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Die Deutschen und der Export

Der Herbst wird heiß. Die USA kritisieren den deutschen Exportüberschuss, hier mein Artikel, warum auch aus Brüssel Probleme drohen. Stichwort: Macroeconomic Imbalances Procedure. Und nein: Die Kommission hat den Bericht nicht dementiert, die Aussage, zum jetzigen Zeitpunkt mache es sich keinen Sinn, über die nächsten Schritte zu sprechen, ist kein Dementi. Wie ich höre, hätten die deutschen Behörden mit einer vertieften Analyse auch kein Problem. Sie wissen, dass die Glaubwürdigkeit der Kommission auf dem Spiel steht – mit der die Kanzlerin noch einiges vor hat.

Es bleibt spannend.

 

Target, ein letztes Mal?

Marcel Fratzscher, Philipp König und Claudia Lambert vom DIW haben eine sehr interessante Analyse zu den Target-Salden der EZB veröffentlicht, die dazu beitragen kann, die Debatte in Deutschland zu versachlichen.

Wir erinnern uns: In dem Target-Streit ging es um die Frage, ob sich aus dem Zahlungsverkehrssystem der Notenbanken zusätzlich parlamentarisch nicht kontrollierte Risiken für Deutschland ergeben. Die These von Fratzscher et al: Deutschland hat von der Flexibilität des Target-2-Systems profitiert, weil es die Rückführung von im Ausland angelegtem Kapital ermöglichte, das sonst womöglich verloren gewesen wäre.

Sie definieren zunächst einmal, worüber wir eigentlich reden:

Handelt es sich bei der schließlich verbuchten T2-Position um eine Forderung gegenüber der EZB, so ist den Banken eines Landes mehr Zentralbankgeld aus dem Ausland zugeflossen, als sie dorthin überwiesen haben. Im Falle einer Verbindlichkeit gegenüber der EZB haben die Banken mehr Zentralbankgeld an das Ausland überwiesen, als sie von dort empfangen haben

Dann kommen sie zum Punkt:

Deutsche Banken und Anleger haben ihre Forderungen gegenüber Griechenland, Italien, Irland, Portugal, Spanien und Zypern seit dem Jahr 2007 um rund 390 Milliarden Euro reduziert. Dass deutsche Anleger ihre Investitionen in großem Umfang ohne noch gravierendere Verwerfungen an den Finanzmärkten aus diesen Ländern abziehen konnten, ist vor allem begründet in der Bereitstellung unbeschränkter Liquidität im Rahmen des Vollzuteilungsverfahrens des Eurosystems und im reibungslos funktionierenden Zahlungssystem Target2.

Sebastian Dullien und ich haben vor einiger Zeit bei vox.eu ähnlich argumentiert.

Das DIW geht auch auf das Argument ein, die Liquiditätsbereitstellung über Target 2 verhindere eine Anpassung der Leistungsbilanzen – ein Argument, dessen Problematik schon daran deutlich wird, dass sich inzwischen fast alle Leistungsbilanzen angepasst haben.

Zu Recht wird von den Autoren darauf hingewiesen, dass die Anpassungspfade in einer Währungsunion anders verlaufen müssen als in einem Land mit eigenständiger Geldpolitik, weil keine Abwertung stattfinden kann. Deshalb braucht die Anpassung länger und muss unterstützt werden.

Die Konsequenzen der alternativen Vorgehensweise – keine Liquiditätsbereitstellung mit der Folge einer schlagartig erzwungenen Anpassung – wären hingegen  fatal gewesen, sowohl für die Krisenländer selbst als auch für die Eurozone als Ganzes.

Und nun, Hans-Werner Sinn?

 

Energiewende darf nicht auf der Strecke bleiben

Unter den zehn zentralen Themen, über die die Sozialdemokraten in den nächsten Wochen mit der Union verhandeln wollten, fehlte zunächst die Energiepolitik. Auch die Umwelt kam nicht vor, ebenso wenig wie die Zukunft des Euro und die Bankenunion. Ich dachte daher, dass sich die Parteien auf diesen Feldern wohl weitgehend einig seien und keinen Handlungsbedarf sahen. Das hat sich seit gestern geändert – es gibt neuerdings zwölf Arbeitsgruppen, und alle drei Themen sind jetzt abgedeckt. Gut so.
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Deutschland hat kein Schuldenproblem

Die interessanteste Nachricht aus dem Gemeinschaftsgutachten der Institute verbirgt sich auf Seite 61. Dort steht eine Tabelle mit den Schätzungen zur mittelfristigen Entwicklung der Staatsfinanzen.

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Man beachte die letzte Zeile, die Schuldenstandsquote. Sie fällt bis zum Jahr 2018 auf 61 Prozent des BIP und liegt damit praktisch wieder auf einem Niveau, das mit den Regeln der EU konform ist und langfristig tragfähig sein dürfte.

Wichtig: Dabei sind keine dramatischen Sparprogramme oder ähnliches unterstellt, Einnahmen und Ausgaben laufen mehr oder weniger weiter wie bisher. Woran liegt das? Zunächst einmal einfach daran, dass eine wachsende Wirtschaft eben das beste Rezept gegen Schulden ist – die Schuldenquote ist ein Bruch und wenn der Nenner steigt, dann wird der Bruch insgesamt kleiner.

Außerdem dürften einige der Sondereffekte auslaufen, die die Schuldenquote derzeit künstlich aufblähen. Denn was kaum jemand weiß: Alle Risiken aus der Banken- und Eurorettung sind im Schuldenstand bereits verbucht.

Der Grund: Es handelt sich bei diesem Schuldenstand um eine Bruttogröße und das führt etwa bei der Bankenrettung dazu, dass die Verbindlichkeiten der staatseigenen Bad Banks berücksichtigt werden, nicht aber die Vermögenswerte. Wenn nun aber die Vermögenswerte zu Geld gemacht werden (zum Beispiel weil Anleihen im Portfolio auslaufen), dann können auch die Verbindlichkeiten aufgelöst werden und die Schuldenquote sinkt wie von Zauberhand.

Ganz ähnlich sieht es bei den Rettungskrediten für Südeuropa aus, die allesamt auch bereits verbucht wurden. Wenn es nicht zu einem totalen Zahlungsausfall kommt, verbessert sich die Schuldenquote wenn diese Kredite zurückgezahlt werden.

Lange Rede kurzer Sinn: Deutschland steht bei der Verschuldung nicht schlecht da und man sollte sich von völlig irrelevanten Zahlen wie den 2.000 Milliarden des Steuerzahlerbundes nicht kirre machen lassen.

 

Das Biest NAWRU

Großartiger Beitrag von Jeremie Cohen-Setton über das krasse Versagen der Modelle der Europäischen Kommission zur Bestimmung des strukturellen Anteils der Krise in Südeuropa. Hier für Spanien die Arbeitslosenquote und die – vermeintlich – strukturelle Arbeitslosenquote (hier Non Accelarating Wage Rate of Unemployment oder NAWRU).

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Wir sehen: Die strukturelle Arbeitslosenquote folgt schlicht der tatsächlichen und wenn man diesen Chart für voll nimmt, muss sich Spanien daran gewöhnen mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit zu leben. Wie Jeremie schreibt:

So although one can argue that a crisis can temporarily – as workers need time to adjust to the new sectoral and geographical composition of jobs – or permanently – because of hysteresis effects – decrease potential labor input, the size of the adjustments applied by the European Commission appears clearly inadequate.

Ein wesentlicher Pfeiler des makro-ökonomischen Regelwerks  – und der politischen Empfehlungen, die etwa in der Haushaltspolitik daraus abgebleitet werden – ist die Trennung zyklischer von strukturellen Entwicklungen. Wenn das nicht funktioniert – und zumindest derzeit scheint es nicht zu funktionieren – muss man ganz grundsätzlich darüber nachdenken, ob wir hier nicht auf dem falschen Weg sind.

 

Was passiert, wenn sich die US-Regierung nicht mehr verschulden darf

Der 17. Oktober rückt näher, der Tag, an dem die Schulden der amerikanischen Bundesregierung ihr gesetzliches Limit von 16,7 Billionen Dollar erreichen werden. Danach dürfen keine neuen Schulden mehr gemacht werden – der Staat kann nur so viel ausgeben, wie an laufenden Einnahmen hereinkommt. Die Ausgaben liegen in diesem Jahr bei etwa 3,85, die Einnahmen bei 2,70 Billionen Dollar. Etwa 30 Prozent der Bundesausgaben werden also auch heute noch, vier Jahre nach dem Ende der Rezession, mit Schulden finanziert. Vermutlich werden die Exekutive, also der demokratische Präsident, und das Repräsentantenhaus, die untere Kammer der Legislative, in letzter Minute einen Kompromiss finden oder sich auf Übergangslösungen einigen. Wenn aber nicht, was dann?
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Die Kosten des griechischen Schuldenschnitts

Griechenland spielt bekanntlich mit dem Gedanken, eine Verlängerung der Laufzeit eines Teils seiner Kredite auf 50 Jahre zu beantragen. Wir haben das Institut für Weltwirtschaft in Kiel gebeten, die möglichen Auswirkungen auf den Barwert der Forderungen auszurechnen.

Das Ergebnis findet sich hier. Kurzzusammenfassung: Der Barwertverlust schwankt zwischen 7,5 und 13,5 Milliarden Euro je nach Annahmen über die Entwicklung des Zinsniveaus in Griechenland relativ zur Euro-Zone (der Spread bewegt sich zwischen 0 und 200 Basispunkten).

Die weiteren Annahmen:

1. Es werden die 52,9 Milliarden aus dem bilateralen Kreditpaket verlängert, deren durchschnittliche Laufzeit derzeit bei 30 Jahren liegt.

2. Der Diskontzins ist der gewichtete langfristige Zins der kreditgebenden Staaten (die sich, so die Logik, verschulden müssen, um den Griechen Geld zu leihen)

3. Der Drei-Monats-Euribor wird konstant gehalten.

Man kann natürlich auch andere Annahmen treffen, aber es geht hier darum, eine Größenordnung deutlich zu machen – und zu zeigen, dass auch eine Laufzeitverlängerung einer Art Schuldenschnitt ist.

 

Die VerBILDung des Spiegel

Stefan Niggemeier hat schon alles über den neuen Spiegel-Titel gesagt. Da diskutiert die Republik also nach vielen Jahren in denen die Steuersätze nach unten gingen über (moderate) Steuererhöhungen und das Sturmgeschütz der Demokratie zeigt Angela Merkel und Sigmar Gabriel als Banditen, die „den Deutschen“ das Geld wegnehmen wollen. Der Staat als Räuberbande, der sich auf Kosten der Bürger bereichert – das war eigentlich die Domäne der Zeitung mit den vier großen Buchstaben.
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Warum Klaus Regling recht hat

Es gibt eine kontroverse Debatte über den Einwand von Klaus Regling, die hohe Staatsverschuldung in Griechenland sei als Maß für die Schuldentragfähigkeit nicht sehr geeignet. Die Welt wirft ihm vor, die Schulden kleinzurechnen.

Dabei ist es doch wirklich ganz einfach. Relevant für die Schuldentragfähigkeit sind – vom Wirtschaftswachstum abgesehen, dass hier als exogen betrachtet werden kann – die nominalen Verbindlichkeiten und die Verzinsung dieser Verbindlichkeiten.
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Von wegen Neuwahlen oder warum vielleicht die SPD am längeren Hebel sitzt

Viel ist derzeit die Rede von Neuwahlen als ultimativem Druckmittel der Union. Doch der Blick in die Verfassung zeigt, dass sich da einige Christdemokraten möglicherweise etwas vor machen. Laut Artikel 63 wählt der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kanzlerin auf Vorschlag des Präsidenten – im konkreten Fall: Angela Merkel.

Wenn das aber nicht gelingt, gibt es keineswegs zwingend Neuwahlen. Denn: Weiter„Von wegen Neuwahlen oder warum vielleicht die SPD am längeren Hebel sitzt“