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Gute Chancen für Carsten S.

Jung, leichtgläubig, verklemmt: So sieht sich Carsten S., der dem NSU eine Pistole überbracht haben soll. Doch ein Gutachter glaubt, dass der Angeklagte mehr war als ein naiver Mitläufer.

Carsten S. war ein junger Mann, als er den wohl größten Fehler seines Lebens machte. 19 bis 20 Jahre war er alt, als er seinen Nazi-Kumpels Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eine Pistole in die Hand drückte, Modell Ceska 83, Kaliber 7,65 Millimeter. Mit der Waffe, die S. als Kurier überbrachte, sollen Mundlos und Böhnhardt neun Menschen erschossen haben – es war die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds.
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V-Mann Tino Brandt gibt Falschaussage zu – Das Medienlog vom Mittwoch, 18. März 2015

Dass der Thüringer Neonazi und V-Mann Tino Brandt im NSU-Prozess nur die halbe Wahrheit gesagt hatte, vermuteten Prozessbeobachter seit Langem. Jetzt liegt dafür offenbar eine Bestätigung vor: Brandt erzählte einem Mithäftling im Münchner Gefängnis Stadelheim, er habe dem Gericht Aussagen vorenthalten, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Der Gefangene schrieb in einem Vermerk, Brandt habe gesagt, er habe mehr Fragen beantworten können, aber nicht wollen. Er will bestätigt haben, was die Prozessbeteiligten ohnehin schon aus den Akten wussten.
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Die Wahrheit über den NSU? – Das Medienlog vom Dienstag, 17. März 2015

Es ist ein übler Verdacht: Eine rechtsextreme Gruppe namens Neoschutzstaffel könnte mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter von 2007 in Heilbronn zu tun haben – und die Polizei soll Informationen dazu ignoriert haben. Dies ist das Ergebnis einer Sitzung des Stuttgarter Untersuchungsausschusses. Dass Parlamentarier den Ermittlern Hinweise auf ein rechtes Netzwerk geben müssen, „spricht für sich und führt zum Ausgangspunkt zurück“, kommentiert Markus Decker von der Berliner Zeitung.
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Rechte Gruppe könnte in Kiesewetter-Mord verwickelt sein – Das Medienlog vom Montag, 16. März 2015

Neue Zweifel an der offiziellen Version zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter von 2007 in Heilbronn: Erkenntnissen aus dem baden-württembergischen Untersuchungsausschuss zufolge prüft die Polizei, ob eine rechtsextreme Gruppe namens Neoschutzstaffel in die Tat verwickelt ist, wie die Stuttgarter Nachrichten berichten. Die Gruppe soll sich nahe Heilbronn mit dem NSU getroffen haben. Dabei ist die Information eigentlich nicht neu: Auf die Gruppe hatte bereits der Zeuge Florian H. hingewiesen, der im September 2013 in seinem Auto verbrannt war – kurz vor einer Vernehmung. Nur hatten die Ermittler H. bislang nicht geglaubt.
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Mundlos war fasziniert vom Terrorismus – Das Medienlog vom Freitag, 13. März 2015

Am 192. Prozesstag sagte der Zeuge Andreas R. aus, der zu Jugendzeiten in Jena der beste Freund von Uwe Mundlos war. Er bekam mit, wie sich sein Schulkamerad vom alternativen SED-Gegner zum Rechtsradikalen wandelte. Unter anderem sagte R. aus, dass Mundlos gerne die Serie Paulchen Panther geschaut habe – aus der später das Bekennervideo des NSU zusammengeschnitten wurde. Es handelte sich um eine denkwürdige Aussage, weil sie „die frühen Tendenzen von Mundlos zum Rechtsextremismus und sein zunehmendes Abgleiten“ offenbarte, schreibt Björn Hengst auf Spiegel Online.
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Wenn der beste Freund in die rechte Szene abdriftet

Andreas R. lernte den späteren Rechtsextremen Uwe Mundlos in seiner Schulzeit kennen – und verfolgte dessen Verwandlung zum Rechtsextremen. Seine Aussage passt zur Anklage im NSU-Fall.

Kurz nach dem Mauerfall, 1989, fahren zwei Jungs aus Jena per Anhalter ins fränkische Städtchen Kronach. Mit dem Begrüßungsgeld für DDR-Bürger in der Tasche gehen Andreas R. und sein Freund einkaufen. Andreas R. wundert sich, was der sich als erstes holt: ein Klappmesser. Es ist ein Zeichen für die Radikalisierung, die der Kumpel gerade durchmacht. Der Name des Begleiters: Uwe Mundlos.

Andreas R., heute 41 Jahre alt, ist als Zeuge in den Münchner NSU-Prozess geladen, weil er in seiner Jugend der beste Freund von Mundlos war – der später zum Rechtsextremen wurde und als Mitglied des NSU für zehn Morde und zwei Bombenanschläge verantwortlich sein soll. Zehn Jahre gingen die beiden zusammen auf die Oberschule. Sie unternahmen Radtouren, sprengten Haarsprayflaschen oder hingen einfach ab. Mit einem weiteren Freund, Alexander H., bildeten sie eine kleine Clique – die auseinander brach, als sich Uwe neue Freunde suchte.

Ende der siebziger Jahre trafen sich R. und Mundlos in der ersten Klasse, sie wohnten nur 100 Meter voneinander entfernt. Der Freund war „eher so pazifistisch unterwegs“, erinnert er sich, trug lange Haare und selbstgestrickte Pullis. Auch bestätigt R., was schon andere Wegbegleiter zu Protokoll gegeben hatten: dass Mundlos wie seine Eltern ein kritischer Denker war, der das SED-Regime nicht ohne weiteres akzeptierte. Außerdem sei Mundlos „naturschlau“, in der Schule gut in den meisten Fächern. Der junge Mann hätte Student werden können, nur habe ihm der Ehrgeiz gefehlt, mehr aus sich zu machen.

Doch Mundlos veränderte sich. Seine Familie zog um in den Stadtteil Winzerla, ein berüchtigtes Viertel. „Er wurde immer rechter“, bemerkt R. Er schor sich die Haare kurz, trug gut geputzte Springerstiefel und hing mit neuen Leuten ab. Darunter auch Beate Zschäpe, die R. ebenfalls kennenlernte. Sie sei selbstbewusst gewesen, aber simpel gestrickt – und, wie der Zeuge mehrfach betont – Männerbekanntschaften gegenüber aufgeschlossen. Auch mit Mundlos ging sie eine Beziehung ein. Als R. von ihrem Liebesleben erzählt, setzt die Hauptangeklagte ein pikiertes Lächeln auf. Manchmal schüttelt sie den Kopf.

Mundlos hing mit ihr im Treppenhaus seines Plattenbaus ab, auch andere Gestalten mit Bomberjacken standen dabei. Wenn R. dabei war, hörte er selten Diskussionen über Politik. Doch später kamen Parolen hinzu. Auf einem Klassenausflug in das Konzentrationslager Buchenwald habe Mundlos angesichts der Verbrennungsöfen gesagt: „Jetzt ist denen schön warm.“

So zeichnet der Zeuge das Bild eines jungen Mannes, den niemand davon abhalten konnte, in der rechten Szene aufzugehen. Es sind deutliche, plastische Erinnerungen, die R. im Gerichtssaal wiedergibt – obwohl die gemeinsame Zeit zwei Jahrzehnte zurückliegt. Er sei ein Beispiel dafür, „wozu das menschliche Gedächtnis in der Lage ist, wenn man versucht, sich zu erinnern“, merkt der Nebenklageanwalt Eberhard Reinecke an. Denn Zeugen, die in der rechten Szene aktiv sind, berufen sich immer wieder auf Gedächtnislücken.

Zudem habe Mundlos schon zu DDR-Zeiten viel über die linksextreme Terrorgruppe RAF erzählt. Er kannte „viele Details, die man als uninteressierter Jugendlicher nicht wusste“ – zum Beispiel zum Thema Untertauchen. Er habe gewusst, wie man einer Rasterfahndung entgehen könne, indem man weder Bankkonto noch Versicherung unterhält. So verhielt sich später auch der NSU: Mietverträge, Konten und Mitgliedschaften waren auf die Namen von Strohmännern eingetragen.

Gewalttätig war Mundlos offenbar nicht – anders als sein späterer Komplize Uwe Böhnhardt, den viele Zeugen als extrem aggressiv beschrieben. Prügeleien habe er mit Mundlos nicht erlebt, allenfalls Schubsereien. Er selber will nicht daran beteiligt gewesen sein. Das änderte aber nichts daran, dass Mundlos mit seinen alten Freunden nichts mehr anfangen konnte. Seine rechte Clique brüstete sich damit, linke Jugendliche durch die Stadt zu jagen und Vietnamesen auf dem Schwarzmarkt Zigaretten abzupressen. Auch Zschäpe und ihr damaliger Freund Matthias R. machten mit bei kleinkriminellen Aktionen.

Ein letztes Mal sah der Zeuge Mundlos um das Jahr 1993 herum. Da hatten sich beide längst auseinandergelebt. Der Rechtsextreme machte eine Lehre bei Carl Zeiss, der Zeuge bei einer anderen Firma. Heute lebt er in München. Damals liefen sich beide noch einmal über den Weg. Uwe erzählte, er wolle zu einer Veranstaltung für Rudolf Heß fahren, er müsse nur noch zwei Verfolger vom Verfassungsschutz abschütteln.

R. kannte auch die Lieblingsfernsehsendung von Uwe. „Den Rosaroten Panther fand er damals schon ganz toll.“ Mundlos habe auswendig die ironischen Verse zitieren können, die in der Trickfilmserie als Kommentar liefen, sie hätten zu seinem Sprachgebrauch gehört. Nach dem 4. November 2011, als Mundlos und Böhnhardt sich in Eisenach erschossen, verschickte laut Anklage Beate Zschäpe ein Dutzend DVDs an Zeitungen, Parteien und andere Einrichtungen. Darin wurden die Morde und Anschläge aufgeführt, die heute dem NSU zugeschrieben werden. Zusammengeschnitten ist der Film aus mehreren Folgen des Rosaroten Panthers.

 

Ein Zeuge fühlt sich zu sicher – Das Medienlog vom Donnerstag, 12. März 2015

Marcel D. arbeitete als V-Mann für den thüringischen Verfassungsschutz – jedenfalls war das bislang Stand der Ermittlungen. Im NSU-Prozess widersprach der ehemalige Blood & Honour-Funktionär: Mit der Behörde habe er nie etwas zu tun gehabt. Doch ganz so einfach funktionierte es dann doch nicht für D. Denn die schmallippigen Antworten waren der Auftakt „einer dramaturgisch glänzenden Befragung des sich anscheinend sicher fühlenden Zeugen“, beobachtet Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.
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192. Prozesstag – Jugendfreund von Uwe Mundlos sagt aus

Ein Jugendfreund von Uwe Mundlos tritt am Donnerstag in den Zeugenstand. Andreas R. ging mit Mundlos in den Kindergarten und in die Schule, gemeinsam mit einem weiteren Freund unternahmen sie Radtouren. R. lernte auch Mundlos‘ Eltern und deren kritische Ansichten zum DDR-Regime kennen. Später erlebte er mit, wie sein Freund in die rechte Szene abdriftete, das Dritte Reich lobte und die Hitler-Zeit relativierte. Die Aussage ist ein Versuch des Gerichts, nachzuvollziehen, wie sich ein junger Mann aus stabilen Verhältnissen zum mutmaßlichen Rechtsterroristen entwickelte.
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V-Mann wurde für Aussage im Prozess bezahlt – Das Medienlog vom Mittwoch, 11. März 2015

Ein früherer V-Mann aus Hessen, Benjamin G., wurde für seine Aussage im NSU-Prozess 2013 vom Verfassungsschutz bezahlt. Aus der Landeskasse erhielt er ein „Tagegeld“ in Höhe von 172,80 Euro für die Reise nach München, wie der hessische Innenminister Peter Beuth als Antwort auf eine Anfrage bekanntgab. Das berichtet Pitt von Bebenburg in der Frankfurter Rundschau. Auch den Anwalt, der G. in die Sitzung begleitete, bezahlte demnach der Geheimdienst. G. wurde von Andreas T. betreut, dem Verfassungsschutz-Mitarbeiter, der beim Mord an Halit Yozgat in Kassel 2006 anwesend war.
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