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EZB weniger expansiv als es scheint

Die Europäische Zentralbank hat am 13. April ihren Leitzins auf 1,25 Prozent angehoben. Er ist damit immer noch auf einem rekordniedrigem Niveau. Die meisten Analysten und Marktteilnehmern halten die Geldpolitik daher weiter für extrem expansiv. Das gelte vor allem für Deutschland, dessen Wirtschaft im ersten Quartal saisonbereinigt um fast ein Prozent gegenüber dem vierten Quartal 2010 gewachsen ist, wenn mein Mitblogger Uwe Richter mit seiner Schätzung recht hat. Das reale Inlandsprodukt wäre damit im ersten Quartal bis auf 0,5 Prozent an seinen bisherigen Höchststand vom ersten Quartal 2008 herangekommen. Aber dennoch bleibt nach wie vor eine große Outputlücke. Warum? Weil das Produktionspotential nach meinem Verständnis in diesen drei Jahren um 1,5 Prozent pro Jahr zugelegt hat: Die Differenz zwischen aktuellem BIP und dem Potentialwert betrug im ersten Quartal 5 Prozent. Von Vollauslastung und damit von Inflationsgefahren kann also selbst in dem Land der Währungsunion, das zur Zeit relativ am stärksten wächst, noch keine Rede sein. Weiter„EZB weniger expansiv als es scheint“

 

Portugal wird es schaffen

Aus deutscher Sicht lässt sich nicht viel gegen die Erhöhung der Notenbankzinsen um 25 Basispunkte auf 1,25 Prozent in der vergangenen Woche sagen; sie hätten auch stärker angehoben werden können. Nicht ganz so gelassen werden die Dinge in den Ländern gesehen, die mit Schuldenkrisen kämpfen. Da die EZB aber noch nicht signalisiert hat, dass die mengenmäßig unbeschränkte Zuteilung von Zentralbankgeld demnächst beendet werden soll, wird es einerseits nicht an Liquidität fehlen und es andererseits bei kurzen Laufzeiten bei negativen Realzinsen bleiben. Auch die Krisenländer können sich daher kaum beklagen.

Nach Griechenland und Irland hat jetzt auch Portugal die Europäische Kommission um finanziellen Beistand gebeten. Weiter„Portugal wird es schaffen“

 

Was will uns Roland Vaubel sagen?

Bis jetzt dachte ich, man könne Roland Vaubel, seines Zeichens Professor für politische Ökonomie in Mannheim, einfach ignorieren. Aber er wird richtig gefährlich (Quelle Handelsblatt).

Ein „Euromantiker“ ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach Ansicht von Roland Vaubel, Professor für Politische Ökonomie an der Uni Mannheim.  Vaubel begründet seine herbe Kritik damit, dass der Minister sich nicht um die Ratschläge seines Wissenschaftlichen Beirats schere, der ihn vor schädlichen Folgen von zu großzügigen Krediten an einzelne Euro-Staaten gewarnt habe.

„Der Fehlanreiz wäre geringer, wenn der Schuldnerstaat die verbürgten Hilfskredite, ob sie nun zur Finanzierung frischer Defizite oder zur Ablösung von Altschulden dienen, nur zu einem merklich höheren Zinssatz erhalten würde.“ Griechenland zum Beispiel könne sich auch nach Verabschiedung der ihm auferlegten Reformen „nicht am Markt zu so günstigen Bedingungen verschulden wie beim europäischen Bail-out-Fonds.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Schäuble hat versagt, weil die Zinsen des Rettungsfonds niedriger sind als die Marktzinsen. Aber was wäre denn, wenn die Zinsen genau so hoch wären wie die Marktzinsen? Genau, dann bräuchte man auch keinen Rettungsfonds. Denn der existiert ja, weil die Märkte zu hohe Zinsen verlangen (im Idealfall sind diese Zinsen zu hoch, weil die Märkte überschießen, ein eigentlich solventes Land hat ein Liquiditätsproblem, im nicht so idealen Fall ist das Land insolvent und erhält einen Transfer).

Und wo bitte ist der Fehlanreiz? Ist irgendeines der Länder gerne unter den Schirm geschlüpft? Nach dem Motto: Kommt und rettet uns, wir beugen uns gerne dem Diktat aus Brüssel? Ich erinnere mich, dass die EU an Portugal lange zerren musste. Man kann lange über das Für und Wider des Rettungsfonds diskutieren – aber so?

 

Die Irrtümer des Hans-Werner Sinn (Folge I)

Hans-Werner Sinn begleitet mich nun schon fast mein ganzes Berufsleben. Ich halte ihn für einen sehr klugen Ökonomen, er stellt sich seinen Gegnern mit offenem Visier, er ist originell und er hat sein Institut im Griff. Das kann man von den wenigsten deutschen Wirtschaftswissenschaftlern behaupten – ob links oder rechts. Doch irgend etwas scheint ihn dazu zu bewegen, in regelmäßigen Abständen Thesen aufzustellen, die – nun ja – gewagt sind.

Da war die Sache mit der Basarökonomie, wonach die deutschen Exporterfolge kein Indiz für die Wettbewerbsfähigkeit seien, weil hierzulande nur zusammengeschraubt würde, was in Osteuropa hergestellt wurde. Es ist ziemlich still geworden um diese These. Da war der Versuch, den Wechselkurs des Euro auf die Bargeldeinführung zurückzuführen.

Auch in die Debatte um den Euro hat sich Sinn eingemischt – und weil über seine Ansichten oft und gerne und in der Regel unkritisch berichtet wird, nehme ich mir die Freiheit, in einer losen Folge einige von ihnen einem Realitätscheck zu unterziehen. Heute soll es um Kapitalströme gehen.

Sinn argumentiert, dass es den Deutschen lange Zeit schlecht ging, weil das Kapital wegen der starren Arbeitsmärkte hierzulande und der Aussicht auf satte Renditen in Griechenland und anderswo flüchtete.

Es war nämlich nicht gesund, dass in den letzten Jahren so viel Kapital aus Deutschland in die Länder der südwestlichen Peripherie und nach Amerika abgeflossen war. Das Kapital hätte auch hier investiert werden können. Deutschland hatte von 1995 an über 14 Jahre im Schnitt die niedrigste gesamtwirtschaftliche Nettoinvestitionsquote aller OECD-Länder. Wir haben im letzten Jahrzehnt von unseren Ersparnissen nur ein Drittel zu Hause investiert.

Dann passieren zwei Dinge: Gerhard Schröder reformierte die Arbeitsmärkte, und die Investoren verbrannten sich die Finger im Ausland. Jetzt komme das Geld zurück und deshalb gehe es uns gut.

Viele deutsche Kapitalanleger werden ihr Geld nicht mehr wiedersehen. Dies veranlasst sie, umzudenken. Die Zinsabstände steigen wieder, und das Sparkapital wird wieder verstärkt zu Hause angelegt.

Fertig ist die Erzählung, die es politstrategisch erlaubt, Agenda-Reformen zu feiern und gegen die Euro-Rettungspakete zu sein, was ihr in gewissen Kreisen zu Popularität verhilft.

Es gibt eine Reihe von Einwänden dagegen, ich beschränke mich auf einen: Deutschland ist immer noch Nettokapitalexporteur, wie diese Grafik zeigt. Allein im vierten Quartal 2010 haben wir mehr als 30 Milliarden Euro verloren. Das Geld kommt also nicht zurück. Wenn Sinns These stimmt, dann hätte es uns 2002/2003 richtig gut gehen müssen, da war der Saldo in der Leistungsbilanz erheblich geringer.

Und auch die Sache mit den Investitionen ist komplizierter, als es Sinn beschreibt. Ja, die Deutschen haben in den vergangenen Jahren wenig investiert. Aber das lag nicht an starren Arbeitsmärkten oder einem Mangel an Kapital für die Unternehmensfinanzierung, sondern vor allem daran, dass sich der Staat zurückgehalten hat und es keinen Immobilienboom gab. Die Unternehmen hierzulande – und auf die kommt es im Sinne eines nachhaltigen Aufschwungs an – haben nicht weniger Geld ausgegeben als im Rest Europas. Aus dem Herbstgutachten der Kommission, jeweils für die Jahre 2002 bis 2006, Veränderung zum Vorjahr in Prozent:

Germany Euro-Area
Investment in Construction: -2,0 +1,6
Investment in Equipment: +2,8 +2,4
Public Investment: +1,5 +2,5

Fazit: Es gibt viele Gründe für den Aufschwung, mit den Kapitalströmen hat er wenig zu tun, abgesehen vielleicht von der ein oder anderen Regung am Immobilienmarkt.

Update: Gerade gemerkt: Die Zahlen zum Public Investment sind Anteile am Bruttoinlandsprodukt, nicht Veränderungsraten. Ändert aber nichts an der Aussage.

 

Britisches Wirtschaftsmodell ist gescheitert

Ich erinnere mich nur ungern an die vielen Artikel in der Financial Times und im Economist, in denen das britische Modell als Vorbild für die deutsche Wirtschaftspolitik empfohlen wurde. Ich kann nur sagen, ein Glück, dass wir uns nicht allzu sehr davon haben beeindrucken lassen, vor allem auch nicht von der Behauptung, dass der Euro der Anfang und das Ende allen Übels sei, oder dass die Dienstleistungen in einer reichen Volkswirtschaft der Wachstumsmotor par excellence seien und man ganz gut ohne einen nennenswerten Industriesektor auskommen könne. Wenn ich mir die aktuellen Zahlen ansehe, kann ich mir eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen. Zur Zeit läuft in Deutschland in wirtschaftlicher Hinsicht praktisch alles besser als auf der Insel. Weiter„Britisches Wirtschaftsmodell ist gescheitert“

 

Inflation wird bald zurückgehen

Gestern habe ich für 1,539 Euro den Liter getankt, und ich gehe davon aus, dass mir mein Stromversorger in Kürze die Preise um 20 Prozent oder so erhöhen wird. Ich sehe gerade, dass die von den Energierohstoffen getrieben Einfuhrpreise im Februar um 11,9 Prozent über ihrem Vorjahreswert lagen. Nicht nur das, sie steigen sogar immer rascher, nämlich mit einer annualisierten Rate von 17,1 Prozent in den vergangenen sechs Monaten. Da die Importe von Gütern und Dienstleistungen im vergangenen Quartal annualisiert 1062 Mrd. Euro betrugen, bei einem BIP von 2524 Mrd. Euro, könnten mich solche Zahlen erschrecken. Tun sie aber nicht. Ich glaube nicht, dass sich eine neue Inflationsmentalität breit macht. Weiter„Inflation wird bald zurückgehen“

 

Deutschlands Parlamentarier und der Euro – ein Trauerspiel

Wer die deutsche Debatte um den neuen Rettungsfonds verfolgt, muss an der Demokratie zweifeln – zumindest an der Fähigkeit ihrer höchsten Repräsentanten, das Verständnis für die Vorgänge in einer modernen Volkswirtschaft auch nur annähernd aufzubringen.

Jetzt streitet also der Bundestag darüber, in wie vielen Schritten und wann Deutschland seine Kapitaleinlage in den ESM – rund 22 Milliarden Euro – leistet. Und wir bekommen zu hören, dass nun, da echtes Kapital fließe und nicht nur Garantien gegeben würden, endlich klar sei, dass die Rettung des Euro etwas koste.

Humbug. Wie der Fonds finanziert wird, ob über Garantien oder Cash, ist völlig egal. Jedem am Kapitalmarkt aufgenommenen Euro, den der Bundesfinanzminister nach Luxemburg überweist, steht eine Forderung in gleicher Höhe gegenüber. Das ist alles Volksvermögen, liebe Abgeordnete, egal wo es liegt. Entscheidend für die Gewinn- und Verlustrechnung ist, ob die Kredite, die der ESM vergibt, ausfallen oder nicht. Nur, wenn sie nicht zurückbezahlt werden, hat der deutsche Steuerzahler einen Schaden.

Und ja, der Bund bezahlt Zinsen, wenn er sich das Geld leiht. Aber der ESM wird das Geld anlegen, es ist unwahrscheinlich, dass Klaus Regling 80 Milliarden unter seine Matratze steckt, und – ganz genau – dafür Zinsen kassiert. Die kann er wieder ausschütten.

Man kann und sollte sich lange und trefflich darüber streiten, ob Europa eine Rettungsfonds braucht oder nicht. Ob Staatspleiten besser sind, als Liquiditätshilfen. Doch was die Abgeordneten aller Fraktionen derzeit abziehen, ist billigstes Buhlen um euroskeptische Wähler und nur noch peinlich.

Je länger ich dieses Spiel beobachte, desto mehr steigt mein Respekt vor Angela Merkel. Mit diesen Chaoten überhaupt eine kohärente Position in Brüssel vertreten zu können – das ist schon eine Leistung.

 

Der Ölpreis drückt auf die Aktienkurse

Es sieht danach aus, als stünden die Aktienmärkte global vor einer längeren Korrektur. Steigende Notenbanksätze sind dabei das geringste Risiko: Die Zügel dürften nur sehr vorsichtig angezogen werden, so dass die Geldpolitik nach wie vor expansiv wirkt. Das größte Risiko für die Konjunktur und damit für die Unternehmensgewinne sind die hohen Rohstoffpreise, vor allem der Ölpreis. Er bewirkt eine massive Umverteilung der Einkommen von den Ölkonsumenten hin zu den Ölproduzenten und dämpft damit die Nachfrage in den meisten OECD-Ländern, aber auch in China und Indien. Dass es im Euroland noch zu einer Krise kommen wird, die mit dem Lehman-Konkurs von September 2008 vergleichbar ist, glaube ich dagegen nicht mehr. Die Regierungen der 17 Euroländer sind entschlossen, alles zu tun, was zu tun ist, auch wenn es viel Geld kostet. Ein anderes, ernsteres Risiko für die Aktienmärkte ist das hohe Kursniveau: Zyklisch bereinigt liegen die Gewinne unter ihrem aktuellen Niveau – so dass die Kurs-/Gewinnverhältnisse höher sind als es den Anschein hat. Weiter„Der Ölpreis drückt auf die Aktienkurse“

 

Size matters, sagt die BIZ

Welche Banken sind gefährlich für das Finanzsystem und müssen deshalb besonders streng überwacht werden? In den internationalen Gremien wird derzeit an einer Liste der Probleminstitute – mit dem schönen Kürzel GSIFIs oder globally systemically important financial institutions – gearbeitet. Dazu werden Indikatoren benötigt, und so wird heftig darüber gestritten, wie Systemrelevanz zu messen sei. Die Liste soll noch im ersten Halbjahr stehen.

Die BIZ hat sich – von der Öffentlichkeit nach meine Beobachtung bislang weit gehend unbemerkt – in ihrem letzten Quartalsbericht ein paar Gedanken gemacht. Das Ergebnis dürfte Josef Ackermann, Jamie Dimon und den anderen Chefs der globalen Megabanken wenig Freude bereiten.

We find that bank size is a reliable proxy of systemic importance, regardless of the perspective chosen. Interbank lending or borrowing provides additional useful information for some measures but not for others. This result is not surprising as it is fully in line with the economic logic underlying each measurement approach.

Die Größe also ist offenbar die entscheidende Variable. Woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass besonders große Banken entweder streng reguliert werden müssen oder gleich in ihre Einzelteile zerlegt werden sollten. Ackermann argumentiert bekanntlich, dass die Größe für die Systemrelevanz nicht so wichtig sei:

Es wäre ein Fehler, zusätzliche Anforderungen nur an einfachen Kriterien wie der Größe festzumachen.

Honi soit qui mal y pense.