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Einkommensverteilung hat nichts mit Demographie zu tun

Der wesentliche Faktor, der seit Jahren bei uns, genau wie in allen anderen Industrieländern, die Einkommensverteilung zugunsten der Kapitalbesitzer verschoben hat, wird in absehbarer Zeit keine Rolle mehr spielen – das weltweite Überangebot an Arbeit. Wir bekommen es von nun an aus demografischen Gründen mit einer neuen Knappheit an Arbeitskräften, stärker steigenden Reallöhnen, einer kräftigeren Zunahme der Geldentwertung und der Produktivität sowie höheren Realzinsen zu tun. Das ist zumindest die These von Charles Goodhart von der London School of Economics, der kürzlich zusammen mit zwei Mitarbeitern für die Investmentbank Morgan Stanley eine Studie zu diesem Thema vorgestellt hatte. Sie sorgt in der britischen Presse für Furore (Economist, Telegraph, Guardian, FT). Hätten die Autoren Recht, könnten Deflationspessimisten wie ich demnächst einpacken. Weiter„Einkommensverteilung hat nichts mit Demographie zu tun“

 

China bestimmt, was an den Märkten passiert

Nicht mehr lange und China ist die größte Volkswirtschaft der Welt. Seit der Jahrhundertwende hat das Land Jahr für Jahr das Wachstum der Weltwirtschaft dominiert. Inzwischen sieht es aber danach aus, dass die Dynamik stark nachgelassen hat. Das hat kaum einen wichtigen Markt unberührt gelassen, ob Bonds, Aktien, Rohstoffe oder Währungen. Da es sich in China offenbar nicht nur um eine konjunkturelle Delle handelt, sondern um so ernste Vorgänge wie die Korrektur von massiven Fehlinvestitionen und eine Bilanzrezession, sind die Anpassungsprozesse noch nicht beendet. Weiter„China bestimmt, was an den Märkten passiert“

 

Apple könnte bald Daimler übernehmen

Im Vorfeld der IAA, die diese Woche in Frankfurt eröffnet wird, geht ein Gerücht um: Mercedes oder BMW könnten demnächst Hardware-Zulieferer für Apple oder Google werden. Ein Auto zu bauen, ist nicht mehr schwer, wie das Beispiel Tesla zeigt. Schon bald dürfte der Anteil der Elektronik bei neuen Autos auf die Hälfte der Wertschöpfung steigen, später auf mehr, der Rest ist Mechanik und Old Economy. Ich übertreibe nur wenig. Für die selbstfahrenden Autos und Lastwagen, die es in einigen Jahren auf unseren Straßen geben wird, wird die Qualität der Elektronik ein entscheidender, vielleicht der entscheidende Wettbewerbsfaktor sein. Es liegt daher nahe, dass sich die großen Softwarefirmen neuerdings für die Autohersteller interessieren. Sogar Uber könnte seinen Hut in den Ring werfen. Weiter„Apple könnte bald Daimler übernehmen“

 

Einbruch der Rohstoffpreise – Importeure gewinnen, Exporteure erleiden Kaufkraftschock

Der Rückgang der Rohstoffpreise, insbesondere von Erdöl, – um 40 bis 60 Prozent seit ihrem letzten Hoch – hat die internationale Einkommenssituation stark verändert. Während die Produzenten und Exporteure nur noch die Hälfte dessen einnehmen, an was sie sich gerne gewöhnt hätten, können sich Nettoimporteure wie China, Japan, die Europäische Währungsunion oder Indien über kräftige Kaufkraftgewinne freuen, vergleichbar einer Steuersenkung, die nicht mit einem erhöhten staatlichen Defizit einhergeht. Bei den Einen schwächt sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ab, bei den Anderen wird sie stimuliert.

Russland ist von den größeren Ländern am meisten betroffen. Weil es im Vierteljahrhundert seit dem Ende des Kommunismus nicht gelungen ist, die Produktion, die Exporte und die Aktienmärkte auf eine breitere Basis zu stellen, ist seine Wirtschaft immer noch stark vom Auf und Ab der Rohstoffpreise abhängig. Der Rubel hat sich in kurzer Zeit um mehr als die Hälfte abgewertet, und das reale BIP dürfte in diesem Jahr gegenüber 2014 um etwa vier Prozent zurückgehen. Russische Aktien sind billig auf der Basis des KGV, aber das sind sie fast immer. Eine Dividendenrendite von 4,7 Prozent ist niedrig angesichts einer Inflationsrate von fast 16 Prozent.

China ist sowohl der wichtigste Importeur von Rohstoffen als auch der größte Profiteur ihres Preiseinbruchs. Da es mit der Wirtschaft zuletzt nicht mehr so gut lief, vermutlich weil es im Wohnungsbau und im Bereich Infrastruktur Überinvestitionen gegeben hatte, war seine Nachfrage nach Erdöl, Eisenerz und anderen Metallen stark zurückgegangen und hatte deren Preissturz ausgelöst. Die Fundamentaldaten des Landes sind nach wie vor sehr robust, so dass die Wirtschaft vermutlich positiv auf den Politikschwenk in Richtung Expansion reagieren wird. Das größte Risiko ist die hohe Verschuldung des privaten Sektors: Durch den Verfall von Immobilienpreisen und Aktienkursen könnten weite Teile der Bevölkerung finanziell unter Wasser geraten sein und sind daher gezwungen, ihre Ausgaben einzuschränken. Es könnte zu einem „deleveraging“ à la Japan kommen.

Das ist aber nicht mein Hauptszenarium. Ich denke vielmehr, dass sich China fangen wird. Zusammen mit dem beschleunigten Wachstum in den USA und Westeuropa wird das zu einer Stabilisierung der Nachfrage nach Rohstoffen führen und deren Preisverfall stoppen. Dennoch sind kurzfristig weitere Rückgänge möglich.

Insgesamt haben sich die Deflationsrisiken in den reichen Ländern durch die Probleme in den Schwellenländern und bei den Produzenten von Rohstoffen erhöht. Sowohl die aktuellen Inflationsraten als auch die Inflationserwartungen sind erneut auf dem Rückzug und zwingen die Notenbanken, ihren expansiven Kurs, also die niedrigen Leitzinsen und die großzügige Liquiditätsversorgung, beizubehalten. Das gilt selbst für die USA. Für die Bondmärkte ist das eine positive Nachricht (wenn auch nicht für die Sparer) – sie sind gut abgesichert.

Die Korrektur der europäischen und amerikanischen Aktienmärkte ist bisher recht moderat ausgefallen. Von einem Ausverkauf kann keine Rede sein. Von den immer noch hohen Bewertungen her würde es nicht überraschen, wenn die Kurse weiter fallen würden. Andererseits läuft die Konjunktur nicht zuletzt wegen der Kaufkraftgeschenke seitens der Rohstoffproduzenten etwas besser als erwartet. Euroland kommt zudem zugute, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen durch den schwachen Wechselkurs verbessert hat.

Ausführliches zu den Effekten der gefallenen Rohstoffpreise auf die Ökonomien der Industrie- und Schwellenländer, und den Aussichten und Risiken für Aktien, Bonds und Rohstoffe finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – Commodity crash: importers win, producers lose, September 2015*) (pdf, 655 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)

 

Deutsche Konjunktur ohne Schwung: Der Staat bremst

Die Frage ist, warum in Deutschland nicht schon längst Hochkonjunktur herrscht. Im zweiten Quartal betrug die Zuwachsrate des realen BIP gegenüber dem ersten Quartal gerade einmal 0,4 Prozent, nach 0,3 Prozent im vorangegangenen Quartal. Das ist mehr als mickrig. Selten, wenn überhaupt jemals, war die Ausgangslage so günstig: der Wechselkurs ist sehr schwach, die Leitzinsen befinden sich real und nominal in der Nähe von Null, durch den Einbruch der Energiepreise hat es seit Mitte 2014 unerwartete Kaufkraftgewinne gegeben, und bei der Bautätigkeit und den Ausrüstungsinvestitionen gibt es einen beträchtlichen Nachholbedarf. Das alles vor dem Hintergrund eines robusten Arbeitsmarkts, einer gewaltigen Einwanderungswelle und Reallohnsteigerungen von 3 bis 3,5 Prozent. Weiter„Deutsche Konjunktur ohne Schwung: Der Staat bremst“

 

Fed bleibt (vermutlich) bei Nullzinsen

Am Markt steht es noch fifty / fifty, dass die Fed Funds Rate, der Leitzins der US Notenbank, am 17. September von 0,25 auf 0,5 Prozent angehoben wird. Dagegen glauben die meisten amerikanischen Ökonomen an eine Zinserhöhung (laut Bloomberg 77 Prozent). Es wäre die erste seit neun Jahren. Da die Fed die mögliche Reaktion der Märkte immer fest im Blick hat und Schocks vermeiden möchte, wird sie auch diesmal sorgfältig abwägen, was die Folgen wären. Ich vermute, dass ihr die Risiken im Augenblick noch zu hoch sind und sie bis zum Dezember oder darüber hinaus warten wird, je nach Datenlage. Weiter„Fed bleibt (vermutlich) bei Nullzinsen“

 

Alternativen zu einem europäischen Finanzminister

Eins hat uns die griechische Krise gelehrt: So wie der Euro konstruiert ist, wird er nicht überleben. Schon das kleine Griechenland hatte eine Existenzkrise ausgelöst. Was passiert erst, wenn eines Tages wirtschaftliche Schwergewichte wie Italien oder Frankreich nicht mehr in der Lage sein sollten, ihre Schulden zu bedienen? Schon in der jüngsten Krise war es zeitweise vorstellbar, dass ein Mitgliedsland die Währungsunion verlassen könnte, obwohl die Kosten des Rettungspakets relativ gering waren im Vergleich zu dem, was aufzubringen wäre, wenn die Schulden eines großen Landes restrukturiert werden müssten. Sobald die Spekulanten erkennen, dass sich das nicht stemmen lässt und mit einer realistischen Aussicht auf Erfolg beginnen, die einzelnen nationalen Märkte gegeneinander auszuspielen, wäre der Euro am Ende – und damit, wie die Kanzlerin zurecht meint, für eine lange Zeit auch das europäische Einigungsprojekt.

Griechenland über Wasser und damit in der Währungsunion zu halten, war daher die richtige Strategie, zumal die geforderten Strukturreformen und das große Investitionsprogramm seine Wirtschaft nachhaltig stabilisieren dürften. Es war eindrucksvoll, was die Griechen an Auflagen seitens der Gläubiger zu akzeptieren bereit waren – nur um den Euro behalten zu dürfen. Die gemeinsame Währung ist offenbar auch für die ärmsten Mitglieder ein hohes Gut und daher widerstandsfähiger als es kleinmütige Skeptiker hierzulande oder angelsächsische Ökonomen wahrhaben wollen (dazu Daniel Gros: „Warum Griechenland keine Euro-Auszeit nahm“). Aber Griechenland war vermutlich nur ein Probelauf – beim nächsten Mal wird es mit dem Stopfen von Löchern nicht getan sein. Weiter„Alternativen zu einem europäischen Finanzminister“

 

Warum die deutsche Wirtschaft nicht in Fahrt kommt

Deutschland gilt zurzeit als der starke Mann Eurolands, mit einer wahrscheinlichen Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,5 bis 2 Prozent in diesem Jahr. Aber nur im Vergleich zu der Schwäche der Anderen sind das gute Zahlen, objektiv gesehen sind sie mickrig. Selten waren die Rahmenbedingungen so günstig wie jetzt, aber dass sich daraus ein robuster und selbst tragender Aufschwung entwickelt, ist bislang noch nicht zu erkennen. Was passiert, wenn die Zinsen, der Wechselkurs des Euro und die Ölpreise eines Tages wieder steigen, oder wenn Chinas Wachstum einbricht?

Grafik: Effektiver Wechselkurs des Euro für Deutschland

Bis auf die Finanzpolitik stehen alle Ampeln hierzulande auf Grün: Weiter„Warum die deutsche Wirtschaft nicht in Fahrt kommt“

 

Frankreich und das „diktat germanique“

In unserem kleinen Ferienort am Mittelmeer gibt es eine épicerie, einen Kramladen, und der führt genau vier Tageszeitungen, zwischen denen wir wählen können – le Monde, le Figaro und zwei Regionalblättchen: l’Indépendant und Midi libre. Heute war der konservative Figaro dran.

Im Leitartikel auf Seite 1 wird die „Rettung“ Griechenlands beschrieben, als handle es sich de facto um ein germanisches Diktat, um den Sieg der nordeuropäischen Buchhalter (comptables), die jetzt Griechenland „besitzen“ und dort das Sagen haben, auch wenn das den „Idealisten“ (!) des Südens nicht gefällt. Mit der deutsch-französischen Zusammenarbeit und gemeinsamen europäischen Zielen sei es lange vorbei. Heute regierten die Gläubiger. Man solle sich keinen Illusionen hingeben: Es geht nicht mehr um Transfers von den reichen an die armen Länder, Solidarität bestünde heute darin, die Wirtschaftspolitik dem deutschen Vorbild anzupassen. Weiter„Frankreich und das „diktat germanique““

 

Investment Outlook: Niedrige Zinsen, überbewertete Aktien, schwache Rohstoffmärkte

Ohne Zweifel ist das heutige Zinsniveau niedriger als es nach objektiven Maßstäben sein sollte. Am langen Ende liegt es am deutschen Markt etwa drei Prozentpunkte unter „normal“, am kurzen um zweieinhalb. Das heißt aber nicht, dass eine Zinswende nah ist. Hauptgrund ist, dass die EZB mindestens bis September 2016 bei ihrer Expansionspolitik bleiben wird.

Da es ihr angesichts der privaten und öffentlichen Schuldenberge nicht gelingt, Wirtschaftswachstum und Inflation zu stimulieren, wandern die zusätzlichen Mittel, die sie ins Bankensystem pumpt, in die Märkte für Aktien, Bonds, Immobilien und Rohstoffe. An den Devisenmärkten kommt es zudem zu einem Überangebot und damit zu einer Schwäche des Euro. Über den Umweg „Wechselkurs“ kommen die expansive Effekte wenigstens teilweise in der Realwirtschaft an.

Am wichtigsten ist aber, dass sich Vermögensblasen bilden. Sie werden eines Tages platzen und eine neue Welle des deleveraging auslösen, was wiederum die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen schwächt und die Inflationsraten senkt. Da die EZB dies als eine Ausweitung der Outputlücke interpretieren dürfte, tritt sie erneut auf’s Gas. Auf diese Weise haben im gegenwärtigen Umfeld niedrige Zinsen noch niedrigere Zinsen zur Folge – so argumentiert jedenfalls die Basler Bank für internationalen Zahlungsausgleich in ihrem neuen Jahresbericht.

In China hat sich das Wachstum deutlich verlangsamt. Die Einfuhren brechen seit einigen Monaten ein, was der vielleicht wichtigste Grund für die Schwäche der Rohstoffmärkte ist. Nun sind auch die chinesischen Aktienmärkte unter Druck, nachdem zuvor eine Blase entstanden war. Ich gehe davon aus, dass ein großer Teil der Unternehmen und Haushalte finanziell ins Schleudern gerät, so dass die Reduktion der Schulden auf der Prioritätenliste nach oben rutscht – was das Wirtschaftswachstum weiter dämpft. Von China gehen auf die Weltmärkte, insbesondere die Rohstoffmärkte, voraussichtlich restriktive Wirkungen aus.

Ausführliches zu den jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa und China, sowie den Aussichten und Risiken für Aktien, Bonds, Wechselkurse und Rohstoffe finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – Low interest rates are here to stay, July 2015*) (pdf, 578 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)