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Wer soll die Banken beaufsichtigen?

Ich war heute auf einer sehr interessanten Konferenz des Financial Risk and Stability Networks zur Bankenunion in Berlin. Es ging dort unter anderem um die Frage möglicher Interessenkonflikte zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht und der institutionellen Konsequenzen daraus.

Die Existenz von Zielkonflikten wurde von niemandem geleugnet – aber was das Institutionelle angeht hat Jeromin Zettelmeyer aus dem Wirtschaftsministerium einen wichtigen und mir neuen Punkt gemacht. Weiter„Wer soll die Banken beaufsichtigen?“

 

Als man im Sachverständigenrat auf Buchhaltung setzte

Bei Recherchen bin ich auf ein Gutachten des Sachverständigenrats aus dem Jahr 1964 gestoßen. Dort geht es – wie heute – um die Problematik wachsender Ersparnisüberschüsse der inländischen Sektoren.  Heute scheint die Mehrheit der deutschen Ökonomen ja zu glauben, alle könnten zugleich sparen, deshalb soll auch der Staat einen ausgeglichenen Haushalt anstreben.

Schauen wir doch, was man damals schrieb:

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Die öffentliche Hand soll also ein „Finanzierungsdefizit“ anstreben um die Ersparnis aufzusaugen und mit dem über Staatsanleihen aufgenommen Geld „Sachkapitalbildung des Staates“ betreiben. Heute würde man schreiben: Ein schuldenfinanziertes Investitionsprogramm auflegen.

In diesen Wochen feilen die Räte an ihrem neuen Gutachten – vielleicht lohnt es sich, ins Archiv zu schauen.

 

Frankreich spart eben doch

Frankreich spart doch gar nicht – diese Einschätzung ist in Deutschland weit verbreitet und findet sich in fast jedem Artikel über die Franzosen. Schließlich wird das Land erneut die europäischen Defizitregeln reißen, und außerdem ist der Staathaushalt nach wie vor Jahr für Jahr im Minus und die Schuldenquote steigt.

Dieser Analyse basiert jedoch auf einem problematischen – um nicht zu sagen mangelhaftem – Verständnis des Sparvorgangs auf der Ebene eines Staates. Denn Sparen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Staat Maßnahmen ergreift, die den Haushalt entlasten. Das können Einnahmeerhöhungen sein oder Ausgabekürzungen.

Was passiert nun mit dem Etatdefizit? Es kommt darauf an. Es kann sich verringern, weil der Staat ja weniger ausgibt. Es kann sich aber auch erhöhen, nämlich wenn die Ausgabekürzung die Konjunktur einbrechen lässt. Denn dann können die durch das schwächere Wachstum bedingten zusätzlichen Ausgaben (etwa Arbeitslosenhilfe) oder geringeren Einnahmen (zum Beispiel bei den Steuern) den ursprünglichen Sparimpuls mehr als wettmachen und das Defizit insgesamt sogar steigen lassen.

Wie der Etat am Ende reagiert hängt von verschiedenen Faktoren ab, aber in jedem Fall lässt sich aus der Entwicklung des nominalen Defizits noch nicht ableiten, ob ein Staat spart oder nicht.

Deshalb wurde das Konzept des strukturellen oder konjunkturbereinigten Haushaltssaldos erfunden. Es misst die Veränderung des Etats unter Ausschluss konjunktureller Faktoren. Das strukturelle Defizit lässt sich leider nicht direkt beobachten, sondern muss mit Hilfe komplizierter und leider sehr unzuverlässiger Verfahren abgeleitet werden, doch wenn überhaupt dann ist die Veränderung dieser Größe ein Maß dafür, ob ein Land spart oder nicht.

Hier die entsprechenden Daten aus dem letzten WEO des Internationalen Währungsfonds.

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Siehe da: Das nominale Defizit steigt zwar, doch Frankreich reduziert sein strukturelles Defizit seit 2010 kontinuierlich. Frankreich spart also. Das kann man gut oder schlecht finden, doch man sollte es zur Kenntnis nehmen.

 

Gabriels riskanter Kurs

Nach allem was man so hört ist Sigmar Gabriels Ablehnung von Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur vor allem taktisch begründet: Er hat Angst, dass die Genossen wieder als Partei der Geldausgeber dastehen. Die Sozialdemokraten sollen deshalb Wirtschaftskompetenz zurückerobern, wobei man sich von außen vorgeben lässt, was unter Wirtschaftskompetenz zu verstehen ist. Deshalb agiert er zurückhaltender, als er eigentlich agieren würde.

Einmal abgesehen davon, dass in der Politik ohnehin zu viel taktiert wird und man manchmal mehr gewinnt, wenn man einfach macht, was man für richtig hält: Ich bin nicht sicher, dass dieses Kalkül aufgeht. Denn Angela Merkel ist Pragmatikerin. Ich glaube, ihr ist die schwarze Null so egal wie nur etwas. Wenn sich die Lage weiter eintrübt, wird die Kanzlerin selbst umschwenken und Konjunkturmaßnahmen ankündigen. Und dann wird die Industrie Beifall klatschen, vor allem wenn sie etwa durch die degressive Abschreibung entlastet würde. Die Unternehmer sind nämlich in der Regel auch Pragmatiker.

Dann wird sich Gabriel für seine Wirtschaftsfreundlichkeit nicht viel kaufen können. Denn dann wird es heißen, er habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Und Merkel lacht sich ins Fäustchen.

 

Was hat uns bloß so ruiniert?

Mario Draghi will bekanntlich die Unternehmen dazu bringen, wieder mehr zu investieren um somit die Wirtschaftsaktivität und die Inflation zu steigern. Das ist aus vielen Gründen kein leichtes Unterfangen – nicht einmal in Deutschland, wo die Banken vergleichsweise gesund sind.

Einen wichtigen Grund für die Misere verdeutlicht diese eindrucksvolle Grafik. Sie zeigt den Finanzierungssaldo der Unternehmen – also mehr oder weniger die Differenz aus Gewinnen und Investitionen.

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Traditionell bilden in einer Volkswirtschaft die Haushalte Ersparnisse, die die Unternehmen in Investitionen verwandeln um so die Voraussetzungen für Wachstum – und Zinsen – zu schaffen.

Seit gut zehn Jahren ist das in Deutschland nicht mehr der Fall. Die Gewinne reichen mehr als aus, um die Investitionen zu finanzieren. Mit anderen Worten: Die deutschen Firmen sind Nettosparer.

Weil die Haushalte aber natürlich weiter Geld auf die Kante legen und der Staat künftig auch kein Defizit machen will bleibt – weil ex post Ersparnisse immer gleich Investitionen sind – nur das Ausland übrig, um die deutsche Ersparnis aufzusaugen und einer irgendwie produktiven Verwendung zuzuführen.

Deshalb überschwemmen wir die Welt nun schon seit Jahren mit unserem Geld – und wundern uns dann, wenn wieder irgendwo eine Blase entsteht und sich die Ersparnisse in Luft auflösen. Die deutsche Wirtschaft ist vollkommen aus den Fugen geraten. Wir ruinieren erst andere und am Ende auch uns selbst.

Aber dafür sind wir Exportweltmeister.

 

Draghis Geheimwaffe

Mario Draghi hat es derzeit bekanntlich nicht leicht: Er will die Bilanzsumme der EZB unter anderem durch den Ankauf von ABS-Papieren und neue Hilfskredite für die Banken deutlich ausweiten, aber das gelingt nicht so richtig, weil die Banken das Geld nicht wollen und die EU-Staaten keine Ausfallgarantien für die Papiere abgeben wollen. Deshalb deutet vieles darauf hin, dass die EZB ihre Bilanzziele nicht erreicht – es sei denn, sie kauft Staatsanleihen auf, was zu einem Aufstand in Deutschland führen dürfte. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat Draghi bereits zu verstehen gegeben, was er von dessen Plänen hält: Man könnte es mit eher wenig ganz gut umschreiben.

Warum also wirkt Draghi im Moment eigentlich ganz entspannt? Weiter„Draghis Geheimwaffe“

 

Die HRE und die Griechenlandanleihen – ein Skandal?

Die FAZ hat heute eine ganze sehr informative Seite über das Verhalten der HRE bei der Umschuldung Griechenlands. Respekt an die Kollegen für das Material, das sie da an Land gezogen haben. Mir geht es um die Bewertung. Handelt es sich hier um einen Skandal, also einen Fall von Missmanagement oder Politikversagen?
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Gabriels Optionen

Fabian Lindner hat gestern auf die Problematik der Pläne des Wirtschaftsministers zur Ankurbelung der Investitionen hingewiesen. Ich will mich noch einmal mit diesem Thema befassen. Zunächst einmal ist Gabriels Diagnose ja richtig: Es gibt jede Menge anlagewilliges Kapital und trotzdem kaum Investitionen. Das ist allerdings kein bug, sondern ein feature der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage. Wir stecken in der Krise, weil nicht genug investiert wird – privat wie öffentlich.
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Piketty, das Kapital und die Arbeit – ein Gastbeitrag von Hagen Krämer

Der französische Ökonom Thomas Piketty hat mit seinem Buch Capital in the 21st Century eine lebhafte und wichtige Debatte über grundlegende Fragen der Einkommens- und Vermögensverteilung angestoßen (auch im Herdentrieb-Blog: hier und hier). Dabei mangelt es nicht an Kritik aus der Fachwelt an den Thesen Pikettys und der theoretischen Fundierung, die er liefert. Eine kommt von dem Karlsruher Ökonomen Hagen Krämer, der sie mit einem Gastbeitrag hier im Blog zur Diskussion stellt:

Arbeit und Kapital in Pikettys „Kapital im 21. Jahrhundert“

Von Hagen Krämer*)

Was bestimmt langfristig die Einkommensverteilung? Für den österreichischen Ökonomen Eugen von Böhm-Bawerk kamen bekanntlich zwei miteinander konkurrierende Erklärungen dafür infrage: „Macht oder ökonomisches Gesetz?“ Für Böhm-Bawerk und die heute dominierende neoklassische Theorie sind es langfristig die ökonomischen Gesetze, gegen die sich die um die Verteilung ringenden sozialen Gruppen nicht durchsetzen können. Machtfaktoren spielen in der herkömmlichen Analyse praktisch keine Rolle. Ich habe mich gefragt, wie dies in dem Bestseller von Thomas Piketty aussieht. Die Analyse und Prognose, die der französische Ökonom über die Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung in seinem Bestseller Capital in the 21st Century vornimmt, sind vielfach als radikal und innovativ beurteilt worden. Aber liefert Piketty auch neue Impulse für die Debatte um die Bestimmungsgründe der Einkommensverteilung?
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