Bei den Kollegen des „Watchblog Islamophobie“ finde ich diese Übersetzung eines Textes von Freddy Thielemans aus „de Standaard“. Der Brüsseler Bürgermeister begründet hier sein Verbot einer Demo am 11. September.
Die Islamophobie-Mahner halten Thielemans Gründe für überzeugend. Sie liegen falsch! Ich finde im Gegenteil, dass die ganze Fragwürdigkeit des Verbotes hier noch einmal richtig deutlich wird.
Thielemans schliesst schon aus dem Datum, an dem die Demonstration stattfinden soll, dass eine Vermengung von Islamismuskritik mit einer Ablehnung des Islams als Ganzes und der Muslime als solche gegeben sei.
Erstens: Islamismuskritik und Ablehnung des Islams als Ganzes müssen erlaubt sein, und sehr wohl auch ihre „Vermengung“. Man kann das kritisieren, aber selbstverständlich darf jedermann den Islam ablehnen, weil er etwa meint, dieser sei von Islamismus nicht zu unterscheiden. Wo leben wir denn?
Zweitens: Es gibt kein sinnvolleres Datum für eine solche Demo als den 11.9.
Drittens: Wenn bei dieser Demo xenophob oder rassistisch gegen unbescholtene Muslime agitiert würde, müsste die Polizei eben mit voller Härte zuschlagen. Bürgermeister Thielemans stünde als dann korrekter Law-and-order-Mann da. Wo ist das Problem? Kann er wirklich derart viel Gefahr im Verzug geltend machen, dass man es darauf nicht ankommen lassen kann?
Ich sehe es einfach nicht, und Thielemans‘ Text belegt es auch nicht. Stattdessen flüchtet er sich in merkwürdige Islam-Exegese und behauptet, es gebe seines Wissens „im Islam keine einzige religiöse Regel, die sich in gleicher Weise aufdrängt“ wie die frühere katholische Einflussnahme auf die öffentliche Ordnung.
Da fragt man sich denn doch, wo dieser Mann eigentlich lebt.
Fatal auch die Schwäche seiner Vorwürfe an die Organisatoren: Sie würden behaupten, dass „Islam und Demokratie“ nicht zusammengehen. Ist das etwa eine vollkommen absurde Behauptung? Es ist bisher eine Tatsache in weiten Teilen der islamischen Welt. Darf man das in Brüssel nicht mehr thematisieren?
Freddy Thielemans, Brüsseler Bürgermeister
Auch scheint es Herrn Thielemans verwerflich, dass die Organisatoren „nicht an einen gemässigten Islam glauben“. Ist das etwa die Voraussetzung für die Genehmigung einer Demo? Haarsträubend. Die Überzeugung, der gemäßigte Islam sei möglich, läßt sich doch nicht zum Kriterium für die Ausübung eines Grundrechts machen!
Hier Thielemans Text – ein Tiefpunkt für die liberale Demokratie in Europa:
„Ich habe mich entschlossen, die Demonstration am 11. September “gegen die Islamisierung Europas” zu verbieten. Das Verbot einer Demonstration ist eine Verwaltungshandlung, die zu den Befugnisssen des Bürgermeisters gehört. Genauso ist es meine Aufgabe, Sicherheit und öffentliche Ordnung im Gebiet der Gemeinde sicherzustellen. Falls Entscheidungen, die ich fälle, nachteilige Folgen haben,
Seit 2001 habe ich ungefähr 3.500 Demonstrationen genehmigt und diese ist erst die sechste, die ich verbiete. Es ist eine solche Ausnahme für mich, eine Demonstration zu verbieten, dass dies ein Grund ist, meine Entscheidung öffentlich zu erläutern, umsomehr, als sie aus den unterschiedlichsten Gründen kritisiert wurde.
Die zuständigen Abteilungen der Polizei haben den Antrag auf Genehmigung der Demonstration geprüft und empfingen dazu unter anderem die Organisatoren. So konnten sie sich einen deutlicheren Eindruck verschaffen von den Absichten der Organisatoren, den Absichten und Rahmenbedingungen, die zu erwartenden Demonstrationsteilnehmer und die Reaktionen, zu denen eine solche Demonstration führen kann…
Aus dieser Prüfung wurde deutlich, daß diese Demonstration drohte, die öffentliche Ordnung zu stören und die Sicherheit von Sachen und Personen in Gefahr bringen konnte. Meine Entscheidung stützt sich auf den Bericht der Polizei.
Einige erstaunt das. Man beruft sich auf die Meinungsfreiheit und auf das Recht seine Überzeugung zu äussern. Lassen Sie mich dazu anmerken, dass es um die Meinungsfreiheit überhaupt nicht geht. Die Betroffenen sind hierin übrigens sehr geschickt und finden hierfür bei einer großen Anzahl von Medien Gehör.
Das Demonstrationsrecht findet da seine Grenze, wo Ruhe und Ordnung gestört werden. Hier sind für mich drei Punkte wichtig:
Zuerst und vor allem die Entscheidung, eine solche Demonstration auf einem symbolträchtigen Datum wie dem 11. September stattfinden zu lassen. Die Bedeutung hiervon ist natürlich, die terroristischen Aktivitäten von Islamisten einerseits zu vermengen mit dem Islam als Ganzes und allen Muslimen andererseits.
Darüberhinaus pflegen die wichtigsten Führer bestimmter Organisationen, die zu dieser Demonstration aufrufen, einen Diskurs – auch schriftlich – der diese ungerechtfertigte Vermischung bestätigt. Sie behaupten unter anderem, daß
“Islam und Demokratie nicht zusammengehen”,
und daß sie
“nicht an einen gemäßigten Islam glauben. Die Muslime werden temporär so tun als ob, aber das ist der schöne Schein. Sie schaffen eine Nebelwand um uns in die Irre zu führen.“
Mitglieder und Sympatisanten dieser Organisationen sind im Allgemeinen für ihr wenig friedliebendes Verhalten während solcher Veranstaltungen bekannt.
Was für meine Entscheidung keine Rolle gespielt hat, aber was ich doch in Erinnerung bringen will, ist, daß die gefährliche Mischung, mit der die Organisatoren der Demonstration uns konfrontieren, von der Art ist, daß sie zu Diskriminierung und Hass aufruft in Bezug auf Muslime, und dass sich das mittlerweile ausbreitet auf jeden, der kulturelle Bindungen an den Islam hat.
Diese Anstiftung zu Diskriminierung und Hass, die wir durchgehend als Rassismus und Fremdenhass bezeichnen, wird verboten durch eine große Anzahl internationale Verträge und wird sowohl durch unsere Gesetze als auch durch die europäische Gesetzgebung strafrechtlich verfolgt. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt Taten wie diese verurteilt.
In einem Urteil vom 21. April 2004, das später durch das Hohe Kassationsgericht bestätigt wurde, stellt das Berufungsgericht in Gent auf der Basis eines gleichartigen Amalgams in einem Urteil gegen eine politische Partei (Vlaams Blok), dass diese
wissentlich und willentlich zum Hass auf bestimmte Bevölkerungsgruppen anstiftet, nicht alleine wegen ihrer Nationalität, sondern zugleich wegen ihrer Abstammung (Lokalisation ihres Herkunftslandes, gegenseitige kulturelle Verbundenheit, die kriminogen sein soll, wegen ihrer Religion, ihrer Sitten, ja sogar Aussehen und Kleidung. Dies ist eine gesetzlich verbotene Form von Diskriminierung.
Persönlich stört es mich nicht, daß man an einer Religion Kritik übt. Das Recht auf Gotteslästerung ist in einer nichtkonfessionellen Demokratie ein Zeichen von Freiheit und Toleranz. Doch darf das nicht so weit gehen, daß Männer und Frauen um ihrer Überzeugungen und ihres Engagements willen der schlimmsten Verbrechen verdächtigt werden.
In unserer Gesellschaft haben wir uns einen langen Kampf geliefert, um zu erreichen, daß bestimmte Verhaltensregeln, die mit dem katholischen Glauben verbunden waren, nicht mehr als bürgerliches Gesetz jedem aufgezwungen werden konnten. Meines Wissens gibt es im Islam keine einzige religiöse Regel, die sich in gleicher Weise aufdrängt. Und nichts wird mich dazu bringen, zu beschließen, daß eine breite Mehrheit unserer muslimischen Bevölkerung hiernach fragen könnte.
Lassen wir zum Schluss nicht vergessen, daß Brüssel immer ein Beispiel für Toleranz und Offenheit gegeben hat für jeden, der hier lebt oder hier Zuflucht gefunden hat. Verschiedenheit, Kompromiss, Toleranz und das Abweisen der Extreme sind immer noch die Fundamente der Brüsseler Identität. Ich kenne meine Mitbürger: sie werden nicht wollen, daß ihre Stadt sich zur Haupststadt des Hasses auswächst.
Ich überlasse es jedem selber, hierüber weiter nachzudenken und sich auf der Basis dieser kurzen Reflexion eine eigene Meinung zu bilden. Für die Organisation der am 11. September geplanten Demonstration “gegen die Islamisierung von Europa” steht meine Meinung fest: sie findet nicht statt.