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Die Verstaatlichungswelle rollt

Für eine richtige Bilanz der Finanzkrise, die diese Woche einen weiteren Tiefpunkt erlebt hat, ist es noch viel zu früh, ich versuche aber mal eine Zwischenbilanz zu ziehen. Die gegenwärtige Krise an den Finanzmärkten ist vergleichbar mit der amerikanischen der Jahre 1929 folgende und der japanischen ab Januar 1990. In beiden Fällen hat es viele Jahre gedauert, bis sich die Wirtschaft davon erholt hatte. Im Grunde ist die japanische noch gar nicht richtig überwunden, und die amerikanische endete erst mit den staatlichen Ausgabenprogrammen des New Deal und des Zweiten Weltkriegs. Interessanterweise hat Robert Shiller in seinem neuen und sehr lesenswerten Buch mit dem Titel „The Subprime Solution“ Parallelen zur Situation in Europa nach dem Ersten Weltkrieg gezogen. „Der Versailler Vertrag … forderte von Deutschland verschärfte Reparationszahlungen, die weit jenseits seiner Zahlungsfähigkeit lagen. … Die starken Ressentiments, die der Vertrag hervorrief, waren einer der Faktoren, die eine Generation später zum zweiten Weltkrieg führten. … Ein vergleichbares Desaster, wenn auch nicht ganz in diesem Ausmaß, braut sich gerade wieder zusammen … Erneut sind breite Bevölkerungsschichten nicht in der Lage, ihre Schulden zu bezahlen und die Gläubiger lassen ihnen keine Ruhe. Erneut haben viele Leute das Gefühl, dass nicht sie sondern andere Kräfte für die Lage verantwortlich sind. Erneut sehen sie um sich herum Institutionen der Wirtschaft zu Grunde gehen, denen sie einst vertraut haben. Und erneut fühlen sie sich durch zu optimistische Geschichten betrogen, die sie ermutigt hatten zu hohe Risiken einzugehen.“ (S. 2f) Shiller sieht den sozialen Zusammenhalt durch die Krise gefährdet und sagt voraus, dass das amerikanische Wirtschaftswachstum auf Jahre hinaus sehr niedrig bleiben wird.
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Mit Euro-Anleihen durch die Krise

Die Weltwirtschaft wächst zur Zeit mit Raten von weniger als 1½%, gemessen am realen BIP und bewertet zu aktuellen Wechselkursen. Raten von weniger als 2% signalisieren gewöhnlich eine Rezession. So etwas gab es zuletzt 1975. Ein Wendepunkt ist noch nicht in Sicht. Vielmehr deuten alle Frühindikatoren darauf hin, dass sich das Wachstum weiter abschwächen wird.

Dabei erreicht die amerikanische Finanzkrise immer neue erschreckende Dimensionen. Auch die US-Haushalte haben angesichts fallender Hauspreise und Aktienkurse zunehmend Probleme mit ihren Finanzen und müssen den Gürtel enger schnallen. Das erinnert alles sehr an die japanische Krise, die inzwischen fast 20 Jahre lang anhält. Die USA stehen vor einer „balance sheet recession“, die auch mit niedrigen Zinsen und viel Liquidität nicht nachhaltig bekämpft werden kann.

Da der Rest der Welt ebenfalls nur noch sehr langsam wächst, gehen immerhin die Preise für Öl, Metalle und Nahrungsmittel jetzt stark zurück. Aus dem Kaufkraftschock, der die Rezession im Wesentlichen bewirkt hatte, wird eine positive Überraschung. Die Inflationsraten gehen zügig zurück und die Leute haben real wieder mehr Geld in der Tasche. Der Abschwung hat aber so viel Eigendynamik entwickelt, dass er auch dadurch nur schwer zu stoppen sein wird. Auf die Schwellenländer, die in den letzten Jahren zum Motor der globalen Wirtschaft geworden waren, ist inzwischen auch nicht mehr Verlass. Einbrechende Aktienmärkte und Krisen am Immobilienmarkt sind ein Indiz dafür, dass es auch dort zu kostspieligen Fehlinvestitionen gekommen ist, die nun korrigiert werden müssen und nun das Wachstum bremsen.

Was kann der Anleger tun? Grundsätzlich sollte man die Finger von Aktien lassen, solange die Gewinne wegen der schwachen Nachfrage unter Druck bleiben. Wenn überhaupt, dann solche Werte, die von fallenden Rohstoffpreisen profitieren. Da der Dollar wieder abwerten wird, sind amerikanische Exporteure und Multinationals plausible Alternativen. Vor allem aber ist dies eine Zeit für langlaufende Anleihen aus dem Euroraum, einschließlich Pfandbriefe und italienische Staatsanleihen. Wenn es so wird wie in Japan, sollte man sich die Portefeuilles voll stopfen damit. Wie viel bringen die 10-jährigen JGBs (Japanese Government Bonds) heute? 1,5%! Selbst am Bondmarkt kann es also große Kursgewinne geben – vorausgesetzt die Inflation geht dauerhaft stark zurück. Danach sieht es zur Zeit aus.

Ausführliches zur wirtschaftlichen Lage in den USA, Euroland, Japan, China und Russland, sowie den damit verbunden Implikationen für Aktien, Bonds und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – September 2008*) (pdf, 239 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Der gefährlich blinde Fleck der Notenbanker

Die Finanzkrise hat auch ihr Gutes: Sie sät Zweifel, Zweifel an falschen Gewissheiten. Mit Freude habe ich vergangene Woche vernommen, dass selbst Joe Ackermann sich mit seinem Renditeziel von 25 Prozent nicht mehr recht wohl fühlt. Ja, die absurden Eigenkapitalanforderungen geraten ins Wanken. Und das ist gut so, denn sie sind mit das größte Kreuz des modernen Finanzkapitalismus. Mit der Kritik an den überzogenen Renditevorstellungen der Unternehmen wird der Finger in eine offene Wunde der Notenbanker gelegt. Darum haben sich nämlich die Herren und Damen Volkswirte in den Direktorien über Jahre viel zu wenig Gedanken gemacht. Sie haben immer nur auf die Inflationserwartungen gestarrt und die Gewinnerwartungen außen vor gelassen.
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Des EZB-Beobachters Fata Morgana – ein Konferenzbericht

So langsam scheint sich Realismus auch am Aktienmarkt einzustellen. Das hat ein bisschen damit zu tun, dass auch die Notenbanker endlich beginnen, Klartext zu reden. Die EZB senkte am Donnerstag ihre Wachstumsprognosen. Gleichzeitig machte Präsident Jean-Claude Trichet klar, dass aus der deshalb eigentlich fälligen Zinssenkung nichts wird. Da mutet die mächtige Institution uns doch lieber eine richtige Rezession zu. Offiziell ist das immer noch eine „Delle“, wie sein Euphemismus für das lautet, was kommen wird. Es ist deprimierend.
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Von nun an sinken die Inflationsraten

Nach den ersten Resultaten aus einigen Bundesländern, die am Mittwoch bekannt gegeben wurden, lagen die deutschen Verbraucherpreise im August offenbar nur noch 3,1 Prozent über ihrem Vorjahreswert, nach 3,3 Prozent im Juli. Saisonbereinigt sind sie um 0,3 Prozent gegenüber Juli gefallen. Es ist allerdings noch eine Menge Druck in der Pipeline. Im Juli betrugen die Inflationsraten bei den Einfuhrpreisen und industriellen Erzeugerpreisen noch 9,3 Prozent und 8,9 Prozent. Das an die Verbraucher weiter zu geben, wird aber nicht leicht sein. Denn trotz der bis zuletzt gestiegen Beschäftigung, ist es um die Einkommen der privaten Haushalte insgesamt nicht gut bestellt.
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Vermögenspreise sinken, Verbraucherpreise steigen – so kann es nicht weitergehen

Was ist denn nun wahrscheinlicher, dass sich die Inflation beschleunigt oder dass sie zurückgeht? Bis vor wenigen Wochen hatten praktisch alle wichtigen Notenbanken der Welt noch vor, die Zinsen zu erhöhen, mit der Ausnahme der neuseeländischen. Bei den aktuellen Inflationsraten kam es zu einer bösen Überraschung nach der anderen. Vor allem auf den vorgelagerten Stufen, den Einfuhrpreisen und den Erzeugerpreisen, gab es selbst in Ländern wie den USA und Großbritannien Zuwachsraten von bis zu 30 Prozent. Eine restriktivere Politik war daher angesagt. Aber: What a difference a month makes!
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Der Euro ist im freien Fall

Gerade ist der Wechselkurs des Euro bei $1,5064 angekommen. Heute morgen stand er noch bei $1,5311. Damit kostet er 5,8 Prozent weniger als am 22. April, als er bei knapp unter $1,60 seinen bisherigen Höhepunkt erreicht hatte. Es sieht ganz nach einem freien Fall aus, zu dem es meist dann kommt, wenn alle Welt auf einen weiter steigenden Kurs gesetzt hat, wenn also vor allem die institutionellen Akteure per saldo long sind, die positiven Nachrichten aber plötzlich ausbleiben. (Netto kann der Markt natürlich nicht long sein). Einige Gründe sprechen dafür, dass der Euro noch weiter abwerten könnte:
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Deutsches BIP geht stark zurück

Wenn es stimmt, was die Süddeutsche berichtet und was die Financial Times am heutigen Mittwoch als Hauptüberschrift auf ihrer Titelseite bringt, dann ist das reale Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal saisonbereinigt gegenüber dem ersten um 1 Prozent zurückgegangen, nach angelsächsischem Usus also mit einer annualisierten Rate von rund 4 Prozent. Die USA, gemeinhin als der neue kranke Mann unter den Industrieländern bekannt, hatten es so gerechnet dagegen auf eine Zuwachsrate von plus 1,9 Prozent gebracht. Noch so ein Quartal, und wir steckten, wiederum nach angelsächsischem Verständnis, in einer Rezession. Wie ernst sollen wir das nehmen?
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Aktien vorläufig noch schwach, Inflation vor der Wende

Noch gibt es keine Anzeichen, dass sich die konjunkturelle Lage verbessern könnte. Vorläufig wird sich das Wachstum hierzulande ebenso wie im Rest der Welt weiter abkühlen. Die freien Kapazitäten nehmen zu und die Unternehmensgewinne sind rückläufig. Die Aktienmärkte werden daher vorerst schwach bleiben.

Das sich verschlechternde wirtschaftliche Umfeld bedeutet aber auch, dass der Inflationsdruck abnimmt. Die Preise für Erdöl, die meisten Metalle sowie Nahrungsmittel sinken bereits seit einigen Wochen. Für die Zentralbanken ist das erst einmal eine Entwarnung, ebenso wie für die Anleger am Bondmarkt.

Ausführliches zur wirtschaftlichen Lage in den USA, Euroland, Japan, China und Russland, sowie den damit verbunden Implikationen für Aktien, Bonds und den Dollar in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – August 2008*) (pdf, 230 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Ein Konjunkturprogramm – jetzt!

Ausnahmsweise muss ich mal Michael Glos, den populistischen Wirtschaftsminister rühmen. Sein Haus bereitet angesichts des rapiden Abschwunges gerade Pläne für eine Konjunkturspritze vor. Glos ist zurzeit der einzige Politiker in der Großen Koalition, der den Sinn von Konjunkturprogrammen verstanden hat. Herr Glos, lassen Sie Merkel und Steinbrück zetern und stecken Sie noch weitere kluge Köpfe Ihres Hauses in das Projekt. Sie werden damit ganz groß rauskommen, denn schon in vier Wochen wird das Heulen und Zähneklappern unüberhörbar sein. Der Abschwung überrollt die deutsche Wirtschaft gerade. Sie müssen noch heftig am Design des Programms feilen und auch die Höhe ist mit zehn Milliarden Euro wohl etwas zu knapp bemessen. Aber der Reihe nach.
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