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AfD-Kandidaten am rechten Rand

Baden-Württemberg wählt einen neuen Landtag. Recherchen zeigen: Etliche Kandidaten der AfD pflegen enge Verbindungen zu Rechtsextremen – und versprühen Hetzrhetorik.

Von Timo Büchner

Landtag in Baden-Württemberg: Der baden-württembergische Landtag in Stuttgart © dpa/Sebastian Gollnow
Der baden-württembergische Landtag in Stuttgart © dpa/Sebastian Gollnow

Gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie ist der Marktplatz der badischen Kleinstadt Lörrach ein ruhiges Plätzchen. Anders vor knapp zwei Wochen, als die AfD eine ihrer wenigen Kundgebungen dieser Tage veranstaltet. Über den Platz hallt die Stimme des Freiburger Stadtrats und Rechtsanwalts Dubravko Mandic. Derzeit trage man zwar Masken, sagt er, „aber nur so lange, bis wir uns durchgesetzt haben, dann zahlen wir ihnen alles heim!“ Rund 100 Anhängerinnen und Anhänger jubeln ihm zu, als er droht: „Machen Sie Ihr Kreuz, wir machen den Rest!“

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Autokorso im Niemandsland

Corona-Leugner wollten per Auto in Leipzig demonstrieren. Die Versammlung versandete in einem Industriegebiet. Sie scheiterte an reichlich Gegenwehr – und der Zersplitterung der Szene.

Von Henrik Merker

Ein Teilnehmer der Pkw-Demonstration in Leipzig © Henrik Merker

Es wirkt, als wären Tausende Leipzigerinnen und Leipziger zu einer spontanen Fahrradtour aufgebrochen. Bunt gekleidet, mit Masken und in größeren Gruppen fahren sie am Samstag durch die Stadt. Wer nicht in den Westen der Stadt fährt, bekommt nur das bunte Treiben, an manchen Stellen Straßenblockaden und Polizeikontrollen, mit.

Grund für die Ausfahrt: Proteste gegen mehrere Autokorsos der Querdenken-Szene. Zum Protest im Pkw hatten verschiedene Veranstalter deutschlandweit aufgerufen, sie kündigten bis zu tausend Fahrzeuge an. Diese Art der Demonstration halten Querdenker bundesweit ab. Im Schutz der Karosserien leugnen sie die Pandemie und verbreiten Verschwörungstheorien. Zumindest in Leipzig scheiterten sie weitgehend damit: Bereits am frühen Morgen blockierten Radfahrerinnen und Radfahrer in Halle an der Saale einen Zubringer-Korso, die Autofahrer lösten ihre Versammlung auf.

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„Ich befürchte, dass es zu Gewalt kommt“

Nach den Mythen um das Coronavirus verbreiten Verschwörungstheoretiker neue Angstszenarien. Die Folgen könnten unkontrollierbar werden, vermutet Beobachter Michael Blume.

Interview: Dominik Lenze und Bana Mahmood

Ein aufgebrachter Demonstrant bei einer Corona-Demonstration in Amsterdam © dpa/ANP/Robin Van Lonhuijsen

Die Pandemie hat die Weltwirtschaft zerstört: Freie Märkte gibt es nicht mehr, nur den weltweiten Sozialismus. Statt Regierungen herrscht eine globale Öko-Diktatur, geleitet vom Weltwirtschaftsforum, das all das geplant hat. Was sich liest wie der Klappentext eines dystopischen Romans, ist die feste Überzeugung vieler Verschwörungstheoretiker: Corona sei nur Vorwand für den Great Reset, den großen Neustart. Der Begriff entstammt dem Titel eines Buchs, das der Chef des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, geschrieben hat.

Religionswissenschaftler Michael Blume hat als Erster auf die Gefahr des neuen Mythos hingewiesen. Als Antisemitismus-Beauftragter von Baden-Württemberg beobachtet er die Szene der Verschwörungstheoretiker seit Jahren und meint: Die Erzählung werde nach der Corona-Krise deutlich an Fahrt gewinnen – und ihre Anhänger mit allen Mitteln kämpfen.

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Rechter Schulterschluss mit Corona-Leugnern

In Dresden missbrauchen Neonazis das Gedenken an die Opfer der Bombardierung. Dabei bekommen sie Unterstützung von der AfD und Leugnern der Corona-Pandemie.

Von Henrik Merker

Ein Neonazi der Kleinstpartei III. Weg beim Aufmarsch in Dresden
Neonazis der Kleinstpartei Der Dritte Weg beim Aufmarsch in Dresden © Henrik Merker

Victor Klemperer schreibt über den 13. Februar 1945 in seinem Tagebuch: „Darauf riß Eva mit einem Taschenmesserchen die Stella“, den Judenstern, „von meinem Mantel.“ Das Bombardement der Alliierten auf Dresden rettete dem Autoren damals das Leben. Seine Frau und er hatten sich in einem der öffentlichen Bombenschutzkeller verstecken können. Noch tags zuvor musste Klemperer Deportationsbefehle an die wenigen verbliebenen Dresdner Juden verteilen. Zur Deportation kam es nicht mehr, Klemperers flüchteten nach Bayern und warteten dort auf die Befreiung.

Jahrzehnte später geben sich Geschichtsrevisionisten alle Mühe, die Bedeutung der Dresdner Bombennächte zu verdrehen. Alljährlich ziehen Neonazis am 13. Februar durch die sächsische Landeshauptstadt, um der Opfer zu gedenken. 400 bis 500 waren es am vergangenen Samstag. Teilnehmer lieferten sich mit der Polizei eine handfeste Auseinandersetzung um ein Transparent, auf dem die Bombardierung mit dem Holocaust gleichgesetzt wurde.

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Richter kassieren Freibrief für Neonazipropaganda

Immer wieder standen Verkäufer von Neonazimusik wegen Volksverhetzung vor Gericht – und kamen dank zweifelhafter Gutachten frei. Ein neues Urteil macht Schluss damit.

Von Sebastian Lipp

Das Ende des langjährigen Gerichtsverfahrens gegen die Nazi-Propagandaschmiede Oldschool Records markiert das Ende einer juristischen Waffe der Neonazis: Eine Enttäuschung für den Plattenproduzenten Benjamin Einsiedler, seinen Rechtsanwalt Alexander Heinig - und ein Schlag für die gesamte Rechtsrockszene.
Plattenproduzent Benjamin Einsiedler mit seinem Rechtsanwalt Alexander Heinig vor Gericht © Sebastian Lipp

Mit einem juristischen Trick konnten sich findige Unternehmer aus der Neonaziszene bislang davor schützen, für Straftaten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Nahezu ungestört verkauften sie Rechtsrock-Platten, Klamotten, Devotionalien. Fanden sie sich doch einmal vor Gericht wieder, wegen Vergehen wie Holocaustleugnung oder Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, zogen sie ihre Waffe: die Gutachten einer Szeneanwältin. Darin wurde ihr Treiben als unbedenklich eingestuft.

Erst nach jahrelangem Gezerre in Verhandlungssälen dürfte nun endgültig Schluss mit dem Schlupfloch sein: Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Verurteilung eines Allgäuer Neonazis bestätigt und das Gutachten zur Makulatur erklärt. Das Urteil fiel bereits im Dezember vergangenen Jahres, nun ist es öffentlich.

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Die Furcht vorm großen Neustart

Verschwörungstheoretiker schüren die Angst vor einem geplanten Wirtschaftskollaps. Der Mythos wurde in der Pandemie erdacht – dürfte aber noch deutlich länger kursieren.

Von Dominik Lenze und Bana Mahmood

Auf einer Demonstration in Wien warnt ein Banner vor dem Great Reset. © Reuters/Lisi Niesner

„Stoppt den Globalistendreck“, steht auf einem Transparent, prominent platziert am Brunnen auf dem Heldenplatz in Wien. Darüber die Schlagworte „Großer Austausch, Great Reset“. Vor dem verschwörerisch-raunenden Banner stehen Anfang Januar dicht gedrängt Demonstranten. Sie schwenken ein Meer aus Österreich-Flaggen. So zeigt es ein Video, das Rechtsextreme auf YouTube und Telegram verbreitet haben. Mitten in der österreichischen Hauptstadt verbreiten Tausende einen Verschwörungsmythos.

Die Theorie, Great Reset genannt, ist mittlerweile weit verbreitet, sie kursiert unter Reichsbürgern, Neonazis und Würdenträgern. Auch die Nachfolger der rechtsextremen Identitären Bewegung greifen sie auf. Demnach ist die Corona-Pandemie ein Vorwand, um die gesamte Weltwirtschaft zu zerstören und eine weltweite sozialistische Diktatur zu errichten. Dahinter stecke das Weltwirtschaftsforum. Dessen Direktor Klaus Schwab ist unfreiwillig zum Namensgeber des Mythos geworden: Er veröffentlichte im Sommer 2020 ein Buch mit dem Titel The Great Reset – zu Deutsch: „Der große Neustart“. Darin beschreibt er die Pandemie als Chance für einen grüneren und sozialeren Kapitalismus. Zwischenzeitlich sah sich Schwab sogar genötigt, seine Pläne öffentlich von dem Verschwörungsmythos abzugrenzen.

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Berlin: Rechte Gewalt mit System

Seit Jahren erschüttern rechtsextreme Anschläge den Berliner Bezirk Neukölln. Ein Datenprojekt zeigt nun: Neonazikriminalität ist Alltag im Kiez – und Polizeiversagen ebenso.

Von Tom Sundermann

Das brennende Auto des Linke-Politikers Ferat Kocak
© dpa/Die Linke Berlin | Ferat Kocak

Als Ferat Kocak nachts um drei wach wird, schlagen die Flammen schon meterhoch aus seinem Auto. Das Feuer verzehrt die Decke des Carports vor seinem Elternhaus in Berlin. Es ist kurz davor, den Dachstuhl in Brand zu setzen und das Gebäude in eine tödliche Falle zu verwandeln. „Ich habe meine Eltern aus dem Schlaf geschrien“, erzählt der 41-Jährige. Danach rannte er mit einem Feuerlöscher zu seinem Smart. Das Leben seiner Familie und das Haus konnte er retten. Doch die Nacht auf den 1. Februar 2018 hat ihm nicht nur den Wagen, sondern auch seine Sorglosigkeit genommen.

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Das Netzwerkbeben

Die sozialen Medien haben Donald Trump erst verbannt, als es gar nicht mehr anders ging. Muss die Politik die Demokratie besser vor Gefahren aus dem Netz schützen?

Ein Gastbeitrag von Maik Fielitz und Holger Marcks

Anhänger von Donald Trump bei einer Rede des Präsidenten im Dezember 2020
© Reuters/Jonathan Ernst

Nun also doch. Nachdem Twitter und Facebook jahrelang Ex-Präsident Donald Trump hofiert haben, verwiesen sie ihn nach dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol von ihren Plattformen. Dieser Schritt war überfällig – und doch ist er umstritten. Das spiegelt sich in den ambivalenten Reaktionen auf die Abschaltung von Trumps Twitter-Konto und anderer Hetz-Accounts. Einerseits löste die konzertierte Aktion allgemeine Erleichterung aus, andererseits führte sie zu kontroversen Diskussionen über die Macht der Techunternehmen. Unklar ist dabei noch, ob dieses digitale Beben eine Neuordnung der sozialen Medien nach sich zieht und wie sich das auf die politischen Möglichkeiten im rechten Lager auswirkt. Aber Schritt für Schritt.

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Naziparolen von der AfD

In Magdeburg wollten Neonazis mit einem Trauermarsch erneut an deutsche Opfermythen anknüpfen. Doch aus dem stolzen Marsch wurden wegen Corona nur eine schmale Kundgebung.

Von Hardy Krüger

Teilnehmer mit Fackeln beim Trauermarsch in Magdeburg © Hardy Krüger

Zunehmende Dunkelheit und flackerndes Licht umgibt strammstehende, überwiegend schwarz gekleidete Demonstranten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, kaum zu erkennen, tragen Fahnen mit Frakturschrift und lodernde Fackeln. Das Geschehen ist angekündigt als Trauermarsch von Rechtsextremen – ein Ritual in der sachsen-anhaltinischen Hauptstadt Magdeburg: Neonazis gedenken dort alljährlich der Opfer der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Nicht aus Pazifismus, sondern um einen Opfermythos zu nähren.

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Propaganda auf dem Parkdeck

Neonazis aus dem Südwesten kopieren die Strategie der Identitären Bewegung: Mit perfider Inszenierung suchen sie Aufmerksamkeit – und verbreiten rassistische Botschaften.

Von Timo Büchner

Rechtsextremismus: Propaganda auf dem Parkdeck
An der Fassade dieses Parkhauses hatten Neonazis ein rassistisches Banner gehisst. © Timo Büchner

Lodernde Flammen, greller Lichtschein, dichter Rauch: Bengalische Feuer bringen Licht in die Dunkelheit der Nacht. Ein Dutzend vermummter Neonazis läuft über ein düsteres Bahnhofsgelände, durch die verlassene Unterführung, ins Parkhaus. Auf der oberen Etage erleuchten sie die Fassade und hissen ein Banner mit der rassistischen Parole „Migration tötet!“.

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