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Sarah Palin und die Inflation

Paul Krugman macht auf eine interessante Konversation zwischen Sarah Palin und Sudeep Reddy, Geldpolitikkorrespondent beim Wall Street Journal aufmerksam. Auslöser: Palins Vorhersage, die Inflation werde steigen, weil die Fed die Märkte flutet.

Everyone who ever goes out shopping for groceries knows that prices have risen significantly over the past year or so. Pump priming would push them even higher.

Zurecht weist Reddy darauf hin, dass die Preise kaum steigen, und bekanntlich eher deflationäre Tendenzen vorherrschen.

A broad measure of food prices from the Labor Department shows prices rose at an average annual rate of less than 0.6% in the first nine months of the year.

Palins Reaktion – und jetzt wird es interessant – ist die folgende:

Now I realize I’m just a former governor and current housewife from Alaska, but even humble folks like me can read the newspaper.

Die Ebene der Argumentation ist hier keine sachlich-inhaltliche mehr. Stattdessen findet eine Art Glorifizierung des common sense gegenüber dem Expertenwissen statt. Der Mann auf der Straße weiß doch, was läuft. Wenn mehr Geld da ist, kommt die Inflation, ist doch sonnenklar. Dass gar nicht mehr Geld da ist, weil die Zentralbank zwar welches schöpft, die Banken aber nicht mehr, spielt da keine Rolle. Die Debatte ist nicht auf die USA beschränkt, wie die hysterische Diskussion über die Politik der Fed – die man in der Tat kritisieren kann – zeigt.

Willkommen in der Gegenaufklärung.


 

Mit Schwung ins neue Jahr

Am Montag gab es eine gute und eine schlechte Nachricht für die Konjunkturgurus: Der Außenhandelsüberschuss war im September wieder sehr stark gestiegen (nicht alle dürften das allerdings für toll halten), aber gleichzeitig kam es zu einem deutlichen Rückgang der Industrieproduktion. Jedenfalls liegen jetzt die wichtigsten Zahlen vor, mit denen sich die Zuwachsrate des BIP im dritten Quartal schätzen lässt. Am kommenden Freitag gibt es die offiziellen Ergebnisse aus Wiesbaden. Zusammen mit Uwe Richter habe ich mal nachgerechnet, was denn herauskommen könnte. Es sieht auf der Basis saisonbereinigter Zahlen im Vorquartalsvergleich real nach einem Plus zwischen 0,8 und 1,4 Prozent aus. Das ist zwar deutlich weniger als die 2,2 Prozent vom zweiten Quartal, aber insgesamt doch sehr gut. Weiter„Mit Schwung ins neue Jahr“

 

Die Fed geht noch einmal in die Vollen

Am Mittwoch hatte die Fed beschlossen, bis Mitte 2011 monatlich für rund 75 Mrd. Dollar zusätzliche US-Staatsanleihen mit Restlaufzeiten zwischen zwei und zehn Jahren anzukaufen, netto insgesamt 600 Mrd. Dollar und brutto rund 800 Mrd. Dollar. Dabei deutete sie an, dass es bei Bedarf auch mehr sein könnten. Diese Zahlen entsprechen etwa 4 Prozent des amerikanischen, und 0,9 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (im dritten Quartal betrug das BIP der USA annualisiert 14,73 Billionen Dollar).

Es handelt sich also um ein massives Programm. Das vorangegangene vom Herbst 2008, als in Washington noch die Furcht vor einer Depression à la dreißiger Jahre umging, war allerdings etwa dreimal so groß. Inzwischen befindet sich Amerika offiziell allerdings seit mehr als einem Jahr im Aufschwung – daher die kleinere Dosis bei dieser Neuauflage des „quantitative easing„, auch QE2 genannt, wie das berühmte Schiff der Cunard Line.

Grafik: Bilanzsumme der Fed (Nov. 4, 2010)

Was heißt das für die Märkte und für die Konjunktur in Amerika und im Rest der Welt? Weiter„Die Fed geht noch einmal in die Vollen“

 

Hat Merkel nun gewonnen oder nicht?

Wer heute die Berichterstattung der großen Zeitungen zum EU-Gipfel liest, der muss den Eindruck gewinnen, da gehe es um unterschiedliche Veranstaltungen. Die FAZ interpretiert den Kompromiss von Brüssel als weiteren Schritt in Richtung Transferunion, weil durch die Einführung eines Krisenmechanismus der bailout institutionalisiert werde. Die entscheidende Passage bei Holger Steltzner:

„Mit einem rechtlichen Kniff, durch den eine aufwendige Änderung der EU-Verträge nicht mehr nötig sein soll, stimmte Frau Merkel die EU-Partner gnädig. Der eindeutig formulierte Artikel 125 der EU-Verträge, der die Haftung eines Landes für die Schulden eines anderen („Bailout“) verbietet, wird nicht angetastet. Dafür soll der Artikel 122 überdehnt werden.“

Dagegen feiert Martin Winter in der SZ einen Sieg deutscher Prinzipien über europäischen Schlendrian:

„Europa beugt sich der Kanzlerin – und das ist gut so. Denn die Methoden, mit denen Angela Merkel die anderen EU-Länder auf ihre Linie zwang, mögen fragwürdig gewesen sein – rechtlich wie politisch aber wählte sie den einzig richtigen Weg.“

Ich war selbst vor Ort und glaube, dass die FAZ klarer herausgearbeitet hat, was eigentlich in Brüssel geschehen ist, obwohl ich die Bewertung nicht teile. Weiter„Hat Merkel nun gewonnen oder nicht?“

 

Deflation – wir sind noch einmal davongekommen

Lange hatte ich befürchtet, dass es auch bei uns demnächst zu einer echten Deflation kommen könnte. Das glaube ich inzwischen nicht mehr. Die Inflation wird zwar auf absehbare Zeit niedrig bleiben – weil sich zum Einen die Lücke zwischen Nachfrage und Produktionspotential nur langsam schließt und weil zum Anderen wegen des festen Euro Preisstabilität importiert wird -, eine echte Deflation im Sinne, dass das Preisniveau viele Jahre lang sinkt, wird es aber nicht geben. Ich kann mir gut eine Deflation in Ländern wie Irland, Griechenland, Portugal und Spanien vorstellen, aber nicht in Deutschland, und auch nicht im Euroraum insgesamt. Weiter„Deflation – wir sind noch einmal davongekommen“

 

Scharf, schärfer, Stabi-Pakt

Ich war nie ein Freund des Stabilitätspaktes. Meine Hoffnung war, dass irgendwann jeder sehen würde, was für ein sinnloses Ungetüm das ist. Und als Anfang des Jahres Spanien und Irland in die Bredouille gerieten, dachte ich: Das ist das Ende des Paktes. Denn weder Spanien noch Irland haben je gegen das Defizitkriterium verstoßen. Im Gegenteil: Beide Länder galten bis zum Ausbruch der Krise als Musterschüler. Sie haben in all den Jahren der Währungsunion ihren Schuldenstand zurückgefahren. Spanien von über 60 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf unter 40 Prozent, Irland gar auf nur noch 25 Prozent. Und trotzdem gelten beide Länder dank der Krise nun als Wackelkandidaten.

Doch entgegen meiner Annahme, die Debatte um den Stabilitätspakt käme zur Vernunft, ist sie erneut entbrannt. Alles schimpft aufeinander, weil ein Pakt, der versagt hat, nicht so geschärft wird, wie von irgendwelchen Hardlinern gewünscht. Aber, verehrte Leser, der Pakt hat versagt. Warum soll man etwas verschärfen, was weder Irland noch Spanien verhindert hat? Warum denken unsere Politiker nicht mal über etwas nach, das Irland und Spanien verhindert hätte? Weiter„Scharf, schärfer, Stabi-Pakt“

 

Oskar Lafontaines später Sieg

Es gehört zum guten Ton in der deutschen polit-medialen Szene, sich über Oskar Lafontaines erste Gehversuche als Bundesfinanzminister lustig zu machen. Was haben wir gelacht, damals, über den kleinen Oskar und seine Schnapsideen. Zielzonen für die großen Wechselkurse wollte er einführen, auflaufen lassen hat man ihn, als er beim ersten Treffen der G7, wie sie damals noch hießen, seine Ideen präsentierte. Der mächtige Alan Greenspan hat sich einmal geschüttelt und Oskar war ganz klein. So war das damals. Weiter„Oskar Lafontaines später Sieg“

 

Danke, wir können nicht klagen!

Im Wall Street Journal gab es am 11. Oktober einen erstaunlichen Bericht mit der Überschrift „Wall Street Pay: A Record $144 Billion“ – dabei handelt es sich um eine Schätzung für die drei Dutzend größten Finanzunternehmen. Während die amerikanische Wirtschaft insgesamt immer noch darniederliegt, ist die Wall Street „back to normal“. Die Einkommen werden 2010 so hoch ausfallen wie zu besten Zeiten. Ich schätze mal, dass das Durchschnittseinkommen in diesen Unternehmen, also einschließlich der Einkommen von Pförtnern und Sekretärinnen, irgendwo zwischen 200.000 und 400.000 Dollar liegen wird – bei Goldmann Sachs dürften vermutlich sogar mehr als eine halbe Million herauskommen. Die Gewinne des Finanzsektors haben schon wieder einen Anteil von mehr als 20% an den Unternehmensgewinnen insgesamt, so wie es in den Jahren von 1990 bis 2008 zur Regel geworden ist. Dabei arbeiten gerade einmal viereinhalb Prozent aller Erwerbstätigen in der Finanzbranche. Wir haben es mit einer unglaublichen Marktverzerrung zu tun. Weiter„Danke, wir können nicht klagen!“

 

Niedrige Anleiherenditen machen Dividendenwerte attraktiv

Anleger können zum Einen davon ausgehen, dass es auf absehbare Zeit trotz steigender Rohstoffpreise kein Inflationsrisiko gibt – die Kapazitätsauslastung ist weltweit immer noch sehr niedrig, und die Arbeitslosigkeit immer noch hoch. In Ländern, die gezwungen sind, aggressiv ihre Schulden abzubauen, droht sogar Deflation. Die USA gehören in diese Gruppe.

Andererseits ist das Wachstum in den Ländern, die keine Probleme mit dem Deleveraging haben, sehr robust, vor allem in den Schwellenländern – sie wachsen zur Zeit etwa dreimal so rasch wie die OECD-Länder.

Weil der globale Wirtschaftsaufschwung offenbar als prekär gilt, sind Aktien relativ billig. Diese Furcht finde ich aber übertrieben. Als Ausgleich für die niedrigen Renditen auf Anleihen guter Bonität sollte tendenziell in Aktien mit einer möglichst hohen Dividendenrendite umgeschichtet werden. Der Dollar dürfte unter Druck bleiben.

Ausführliches zur wirtschaftlichen Lage in den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern und den Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – October 2010*) (pdf, 233 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)