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Einkommensverteilung in den USA : wie in der dritten Welt

Warum wird die Einkommensverteilung seit einigen Jahren in den reicheren Ländern immer ungleichmäßiger? Und warum wird das im großen Ganzen einfach so hingenommen? Die linken Parteien, die die Situation korrigieren könnten, verlieren in Europa ständig an Boden und haben sich offenbar damit abgefunden, dass sich mit dem Thema heutzutage kein Blumentopf mehr gewinnen lässt. Hinweise aus den USA, weshalb dies so ist, liefert der New Yorker Soziologe Dalton Conley in seinem neusten Buch, das ich gerade lese. „Elsewhere, U.S.A.“ (Pantheon Books, 2009) beschreibt den Lebensstil der oberen Einkommensschichten – wie sie auf zunehmend unsichere Beschäftigungsverhältnisse reagieren, wie sich Freizeit und Arbeit bei ihnen bis zur Unkenntlichkeit vermischen, wie sie immer mehr arbeiten, wie selbst Männer neuerdings darauf achten, dass die künftige Ehefrau gut verdient – auch wenn Kinder da sind, glauben beide arbeiten zu müssen -, und wie dadurch ihr Einkommen letztlich viel stärker zunimmt als das der unteren Schichten, mit der Folge, dass die Einkommensverteilung allmählich so ist wie in Drittweltländern. Gerade die richtige Lektüre für den Liegestuhl im Schatten: unterhaltsam, manchmal etwas wirr, aber oft mit präzisen Beobachtungen, auf die ich so schnell nicht gekommen wäre. „Modern man lives in New York and Silicon Valley …,“ und auch in Deutschland ist er schon hier und da gesichtet worden. Weiter„Einkommensverteilung in den USA : wie in der dritten Welt“

 

Attraktive Anleiherenditen

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die Inflation innerhalb des nächsten Jahres beschleunigen wird. Das gilt nicht nur für Deutschland und Euroland, sondern auch global. Es gibt einen gewaltigen Überschuss an ungenutzten Kapazitäten, und die Lohninflation bewegt sich in Richtung Null. Die Banken in den entwickelten Volkswirtschaften sind voll damit ausgelastet, ihre Aktiva – also auch ihre Kredite – abzubauen; einen neuen schuldengetriebenen Boom können sie noch nicht wieder finanzieren. Wenn man sich die Erzeugerpreise und die Importpreise ansieht, wird klar, dass in der Pipeline noch eine Menge an Deflation steckt.

Die Wirtschaftspolitik wird angesichts günstiger Inflationsaussichten und stark steigender Arbeitslosigkeit bei ihrer sehr expansiven Linie bleiben, und sie kann sich das zur Zeit auch leisten. Explodierende staatliche Defizite beeinträchtigen die Rentenmärkte, vor allem in den USA, aber insgesamt überwiegen die positiven Effekte niedriger Inflation. Deflationsrisiken bestehen trotz der Stabilisierung der Wirtschaft nach wie vor. Ich bin zunehmend davon überzeugt, dass die EZB die Zinsen bis zum Frühjahr auf 0,25 Prozent senken wird. Das bedeutet Negativzinsen auf die Einlagenfazilität, wie in Schweden.

All das sind gute Nachrichten für die Rentenmärkte. Unternehmensanleihen und Anleihen von Schwellenländern, die Renner der Saison, bieten weiterhin attraktive Renditen.

Die Aktienmärkte dürften fest bleiben, so lange die positiven Wirtschaftsnachrichten überwiegen, vermutlich also noch für den Rest des Jahres. Die überbordende Liquidität ist ein zusätzlicher positiver Faktor. Die Risiken sind aber nach wie vor ungewöhnlich groß. Nicht nur das, gemessen an den Kurs-Gewinnverhältnissen und den Risikoprämien sind Aktien weltweit inzwischen auch wieder recht teuer.

Der Dollar schwächelt, obwohl sich das amerikanische Leistungsbilanzdefizit dramatisch verringert hat und die Nachrichten aus der Wirtschaft immer besser werden. Vermutlich drückt das Überangebot staatlicher Papiere auf’s Gemüt der internationalen Anleger. Was sollen sie mit all den Dollars anfangen?

Ausführliches zu den Aussichten für Aktien und Anleihen in die wichtigsten Industrie- und Schwellenländern in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – August 2009*) (pdf, 214 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

EZB: keine Probleme mit der Exit-Strategie

Für die EZB ist die Exit-Strategie, also das Umschalten von der sehr expansiven auf eine „normale“ Geldpolitik, nichts, was sie um den Schlaf bringen wird. Wenn man sich als unbedarfter Laie die Entwicklung ihrer Bankbilanz und damit der sogenannten Geldbasis ansieht, kann einem dagegen schon bänglich werden. Wie kommt all das viele Geld, das in die Wirtschaft gepumpt wurde, eines Tages wieder in den Schlauch zurück? Es kann ja nicht ewig im Freien herumschwappen. Droht Hyperinflation, wenn nichts dagegen unternommen wird? Weiter„EZB: keine Probleme mit der Exit-Strategie“

 

Warum die Aktienmärkte boomen

Um ehrlich zu sein, ich weiß es auch nicht. Seit dem letzten Tiefpunkt am 6. März 2009 hat der DAX um nicht weniger als 44% zugelegt und liegt jetzt „nur“ noch um 35% unter dem letzten Hoch von 8106 Punkten am 16. Juli 2007. Ich sehe etwas alt aus, oder, genauer: so alt wie ich bin, wenn ich an die Überschrift „Rückläufige Gewinne, Aktien zu teuer“ meines letzten Investment Outlooks denke. Die Aktienmärkte sind ganz anderer Meinung, ebenso wie die (schwachen) Rentenmärkte. Weiter„Warum die Aktienmärkte boomen“

 

Was gegen den Wachstumsschock zu tun ist

Inzwischen ist allen klar, dass wir es diesmal nicht mit einer normalen Konjunkturdelle, sondern mit etwas viel Ernsterem zu tun haben: die Zuwachsraten des deutschen BIP werden mindestens sieben Quartale in Folge im Vorjahresvergleich negative Vorzeichen aufweisen, was ungewöhnlich lang ist; im Tiefpunkt der Rezession, der nach unseren Rechnungen im vergangenen Quartal erreicht wurde, lag das reale BIP um 7,6% unter seinem letzten Höchststand (vom 1. Qu. 2008), ebenfalls ein Rekordwert; die Verbraucherpreise stagnieren seit etwa einem Jahr und dürften, wenn man sich die Einfuhrpreise, die industriellen Erzeugerpreise und den Trend bei den Löhnen ansieht, demnächst fallen, so dass es erstmals zu einer Deflation kommen könnte. Sowohl die Geldpolitik als auch die Finanzpolitik bewegen sich, gemessen an den nominalen Notenbankzinsen und den staatlichen Defiziten, auf vollkommen ungewohntem Terrain. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie, ob gewollt oder nicht, demnächst noch nachlegen müssen, nach dem Motto „Wir haben zwar die Orientierung verloren, aber wir verdoppeln unsere Anstrengungen“, wie es ein Kommentator kürzlich hier im Blog formuliert hatte. Weiter„Was gegen den Wachstumsschock zu tun ist“

 

Ahnungslose Ökonomen

Ich hatte mir für diese Woche vorgenommen, den neuen Jahresbericht der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) in aller Ruhe von der ersten bis zur letzten Seite durchzulesen. Die Lektüre hat sich auch dieses Jahr wieder gelohnt, denn die Analysen der Basler Zentralbank der Zentralbanken waren und sind mit das Beste, was es gibt, lehrreich, seriös, immer wieder mit einer Gesamtsicht der Dinge, auf die ich gern selbst gekommen wäre, dabei auch ohne Rücksicht auf politische Empfindlichkeiten, insbesondere gegenüber den USA.

Die BIZ hatte schon seit Jahren vor den Gefahren der „Great Moderation“ gewarnt und darauf hingewiesen, dass sich kreditgetriebene Blasen an den Märkten für Aktien, Immobilien, Unternehmensanleihen und Rohstoffe gerade dann bilden, wenn alles hervorragend läuft, wenn also die Wachstumsraten relativ stabil und hoch, die Inflation niedrig und die Staatshaushalte im Gleichgewicht sind. Da alle Blasen irgendwann platzen, dürfen sie nicht zu groß werden. Je größer sie sind, desto höher sind die Folgekosten. Die Politik sollte frühzeitig etwas gegen überhitzte Märkte tun – „leaning against the wind“.
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Gewinne unter Druck, Aktien zu teuer

Es gibt eine einfache Faustregel, mit der sich bestimmen lässt, wie sich die Gewinne der Unternehmen entwickeln: Wie stark sind die Kosten gestiegen, und wie stark die Erträge? Das lässt sich überschlägig durch den Vergleich der Lohnstückkosten und der Verkaufspreise berechnen. Danach gehen die Gewinne in allen wichtigen Ländern zur Zeit stark zurück.

Den Unternehmen wird nichts anderes übrig bleiben, als ihre Kosten zu senken, also Mitarbeiter zu entlassen. Sie haben wegen der überall sehr niedrigen Kapazitätsauslastung kaum ein Möglichkeit, ihre Preise zu erhöhen. Vielmehr befinden wir uns auf absehbare Zeit in einer Phase von Preiskriegen.

Es ist daher sicher, dass das Preisniveau weder bei uns noch bei unseren Konkurrenten steigen wird. In den vier größten Volkswirtschaften – USA, Euroland, Japan und China – liegt die gewogene Inflationsrate im Vorjahresvergleich zur Zeit bei -0,9%, obwohl sich die Ölpreise seit vergangenem Dezember verdoppelt haben.

Anleihen solventer Staaten sind fundamental gut unterstützt: die Preise sinken, die Notenbanken fahren eine sehr expansive Politik, die Rohstoffpreise werden zwangsläufig wieder sinken, und Aktien sind wegen der tiefen und noch längst nicht überwundenen Rezession keine gute Anlagealternative.

Kurzfristig wird der Dollar stabil sein, mittelfristig belastet, dass die US-Regierung versuchen könnte, ihre reale und stark steigende Schuldenlast durch Inflation abzuschütteln. In einem Jahr dürfte der Euro wieder $1,60 kosten.

Ausführliches zur Situation der Unternehmensgewinne und den Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – July 2009*) (pdf, 217 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

EZB will notfalls weiter senken

Die Europäische Zentralbank hat ihren Leitzins, den Hauptrefinanzierungssatz, wie erwartet bei 1% belassen. Aber wer hätte das gedacht: auf der Pressekonferenz der EZB am Donnerstag hat Jean-Claude Trichet von sich aus, ohne dass ihn ein Journalist dazu gedrängt hätte, noch einmal ausdrücklich erklärt, dass es im EZB Rat keine Entscheidung gegeben hätte, dass das Zinsniveau seinen tiefsten Punkt erreicht habe. Es klang ein bisschen wie: Die Lage ist ernst, die Inflation liegt deutlich unter unserer Zielmarke von knapp unter 2%, und wir werden alles tun, damit wir da wieder hin kommen. Weiter„EZB will notfalls weiter senken“

 

Neues aus Gaboristan

Kennen Sie Gaboristan? Nein? In diesem kleinen Paradies zwischen Berlin und Washington, gibt es keine Schulden und die Bevölkerung ist stets bereit und willig, für den eigenen Wohlstand zu kämpfen. Dort herrscht König Gabor Steingart, im Nebenberuf Leiter des Spiegel-Büros in Washington und ein harter Hund, wenn es um Schulden und Chinesen geht.

In einem aktuellen Artikel für Spiegel-Online zieht er die ganz großen polit-ökonomischen Vergleiche, und zwar zwischen George Bushs Irak-Krieg und Barack Obamas Schuldenmacherei. Beides sei gleich gefährlich und würde nicht allein die Weltmachtstellung der USA, sondern auch die Sicherheit der ganzen Welt gefährden. Weiter„Neues aus Gaboristan“