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Das Biest NAWRU

Großartiger Beitrag von Jeremie Cohen-Setton über das krasse Versagen der Modelle der Europäischen Kommission zur Bestimmung des strukturellen Anteils der Krise in Südeuropa. Hier für Spanien die Arbeitslosenquote und die – vermeintlich – strukturelle Arbeitslosenquote (hier Non Accelarating Wage Rate of Unemployment oder NAWRU).

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Wir sehen: Die strukturelle Arbeitslosenquote folgt schlicht der tatsächlichen und wenn man diesen Chart für voll nimmt, muss sich Spanien daran gewöhnen mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit zu leben. Wie Jeremie schreibt:

So although one can argue that a crisis can temporarily – as workers need time to adjust to the new sectoral and geographical composition of jobs – or permanently – because of hysteresis effects – decrease potential labor input, the size of the adjustments applied by the European Commission appears clearly inadequate.

Ein wesentlicher Pfeiler des makro-ökonomischen Regelwerks  – und der politischen Empfehlungen, die etwa in der Haushaltspolitik daraus abgebleitet werden – ist die Trennung zyklischer von strukturellen Entwicklungen. Wenn das nicht funktioniert – und zumindest derzeit scheint es nicht zu funktionieren – muss man ganz grundsätzlich darüber nachdenken, ob wir hier nicht auf dem falschen Weg sind.

 

Was passiert, wenn sich die US-Regierung nicht mehr verschulden darf

Der 17. Oktober rückt näher, der Tag, an dem die Schulden der amerikanischen Bundesregierung ihr gesetzliches Limit von 16,7 Billionen Dollar erreichen werden. Danach dürfen keine neuen Schulden mehr gemacht werden – der Staat kann nur so viel ausgeben, wie an laufenden Einnahmen hereinkommt. Die Ausgaben liegen in diesem Jahr bei etwa 3,85, die Einnahmen bei 2,70 Billionen Dollar. Etwa 30 Prozent der Bundesausgaben werden also auch heute noch, vier Jahre nach dem Ende der Rezession, mit Schulden finanziert. Vermutlich werden die Exekutive, also der demokratische Präsident, und das Repräsentantenhaus, die untere Kammer der Legislative, in letzter Minute einen Kompromiss finden oder sich auf Übergangslösungen einigen. Wenn aber nicht, was dann?
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Die Kosten des griechischen Schuldenschnitts

Griechenland spielt bekanntlich mit dem Gedanken, eine Verlängerung der Laufzeit eines Teils seiner Kredite auf 50 Jahre zu beantragen. Wir haben das Institut für Weltwirtschaft in Kiel gebeten, die möglichen Auswirkungen auf den Barwert der Forderungen auszurechnen.

Das Ergebnis findet sich hier. Kurzzusammenfassung: Der Barwertverlust schwankt zwischen 7,5 und 13,5 Milliarden Euro je nach Annahmen über die Entwicklung des Zinsniveaus in Griechenland relativ zur Euro-Zone (der Spread bewegt sich zwischen 0 und 200 Basispunkten).

Die weiteren Annahmen:

1. Es werden die 52,9 Milliarden aus dem bilateralen Kreditpaket verlängert, deren durchschnittliche Laufzeit derzeit bei 30 Jahren liegt.

2. Der Diskontzins ist der gewichtete langfristige Zins der kreditgebenden Staaten (die sich, so die Logik, verschulden müssen, um den Griechen Geld zu leihen)

3. Der Drei-Monats-Euribor wird konstant gehalten.

Man kann natürlich auch andere Annahmen treffen, aber es geht hier darum, eine Größenordnung deutlich zu machen – und zu zeigen, dass auch eine Laufzeitverlängerung einer Art Schuldenschnitt ist.

 

Der deutsche Konjunkturmotor stottert – Zeit, die prozyklische Finanzpolitik zu beenden!

Ich bin überrascht, dass es in diesen Tagen fast nur optimistische Äußerungen zur deutschen Konjunktur gibt, denn die Fakten sind keineswegs so gut wie die Stimmung.

Grafik: ifo Geschäftsklimaindex (Geschäftserwartungen und Lageeinschätzung)
ifo-Geschäftsklimaindex (Geschäftserwartungen und Lageeinschätzung)

Ein Warnsignal ist die Arbeitslosigkeit. Weiter„Der deutsche Konjunkturmotor stottert – Zeit, die prozyklische Finanzpolitik zu beenden!“

 

Die VerBILDung des Spiegel

Stefan Niggemeier hat schon alles über den neuen Spiegel-Titel gesagt. Da diskutiert die Republik also nach vielen Jahren in denen die Steuersätze nach unten gingen über (moderate) Steuererhöhungen und das Sturmgeschütz der Demokratie zeigt Angela Merkel und Sigmar Gabriel als Banditen, die „den Deutschen“ das Geld wegnehmen wollen. Der Staat als Räuberbande, der sich auf Kosten der Bürger bereichert – das war eigentlich die Domäne der Zeitung mit den vier großen Buchstaben.
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Warum Klaus Regling recht hat

Es gibt eine kontroverse Debatte über den Einwand von Klaus Regling, die hohe Staatsverschuldung in Griechenland sei als Maß für die Schuldentragfähigkeit nicht sehr geeignet. Die Welt wirft ihm vor, die Schulden kleinzurechnen.

Dabei ist es doch wirklich ganz einfach. Relevant für die Schuldentragfähigkeit sind – vom Wirtschaftswachstum abgesehen, dass hier als exogen betrachtet werden kann – die nominalen Verbindlichkeiten und die Verzinsung dieser Verbindlichkeiten.
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Von wegen Neuwahlen oder warum vielleicht die SPD am längeren Hebel sitzt

Viel ist derzeit die Rede von Neuwahlen als ultimativem Druckmittel der Union. Doch der Blick in die Verfassung zeigt, dass sich da einige Christdemokraten möglicherweise etwas vor machen. Laut Artikel 63 wählt der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kanzlerin auf Vorschlag des Präsidenten – im konkreten Fall: Angela Merkel.

Wenn das aber nicht gelingt, gibt es keineswegs zwingend Neuwahlen. Denn: Weiter„Von wegen Neuwahlen oder warum vielleicht die SPD am längeren Hebel sitzt“

 

Schäuble der Politfuchs

Ich überlasse die Analyse der Polittaktik normalerweise anderen und konzentriere mich auf die Inhalte, aber hier mache ich eine Ausnahme.

Wolfgang Schäuble wird gerade heftig kritisiert für seine Bereitschaft auf Steuererhöhungsforderungen eventuell einzugehen. Ich halte es aus drei Gründen für einen genialen Schachzug.

  1. SPD und Grüne werden die Koalition nur machen, wenn es in irgendeiner Form höhere Steuern gibt. Das ist die Realität. Hätte Schäuble also gesagt: Steuererhöhungen, mit mir nicht – er müsste sein Wort brechen und würde unglaubwürdig.
  2. Steuererhöhungen sind unpopulär. Indem Schäuble ihre mögliche Einführung schon jetzt der SPD und den Grünen in die Schuhe schiebt, ist er fein raus – nach dem Motto: Ich konnte ja nicht anders.
  3. Wenn es blöd läuft für die Sozialdemokraten, schreiben die Menschen die mit den Steuern neu gebauten Brücken der Union zu und die Belastungen der SPD.

Am Ende verhält es sich mit den Steuern wie mit der Ankündigung eines neuen Hilfsprogramms für Griechenland. Auch dafür wollten die Unionisten Schäuble am liebsten um die Ecke bringen. Hätte er es nicht gesagt, würde man ihm jetzt – wo dieses Programm verhandelt wird – Wahlbetrug vorgeworfen.

Das ist wie gesagt eine rein taktische Betrachtung, ich halte höhere Steuern für Gutverdiener für richtig, aber unter diesen Gesichtspunkten muss ich sagen: Respekt.

 

Euro – Zeit für einen ausgewogeneren Policy Mix

Endlich haben wir die Wahlen hinter uns und es ist wieder möglich, unvoreingenommen die wichtigsten wirtschaftspolitischen Themen anzugehen: die Zukunft des Euro, die Energiewende und die Einkommensverteilung. Martin Wolf hat am Mittwoch in der Financial Times wieder einmal versucht nachzuweisen, dass der Euro nicht überleben kann, wenn Deutschland an seiner Sparpolitik festhält und die Krisenländer zwingt, ebenfalls eine solche Politik zu betreiben („Germany’s strange parallel universe„). Er weist darauf hin, dass Wolfgang Schäuble vor ein paar Tagen auf der Kommentarseite der FT in seinem Beitrag („Ignore the doom-mongers – Europe is being fixed„) über die positiven Tendenzen im Euro-Land mit keinem Wort konzediert hat, dass es nicht nur auf strukturelle Reformen auf der Angebotsseite ankommt, sondern ebenso sehr auf eine dynamischere Nachfrage, wenn der Euro eine Zukunft haben soll.
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