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Finanzmarktkeynesianismus à la USA

Von dem, was in den USA gerade geschieht, können europäische Anhänger des britischen Ökonomen John Maynard Keynes nur träumen: Die Amerikaner überlassen ihr Wirtschaftswachstum nicht mehr den Marktkräften, sondern greifen kräftig ein. Die Zentralbank Federal Reserve mit ihrem Chef Ben Bernanke senkt die Zinsen und nimmt eine höhere Inflation in Kauf, damit bloß die Wirtschaft nicht abschmiert. Gleichzeitig zahlt der Staat den finanzschwachen Bürgern Steuern zurück, damit sie weiterhin kräftig konsumieren.

Und das Merkwürdige: Würden die Deutschen so etwas machen, wären Unternehmer und Banker hierzulande zutiefst skeptisch. Noch mehr Schulden! Drohende Inflation! Das wären die ersten Reaktionen, wenn man die Möglichkeit einer keynesianischen Politik nur erwägen würde. In den USA aber jubeln die Wall Street-Banker über den eingeschlagenen Kurs. Ist die Welt so viel anders jenseits des Atlantiks? Sind die konservativen Republikaner George W. Bush und Ben Bernanke samt der Wall Street heimliche Sozialdemokraten?
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Die Ölkrise bedroht die Weltwirtschaft

Noch ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die Weltwirtschaft nicht um eine Rezession herumkommt. Sie leidet nach wie vor unter mehreren Krisen und Ungleichgewichten: dem amerikanischen Leistungsbilanzdefizit, das weiterhin den Dollarkurs belastet, der Finanzkrise, die die Strukturen der Kreditwirtschaft tiefgreifend verändern wird, einigen Immobiliencrashs, die die persönlichen Bilanzen von Millionen Haushalten verhagelt haben oder noch verhageln werden (USA, Spanien, GB, vielleicht demnächst China), sowie der Ölkrise, die die Kaufkraft der Verbraucher so beeinträchtigt, dass sie bei den Ausgaben immer weniger Spielraum haben. An den Finanzmärkten ist man bisher erstaunlich gelassen.
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Geschockte Verbraucher

Die Globalisierung hat in den letzten Jahren in allen industrialisierten Volkswirtschaften dazu geführt, dass der Anteil der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen deutlich gesunken ist. Für die Verbraucher waren das schwierige Zeiten. Es stehen aber wohl noch schwierigere bevor, weil die Explosion der Energiepreise die Kaufkraft erneut reduzieren wird, und zwar zugunsten der Produzenten und Verteiler von Öl, Gas und Strom. Wenn die Verbraucher nicht mitziehen, sind alle Prognosen, die darauf hinauslaufen, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft zwar abschwächen, nicht aber in eine Rezession münden wird, das Papier nicht wert, auf dem sie veröffentlicht werden. Ohne die Ausgaben der privaten Haushalte in den Industrieländern geht nichts.
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Auf dem Weg zur Basarökonomie?

Die Wachstumszahl fürs erste Quartal war ein ganz schöner Hammer. Mit aufs Jahr hochgerechneten sechs Prozent war es der kräftigste Wachstumsschub in einem Quartal seit 1996! Nicht nur, dass meine Wachstumswette nun recht pessimistisch ausschaut. Viel schlimmer: Es scheint, als könne man sich immer weniger auf die deutschen Quartalsdaten verlassen. Klar zumindest ist, dass das erste Quartal ein Ausreißer nach oben ist – und damit leider die Selbstgefälligkeit der europäischen Politik und Notenbank, abzuwarten bis die Krise sichtbar wird, um weitere drei Monate unterstützt. Warum man sich immer weniger auf die deutschen Quartalsdaten verlassen kann?
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Drei Wünsche an die Aufsicht

Allzu leichtfertige Kreditvergabe oder „reckless lending“ war der Grund für die Finanzkrise. Das lernen wir aus den Analysen der Zentralbanker. In diesem Punkt sind sich Fed, EZB, Bank of England und BIZ einig. Insbesondere die BIZ hatte in vielen Quartalsberichten schon vor dem Sommer 2007 vor zu freizügiger Kreditvergabe gewarnt. So ganz falsch wird diese Analyse nicht sein. Die interessante Frage ist, warum kam es zu der allzu freizügigen Praxis.
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Im Zeichen der Rezession

Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die Weltwirtschaft 2008 um 3,7 Prozent zulegen wird. Das ist beachtlicht wenn auch weniger ist als in den letzten vier Jahren. Allerdings sehen die Analysten des Fonds eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent, dass am Ende nur 3 Prozent oder weniger herauskommen werden – das nennen sie bereits eine Rezession. Wegen der ungewöhnlich zahlreichen und großen Ungleichgewichte sind die Wachstumsrisiken meiner Ansicht nach aber noch höher als der IWF es wahrhaben will. Probleme bereiten vor allem die internationale Finanzkrise, die Explosion des Ölpreises und der Rohstoffpreise allgemein, aufgeblähte und nunmehr korrigierende Immobilienmärkte in den USA, Großbritannien, Spanien, Italien, Frankreich und vermutlich auch in China, sowie die gewaltigen Defizite in den Leistungsbilanzen der USA und des Vereinigten Königreichs, denen entsprechend große Überschüsse in China, Japan, Russland und den OPEC-Staaten gegenüberstehen. Die Anpassungskosten werden beträchtlich sein, zu denen auch eine völlig neue Wechselkursstruktur beiträgt, die sich jetzt herausbildet.

Vermutlich ist daher die Chance, dass es bald zu einer weltweiten Rezession kommt, oder dass sie sogar schon begonnen hat, größer als 50 Prozent. Das bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit von nun an vermutlich steigen wird, dass die Löhne wieder unter Druck geraten, dass die Rohstoffpreise ihren Zenit überschritten haben, ebenso wie die Inflationsraten allgemein. Auch die Gewinne der Unternehmen dürften tendenziell sinken. Für Aktien sind das keine guten Aussichte, dafür aber für Anleihen solider Schuldner. Rohstoffe sind keine gute Asset-Klasse mehr, vor allem nicht Terminkontrakte, Fonds oder Zertifikate auf Nahrungsmittel.

Ausführliches zu den Rezessionsrisiken, den Aussichten für Aktien, Bonds und Emerging Markets sowie ein Blick auf Russland in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – April 2008*) (pdf, 244 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

EZB muss Rücksicht auf Konjunkturrisiken nehmen

Wie schnell sich die Dinge ändern: Vor ein paar Tagen sah es noch ganz danach aus, als erwäge die EZB ernsthaft, die Zinsen zu erhöhen. Die Lage bei den Auftragseingängen sah hervorragend aus, ebenso bei der Industrieproduktion, der Ifo-Geschäftsklimaindex war einige Monate in Folge wieder geklettert, die Beschäftigung im Euroraum lag um anderthalb Prozent über dem Vorjahreswert, die Arbeitslosenquote war auf 7,2 Prozent gefallen, den niedrigsten Wert seit Beginn der Währungsunion, die Geldmenge M3 schien völlig außer Kontrolle geraten zu sein, jedenfalls aus Sicht der EZB, und vor allem war die Inflation bei den Verbraucherpreisen im März auf 3,6 Prozent geklettert. Der starke Euro hatte bislang keine Spuren im Außenhandel hinterlassen.
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Ohne neues Inflationsziel scheitert die EZB

Ich gebe zu: Das niedrige und asymmetrische Inflationsziel der Europäischen Zentralbank ist mir seit 1998 ein Dorn im Auge und ich habe es schon oft kritisiert (hier, hier und hier). Doch nie war die Zeit günstiger! Niemals zuvor bin ich in Expertenkreisen damit auf solch offene Ohren gestoßen wie derzeit. Denn das Problem, manche nennen es Dilemma, der EZB ist offensichtlich. Die Globalisierung hat unverkennbar ihren Modus gewechselt: Von preisdämpfend zu inflationstreibend.
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Hochmut kommt vor dem Fall

Ich habe meine jüngste Wette verloren. Die Europäische Zentralbank hat weder am Devisenmarkt interveniert, noch die Zinsen gesenkt. Genau darauf hatte ich gewettet, weil der Stress im Finanzsystem kaum auszuhalten ist. Glücklicherweise hat niemand mit Wein oder ähnlichem dagegen gehalten. So gehe ich nun kurz in Sack und Asche und bekenne Hochmut kommt vor dem Fall. Doch schon gleich hole ich zum Gegenschlag aus.
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Ben Bernanke, der Retter

Ben Bernanke rettet die amerikanische Konjunktur. Oder doch nicht? Unter dem Titel „Der Retter“ hat sich Claus Tigges in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ausführlich mit den Maßnahmen des Chefs der Federal Reserve beschäftigt. Ob er damit Erfolg haben wird, sagt der Autor allerdings nicht. Am Schluss bleibt allein die Erkenntnis, dass das weite Öffnen der Geldschleusen „letztlich nur zur Aufweichung der Geldstabilität führt“ und so „die Saat für eine neue Preisblase auf einem Markt für Vermögenswerte“ ausgebracht wird.

Kann aber durch eine solche Politik immerhin eine Rezession vermieden oder abgekürzt werden? Wir erfahren es nicht. Dafür lernen wir, dass „Greenspan … ein Star [war und] Bernanke [jetzt seine] Fehler ausbügeln“ muss.*) Andererseits hinterlässt der Text den Eindruck, als mache er dieselben Fehler wie sein Vorgänger, nämlich immer dann Gas zu geben, wenn es in der Wirtschaft nicht so gut läuft, im Vertrauen darauf, dass die Inflation tendenziell zurückgehen wird. Ben Bernanke also eher ein tragischer Held?
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