Lesezeichen
 

Eingepreister Pessimismus

Für Anleger sind die Hauptthemen immer noch der Konjunktureinbruch und der Rückgang der Inflationsraten. Sie haben es mit keiner normalen Rezession zu tun, sondern mit einer „Bilanzrezession“ – Schuldenabbau ist für viele Haushalte und Unternehmen angesichts stark geschrumpfter Vermögenswerte überlebenswichtig. Sie müssen ihre Ausgaben einschränken und werden auch dann dabei bleiben, wenn die Zinsen Null erreichen und die Steuern gesenkt werden. Allein ein kräftiger Anstieg der Staatsausgaben kann helfen, auch wenn es dadurch zu zweistelligen Haushaltsdefiziten kommt. Trotzdem wird sich nicht vermeiden lassen, dass das globale BIP in diesem Jahr stark schrumpfen wird. Mit ihm vermindern sich die Realeinkommen.

Die Frage ist, ob ein solches Szenarium schon in den Aktienkursen, Bondpreisen und Immobilienpreisen enthalten ist. Wenn ja, ist die Welt voller günstiger Kaufgelegenheiten, denn schlechter kann es nicht kommen. Irgendwann werden auch die massiven monetären und fiskalischen Gegenmaßnahmen greifen. Ich habe da allerdings meine Zweifel, dass wir vor einem Ende des Abwärtstrends stehen. Jedenfalls brauchen sich die Anleger nicht zu beeilen.

Ausführliches zur Lage der Weltwirtschaft und den Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – March 2009*) (pdf, 205 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Was man bei der Schuldenbremse bedenken sollte

Vor drei Wochen hatte sich die Föderalismuskommission II unter der Leitung von Peter Struck und Ministerpräsident Günther Oettinger noch schnell auf eine Schuldenbremse geeinigt. Im März soll das Konzept in den parlamentarischen Beratungsprozess um dann im Sommer ins Gesetz gegossen zu werden. Die mit den Konjunkturprogrammen geplanten Haushaltsdefizite haben da wohl als Katalysator gewirkt. Und wenn man schon dabei ist, den ungeliebten Schulden der öffentlichen Hand zu Leibe zu rücken, will man auch gleich Nägel mit Köpfen machen. Der größten Neuverschuldung der deutschen Geschichte soll die strikteste Neuverschuldungsbremse der deutschen Geschichte folgen. Weiter„Was man bei der Schuldenbremse bedenken sollte“

 

Konsum hält sich, Exporte und Investitionen brechen weg

Die Zahlen zum deutschen Bruttoinlandsprodukt, genauer: zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, waren, was das Gesamtergebnis angeht, nicht überraschend. Das reale BIP ist im letzten Quartal des Vorjahres mit einer Verlaufsrate von 8,2% gesunken und lag damit um 1,65% unter seinem Vorjahresstand.

Für 2008 insgesamt kam es noch zu einer Zuwachsrate von 1,3%. Der zyklische Höhepunkt wurde im 1. Quartal 2008 erreicht, seitdem sinkt der Output (Y). Nach der international üblichen Definition herrscht also seit dem 2. Quartal 2008 in Deutschland Rezession. Weiter„Konsum hält sich, Exporte und Investitionen brechen weg“

 

Oh, Du verdammter Stabilitätspakt

Euroland steckt in der tiefsten Krise seit der Einführung der Gemeinschaftswährung vor zehn Jahren. Daran gibt es leider nichts zu deuteln. An den Finanzmärkten werden bereits Wetten auf die Zahlungsunfähigkeit einzelner Euroländer abgeschlossen, namentlich Griechenland, Irland und die Slowakei. Aber auch Spanien, Portugal und selbst Italien schauen nicht sehr stabil aus. Die Debatte um die Rettung der Eurozone läuft hochtourig. Als populärer Vorschlag wird eine Gemeinschaftsanleihe herumgereicht. Selbst der Internationale Währungsfonds befürwortet inzwischen dieses Instrument. Ist es der Weisheit letzter Schluss? Und wer oder was hat eigentlich zu der Krise geführt? Auf die erste Frage ist die Antwort schwieriger, auf zweite dagegen kinderleicht: Es ist der verdammte Stabilitätspakt, den deutsche Super-Ökonomen ersonnen haben, die vom Kapitalismus noch nie richtig viel verstanden haben. Weiter„Oh, Du verdammter Stabilitätspakt“

 

Reden wir über Bilanzrezessionen!

Am Mittwoch hat Martin Wolf in der Financial Times einen Artikel über Balance Sheet-Rezessionen geschrieben und ist mir damit etwas zuvorgekommen. Seit einigen Tagen lese ich in der S-Bahn das im vergangenen Sommer erschienene neue Buch von Richard Koo, dem Chefökonom des Nomura Research Institute. Es heißt „The Holy Grail of Macroeconomics“ und ist eine erweiterte und aktualisierte Version seiner bahnbrechenden, wenn auch lange Zeit nicht sehr ernst genommenen Studie zur „Balance Sheet Recession“ vom Februar 2003.

Richard Koo schreibt unterhaltsam, belegt alles anschaulich mit empirischem Material und vor allem: Seine Analysen haben sich als außerordentlich wertvoll erwiesen, schon weil es so wenig Vergleichbares über die Prozesse nach dem Platzen von Asset Price-Blasen gibt. An den Universitäten war das Studium der Makroökonomie lange Jahre wenn nicht verpönt, so doch im Vergleich zu Finance und Mikro als ziemlich irrelevant angesehen worden, und dass es so etwas wie eine Depression noch einmal geben könnte, wurde angesichts der angeblich wundervoll funktionierenden Märkte schlichtweg geleugnet. Nun ja, das ändert sich gerade dramatisch. Weiter„Reden wir über Bilanzrezessionen!“

 

Ein löbliches Ziel, das nicht zu erreichen ist

Noch nie sei auf einen Konjunktureinbruch so schnell und umfassend reagiert worden, meinte gestern in der Bundestagsdebatte zum Konjunkturpaket Freiherr von und zu Guttenberg. Offensichtlich ist der adelige Wirtschaftsminister in der Wahrnehmung der Realität so langsam wie sein Vorgänger Glos im sprachlichen Ausdruck. Immerhin wurde laut Glos in seinem Ministerium schon vor einem Jahr die Auflegung eines Konjunkturprogramms erwogen. Ein Jahr dauerte es also, bis die Wirtschaftsverbände, die orthodoxen Volkswirte und schließlich auch die Bundesregierung ihre interessegeleiteten Hemmungen gegen Konjunkturprogramme endlich aufgegeben haben. Wahrlich rasant!

Wirklich schnell ging oder geht es dagegen bei der Bankenrettung. Das, so werden Gutwillige sagen, liegt daran, dass man im Falle einer drohenden Bankenpleite sofort handeln muss. Unter dem Zwang der Umstände hätten deshalb binnen Tagen, wenn nicht Stunden die zweistelligen Milliardenbeträge für IKB, Commerzbank und Hypo Real Estate locker gemacht werden müssen. Auch in den USA und in anderen westeuropäischen Ländern sei schließlich so verfahren worden. Eine Bank über die Wupper gehen zu lassen, habe verheerende Folgen. Das könne man ja am Fall Lehman Brothers gut erkennen. Weiter„Ein löbliches Ziel, das nicht zu erreichen ist“

 

BIP sinkt mit einer Rate von 8,2% – Politik muss gegensteuern!

Ich weiß, die –8,2% klingen reißerisch – es handelt sich aber einfach um die Hochrechnung der heutigen BIP-Zahl für das vierte Quartal von real und saisonbereinigt -2,1% q/q auf ein ganzes Jahr und entspricht dem Wert von -3,8%, den die Amerikaner kürzlich für ihr viertes Quartal veröffentlicht hatten. Die hochgerechnete Verlaufsrate gibt die aktuellen Trends besser wieder als der Vorjahresvergleich. Bei dem kam im vierten Quartal für Deutschland übrigens -1,7% heraus. International üblich sind Verlaufsraten allemal.

Das reale BIP ist also noch schlechter ausgefallen als befürchtet, allerdings angesichts dessen, was sich in der Industrie tut, nicht so schlecht, wie es hätte sein können. Im laufenden Quartal wird es im selben Rhythmus weitergehen, so dass sich unter den Annahmen, dass der Rückgang im zweiten Quartal „nur“ noch 1,0% q/q beträgt und es danach zu einer Stagnation kommt, im Jahresdurchschnitt 2009 beim realen BIP im Vorjahresvergleich ein Rückgang von 4,7% errechnet. Das gab es seit den dreißiger Jahren nicht mehr. Weiter„BIP sinkt mit einer Rate von 8,2% – Politik muss gegensteuern!“

 

Die Lage ist ernst

Nach den Zahlen für die Industrieproduktion im Dezember zu urteilen, wird das deutsche Sozialprodukt im 4. Quartal gegenüber dem 3. Quartal real und saisonbereinigt um ein bis zwei Prozent geschrumpft sein. Das bedeutet, dass es im Vorjahresvergleich zwischen 0,6 und 1,6 Prozent zurückgegangen ist.

Um die Sache mal dramatischer darzustellen – oder so dramatisch, wie sie wirklich ist: Die Industrieproduktion einschließlich Bau lag im Dezember um 12,0 Prozent unter ihrem Vorjahreswert. Der Absturz läuft seit September: Wenn man den Rückgang von August bis Dezember auf’s Jahr hochrechnet, ergibt sich eine Verlaufsrate von –33,6% (104,6/119,9 hoch drei, da vier Monate ein Drittel eines Jahres sind). Das ist ein deutlich stärkerer Rückgang als etwa in den USA (-16,0 Prozent) oder in Großbritannien (-17,6 Prozent). Auch im Vorjahresvergleich ist der Rückgang in Deutschland größer. Weiter„Die Lage ist ernst“

 

Keiner hat Angst vor der Inflation – ich auch nicht

Am vergangenen Wochenende gab es in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Artikel mit diesem Titel, nur dass hinter dem Gedankenstrich die Wörter „wir schon“ standen. Die Autorin wollte den Lesern den Erwerb von inflationsgeschützten Anleihen schmackhaft machen, weswegen sie zeigen musste, dass es über kurz oder lang wieder zu steigenden Inflationsraten kommen wird, dass man also als Anleger Handlungsbedarf hat. Leider gab es kein einziges Argument, dass ich überzeugend fand (obwohl inflationsindexierte Bundesanleihen zur Risikostreuung sehr nützlich sind). Weiter„Keiner hat Angst vor der Inflation – ich auch nicht“

 

Investieren in Zeiten der Rezession und Deflation

Nach dem jüngsten Working Paper von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff („The Aftermath of Financial Crises“) entwickelt sich die gegenwärtige Finanzkrise genau nach Plan, also genauso wie ein Dutzend frühere Krisen in verschiedenen Ländern. Das ist beängstigend. Denn Krisen, die mit einem Verfall der Vermögenspreise einhergehen, sind besonders tief und halten lange an. Die Arbeitslosenquote steigt im Durchschnitt um sieben Prozentpunkte, das reale Pro-Kopf-BIP sinkt von der Spitze bis zum Tiefpunkt um nicht weniger als 9,3 Prozent, und die Staatsschulden erhöhen sich um 87 Prozent.

Anleger sollten realistisch sein und solche Entwicklungen als Arbeitshypothese verwenden – auch wenn es hoffentlich nicht so schlimm kommen wird. Stagnierende oder fallende Preise, also Deflation, gehören mit ins Bild, ebenso wie rückläufige Unternehmensgewinne und Rohstoffpreise. Staatsanleihen, ausgewählte Unternehmensanleihen und inflationsindizierte Anleihen sind immer noch erste Wahl.

Auch wenn sich die Notenbanker und Finanzpolitiker noch so viel Mühe geben und vielfach über ihren professionellen Schatten springen, sie werden zunächst nicht viel bewirken. Wir müssen uns darauf einrichten, dass wir mehrere Jahre mit der Rezession leben müssen.

Ausführliches zu den jüngsten Entwicklungen in den wichtigsten Industrieländern und Russland und den Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – January 2009*) (pdf, 238 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)