer noch einen Leistungsbilanzüberschuss. Zudem habe ich Zweifel an der theoretischen Position, wonach es einen ex ante fixen Topf von Ersparnissen gibt, um den die Länder konkurrieren (sondern begreife die Ersparnis als ex post entstehend und die Absatzchancen als Determinante der Investitionsentwicklung). Das war aber der Inhalt meines ersten Beitrags. Im zweiten ging es um ein anderes Thema.

3. Es ging um die von Sinn aufgestellte These, wonach in Deutschland weniger Kredite ausgegeben werden können, weil über Target von der Bundesbank Zentralbankliquidität in die PIGS-Staaten abflösse, die dann in Deutschland fehle. Oder, wie es Sinn für den Fall Irland formuliert.

Die Bundesbank verzichtet auf eine innerdeutsche Kreditvergabe zugunsten einer Kreditvergabe über die irische Notenbank.

Einmal davon abgesehen, dass man besser nicht das Beispiel Irland wählen sollte, um die Finanzierung von Leistungsbilanzdefiziten durch die EZB anzuprangern, weil Irland inzwischen einen Leistungsbilanzüberschuss hat – unter bestimmten Annahmen (unter anderem eine strikte Geldmengensteuerung durch die Zentralbank) kann es dazu möglicherweise sogar so kommen. In der geldpolitischen Praxis der EZB nicht. Hierzu die Bundesbank:

Fließen beispielsweise einer über die Bundesbank an TARGET2 teilnehmenden Bank Gelder aus dem Ausland zu, führt dies bei der Bundesbank zu Verbindlichkeiten gegenüber dieser Bank (…). Im Gegenzug entsteht eine Forderung der Bundesbank in gleicher Höhe gegenüber der sendenden nationalen Zentralbank. Diese wiederum belastet das Konto der sendenden Geschäftsbank. Dies erfordert ein ausreichendes Guthaben an Zentralbankgeld der sendenden Bank. Zentralbankguthaben werden primär durch die geldpolitischen Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems bereitgestellt.

In den Jahren vor der Finanzkrise haben sich die grenzüberschreitenden Zahlungen Deutschlands weitgehend ausgeglichen. (…) Dies änderte sich in der Finanzkrise. Während deutschen Banken (…) weiter Gelder aus dem Ausland zuflossen, waren sie krisenbedingt weniger bereit und teilweise auch nicht in der Lage, diese am Interbankenmarkt an ausländische Institute auszuleihen. Statt dessen führten sie – jedenfalls im Aggregat – nach und nach ihre Refinanzierungsgeschäfte bei der Bundesbank zurück. Lag beispielsweise das auf deutsche Institute entfallende Refinanzierungsvolumen Anfang 2007 noch bei 250 Mrd €, so ist diese Position bis Ende 2010 auf 103 Mrd € zurückgegangen Umgekehrt erhalten Banken in einer Reihe anderer EWU-Länder seitdem verstärkt Zentralbankgeld über das Eurosystem.

Die deutschen Banken haben also in der Tat weniger Geld von der EZB aufgenommen, aber nicht, weil sie nicht konnten, sondern weil sie nicht MUSSTEN. Denn ihnen ist massiv Liquidität aus dem Ausland über den Geldmarkt zugeflossen. Das wiederum passt zu der von mir erwähnten empirischen Beobachtung, dass ich keine Bank kenne, die wegen des Mangels an Zentralbankliquidität ihre Kredite an den Privatsektor einschränken musste. Bei Vollzuteilung, wie wir sie derzeit haben, kann das ohnehin nicht passieren. Die großzügige Geldpolitik der EZB mag viele Probleme mit sich bringen, definitiv behindert sie nicht die Kreditvergabe in Deutschland. Eine gute Analyse des Problems mit einer ähnlichen Schlussfolgerung wie meiner findet sich auch im Irish Economy Blog.

Meine Vermutung ist, dass Sinn nicht ausreichend berücksichtigt, dass Geld im Sinne von M3 in einem modernen Finanzsystem nicht von der Zentralbank, sondern von der Geschäftsbank geschöpft wird, nämlich im Akt der Kreditvergabe. Aber das ist zugegebenermaßen Spekulation.

4. Ich behaupte NICHT, dass der Euro eine gute Sache ist. Ich bin der Überzeugung, dass es ein historischer Fehler wäre, ihn aufzugeben, aber das war nicht Thema meines Beitrags.

PS: Um es deutlich zu sagen. Für alle Punkte, die hier angesprochen sind, ist Target 2 irrelevant. Die Target 2 Debatte ist ein Kartenhaus – hoffen, wir, dass es bald zusammenkracht.


 

Die Irrtümer des Hans-Werner Sinn (Folge II)

Der zweite Teil meiner kleinen Reihe hat sich etwas verzögert, was unter anderem daran liegt, dass ich diesmal versuche, ein moving target zu treffen. Es geht um Sinns Ausführungen zum Thema Target 2. Dies ist ein längerer Beitrag, der mit dem Urteil enden wird, dass Hans-Werner Sinn eine Art Carl Schmitt der Ökonomie ist: Die oder Wir. Wenn es den Iren oder den Portugiesen gut geht, geht es uns schlecht – und umgekehrt. So gesehen wäre das Hilfsprogramm für Portugal also falsch. So denken viele in Deutschland, so einfach ist die Sache aber nicht. Weiter„Die Irrtümer des Hans-Werner Sinn (Folge II)“

 

Fed will weiter Gas geben

Gestern Abend hatte der Chairman der Fed, Ben Bernanke, erstmals in der Geschichte der amerikanischen Notenbank eine Pressekonferenz veranstaltet, um die künftige Strategie der amerikanischen Geldpolitik zu erläutern.

Wie die Fed am 3. November 2010 angekündigt hatte, läuft die zweite Runde des „quantitative easing“ Ende Juni 2011 aus. Beim QE2, wie es auch genannt wird, geht es um den Ankauf von US-Staatsanleihen mit dem Ziel, die Zentralbankgeldmenge aggressiv zu vergrößern und gleichzeitig darum, wenn auch nur in zweiter Linie, die Zinsen am Rentenmarkt zu senken und auf diese Weise die Investitionstätigkeit und das Wirtschaftswachstum zu stimulieren. Weiter„Fed will weiter Gas geben“