Lesezeichen
 

Belastende Beweise gegen Zschäpe – Das Medienlog vom Dienstag, 20. Januar 2015

Heute sagen die ersten Zeugen zum Anschlag in der Kölner Keupstraße von 2004 aus. Nebenkläger betonen, wie wichtig ihnen die Aufklärung der Tat ist. Opferanwalt Alexander Hoffmann sieht die Indizien im Fall Keupstraße gleichsam als belastende Beweise gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, wie er im Interview mit der Deutschen Welle mitteilt: „Das alles wird sicherlich reichen, um Frau Zschäpe hier zu verurteilen.“ Relevant sei unter anderem, dass der Anschlag Eingang in das Bekennervideo des NSU gefunden habe. Zudem gebe es Hinweise auf eine Beteiligung der Mitangeklagten Ralf Wohlleben und André E.

Weiter„Belastende Beweise gegen Zschäpe – Das Medienlog vom Dienstag, 20. Januar 2015“

 

175. Prozesstag – Erste Zeugen sagen zum Keupstraßen-Anschlag aus

Mehr als anderhalb Jahre nach Beginn des NSU-Prozesses sagen am Dienstag die ersten Opfer des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße vom 9. Juni 2004 aus. Der Fall ist einer der umfangreichsten Komplexe der Anklage: 22 Menschen wurden durch die Detonation eines mit Nägeln gespickten Sprengsatzes verletzt, den Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor einem Friseursalon platziert haben sollen. Die nächsten zwei Prozesswochen widmen sich daher ausschließlich den Betroffenen und Ärzten, die ihre Verletzungen behandelten. Geladen sind am ersten Tag drei Opfer sowie fünf Ärzte.

Begleitet wird der Prozesstag von einer Demonstration der Initiative Keupstraße ist überall, die vor dem Gericht auf das Leid der Opfer aufmerksam machen will. Auch an den weiteren Tagen will sie das Prozessgeschehen begleiten.

Am Montag vergangener Woche hatten bereits drei Polizisten des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts ausgesagt. Sie schilderten unter anderem, mit welcher Wucht die Bombe explodierte und Schäden auf der Straße anrichtete. Nachhaltig betroffen waren auch die Anwohner der Keupstraße, weil ein rechtsterroristisches Motiv kurz nach der Tat ausgeschlossen wurde. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily strich diese Möglichkeit schon am Tag darauf aus der Liste möglicher Hintergründe. Entsprechend verliefen die Ermittlungen: Immer wieder wurden Zeugen dem Verdacht ausgesetzt, in den Anschlag verstrickt zu sein; auch ein Racheakt türkischer Krimineller wurde lange Zeit als Grund diskutiert.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Ein Anschlag, der bis heute nachwirkt – Das Medienlog vom Montag, 19. Januar 2015

Es wird eine turbulente und aufmerksamkeitsstarke Woche: Ab morgen hört das Münchner Oberlandesgericht die ersten Zeugen zum Nagelbombenanschlag auf der Kölner Keupstraße von 2004. Zu dem Termin werden Dutzende aus Köln anreisen, um die Betroffenen in München zu unterstützen. Denn der Anschlag ist ein „Trauma, das bis heute nachwirkt“, sagt Süddeutsche-Zeitung-Reporter Tanjev Schultz in einem Videobeitrag mit seiner Kollegin Annette Ramelsberger. Für die Menschen aus der Keupstraße sei diese Aufarbeitung extrem wichtig, für das Gericht werde es keine leichte Woche.

Weiter„Ein Anschlag, der bis heute nachwirkt – Das Medienlog vom Montag, 19. Januar 2015“

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Auch am Freitag, 16. Januar, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 19. Januar 2015.

 

Wohlleben-Anwälte greifen Zschäpe an – Das Medienlog vom Mittwoch, 14. Januar 2015

Ralf Wohlleben, Mitangeklagter im NSU-Prozess, muss weiter in Untersuchungshaft bleiben. Bereits zum zweiten Mal lehnte der Strafsenat unter Leitung von Richter Manfred Götzl einen entsprechenden Antrag seiner Verteidiger ab, wie mehrere Medien berichten. Die Anwälte hatten argumentiert, dass die Beweisaufnahme die Vorwürfe gegen ihren Mandaten nicht bestätigt habe. Nach der Ablehnung ging die Verteidigung am Dienstag wieder in die Offensive, wie Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online berichtet: „Sie wendet sich gegen Zschäpe, die bald ziemlich blass aussieht.“

Weiter„Wohlleben-Anwälte greifen Zschäpe an – Das Medienlog vom Mittwoch, 14. Januar 2015“

 

Sorgfältig in die falsche Richtung ermittelt – Das Medienlog vom Dienstag, 13. Januar 2015

Das Münchner Oberlandesgericht hat am Montag erstmals den Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße vom 9. Juni 2004 behandelt, bei dem 22 Menschen teils schwer verletzt wurden. Dazu sagten drei Ermittler des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts aus. Ihre Schilderungen machten deutlich, mit welcher Detonationskraft die Bombe rund 700 Nägel durch die Luft schoss und mit welcher Akribie die mutmaßlichen Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Tat vorbereitet haben müssen. Die Polizisten arbeiteten ihren Aussagen zufolge mit höchster Sorgfalt. „Sieht man ihre vorbildliche Tatortarbeit, fällt die Entschlossenheit, einen rechtsterroristischen Hintergrund nicht ins Auge zu fassen, umso mehr auf“, kommentiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.

Weiter„Sorgfältig in die falsche Richtung ermittelt – Das Medienlog vom Dienstag, 13. Januar 2015“

 

174. Prozesstag – V-Mann Piatto erneut im Zeugenstand

Zum zweiten Mal sagt der ehemalige V-Mann Carsten Sz. alias Piatto am Dienstag im NSU-Prozess aus. Er hatte 1998 Hinweise auf Kontaktleute des kurz zuvor untergetauchten Trios aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gegeben, als er für den Brandenburger Verfassungsschutz spionierte.

Die Behörde hatte sich zuvor gegen Sz.s Vernehmung ausgesprochen. Bei seiner ersten Vernehmung erschien der Rechtsextreme mit einer Perücke. Offen sprach er dennoch nicht über seine Erkenntnisse aus der rechten Szene. Insbesondere konnte er sich an die Meldung an den Geheimdienst angeblich nicht mehr erinnern.

Sz. ist ein verurteilter Gewalttäter: 1994 wurde er festgenommen, nachdem er sich an einem versuchten Mord an einem Asylbewerber beteiligt hatte. Noch aus der Untersuchungshaft nahm er Kontakt zum Verfassungsschutz auf und wurde V-Mann. Sein Quellenführer zeigte sich begeistert über die Informationen, die Piatto bis zu seiner Enttarnung im Jahr 2000 lieferte. Die Behörde gab ihm auch ein Handy, auf dem eine verdächtige SMS eines Mitglieds der militanten Organisation Blood & Honour einging. Inhalt war der Text “Hallo, was ist mit dem Bums” – die Nachricht werten Ermittler heute als Hinweis auf eine Waffenlieferung an den NSU.

Update: Urspünglich sollte Sz. auch am Mittwoch gehört werden. Die Befragung endete jedoch bereits am Dienstag.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Geschosse aus dem Fahrradkoffer

Im NSU-Prozess geht es erstmals um den Anschlag in der Kölner Keupstraße von 2004. Beweise zeigen, wie zerstörerisch die Tat wirkte – und wie gut die Terroristen sie vorbereitet hatten.

Es gab 22 Verletzte. Doch genauso gut hätten auch viele Menschen sterben können, als am 9. Juni 2004 eine mit Nägeln gespickte Bombe in der Kölner Keupstraße explodierte. Mit der Wucht von mehr als fünf Kilo Schwarzpulver traf sie Gewerbetreibende, Passanten, Kunden eines Friseursalons. Die Opfer in der vom türkischen Leben geprägten Straße erlitten Verbrennungen, Brüche und Wunden, manche brauchten Transplantationen. Vor allem aber trug der Anschlag von Köln die Angst in die Kölner Migrantengemeinde – die Angst vor Terroristen, die jederzeit und ohne Vorwarnung zuschlagen konnten.

Mehr als anderthalb Jahre nach Beginn des NSU-Prozesses greift das Münchner Oberlandesgericht die Tat auf, die laut Anklage Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübten. Während die zehn mutmaßlichen NSU-Morde gleich zu Beginn behandelt wurden, mussten sich die Anschlagsopfer aus der Keupstraße gedulden.

Die Betroffenen selbst kommen erst in der nächsten Woche zu Wort. Es wird ihre Stimmen brauchen, um das Ausmaß der rassistischen Gewalt begreifen zu können. Doch Zeugen der zerstörerischen Kraft der Nagelbombe sind auch Fotos und Vermerke, die drei Polizisten des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts am ersten Tag nach der Weihnachtspause im Gericht zeigen.

Kurz vor 16 Uhr detonierte die Bombe am 9. Juni. Die Kölner Polizei zog Spezialisten für Sprengstoffverbrechen des Landeskriminalamts in Düsseldorf hinzu. Der erste Experte am Tatort war der Kommissar Martin W. Er dokumentierte den Hass auf rund 500 Fotos.

Eines davon zeigt ein verbogenes Fahrrad mit silberfarbenem Rahmen. Der Vorderreifen fehlt, der hintere Teil ist mit tiefschwarzem Ruß bedeckt. Auf dem Rad war die Bombe platziert. Uwe Böhnhardt schob es laut Anklage in die Keupstraße, vor den Friseursalon mit der Hausnummer 29. Zuvor waren er und Mundlos an einer Überwachungskamera des Fernsehsenders Viva vorbeigegangen. Auf dem Gepäckträger befestigt war ein Hartschalenkoffer, darin eine Gaskartusche, die wiederum mit Schwarzpulver gefüllt war. Um den Sprengstoff herum hatten die Täter zudem mehr als 700 Nägel drapiert, jeder zehn Zentimeter lang.

Als die Bombe zündete, wurden die Metallstifte zu scharfen Geschossen. Bis zu 150 Meter flogen sie weit. Sie durchschlugen Körper, Fensterscheiben, Autos. Ermittler W. spricht von „großflächigen Entglasungen“: Noch in 250 Metern Entfernung barsten Fenster aus den Rahmen. Ein weiteres Foto zeigt die Bäckerei gegenüber, die mit Säulen an der Fassade dekoriert ist. Die Druckwelle verschob eine der Säulen um mehrere Zentimeter nach links. In anderen Geschäften sind die Leuchtreklamen abgeblättert, ein Teil einer Fahrradbremse hat die Heckscheibe eines Autos zerfetzt. W. nennt die Szene „ein Bild der Verwüstung“.

Am schlimmsten traf es das Friseurgeschäft, das zugleich ein beliebter Treffpunkt in der Keupstraße war. Die Wucht drückte die massive Haustür vor dem Wohnflur aus den Angeln, durch den Salon schossen die Nägel. Es liegt nahe, dass Mundlos und Böhnhardt den Tatort ganz bewusst ausgesucht hatten – um möglichst viele Menschen zu treffen.

Fest steht, dass die Täter den Anschlag zumindest technisch mit höchster Sorgfalt vorbereitet hatten. Mehrere Fotos zeigen kleine Schaltplatinen und andere elektrische Bauteile. Sie sind Belege für eine ausgeklügelte Konstruktion: Demnach wurde der Zünder mit einer Fernbedienung für Modellflugzeuge ausgelöst, die einen Schalter umlegte.

Auch das Fahrrad hatten die mutmaßlichen Terroristen offenbar eigens für die Tat angeschafft: Es wurde kurz zuvor bei Aldi verkauft, wie die Ermittler herausfanden. Nur den Seitenständer tauschten die Täter gegen ein massiveres Modell aus, damit es die schwere Bombe im Koffer tragen konnte.

Im Rückblick gibt es zahlreiche Parallelen zu einem vorherigen Anschlag in Köln: Im Dezember 200ß brachten Mundlos und Böhnhardt in einem iranischen Lebensmittelgeschäft eine Bombe in einer Stollendose vorbei. Auch sie war mit Schwarzpulver gefüllt, der Zünder ähnlich beschaffen. Auf einen Zusammenhang kamen die Ermittler jedoch erst, als der NSU sich im November 2011 selbst enttarnte und beide Taten ausführlich in seinem Bekennervideo darstellte.

Stattdessen richtete sich der Verdacht in den Jahren nach dem Anschlag immer wieder gegen Opfer und Anwohner, Spekulationen um einen Racheakt und das organisierte Verbrechen machten die Runde. Auch deshalb haben Vertreter der Nebenklage bereits angekündigt, den Fall Keupstraße mit vielen kritischen Fragen zu begleiten.

 

Auch die Medien haben versagt – Das Medienlog vom Montag, 12. Januar 2015

Bis der NSU im November 2011 aufflog, wurde die Mordserie an Migranten in den Medien immer wieder als „Dönermorde“ betitelt – ein rassistischer Begriff, in dem sich Vorurteile und unkritische Berichterstattung widerspiegeln. Die Otto-Brenner-Stiftung hat die Geschichte des Worts in einer Studie untersucht. Das Fazit: Die Medien haben im NSU-Komplex versagt. „Beschämend ist zudem, wie willfährig Journalisten den Irrwegen der Ermittler folgten“ und Opfern einen kriminellen Hintergrund unterstellten, kommentiert Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung.

Weiter„Auch die Medien haben versagt – Das Medienlog vom Montag, 12. Januar 2015“

 

173. Prozesstag – Gericht untersucht Anschlag in der Keupstraße

Der Anschlag vom 9. Juni 2004 ist bis heute ein Trauma für die türkisch geprägte Keupstraße in Köln: Dort explodierte ein Sprengsatz mit einer Nagelbombe vor einem Friseurgeschäft, den laut Anklage Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auf einem Fahrrad vorbeigebracht hatten. Mehr als 20 Menschen wurden durch die Bombe verletzt.

Am ersten Tag nach der Weihnachtspause beginnt in München die Aufarbeitung der Tat. Dazu hört der Strafsenat drei Polizisten des Landeskriminalamts, die nach dem Anschlag am Tatort ermittelten, Zeugen befragten und Spuren auswerteten. Die Betroffenen selber werden in der kommenden Woche geladen.

Die Befragung der Ermittler ist auch deshalb brisant, weil ein rechtsterroristisches Motiv kurz nach der Tat ausgeschlossen wurde. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily strich diese Möglichkeit schon am Tag darauf aus der Liste möglicher Hintergründe. Entsprechend verliefen die Ermittlungen: Immer wieder wurden Zeugen dem Verdacht ausgesetzt, in den Anschlag verstrickt zu sein; auch ein Racheakt türkischer Krimineller wurde lange Zeit als Grund diskutiert.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.