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Ideen und Interessen

Wer sich schon immer gefragt hat, warum die Bundesbank vor Inflation warnt, obwohl die Preise seit Jahren kaum mehr steigen, warum das Institut der deutschen Wirtschaft zur Konsolidierung die Staatsausgaben kürzen will, obwohl der Staat kaum noch Steuern einnimmt, warum sich die Politik dagegen wehrt, höhere Löhne als eine Voraussetzung zur Ankurbelung der Binnennachfrage anzuerkennen, obwohl ganz offensichtlich ist, dass das Lohnwachstum hinter der Produktivität zurückbleibt, warum Vermögenssteuern schlecht sein sollen, obwohl die Ungleichheit dramatisch zunimmt – kurz: Wer sich fragt, warum die Orthodoxie so schwer mit der Empirie in Einklang zu bringen ist, für den hat Paul Krugman die Lösung beim großen alten Briten ausgegraben:

„The completeness of the Ricardian victory is something of a curiosity and a mystery. It must have been due to a complex of suitabilities in the doctrine to the environment into which it was projected. That it reached conclusions quite different from what the ordinary uninstructed person would expect, added, I suppose, to its intellectual prestige. That its teaching, translated into practice, was austere and often unpalatable, lent it virtue. That it was adapted to carry a vast and consistent logical superstructure, gave it beauty. That it could explain much social injustice and apparent cruelty as an inevitable incident in the scheme of progress, and the attempt to change such things as likely on the whole to do more harm than good, commended it to authority. That it afforded a measure of justification to the free activities of the individual capitalist, attracted to it the support of the dominant social force behind authority.“

 

Europa ist gerettet!

Eine kleine Zusammenstellung der Nachrichten dieses Tages: Die Lage am Geldmarkt entspannt sich, die Renditeaufschläge schrumpfen, Spanien kündigt ein Sparprogramm ab.

Das alles bedeutet nicht, dass das Paket die strukturellen Probleme der Währung löst, aber dazu ist es ja auch nicht da. Es sollte den unmittelbar bevor stehenden Kollaps der Währungsunion verhindern und Liquiditätsengpässe bekämpfen.

Ich würde sagen: Das ist gelungen! Ein Hoch auf Nicolas, Jean-Claude und endlich auch Angie!

 

Gerettet oder nicht?

Ich schreibe für das Blatt, deshalb nur in aller Kürze: Ich halte das Rettungspaket für richtig und es ist den Deutschen noch anzurechnen, dass sie da mitgemacht haben. Der Euro stand auf dem Spiel.

Aber: Paul Krugman hat recht: Wir lösen mit der neuen Fazilität nur das Liquiditätsproblem, nicht das (mögliche) Solvenzproblem. Das ist schon mal was, aber es wird nicht reichen.

 

Merkel et moi

Viele Kommentatoren hier werfen mir Merkelfeindlichkeit vor, deshalb mache ich hier mein Verhältnis zur Kanzlerin öffentlich. Angela Merkel ist aus meiner Sicht keine schlechte Bundeskanzlerin. Sie hebt sich wohltuend von jenen Vorgängern ab, deren einzige Motivation darin besteht „da rein“ zu wollen. Sie ist unprätentiös, neugierig, skeptisch gegenüber den großen Erzählungen und analytisch stark. Das sind alles keine schlechten Eigenschaften und ich glaube auch, dass sie in den meisten wirtschaftspolitischen Fragen den Kern der Dinge erfasst. Weiter„Merkel et moi“

 

How to deal with a crisis 101

Brad DeLong zitiert zum Thema Griechenland aus dem Klassiker Lombard Street von Walter Bagehot:

„‚On extraordinary occasions,‘ says Ricardo, ‚a general panic may seize the country, when every one becomes desirous of possessing himself of the precious metals as the most convenient mode of realising or concealing his property,—against such panic banks have no security on any system.‘ The bank or banks which hold the reserve may last a little longer than the others; but if apprehension pass a certain bound, they must perish too.

The use of credit is, that it enables debtors to use a certain part of the money their creditors have lent them. If all those creditors demand all that money at once, they cannot have it, for that which their debtors have used, is for the time employed, and not to be obtained. With the advantages of credit we must take the disadvantages too; but to lessen them as much as we can, we must keep a great store of ready money always available, and advance out of it very freely in periods of panic, and in times of incipient alarm…“

Und weiter:

„The way in which the panic of 1825 was stopped by advancing money has been described in so broad and graphic a way that the passage has become classical. ‚We lent it,‘ said Mr. Harman, on behalf of the Bank of England,

by every possible means and in modes we had never adopted before; we took in stock on security, we purchased Exchequer bills, we made advances on Exchequer bills, we not only discounted outright, but we made advances on the deposit of bills of exchange to an immense amount, in short, by every possible means consistent with the safety of the Bank, and we were not on some occasions over-nice. Seeing the dreadful state in which the public were, we rendered every assistance in our power.

After a day or two of this treatment, the entire panic subsided, and the ‚City‘ was quite calm….“

 

No, we cannot

Die Rettungsaktion für Griechenland dürfte als der unprofessionellste bailout aller Zeiten in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Das wochenlange Hickhack der Politik (und die SPD liefert eine ähnlich erbärmliche Vorstellung ab wie Union und FDP) hat nun auch den letzten Marktteilnehmer verunsichert. Europa steht in Flammen und es ist nicht mehr auszuschließen, dass wir gerade den Anfang vom Ende der Währungsunion erleben. Weiter„No, we cannot“