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Die Null steht (vorerst)

Wer auf den großen Paukenschlag gesetzt hatte, der wurde enttäuscht. Eine Kehrtwende in der deutschen Haushaltspolitik findet nicht statt.

Mithilfe des Überschusses aus diesem Jahr können wir nach heutigem Stand auch 2016 ohne neue Schulden auskommen.

So sagte es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute bei der Vorstellung der Steuerschätzung. Das klingt angesichts ständig steigender Flüchtlingszahlen und der damit verbundenen Mehrausgaben erst einmal sehr knausrig – doch die Sache ist komplizierter. Das wiederum liegt daran, dass der deutsche Staat im Geld geradezu schwimmt. Weiter„Die Null steht (vorerst)“

 

Wer macht in der Flüchtlingskrise den Draghi?

Vor etwas mehr als drei Jahren leitete Mario Draghi mit wenigen Sätzen die Wende in der Euro-Krise ein. Es ist lohnend, sich diese Sätze noch einmal zu vergegenwärtigen.

But there is another message I want to tell you. Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough.

Warum waren diese Sätze so wirkungsmächtig? Weil Finanzkrisen ein Massenphänomen sind. Massenphänomene zeichnen sich dadurch aus, dass irgendwann die Logik der Masse handlungsleitend wird: Investoren stoßen italienische Staatsanleihen ab, nicht weil sie nicht mehr an Italien glauben, sondern weil alle italienische Staatsanleihen abstoßen. Dadurch wiederum ergibt sich eine neue Realität, denn wenn Italien keine Staatsanleihen mehr verkaufen kann, ist das Land pleite.

Warum schreibe ich das? Weil auch die Flucht ein Massenphänomen ist. Weiter„Wer macht in der Flüchtlingskrise den Draghi?“

 

Flüchtlinge nutzen mehr, als sie kosten

Ökonomisch war selten etwas so sinnvoll wie Angela Merkels „Wir schaffen das“ von Anfang September, während ihr peinlicher Bittgang zum türkischen Autokraten aus ökonomischer Sicht unnötig und sogar kontraproduktiv war. Unser alterndes Land braucht auf Jahrzehnte hinaus Zuwanderer, wenn es seinen Lebensstandard halten will, wenn nicht immer weniger Erwerbstätige eine immer größere Zahl von Alten versorgen sollen.

Ich halte die Flüchtlinge für ein unerwartetes und höchst willkommenes Geschenk. Ein paar arme Länder treten einen Teil ihres „Humankapitals“ an eines der reichsten Länder ab, ohne etwas für die „Investitionskosten“ zu verlangen, also die Kosten für die Erziehung und Ausbildung der meist jungen Menschen, die zu uns kommen. Wir sollten uns für dieses Geschenk erkenntlich zeigen, auch finanziell, wenn es die Umstände eines Tages zulassen. Weiter„Flüchtlinge nutzen mehr, als sie kosten“

 

Die Volkswagenkrise – ein Makro-Event?

Es kommt nicht oft vor, dass das Schicksal eines Unternehmens Konsequenzen für ein ganzes Land hat  – im Fall von Volkswagen könnte es aber so kommen. Der Wolfsburger Konzern ist am Umsatz gemessen das größte deutsche Unternehmen und von erheblicher Bedeutung für die Wirtschaft. Dazu Holger Sandte von Nordea:

Im vergangenen Jahr hat der VW-Konzern in Deutschland 2,6 Millionen Autos produziert, das waren 46% aller im Inland hergestellten Autos. Die Produktion von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen hat einen Anteil 21% an der gesamten industriellen Wertschöpfung. Die Industrie wiederum (ohne die Bauwirtschaft) hat einen Anteil von 26% an der gesamten Wertschöpfung.

Wenn der Absatz von Volkswagen wegen der Dieselkrise um zehn Prozent einbricht, würde das das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 0,25 Prozent oder 7,5 Milliarden Euro reduzieren. Dabei sind mögliche Einbußen bei Zulieferbetrieben noch nicht einmal berücksichtigt. Wobei anderseits eine Rückrufaktion sich rechnerisch positiv auf das BIP auswirken würde.

Inzwischen gibt es auch genauere Schätzungen zu den Steuerausfällen. VW hat im vergangenen Jahr ausweislich Geschäftsbericht im Inland 2,07 Milliarden Euro und im Ausland 1,56 Milliarden Euro an Steuern bezahlt bei einem operativen Konzerngewinn von 12,7 Milliarden Euro. Der durchschnittliche Steuersatz liegt bei 29,8 Prozent.

Wenn man die Rückstellungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro abzieht und etwa im Verhältnis von 60:40 auf Inland und Ausland aufteilt, kommt man im Inland auf Steuermindereinnahmen von etwa einer Milliarde Euro für alle staatlichen Ebenen. Insofern war meine erste grobe Schätzung etwas zu grob.

Wenn sich Gerüchte bewahrheiten, dass der Konzern wegen der zu erwartenden Strafzahlungen und Klagen über Jahre hinweg keinen Gewinn mehr ausweisen könnte, dann würde sich das  durchaus bemerkbar machen. Die Stadt Wolfsburg jedenfalls hat bereits eine Haushaltssperre erlassen.

Update: Ein interessanter Einwand in den Kommentaren: Strafzahlungen fließen einem anderen Wirtschaftsakteur zu – dem Staat oder den Verbrauchern. Damit sind sie Einkommen, dass ausgegeben werden kann. Das ist ein wichtiger Punkt. In der Gesamtbetrachtung wäre also wichtig, in welchem Land die Zahlungen anfallen und wie die Ausgabenquote der Empfänger im Vergleich zu VW ist. Davon unberührt sind aber Produktionseinbußen, die dadurch entstehen, dass die Verbraucher weniger VW kaufen, wobei hier implizit vorausgesetzt ist, dass sie statt dessen ein ausländisches Fahrzeug kaufen.

 

Was Volkswagen die Staatskasse kostet

Volkswagen ist nicht nur ein Riesenkonzern, sondern zahlt auch einiges an Steuern in Deutschland. Was also bedeutet der jüngste Skandal für die Staatskasse? Im Detail ist das schwer zu sagen, weil es erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt und die Summen noch nicht klar sind.

Eine Annäherung ist dennoch möglich. Nach Schätzungen bezahlt Volkswagen auf seinen Gewinn etwa 30 Prozent Steuern an den deutschen Staat. Im vergangenen Jahr fiel ein Rekordgewinn von 12,7 Milliarden Euro an – darauf dürften also rund vier Milliarden Steuern fällig geworden sein.

Nun hat der Konzern eine Rückstellung von 6,5 Milliarden Euro gebildet, wer weiß, ob in diesem Jahr überhaupt ein Gewinn ausgewiesen wird. Das könnte sich dann also mit rund drei bis vier Milliarden Euro beim Fiskus bemerkbar machen. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr der Hälfte des Überschusses im Bundeshaushalt in diesem Jahr.

Wie gesagt, das sind alles grobe Schätzungen und viel hängt davon ab, wie es jetzt weitergeht. Aber ich bin sicher, dass man im niedersächsischen Finanzministerium beziehungsweise in Wolfgang Schäubles Steuerabteilung schon rechnet.

 

Wie viele Flüchtlinge können wir uns leisten?

Wer übernimmt die Kosten für die steigende Zahl der Flüchtlinge, der Bund oder die Länder?  Bis zum 24. September soll ein Kompromiss gefunden sein. Aber wie teuer ist die Versorgung der Neuankömmlinge eigentlich? Dazu hat das RWI in Essen heute als erstes der großen Wirtschaftsforschungsinstitute ein paar Zahlen vorgelegt: Weiter„Wie viele Flüchtlinge können wir uns leisten?“

 

Ein Wachstumsschub durch die Flüchtlinge?

Die Flüchtlingskrise ist in Deutschland bislang vor allem unter moralischen Gesichtspunkten diskutiert worden. Das war auch angemessen, schließlich geht es – zumindest in den meisten Fällen – um Menschen in Not. Wie aber im Blog Wirtschaftswurm richtigerweise angemerkt wurde, darf eine ökonomische Analyse der Sachlage nicht fehlen, denn am Ende setzen sich zumeist die ökonomischen Kräfte durch. Weiter„Ein Wachstumsschub durch die Flüchtlinge?“

 

Deutsche Konjunktur ohne Schwung: Der Staat bremst

Die Frage ist, warum in Deutschland nicht schon längst Hochkonjunktur herrscht. Im zweiten Quartal betrug die Zuwachsrate des realen BIP gegenüber dem ersten Quartal gerade einmal 0,4 Prozent, nach 0,3 Prozent im vorangegangenen Quartal. Das ist mehr als mickrig. Selten, wenn überhaupt jemals, war die Ausgangslage so günstig: der Wechselkurs ist sehr schwach, die Leitzinsen befinden sich real und nominal in der Nähe von Null, durch den Einbruch der Energiepreise hat es seit Mitte 2014 unerwartete Kaufkraftgewinne gegeben, und bei der Bautätigkeit und den Ausrüstungsinvestitionen gibt es einen beträchtlichen Nachholbedarf. Das alles vor dem Hintergrund eines robusten Arbeitsmarkts, einer gewaltigen Einwanderungswelle und Reallohnsteigerungen von 3 bis 3,5 Prozent. Weiter„Deutsche Konjunktur ohne Schwung: Der Staat bremst“

 

Alternativen zu einem europäischen Finanzminister

Eins hat uns die griechische Krise gelehrt: So wie der Euro konstruiert ist, wird er nicht überleben. Schon das kleine Griechenland hatte eine Existenzkrise ausgelöst. Was passiert erst, wenn eines Tages wirtschaftliche Schwergewichte wie Italien oder Frankreich nicht mehr in der Lage sein sollten, ihre Schulden zu bedienen? Schon in der jüngsten Krise war es zeitweise vorstellbar, dass ein Mitgliedsland die Währungsunion verlassen könnte, obwohl die Kosten des Rettungspakets relativ gering waren im Vergleich zu dem, was aufzubringen wäre, wenn die Schulden eines großen Landes restrukturiert werden müssten. Sobald die Spekulanten erkennen, dass sich das nicht stemmen lässt und mit einer realistischen Aussicht auf Erfolg beginnen, die einzelnen nationalen Märkte gegeneinander auszuspielen, wäre der Euro am Ende – und damit, wie die Kanzlerin zurecht meint, für eine lange Zeit auch das europäische Einigungsprojekt.

Griechenland über Wasser und damit in der Währungsunion zu halten, war daher die richtige Strategie, zumal die geforderten Strukturreformen und das große Investitionsprogramm seine Wirtschaft nachhaltig stabilisieren dürften. Es war eindrucksvoll, was die Griechen an Auflagen seitens der Gläubiger zu akzeptieren bereit waren – nur um den Euro behalten zu dürfen. Die gemeinsame Währung ist offenbar auch für die ärmsten Mitglieder ein hohes Gut und daher widerstandsfähiger als es kleinmütige Skeptiker hierzulande oder angelsächsische Ökonomen wahrhaben wollen (dazu Daniel Gros: „Warum Griechenland keine Euro-Auszeit nahm“). Aber Griechenland war vermutlich nur ein Probelauf – beim nächsten Mal wird es mit dem Stopfen von Löchern nicht getan sein. Weiter„Alternativen zu einem europäischen Finanzminister“

 

Eine Insolvenzordnung für Staaten würde den Euroraum instabiler machen

Schon seit langem wünschen sich viele Ökonomen ein Insolvenzregime für Staaten, jüngst etwa der Sachverständigenrat für Wirtschaft (SVR) in einem Sondergutachten oder der Leiter des ZEW, Clemens Fuest, in der ZEIT. Wie für Unternehmen und private Haushalte, so sollte es auch für zahlungsunfähige Staaten ein geordnetes Verfahren zur Reduktion ihrer Schulden geben. Bei dem müssten die Gläubiger ganz oder teilweise auf ihre Forderungen verzichten. Davon versprechen sich SVR und Co., dass Banken und andere Finanzmarktakteure in Zukunft genauer hinschauen, wenn sie einem Staat Geld leihen, und sich von potenziellen Wackelkandidaten ein höheres Ausfallrisiko mit höheren Zinsen vergüten lassen.

Allein die steigenden Kosten der Verschuldung könnten dafür sorgen, dass ein Land erst gar nicht in die Gefahr der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit kommt. Träte dieser Fall trotzdem einmal ein, könnten Gläubiger nicht mehr darauf vertrauen, durch die öffentliche Hand anderer Länder „rausgehauen“ zu werden. Nicht mehr deren Steuerzahler, sondern die Banken und andere Kreditgeber müssten für das eingegangene Risiko haften.

Das alles sind auf den ersten Blick gute und schwerwiegende Argumente. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Sache nicht so einfach ist und bei Einführung eines staatlichen Insolvenzregimes im Euroraum mit höchst unerfreulichen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Weiter„Eine Insolvenzordnung für Staaten würde den Euroraum instabiler machen“